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Full text of "Handbuch Islam 300 Dpi Print"

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Ahmad A. Reidegeld 



Handbuch Islam 



Die Glaubens- und 
Rechtslehre der Muslime 




Spohr 



Die Cyprus Library 
Centre for the Registration of Books and Serials 
verzeichnet das folgende Werk unter der 

ISBN 978-9963-40-028-7 



Herausgegeben von 
Hasan Özdogan 



2. unveränderte Auflage 2008 

ISBN 978-9963-40-028-7 

[978-3-927606-28-9] 

© Copyright 2005 by Spohr Verlag GbR, 

Salim Spohr, Kandern im Schwarzwald. 

© Copyright 2008 by Spohr Publishers Limited, 

Dali/Nikosia, Zypern [www.spohr-publishers.com]. 

Alle Rechte, auch die des auszugs weisen Nachdrucks, 

der fotomechanischen Wiedergabe und 

der Übersetzung, vorbehalten. 

Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm. 

Printed in Germany. 



Inhalt 



Vorwort des Verlages 21 

Vorwort des Verfassers 23 



ERSTER TEIL 
DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE ('AQÄTD) 

Allgemeine Vorstellung: 31 

Was genau bedeutet 'Aqida? 31 

Kapitel 1: Der Glaube an Gott 32 

§ I DAS BEZEUGEN DER EINHEIT UND EINZIGARTIGKEIT GOTTES [taukld) .... 32 
§ 2 DER GOTTESNAME „fl//flA" 3 5 

§ 3 der gottesname „rabb" 39 

§ 4 DER GLAUBE AN DIE EIGENSCHAFTEN GOTTES 40 

Kapitel 2: Der Glaube an die Engel 50 

§ 5 SCHÖPFUNGSEI GEN SCHAFT DER ENGEL 5 I 

§ 6 DIE WICHTIGSTEN STUFEN IN DER HIERARCHIE DER ENGEL 5 I 

§ 7 DIE TÄTIGKEITEN DER ENGEL 52 

§ 8 DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN DER ENGEL 54 

§ 9 DER GLAUBE AN DIE EXISTENZ DES TEUFELS (ashshditän), 

DER TEUFELWESEN (shayäßn) UND DER GEISTWESEN {/m«) 5 7 

Kapitel 3: Der Glaube an die geoffenbarten Bücher und Schriften 62 

§ IO DIE IM KORAN MIT BESONDEREM NAMEN GENANNTEN 

OFFENE ARUN GS SCHRIFTEN 62 

§ I I DIE FRAGE DER VERFÄLSCHUNG UND VERNICHTUNG DER OFFEN- 

BARUNGSSCHRIFTEN UND DIE UNVERÄNDERTHEIT DES KORANS .... 63 

Kapitel 4: Der Glaube an die Propheten [Anbiyä') und Gesandten (Rusul) Gottes 64 

§ 12 GRUNDSÄTZLICHES 64 

§ I 3 WESENSART UND AUFGABEN DES PROPHETENTUMS (nubüWWä) 65 

§ 14 DIE GRUNDARTEN DES PROPHETENTUMS 66 

Kapitel 5: Der Glaube an die Vorherbestimmung (Qadr) 68 

Kapitel 6: Der Glaube an den Jüngsten Tag (Taum al-Qpäma) 69 

§ 15 ALLGEMEINE VORSTELLUNG 69 

§ I 6 DER TOD UND DER TODESENGEL (malük dl-maut) 7 

§ I 7 DIE HEIMSUCHUNG IM GRAB (fitnat al-qabr), DIE BEFRAGUNG 

DURCH DIE ZWEI ENGEL, DIE BESTRAFUNG DER UNGLÄUBIGEN IM 

grab {'adhäb al-qabr) und die Annehmlichkeit und wohltat 

ALS BELOHNUNG FÜR DIE GLÄUBIGEN IM GRAB (na'im al-qabr) 73 



O HANDBUCH ISLAM 

§ I 8 DIE ZEIT DES büTZäkh VON DEM AUFENTHALT 

IM GRAB BIS ZUR AUFERSTEHUNG 75 

§ I 9 DIE ZEICHEN FÜR DIE NÄHE UND DAS ANBRECHEN 

DES JÜNGSTEN TAGES {üshät dS-sä'd) ALLGEME 

§ 20 die kleinen zeichen (al-ashrät as-sughra) 77 

§ 2 1 die grossen zeichen (alashrät al-kubra) 78 

§ 22 DER EIGENTLICHE BEGINN DES JÜNGSTEN TAGES 

[yaum al-qiyämd) 82 

§ 23 DIE AUFERSTEHUNG (dl-ba'th) 83 

§ 24 DIE VERSAMMLUNG (dl-hashr) 83 

§ 25 DIE FÜRSPRACHE (shafi'ä) BEI GOTT 84 

§ 26 DAS RICHTEN (qadä), DAS STEHEN DES EINZELNEN VOR DEM 

THRON GOTTES (dl-'arad) UND DIE ABRECHNUNG (ül-hisäb) 85 

§ 27 der teich (al-haud) 86 

§ 28 die waage (al-mizän) 86 

§ 2 9 der weg (as-sirät) 87 

§ 30 DER WALL, DIE ZWISCHENWÖLBUNG ZWISCHEN 

Paradies und hölle (al qintara) 87 

§ 3 1 Paradies (al-janna) und hölle (jahannam) 88 

ANMERKUNGEN 93 



ZWEITER TEIL 
DAS ISLAMISCHE RECHT 



Einleitung 103 

Das islamische Recht 103 

Kapitel 1: Die SharVa 105 

§ I DAS ISLAMISCHE RECHT UND SEINE GRUNDLAGEN 

[fiqh und usül al-fiqh) 105 

§ 2 wissen (Hlm) und un wissen (jahl) 106 

§ 3 DER UNTERSCHIED ZWISCHEN WISSEN UND WISSENSCHAFT I 07 

§ 4 DIE WERTSCHÄTZUNG VON GELEHRTEN UND GELEHRSAMKEIT I I 2 

Kapitel 2: Die Rechtsschulen (Madhähib) im islamischen Recht 1 14 

§ 5 was bedeutet „rechtsschule" (madhhab)? 1 14 

§ 6 ENTSTEHUNG UND ROLLE DER RECHTSSCHULEN I ig 

Kapitel 3: Einzelvorstellung der Rechtsschulen 1 2 1 

§ 7 die hanafiya 1 2 1 

§ 8 die mälikiya 1 22 

§ 9 die shäfi'iya 1 24 

§ 10 die hanbaliya 1 25 

Kapitel 4: Definition der Hadith-Einteilungen 126 

§ I I ALLGEMEINES ZUR EINTEILUNG I 26 

§ I 2 DIE EINTEILUNGEN BEZÜGLICH DER ANZAHL DER KETTEN I 27 

§ I 3 DIE EINTEILUNG IN STÄRKEGRADE I 29 

§ I 4 DAS ARBEITEN MIT SCHWACHEN hüdlthm I 30 

Kapitel 5: Die wichtigsten Begriffe bei der Anwendung 

des islamischen Rechts 132 

§ 1 $fard (absolut verpflichtendes) 132 

§ 16 a>ö/Y£ (verpflichtendes) 133 

§ 1 7 mandüb (wünschenswertes) 134 

§ 18 mubäh (wertfreies) 135 

§ 19 makrüh (abzulehnendes) 136 

§ 20 haräm (verbotenes) 136 

Kapitel 6: Die Rolle von Brauch ('Urj) im islamischen Recht 138 

§ 2 I ALLGEMEINE VORSTELLUNG DER BEGRIFFE ,/lllf 1 UND Jädü" I 38 

§ 22 WAS VOM ISLAMISCHEN RECHT HER ALS KORREKTER BRAUCH 

ANERKANNT WIRD UND WAS NICHT I 39 

§ 23 UNTERSCHIEDE UND GEMEINSAMKEITEN BEI „'urf UND ,,'äda" .... I 40 

§ 24 BESONDERE DEFINITIONEN VON „ Wfl" I 4 I 

§ 25 EINTEILUNGEN BEIM BRAUCH ('ülf) 141 

ANMERKUNGEN I 43 



HANDBUCH ISLAM 



I. 

Buch über die Reinheit ( Tahära) 



Kapitel i : Rolle und Verständnis von Reinheit ( Tahära) 149 

§ I GRUNDSÄTZLICHES I 49 

§ 2 ORT UND ART DER REINHEIT, HINSICHTLICH DER ARTEN DER 

AUFHEBUNG DER REINHEIT I5O 

§ 3 WIE REINHEIT GRUNDSÄTZLICH ERREICHT BZW. WIEDERHERGE 

STELLT WERDEN KANN I50 

Kapitel 2: Über die Reinheit des Wassers und die Reinigung mit Wasser 151 

§ 4 DIE ALLGEMEINEN BEDINGUNGEN ZUR REINHEIT DES WASSERS .... I 5 I 
§ 5 WANN MAN AN DER REINIGUNG GEHINDERT IST I 5 I 

Kapitel 3: Die Arten des Wassers, die zur Reinigung erlaubt sind 153 

§ 6 tähir mutahhir 

(WAS REIN UND ZUR REINIGUNG GEEIGNET IST) I54 

§ 7 tähir mutahhir makrüh (was rein und grundsätzlich zur 

REINIGUNG GEEIGNET, ABER ZUGLEICH ABZULEHNEN IST) I 54 

§ 8 tähir ghair mutahhir {w as rein, aber nicht 

ZUR REINIGUNG GEEIGNET IST) 154 

§ 9 mutanajjis (was verunreinigt ist) 155 

Kapitel 4: Die verunreinigenden Dinge [Najäsät) 156 

§ IO ALLGEMEINE VORSTELLUNG I 5 6 

§ 11 tatsächliche nojäsa (najäsa haqiqiyd) 157 

§ 1 2 najäsaDER rechtlichen Bestimmung nach 

(najäsa hukmiya) 157 

§ 13 arten der najäsa 158 

§ 1 4 wie najäsa übertragen wird 163 

§ I 5 AUFHEBUNG VON UNREINEN DINGEN (najäsät) I 66 

§ i 6 was an najäsät bei dingen, die rituelle Reinheit 

ERFORDERN, VERNACHLÄSSIGT WERDEN KANN I 6 7 

Kapitel 5: Das vollständige Reinigen nach dem Verrichten des Bedürfnisses 

(Istinjä') und das Verrichten des Bedürfnisses 168 

§ 17 ALLGEMEINE BESCHREIBUNG VON istinjä' UND istlbrä' I 68 

§ l8 DAS, WOMIT MAN DEN istinjä 1 VORNEHMEN KANN 

(mustanjä bihi) i 68 

§ 19 WOMIT MAN DEN ^7I/fl J NIGHT DURCHFÜHREN KANN I 69 

§ 20 was beim istinjä', istibrä' sowie dem verrichten 

DES BEDÜRFNISSES BEACHTET WERDEN MUSS BZW. WAS 

ALS GUTE SITTE EMPFOHLEN IST 169 

Kapitel 6: Die Aufhebung der Reinheit (der Hadath) 1 72 

§ 2 I ALLGEMEINE BESCHREIBUNG I 72 

§ 22 DIE BEIDEN ARTEN DER AUFHEBUNG DER REINHEIT I 72 

Kapitel 7: Der Zustand nach dem Hadath akbar (Janäba) 1 75 

§ 23 Beschreibung der janäba 175 

§ 24 was im zustand der janäba verboten ist 1 76 

Kapitel 8: Menstruation (Haid) 177 

§ 25 allgemeine Vorstellung von haid 177 



INHALT 9 

§ 26 die scheinperiode (istihäda) I 8 I 

§ 27 WAS IM ZUSTAND DER MENSTRUATION {fluid) 

ZU TUN UNTERSAGT IST l8l 

Kapitel 9: Blutungen bei der Geburt und Monatsfluß [Nafis) 182 

§ 28 ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 182 

§ 29 DIE RECHTLICHE BESTIMMUNG VON Tlüfis I 8 3 

§ 30 UNTERSCHIEDE VON fluid UND nqfis IN RECHTLICHER UND 

SONSTIGER HINSICHT 183 

§ 3 I DIE MAXIMAL- BZW. NORMALDAUER VON nqßs I 84 

§ 32 WENN DIE «fl/flJ-BLUTUNGEN VOR ENDE DER NORMALDAUER 

DES ÖFTEREN AUFHÖREN 184 

Kapitel 10: Die Teilwaschung (Wudü) 186 

§ 33 ALLGEMEINE BESCHREIBUNG UND akkäm DES WUtlÜ' l86 

§ 34 DIE VERPFLICHTENDEN DINGE BEIM WltdÜ' I94 

§ 35 DIE DURCH DIE SUNNA WÜNSCHENSWERTEN UND EMPFOHLENEN 

DINGE BEIM Wudü' 2 00 

§ 36 WAS BEIM WtldÜ' ABZULEHNEN (mahüK) IST 203 

§ 37 was den wudü' aufhebt (nawäqid) 204 

Kapitel 1 1 : Die Ganzkörperwaschung (Ghusl) 206 

§ 38 ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 206 

§ 39 die ahhäm des ghusl 206 

§ 40 DER VERPFLICHTENDE gkusl (ghüsl mqftüd) UND DIE GRÜNDE, 

DIE IHN ERFORDERLICH MACHEN (asbäb mqfrüdd) 207 

§ 41 die arkäriBZw. pflichten beim ghusl 207 

§ 42 die sunanDES ghusl 208 

§ 43 die durch die sunna empfohlenen anlasse 

(asbäb masnüna) 210 

Kapitel 12: Die Ersatzwaschung (Tayammum) 212 

§ 44 ALLGEMEINE VORSTELLUNG 2 12 

§ 45 DIE ARTEN DER ERSATZWASCHUNG (tayammum) 2 I 2 

§ 46 zum Anwendungsbereich des tayammum 2 1 3 

§ 47 DIE BEDINGUNGEN (shurÜt) BEZÜGLICH DES tayammum 2 I 3 

§ 48 wann der tayammum angewendet wird 214 

§ 49 die arkän des tayammum 215 

§ 50 weitere pflichten in den rechtsschulen 2 1 7 

§ 5 1 wie lange der tayammum gültig sein kann bzw. 

was den tayammum aufhebt 218 

§ 52 wenn man weder wudü 3 noch tayammum 

verrichten kann 218 

Kapitel 13: Über das Bestreichen der Schuhe (al-Mash c alä l-Khuffain) 219 

§ 53 ALLGEMEINE VORSTELLUNG 219 

§ 54 DIE BESTE, DER SUNNA GEMÄSSE DURCHFÜHRUNG DES mash 2 I 9 

§ 55 WAS EIN FÜR DIE REINIGUNG DER BESTREICHUNG 

GEEIGNETER „khuff' ÜBERHAUPT IST 220 

§ 56 DIE ALLGEMEINEN BEDINGUNGEN ZUR KORREKTEN DURCH- 
FÜHRUNG des mash, dem bestreichen der beiden khuff 220 

§ 57 WEITERE BEDINGUNGEN, GEORDNET NACH DEN 

EINZELNEN RECHTSSCHULEN 223 

§ 58 DIE FLÄCHE, DIE BEIM masfl VERPFLICHTEND 

FEUCHT BESTRICHEN WERDEN MUSS 225 

§ 59 DAS TRAGEN EINES khuffüBER EINEM ANDEREN khuff 2 26 

§ 60 WIE LANGE EIN mash ÜBER DIE KHUFF GÜLTIG SEIN KANN 227 

\ 6 I WODURCH EIN masfl ÜBER DIE /^«/fuNGÜLTIG WIRD 2 28 



10 HANDBUCH ISLAM 

Kapitel 14: Das Bestreichen einer Schiene (Jabira) 228 

§ 62 ALLGEMEIN 2 28 

§ 63 BEDINGUNGEN DES BESTREICHENS AUF EINER jabira 2 29 

§ 64 GÜLTIGKEIT EINES BESTREICHENS AUF EINER jabira UND 

DER DAMIT VERRICHTETEN GEBETE 229 

ANMERKUNGEN 23 I 



II. 

Buch über das Gebet (Saläk) 
Kapitel i: Was ist das Gebet im Islam? 243 

§ I DIE BEDEUTUNG DES GEBETES IM ISLAM 243 

§ 2 DER UNTERSCHIED ZWISCHEN Saläk (GEBET IN FESTER FORM) 

und du'a' (bittgebet) 244 

§ 3 welche arten von gebeten es gibt 

(kurzer Gesamtüberblick) 246 

Kapitel 2: Die Gebetszeiten 251 

§ 4 DIE GEBETE UND IHRE ZEITEN 251 

§ 5 DIE ZEITEN, ZU DENEN ES VERBOTEN BZW. makrük IST ZU BETEN .... 254 

Kapitel 3: Das Verbinden (Jam*) von zwei Gebeten in einer Gebetszeit 255 

§ 6 WAS DAS VERBINDEN (jam') EIGENTLICH IST 255 

§ 7 DIE FRAGE, OB DAS VERBINDEN ZULÄSSIG, EMPFOHLEN, 

VERPFLICHTEND USW. IST 257 

§ 8 IN WELCHEN FÄLLEN DAS ECHTE VERBINDEN (jam' fiaqiqi) 

ÜBERHAUPT MÖGLICH IST 257 

Kapitel 4: Der Gebetsruf [Adhän) 259 

§ 9 Beschreibung des adhän 259 

§ IO VERPFLICHTENDE BEDINGUNGEN BEI 

DER DURCHFÜHRUNG DES adhän 260 

§ I I VERPFLICHTENDE BEDINGUNGEN DES mu'adhdhin 

(des gebetsausrufers) 261 

§ I 2 EIGENSCHAFTEN UND SUNNA BEIM adhän 2Ö2 

Kapitel 5: Der direkte Aufruf zum Gebet (Iqäma) 265 

§ I 3 BESCHREIBUNG DES iqäma-RXJFES 265 

§ 14 VERPFLICHTENDE BEDINGUNGEN ZUR DURCHFÜHRUNG DES iqama- 
RUFES: EIGENSCHAFTEN UND SUNAN 267 

Kapitel 6: Die Bedingungen der Verpflichtung zum Gebet [Shurüt al-wujüb) ... 267 

§ I 5 ZUGEHÖRIGKEIT ZUM ISLAM 268 

§ I 6 ERREICHEN DER ALTERSMÄSSIGEN, 

KÖRPERLICHEN REIFE (bülügh) 268 

§ I 7 VORHANDENSEIN DES VERSTANDES 268 

§ 18 EINTRETEN DER GEBETSZEIT 269 

§ I 9 KEIN HINDERUNGSGRUND [haid, nqfis) 269 

Kapitel 7: Bedingungen der Gültigkeit des Gebets [Shurüt as-Sihha) 269 

§ 20 ZUGEHÖRIGKEIT ZUM ISLAM 27O 

§ 2 I VERRICHTEN DES GEBETES IN SEINER GEBETSZEIT 270 

§ 22 Reinheit [tahärd] 271 

§ 23 DAS SICH-AUSRICHTEN AUF DIE qibla 27 I 



INHALT I I 

§ 24 DAS BEDECKEN DER Wo 274 

§ 25 DIE GEBETSPLATZBEGRENZUNG (sutrd) 283 

Kapitel 8: Pflichten, Empfohlenes und Untersagtes im Gebet 286 

§ 26 DIE ERSTE PFLICHT: DIE ABSICHT [tliyd) 286 

§ 27 DIE ZWEITE PFLICHT: DER ERÖFFNENDE TAKBlR 

(takbirat al-ihräm) 294 

§ 28 DIE DRITTE PFLICHT: DAS STEHEN {qiyäm) 302 

§ 29 DIE VIERTE PFLICHT: DAS REZITIEREN DER FÄTIHA 

(qirä'at al-fötiha) 304 

§ 30 DIE FÜNFTE PFLICHT: DAS SICH-VERBEUGEN (mkü) 308 

§ 3 I DIE SECHSTE PFLICHT: DIE NIEDERWERFUNG (süjüd) 309 

§ 32 DIE SIEBTE PFLICHT: DAS SICH-AUFRICHTEN NACH DER VER- 
BEUGUNG (ar-raf min ar-rukü) die achte Pflicht: 

DAS SICH-AUFRICHTEN NACH DER NIEDERWERFUNG {ar-mf min 
aS-SUJÜd) DIE NEUNTE PFLICHT: DAS SICH-GERADE-MACHEN BEIM 
AUFRICHTEN (i'tidäl) DIE ZEHNTE PFLICHT: DAS INNEHALTEN 
UND VÖLLIGE RUHIGWERDEN DER KÖRPERGLIEDER NACH DER 

Niederwerfung usw. (tamämna) 313 

§ 33 die elfte Pflicht: das letzte sitzen (al-qu'üd al-'akhir) 315 

§ 34 die zwölfte Pflicht: der letzte tashahhud 3 1 6 

§ 35 DIE DREIZEHNTE PFLICHT: DER SCHLUSSGRUSS (saläm) 320 

§ 36 DIE VIERZEHNTE PFLICHT: DIE REIHENFOLGE DER ABSOLUTEN 

pflichten (tartib al-arkän) 321 

§ 37 DIE FÜNFZEHNTE PFLICHT: DAS SITZEN ZWISCHEN DEN BEIDEN 

Niederwerfungen (al-julüs baina s-s-sajdatain) 322 

§ 38 bedingte pflichten (wäjibät) und sunan mu'akkada 

IM GEBET 32 2 

Kapitel 9: Einzelvorstellungen der wichtigsten Sunan 329 

§ 39 das erheben der hände beim takbirat al-ihräm 329 

§ 40 der ta'min („amin" zu sagen) 330 

§ 41 DIE RECHTE HAND (BZW. DEN RECHTEN UNTERARM) AUF DIE 

LINKE HAND (ßZW. DEN LINKEN UNTERARM) ZU LEGEN 330 

§ 42 der tahmid („rabbanä wa laka l-hamd" zu sagen) und 

der tasmi' („sami'a llähuliman hamidah" zu sagen) 332 

§ 43 dass der imäm takbir, tasmi' xjni> saläm (schlussgruss) 

LAUT (iNJflÄr-FORM) AUSSPRICHT 332 

§ 44 WANN DER NACHBETER DIE WORTE DES IMÄM LAUT NACHSPRICHT 332 

§ 45 die takbirätvES Gebets, die sunna sind 333 

§ 46 DAS REZITIEREN EINER SURE USW. 

NACH DER REZITATION DER FÄTIHA 334 

§ 47 das du'ä' der Eröffnung (du'ä' al-istifiäh) 335 

§ 48 der ta'awwudh (zu sagen: „a'üdhu bi llähi 

mina sh-shaitäni r-rajim") 336 

§ 49 das sprechen der basmala im gebet 336 

§ 50 DIE STELLUNG DER FÜSSE UND DER BETENDEN ZUEINANDER 

ALLGEMEIN WÄHREND DES qiyäm 338 

§ 5 I DER TASBIH WÄHREND DES RUKÜ' UND SUJÜD (ZU SAGEN: „Süb- 

häna rabbiya l-'a^im" bzw. „subkäna rabbiya l-a'lä") 338 

§ 52 DIE HALTUNG DER HÄNDE WÄHREND DES TllkÜ' 3 39 

§ 53 DASS DER BETENDE IM RUKÜ' NACKEN UND 

RÜCKEN GERADE HÄLT 339 

§ 54 WIE MAN IN DEN SUJÜd GEHT BZW. SICH DARAUS WIEDER ERHEBT ... 339 

§ 55 DIE HALTUNG DER HÄNDE WÄHREND DES SITZENS (jttlüs) 34O 

§ 56 DIE HANDSTELLUNG WÄHREND DES SUJÜD 340 

§ 57 DIE KÖRPERHALTUNG IM SUJÜD 341 



12 HANDBUCH ISLAM 

§ 58 LAUTES REZITIEREN (Jahr) UND LEISES REZITIEREN 

(isrär) 1 m gebet 341 

§ 59 ARTEN DES SITZENS ijulÜS) IM GEBET 343 

§ 60 DIE HINWEISENDE GESTE WÄHREND DES taskükhud 345 

§ 6 I WIE MAN DEN SGHLUSSGRUSS (saläm) GIBT 346 

§ 62 DIE ABSICHT (niya) DES BETENDEN BEIM SCHLUSJ3GRUSS 346 

§ 63 DAS BITTEN UM SEGEN FÜR DEN PROPHETEN^ 

NACH DEM TEXT DES LETZTEN TASHAHHUD ..." 347 

§ 64 DAS dli'ä' NACH DEM LETZTEN TASHAHHUD 348 

Kapitel 10: Einzelvorstellungen der wichtigsten Mahrühät 

(der Dinge, die im Gebet makrük sind) 349 

§ 65 IN SEINEM BART, SEINEM GESICHT ODER IN SEINER KLEIDUNG 

HERUM ZUFINGERN 349 

§ 66 WÄHREND DES GEBETES MIT DEN FINGERN ZU KNACKEN 

ODER SIE INEINANDER ZU VERSCHRÄNKEN 349 

§ 67 DIE HAND AN DIE HÜFTE ZU LEGEN 349 

§ 68 DEN BLICK ODER SICH IM GANZEN VON DER qibla-RI CHTVNG 

ABZUWENDEN 349 

§ 69 DIE ÄRMEL ZURÜCKZUSTREIFEN 35O 

§ 70 HINWEISENDE GESTEN IM GEBET 35O 

§ 7 I ZURÜCKSTREICHEN DES HAARES 35 I 

§ 72 ANHEBEN ODER RAFFEN VON KLEIDUNG WÄHREND DES GEBETES 35 I 
§ 73 EINSEITIGES TRAGEN VON KLEIDUNG AUF NUR EINER SCHULTER 35 I 

§ 74 BEDECKEN DES MUNDES 352 

§ 75 EINE SURE WÄHREND DES rukü' ZU ENDE ZU REZITIEREN 352 

§ 76 WENN EIN takbir ODER du'ä' AN FALSCHER STELLE 

GESPROCHEN WIRD 352 

§ 77 DIE AUGEN ZU SCHLIESSEN 353 

§ 78 DEN BLICK ZUM HIMMEL ZU ERHEBEN 353 

§79 REZITATION IN ANDERER REIHENFOLGE ALS DER 

NORMALEN DER SUREN IM QUR'aN 353 

§ 80 DAS GEBET IN RICHTUNG EINES FEUERS 

ODER FEUERBECKENS USW 354 

§ 8 I DAS GEBET AN EINEM ORT, WO SICH ABBILDUNGEN BEFINDEN .... 354 
§ 82 DAS GEBET HINTER EINER GEBETSREIHE, 

IN DER NOCH EINE LÜCKE IST 355 

§ 83 DAS GEBET AN ORTEN ZU VERRICHTEN, WO SCHMUTZ ODER 

MENSCHENANSAMMLUNGEN SIND 355 

§ 84 DAS BETEN AUF EINEM FRIEDHOF ODER BEI GRÄBERN 356 

Kapitell 1 1 : Was das Gebet ungültig werden läßt 

und was nicht (Mubtilät as-saläh) 357 

§ 85 ABSICHTLICHES SPRECHEN VON WORTEN, DIE NICHT 

ZUM GEBET GEHÖREN 357 

§ 86 VIEL HANDELN IM GEBET, 

WAS NIGHT ZUR ART DES GEBETS GEHÖRT 360 

§ 87 ABWENDEN VON DER (j^/tf-RICHTUNG 36 I 

§ 88 ABSICHTLICHES ESSEN UND TRINKEN 3 6 I 

§ 89 WENN DER Wudü' IM GEBET ZUNICHTE WIRD 362 

§ 90 wenn der ma'müm dem imämvM einen rukn zuvorkommt 362 

§ 9 I WENN MAN SICH IN EINEM GEBET AN EIN ANDERES, 

IHM ENTGANGENES GEBET ERINNERT 363 

§ 92 WENN DER MA'MÜM VOR DEM IMÄM DEN Saläm GIBT 363 

Kapitel 12: das Vorbeten (Imäma) 363 

§ 93 allgemeines zur imäma 363 

§ 94 DIE GENAUE DEFINITION DER imäma IM GEBET 364 



§ 95 RECHTLICHE BEDEUTUNG DER imäma UND DER FORM DES GE- 
MEINSCHAFTSGEBETS INNERHALB DER FÜNF PFLICHTGEBETE 365 

§ 96 RECHTLICHE BEDEUTUNG DER imäma UND DER GEMEINSCHAFT 
BEIM FREITAGSGEBET (salät dl-jum'd), DEM TOTENGEBET (salät 

al-janäza) und den übrigen freiwilligen gebeten (nawäfil) 366 

§ 97 die Bedingungen zur imäma 368 

Kapitel 13: Das Freitagsgebet (Salät al-Jum c a) 393 

§ 98 ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 393 

§ 99 DIE RECHTLICHE BEDEUTUNG DES FREITAGSGEBETS 394 

§ IOO DIE ZEIT FÜR DAS FREITAGSGEBET 394 

§10 1 WANN MAN SICH ZUM FREITAGSGEBET BEGEBEN MUSS, 

UND ZUM VERBOT VON HANDELSGESCHÄFTEN WÄHREND 

DES FREITAGSGEBETS 396 

§ 102 DIE BEDINGUNGEN (shüTÜt) DES jum'ü 398 

§ I 03 DIE ARKÄN DER BEIDEN khutbüS VOM JUM'A 4 I 4 

§ I 04 DIE BEDINGUNGEN DER BEIDEN khutbüS DES JUM'A 4 I 7 

§ I 05 OB ES ZULÄSSIG IST, ZWISCHEN DEN BEIDEN khutbüS BZW 

ZWISCHEN DEN khutbüS UND DEM GEBET EINE 

UNTERBRECHUNG EINTRETEN ZU LASSEN 420 

§ IOÖ DAS NACHHOLEN VON GEBETSTEILEN DES FREITAGSGEBETES 424 

Kapitel 14: Das Gebet der beiden Feste (Salät al~ c Idain) 425 

§ IO7 ALLGEMEINE VORSTELLUNG DER BEIDEN FESTE 

UND IHRER GEBETE 425 

§ I 08 RECHTLICHE BESTIMMUNG DES FESTGEBETES (salät al-'id) 426 

§ I 09 DIE ZEIT FÜR DAS FESTGEBET (salät al-Hd) 427 

§110 WIE DAS FESTGEBET (salät ül-Hü) VERRICHTET WIRD 427 

§ I I I DAS VORHANDENSEIN EINER GRUPPE VON BETENDEN 

(jamä'a) beim festgebet (salät al- Ha) 432 

§ I I 2 SUNAN DES FESTGEBETS (salät al-'id) 433 

Kapitel 15: Das Reisegebet (Salät as-Safar) 435 

§ I I 3 ALLGEMEINE VORSTELLUNG 435 

§ I I 4 WAS EINE REISE IST, DIE DAS REISEGEBET ERMÖGLICHT 436 

§ I 15 DAS KÜRZEN (qaST) 438 

§ I I 6 DAS VERBINDEN (jam) 438 

§ I I 7 WENN EIN REISENDER (musäfir) IMÄM EINES 

NICHT-REISENDEN (muqlm) IST UND UMGEKEHRT 44 O 

Kapitel 16: Über das Nachholen (Qadä') eines versäumten Gebetes (Fä'ita) 442 

§ I I 8 ALLGEMEINES 442 

§ I I 9 WIE VERSÄUMTE GEBETE (fawä'it) GENAU NACHGEHOLT WERDEN .... 442 

§ I 20 DIE FRAGE, OB UND WIE EINE REIHENFOLGE DER VERSÄUMTEN 

UND AUCH NICHT VERSÄUMTEN GEBETE EINZUHALTEN IST 444 

Kapitel 17: Das Gebet des Masbüq (der sich verspätet dem Gebet anschließt) .. 444 

§ I 2 I ALLGEMEINE VORSTELLUNG 444 

§ I 22 WAS DER masbüq ZU BESTIMMTEN PHASEN DES GEBETS TUN MUSS ... 445 

§ 1 2 3 was der masbüq tut, wenn er sich nicht in die 

LETZTE REIHE DER BETENDEN EINGLIEDERN KANN 447 

Kapitel 18: Gebet des Kranken (Salät al-Marid) 448 

Kapitel 19: Die Niederwerfung wegen Vergessens (Sujüd li s-Sahuw) 449 

§ I 24 BESCHREIBUNG DES SUJÜd U SSüküW 449 

§ I 25 RECHTLICHE BEDEUTUNG DES SUJÜd U S-SühuW 450 

§ 126 DIE MÖGLICHEN ANLÄSSE ZUM SUJÜd U SSühuW 45 I 

§ I 27 DIE GENAUE DURCHFÜHRUNG EINES SUJÜd H S-Sahuw 45 I 



14 HANDBUCH ISLAM 

Kapitel 20: Der Sujüd bei der Lesung (Sujüd at-Tiläwa) 453 

Kapitel 21: Besondere, anlaßgebundene Sunna-Gebete 455 

§ I 28 DAS GEBET ZUR SONNENFINSTERNIS (salät ül-küSüfj 

UND DAS GEBET ZUR MONDFINSTERNIS (salät al-kflUSÜfj 455 

§ 1 29 das gebet um regen (salät al-istisqä) 455 

§ 13O DAS GEBET UM RICHTIGE EINGEBUNG (salät al-istikkäm) 456 

§ I 3 I DAS GEBET WEGEN EINER NOTLAGE (salät al-käjd) 458 

Kapitel 22: Begräbnis (Janäza) und Totengebet (Salät al-Janäza) 459 

§ I 32 GESAMTVORSTELLUNG 459 

§ I 33 WIE MAN SICH GEGENÜBER EINEM STERBENDEN VERHÄLT 459 

§ I 34 DIE VORBEREITUNG DES TOTEN ZUM BEGRÄBNIS 46 I 

§ I 35 DIE TOTENWASGHUNG UND EINKLEIDUNG DES TOTEN 462 

§ I 36 DAS EIGENTLICHE TOTEN GEBET (salät al-jünäzäj 477 

§ I37 DAS BEGRÄBNIS 487 



ANMERKUNGEN 



•493 



III. 

Buch über die Armensteuer (£akät) 

Kapitel i: Allgemeine Vorstellung 525 

Kapitel 2: Rechtliche Bedeutung des £akät-Gebem 526 

Kapitel 3: Unter welchen Bedingungen es obliegt, die %akät zu geben 527 

§ I ZUGEHÖRIGKEIT ZUM ISLAM 527 

§ 2 VOLLBESITZ (milk} UND VOLLE VERFÜGUNGSGEWALT (milkiyd) 

ÜBER BESITZ, DAS ENTSPRECHEND SEINER ART DIE VERPFLICH- 
TENDE ABGABEGRENZE ZUM Zakät-GEBEN (nisäb) ERREICHT, 
WÄHREND DER DAUER EINES JAHRES 527 

Kapitel 4: Die Dinge, auf die %akät erhoben wird 528 

§ 3 ALLGEMEINE REGEL 528 

§ 4 GOLD UND SILBER 529 

§ 5 NUTZTIERE 53O 

§ 6 FRÜCHTE UND GETREIDE 53 I 

§ 7 HANDELSGÜTER BZW. GEGENSTÄNDLICHE HANDELSWERTE 532 

§ 8 IM BODEN VERBORGENE EDELMETALLE UND SCHÄTZE (rakkäz) 532 

§ 9 die frage der zakät auf makr/zahät 533 

§ 1 o die frage der zakät auf privaten schmuck 534 

§ I I DIE FRAGE DER Zakät AUF SCHULDEN 534 

§ I 2 DIE FRAGE DER Zakät AUF WOHNUNG, TATSÄCHLICH 

GETRAGENE KLEIDER, MOBILIAR USW 536 

Kapitel 5: Die Bemessungsgrenzen der £akät 537 

§ I 3 ALLGEMEINE REGELN 537 

§ I 4 DIE BEMESSUNGSGRENZE (flisäb) FÜR GOLD UND SILBER 537 

§ 15 die masseinheiten mithqälvND dirham 537 

§ I 6 BEMESSUNGSGRENZEN (anslbd) UND Zakät AUF TIERE 538 

§ I 7 Zakät AUF LANDWIRTSCHAFTLICHE ERTRÄGE 539 

§ I 8 Zakät DER HANDELSGÜTER 539 

§ 1 9 zakät von rakkäz und Bodenschätzen 539 



INHALT 15 

Kapitel 6: Wie der Abgabetermin der 2jikät bestimmt wird 541 

Kapitel 7: Die Empfängergruppen der ^akät 542 

Kapitel 8: Wie die ^akät gegeben wird 544 

ANMERKUN GEN 545 



IV. 

Buch über das Fasten (Siyäm) 

Kapitel i: Allgemeine Beschreibung 549 

Kapitel 2: Besonderheiten und Innerlichkeit des Fastens 549 

Kapitel 3: Die Arten des islamischen Fastens (Siyäm) 550 

Kapitel 4: Der Hukm des Fastens im Ramadan (Saum Ramadan) 551 

Kapitel 5: Die Methoden zur Bestimmung des Ramadän-Reginm 552 

§ I VORSTELLUNG DES PROBLEMS DER BESTIMMUNG VON 

MONDMONATEN IM ALLGEMEINEN 552 

§ 2 SICHTUNG DES NEUMONDS ZU BEGINN DES MONATS ramadän 553 

§ 3 VOLLENDUNG DES DREISSIGSTEN TAGES DES MONATS sha'bän 557 

§ 4 ASTRONOMISCHE BERECHNUNGEN ZUR ABSICHERUNG 560 

Kapitel 6: Die Arkän des Fastens 561 

Kapitel 7: Die Bedingungen zum Fasten (Shurüt as-Saum) 562 

§ 5 WELCHE BEDINGUNGEN VON WELCHER RECHTSSCHULE ZUR 

ESCHREIBUNG VERWENDET WERDEN 562 

§ 6 ÜBERSICHT ÜBER DIE VERSCHIEDENEN BEDINGUNGEN BEI DEN 

RECHTSSCHULEN 563 

Kapitel 8: Die Bedingungen, durch die das Fasten (Saum) verpflichtend bzw. 

grundsätzlich gültig wird 564 

§ 7 DER ISLAM 565 

§ 8 DER takllf- VERPFLICHTUNG AUFGRUND DES VORHANDENEN 

VERSTANDES ('aql) UND VORHANDENER REIFE (bulügh) 565 

§ 9 DIE ABSICHT (niya) UND IHRE BEDINGUNGEN 565 

§ 1 Freisein von haid, nqfis, wiläda (falls noch kein blut 

AUFGETRETEN IST) 568 

§ I I DASS DIE FRAGLICHE ZEIT ZUM FASTEN ERLAUBT IST 568 

§ I 2 DIE GRUNDSÄTZLICHE FÄHIGKEIT ZU FASTEN 568 

§ I 3 DASS DIE ZEIT DES MONATS ramadän EINGETRETEN IST 568 

§ 14 DASS KEIN ENTSCHULDIGUNGSGRUND, DER DAS FASTEN 

verbietet ( ( udhr mäni ( a min as-saum), vorliegt bzw. 

KEINER, DER DAS FASTENBRECHEN ERLAUBT 

( c udhr mubih li l-für) 569 

§ I 5 SICH VON DINGEN, DIE DAS FASTEN BRECHEN (mußirät), 

VON FAJR-BEGINN BIS MAGHRIB-BEGINN ZU ENTHALTEN (imsäk), 

UND DIE DAMIT VERBUNDENEN BEDINGUNGEN 57 I 

Kapitel 9: Das Nachholen des Ramadän (Qa da' Ramadän) 572 

Kapitel 10: Die Kaffära für Fehler oder Vergehen beim Fasten 573 



i6 



HANDBUCH ISLAM 



§ l6 ABSICHTLICHES FASTENBRECHEN OHNE 

ENTSCHULDIGUNGSGRUND (WAr) 573 

§ I 7 UNENTSCHULDIGTES VERZÖGERN DES NACHHOLENS (qadä) 

VON NIGHT GEFASTETEN RAMADÄN-TAGEN 575 

Kapitel 11 Ahkäm des Fastens 576 

§ 1 8 das fasten, welches fard ist [as-saum al-mafrüd) 576 

§ 1 9 das fasten, das mandüb ist (as-saum al-mandüb) 576 

§ 20 das verbotene fasten (as-saum al-haräm) 579 

§ 2 1 das fasten, das makrüh ist (as-saum al-makrüh) 580 

ANMERKUNGEN 583 



V. 

Buch über die Pilgerfahrt (Hajj) 

Kapitel i : Allgemeine Beschreibung und Vorstellung von Hajj und ( Umra 589 

§ 1 der hukm des hajJBzw. der 'umra 589 

§ 2 zur 'umra 590 

§ 3 DIE RITEN DER GROSSEN PILGERFAHRT (fiqjf) 59 I 

§ 4 BESCHREIBUNG DER KAABA 592 

Kapitel 2: Die Bedingungen zur Verpflichtung zum Hajj 606 

§ 5 DASS MAN IN DER LAGE IST, SICH ZUM hajj AUFZUMACHEN/DIE 

FRAGE DES HAJJ BEZÜGLICH EINER FRAU UND DER EINES BLINDEN ... 606 
§ 6 DAS WISSEN DARUM, DASS DER fiajj PFLICHT IST 608 

Kapitel 3: Die Bedingungen zur Gültigkeit des Hajj 610 

Kapitel 4: Der erste Rukn des Hajj: der Ihräm 61 1 

§ 7 DIE ORTE, AN DENEN MAN IN DEN WEIHEZUSTAND EINTRITT 

(mawäqit al-ihräm) 612 

§ 8 DIE ARTEN DES ihräm BZW. DER DURCHFÜHRUNG 

DER PILGERFAHRT 6 I 3 

§ 9 WAS JEMAND, DER IN DEN ihräm EINTRETEN WILL, TUN SOLL 6 I 5 

§ I O DIE DINGE, DIE ZU TUN DEM PILGER UNTERSAGT SIND, 

SOBALD ER IN DEN ihräm EINGETRETEN UND SOMIT 

muhrim geworden ist ....617 

Kapitel 5: Der zweite Rukn des Hajj: Tawäf al-Ifäda 621 

§ I I ALLGEMEINE VORSTELLUNG 6 2 I 

§ 12 Definition des tawäf alifida 621 

§ I 3 DIE ZEIT FÜR DIE DURCHFÜHRUNG DES tawäf ül-ifida 62 2 

§ 14 DIE BEDINGUNGEN (shurüt) DES tawäf. 623 

§ 15 sunan und wäjibätnES tawäf 628 

Kapitel 6: Der dritte Rukn des Hajj: der Sa ( y (Lauf) zwischen 

den beiden Hügeln as-Sqfi und al-Marwa 637 

§ I 6 ALLGEMEINE DEFINITION 637 

§ I 7 DIE BEDINGUNGEN FÜR DEN Sü'y ZWISCHEN aSSO.fi. UND 

al-marwa sowie art und weise, wie er durchgeführt 

WIRD, UND DIE MIT IHM VERBUNDENEN SUNAN 637 

Kapitel 7: Der vierte Rukn des Hajj: Die Anwesenheit im Gebiet 

von 'Arafat sowie die Art und Weise des Wuqüf 644 

§ 18 ALLGEMEINE DEFINITION DES Wuqüf 644 



INHALT 17 

§ I 9 SHURÜT UND SUNAN DES WUQÜF ' ARAFAT 645 

Kapitel 8: Steinigung der Ja mara -Säulen, Übernachten in Muzdalifa 

und Mina und sonstige Wä/^-Handlungen des Haß 650 

ANMERKUNGEN 655 



VI. 

Buch über das Gelöbnis {Nadhr) 

Kapitel i: Allgemeine Vorstellung 663 

§ I DIE RECHTLICHE BESTIMMUNG (kükm) EINER GELOBTEN SACHE/ 

h andlun g (mandhür) 664 

§ 2 BEDINGUNGEN FÜR DEN GELOBENDEN (nädhir) 665 

§ 3 BEDINGUNGEN ZUM GELOBTEN/ZUR GELOBTEN HANDLUNG (mandhür) ... 665 
§ 4 BEDINGUNGEN FÜR DAS GELÖBNIS (nadhr) IN SEINER FORM 666 

Kapitel 2: Konkrete Beispiele 668 

ANMERKUNGEN 67 I 



VII 

Buch über die Speisevorschriften 

Kapitel i : Die Bedeutung der Speiseregeln im Islam 675 

Kapitel 2: Was an grundsätzlich Eßbarem /festen Speisen (At'ima) 

und Getränken (Ashriba) erlaubt und was nicht erlaubt ist 676 

§ I GRUNDSÄTZLICH ERLAUBTE BZW. NICHT ERLAUBTE 

feste speisen (at'ima) 677 

§ 2 GRUNDSÄTZLICH ERLAUBTE 

BZW. NICHT ERLAUBTE GETRÄNKE (askHba) 679 

Kapitel 3: Welche Bedingungen bezüglich der Behandlung von grundsätzlich 

erlaubten Speisen bestehen 679 

§ 3 WENN ETWAS VON MUSLIMEN GESCHLACHTET 

BZW. ZUBEREITET WURDE 679 

§ 4 WENN ETWAS VON NICHTMUSLIMEN GESCHLACHTET BZW. 

ZUBERE ITET WURDE 680 

ANMERKUNGEN 68 I 



VIII. 
Buch über Kleidung und Schmuck 

Kapitel i: Erlaubte und verbotene Kleidung 685 

Kapitel 2: Erlaubter und verbotener Schmuck 685 



HANDBUCH ISLAM 



IX. 
Buch über den Kaufvertrag (Buyü) 

Kapitel i : Generelles zum Vertrag 689 

Kapitel 2: Betrachtungsweisen beim Vertrag 689 

§ I HINSICHTLICH DER BEDEUTUNG DER WIRKSAMKEIT! 689 

§ 2 HINSICHTLICH DER KENNZEICHNUNG DER ART: 689 

§ 3 HINSICHTLICH DES PREISES: 69O 

Kapitel 3: Die Arkän beim Vertrag 690 

§ 4 ASPEKTE DER ärkän 69O 

§ 5 DIE FORMULIERUNG (sigkd) 691 

Kapitel 4: Grundvorstellung der Ahhäm bei Kaufverträgen 692 

§ 6 RECHTE UND VERPFLICHTUNGEN, DIE SICH AUS 

KAUFVERTRÄGEN ERGEBEN 692 

§ 7 WAS DEN VERKÄUFER VERPFLICHTET, DEM KÄUFER ZU ÜBER- 
GEBEN, WAS IM KAUFVERTRAG BINDEND AUSGEMACHT WURDE .... 693 

Kapitel 5: Der Sala wz-Vertrag 698 

§ 8 GRUNDBESCHREIBUNG DES Sü/üffi-VERTRAGES 698 

§ 9 BEDINGUNGEN DES Sö/flTH-V ER TRÄGES 699 

§ 1 o wenn die salam-vj are (muslamfifii) zunichte wird 700 

Kapitel 6: Der Pfandvertrag ( c Aqd ar-Rakn) 700 

§ I I ALLGEMEINE DARSTELLUNG DES PFANDES (rahri) 

UND PFANDVERTRAGES ('aQD AR-RAHn) 700 

§ I 2 DIE FRAGE DES UNTERHALTS FÜR EINE ALS PFAND 

GEGEBENE SACHE [markÜTl) 7OI 

§ I 3 OB MAN AUS EINER ALS PFAND GEGEBENEN SACHE (marhüTl) 

NUTZEN ZIEHEN DARF 702 

§ 14 WENN DAS PFAND (rakn) IN DER HAND DES PFANDINHABERS 

(murtakin) zunichte wird 704 

§ I 5 WENN FEHLER BEI DER WARE VERSCHWIEGEN BZW. 

VERBORGEN WERDEN 705 

§ I 6 BEDINGUNG, DASS EINE WARE VON FEHLERN FREI IST 

(skart al-barä'a min al- c uyüb) 706 

§ I 7 DAS RÜCKGABERECHT [khiyär), WENN BEI EINEM mwäbahä 

GELOGEN WIRD 707 

Kapitel 7: Über den Zins (Ribä) 709 

§ I 8 ALLGEMEINE DEFINITION UND VORSTELLUNG VON ribä 709 

§ 19 ALTE UND NEUE ARTEN VON ribä 709 

§ 20 DER UNTERSCHIED ZWISCHEN ribä (ZINS) UND (ERLAUBTEN 

HANDELSGEWINNEN (ribk) 71 I 



ANMERKUNGEN 



713 



l 9 



X. 

Buch über den Gemeinschaftsvertrag (Sharika) 

Kapitel i: Über Mudäraba 719 

§ I ALLGEMEINE DEFINITION 7 I 9 

§ 2 DER HUKM BEZÜGLICH DES HANDELSTÄTIGEN IN DEN 

VERSCHIEDENEN SITUATIONEN DER mtldäraba ~ IN ÜBERSICHT 72O 

§ 3 die Bedingungen (shurüt) von mudäraba 

HINSICHTLICH DES HANDELSTÄTIGEN (mudärib) 720 

§ 4 DIE GEWINNANTEILSBEMESSUNG BEI DER mudäraba 722 

§ 5 was eine mudäraba bzw. eine der 

VERTRAGSBEDINGUNGEN UNGÜLTIG MÄCHT 723 

§ 6 die ahkämvoN mudäraba 723 

§ 7 die arkän des mudäraba-v ertr ages 728 

§ 8 DIE BEDINGUNGEN ZUR RECHTSGÜLTIGKEIT EINES 

mudäraba-VERTR ages 729 

§ 9 WAS DAS RECHT SOWOHL DES GELDGEBERS ALS AUCH 

DES HANDELSTÄTIGEN (DES mudärib) IST 733 

Kapitel 2: Über Mushäraka 738 

§ IO ALLGEMEINE DEFINITION 738 

§ 1 1 die grundarten von mushäraka 738 

§ 1 2 die beiden grundtypen der mushäraka- arten 739 

§ 13 sharikat al- c aqd mußwadatan bzw. sharikat al-mußwada 740 

§ 14 sharikat al-'aqd Hnänan bzw. sharikat al-Hnän 742 

§ 15 sharikat al-'aqd tagabbulan bzw. sharikat at-taqabbul 743 

§ 16 sharikat al-'aqd wujühanbzw. sharikat alwujüh 744 

§ I 7 EINSCHRÄNKENDE BEDINGUNGEN, DIE SICH AUF ALLE 

ARTEN VON shanka-V ERTRAGES BEZIEHEN 745 

§ I 8 DIE RECHTE UND PFLICHTEN DER VERTRAGSPARTNER 

(shurakä) 746 

ANMERKUNGEN 749 



XL 

Buch über die Ehe (Mkäh) 

Kapitel i: Grundsätzliche Betrachtung der Eheschließung 755 

Kapitel 2: Voraussetzungen für eine Ehe 756 

§ I DARSTELLUNG DES GESAMTPROBLEMS 756 

§ 2 BEDINGUNGEN BEZÜGLICH DER EINZELPERSON BZW. 

ENTSPRECHENDE HINDERNISSE 756 

§ 3 ZUM BEGRIFF DER SCHEIDUNG IM ISLAMISCHEN RECHT 758 

§ 4 ZU DEN SCHEIDUNGSARTEN 759 

Kapitel 3: Verwandtschaftsarten 762 

§ 5 GRUNDSÄTZLICHE EINTEILUNG 762 

§ 6 der „ mahram' 762 

§ 7 Blutsverwandtschaft (qaräba) 763 



§ 8 VERWANDTSCHAFT DURCH VERSCHWÄGERUNG (musäham) 765 

§ 9 MILCH VERWANDTSCHAFT (Hdä) 766 

Kapitel 4: Die Arkän der Eheschließung 767 

§ 10 ijäb und qabül 767 

§ I I DIE BEDINGUNGEN, DIE DER MANN ERFÜLLEN MUSS 769 

§ 12 BEDINGUNGEN, DIE DIE FRAU ERFÜLLEN MUSS 77O 

§ I 3 DER VERTRETUNG (wikäld) BEIM EHESCHLUSS 7 7 I 

§ I 4 DIE EHE MIT NICHTMUSLIMISCHEN FRAUEN UND 

DIE RECHTLICHEN GRUNDLAGE DAZU 772 

§ 15 der wall 774 

§ I 6 DIE BEDINGUNGEN EINES ZEUGEN (shäkld) 

BEIM VERTRAGSSCHLUSS EINER EHE 780 

§ I 7 DER WORTLAUT DER EHESCHLIESSUNG isighd) 78 I 

§ 18 die brautgabe (mahr/sadäq) 781 

Kapitel 5: Das Mahr und seine Bedingungen 783 

§ I 9 DIE MODALITÄTEN DER 77*flÄr-ÜBERGABE 783 

ANMERKUNGEN 785 



XII. 
Buch über das Testament 

Kapitel i : Allgemeine Vorstellung 793 

Kapitel 2: Das Testament im islamischen Recht 793 

§ I RECHTLICHE ARTEN DES TESTAMENTS 793 

§ 2 GRUNDSÄTZLICHE REGELN BEIM TESTAMENT (iVasiya) 794 

§ 3 DIE RECHTLICHE BESTIMMUNG (kukm) DES TESTAMENTS 794 

Kapitel 3: Die Elementarpflichten (Arkän) bzw. Bedingungen bezüglich des 

Testaments (Wasiya) 796 

§ 4 DER ERBLASSER (mÜSl) 796 

§ 5 DER IM TESTAMENT BEGÜNSTIGTE (mÜsä lahu) 798 

§ 6 DAS DURCH DAS TESTAMENT VERERBTE (mÜsä bikl) 80 I 

§ 7 DIE FORMULIERUNG/DER WORTLAUT DES TESTAMENTS (sigka) 803 

Kapitel 4: Die einem Testament gesetzten Grenzen und 

Einschränkungen durch Schulden 805 

ANMERKUNGEN 807 



Anhang 

Glossar 813 

Index 825 

Quellenverzeichnis 829 

Kurzlebenslauf des Autors 831 



21 






VORWORT DES VERLAGES 



Mit dem hier vorgelegten Handbuch Islam wird das Glaubens- und 
Rechtssystem der Muslime dem deutschen Sprachraum in bislang nicht 
gekannter Ausführlichkeit erschlossen: einem Ratgeber in allen wichti- 
gen Fragen muslimischer Lebensführung in Berücksichtigung aller vier 
Rechtsschulen, zugleich Grundlage eines fachwissenschaftlichen Dis- 
kurses in deutscher Sprache. Hocherfreut übergeben wir dem Drucker 
die Frucht langjähriger Bemühungen von seiten des Autors, des Her- 
ausgebers und des Verlages. Allein die fünfzehnseitige Inhaltsangabe 
wirft neben dem Glossar und dem Index ein bezeichnendes Licht auf 
die thematische Vielfalt und die sachlich-systematische Weite eines 832 
Seiten umfassenden Werks, welches an das Lektorat und die Satzher- 
stellung besondere Anforderung stellte. 

Und dennoch: Wie jedes Buch noch ganz anders hätte werden kön- 
nen, wenn man noch längere Zeit an ihm gearbeitet hätte, so gilt auch 
für das hier vorgelegte, daß es darin Dinge gibt, die der Verlag gern 
anders geregelt gesehen hätte. So war es unser Wunsch gewesen, daß 
der fortlaufende Sachtext des vorgelegten Werkes grundsätzlich in deut- 
scher Sprache (mit eingängig transliterierten kursiv ausgezeichneten ara- 
bischen Termini jeweils in Klammern dazu) verfaßt wäre, das arabisch- 
sprache „Fachchinesisch" also gänzlich aus dem Haupttext verbannt 
würde, damit auch dem Laien jedes einzelne Kapitel ohne vorauszuset- 
zende Kenntnis anderer Teile, Kapitel oder Lehrstücke des Buches un- 
mittelbar zugänglich wäre. Leider hatte der Autor geglaubt, eine ent- 
sprechende Umarbeitung nicht leisten zu können, weil es noch „keine 
deutschsprachige islamische Terminologie" gebe, ein Einwand indes, 
der unberücksichtigt läßt, daß die in Klammern gesetzten arabischen 
Termini die jeweils gemeinte Sache ja eindeutig bestimmt hätten. 

Gibt es zwischen Autor und Lektor ein ähnliches Spannungsverhält- 
nis wie zwischen Wünschenswertem und unter zeitlichen Rahmenbe- 
dingungen jeweils Mach- und Schaffbarem, sind wir mit dem hier Zu- 
standegebrachten heute aber insoweit zufrieden, als es eine schöne 
Grundlage für weitere Auseinandersetzungen ist, zu der Fachleute und 
eine interessierte Leserschaft in-shä'Lläh insgesamt sicher Wichtiges bei- 



22 HANDBUCH ISLAM 

tragen werden. Dies sollte bei der erstaunlichen Vielfalt des Vorgeleg- 
ten auch nicht überraschen, und es schmälert seinen Wert in keiner 
Weise. Es zeigt nur, daß ein so umfassendes Werk wie das hier vorge- 
legte in öffentlichem Diskurs und über Jahre hin zu reifen hat, ein Pro- 
zeß, dem es sich ausdrücklich öffnet. Wir regen bei dieser Gelegenheit 
die Gründung einer Kommission an, die ihn betreut. 

Zu deren Aufgaben könnte es gehören, einmal dezidiert der im vor- 
liegenden Werk noch unberücksichtigt gebliebenen Frage nachzuge- 
hen, ob die klassische Einteilung der Hadithe in starke und schwache 
durch neue elektronische Datenverbundsysteme insofern obsolet gewor- 
den ist, als deren hadithtraditionsübergreif ender Gebrauch immer deut- 
licher zu zeigen scheint, daß es schwache Hadithe recht eigentlich nie 
gegeben hat. 

Dank ist an dieser Stelle denen zu sagen, die an der Herausgabe des 
hier vorgelegten Werkes mitbeteiligt waren. Ein deutliches shukrän 
ja zi lein geht hier an Bruder Adel El-Domiaty, der in einem parcours de 
force die Transliteration arabischer Ausdrücke korrekturgelesen hat. 
Ganz besonderer Dank gilt Bruder Hasan Özdogan, der schon Vorjah- 
ren die deutschsprachige Abfassung eines umfassenden Ilmihals ange- 
regt, den Autor beauftragt, den Verlag gefunden und die materiellen 
Grundlagen gelegt, Konflikte zwischen den beteiligten Parteien ent- 
schärft und mit großer Beharrlichkeit und nicht nachlassender Geduld 
die Herausgabe des vorliegenden Werkes wie kein zweiter begründet 
und befördert hat. 

Schließlich geht - sehr ungewöhnlich, in diesem Fall aber nur richtig 
und schön - ein spezieller Dank des Verlegers an das hausinterne Lek- 
torat und dessen Chefin: Die Bewältigung eines riesigen Manuskript- 
bergs divergierender Gliederungen und inhaltlicher Fassungen, deren 
grundlegende Neuordnung und Formgebung immer wieder sogar in 
der Logik des Auf baus, in Sprache, typographischer Auszeichnung, Sei- 
tenlayout und vielem mehr geht auf ihr Konto. Ich kenne keine Person, 
die das, und zwar mit einer über Jahre gleichbleibenden Energie und 
bei Schwierigkeiten nicht selten umwerfendem Humor — mä shä'Lläh! 
— in vergleichbarer Weise hätte schaffen können. 

wa min alläh at-taufiq 

Kandern im Schwarzwald, 

im heiligen Rajab 1426 / August 2005 Salim Spohr 



23 



VORWORT DES VERFASSERS 



Seit langem besteht bei deutschsprachigen Muslimen der Wunsch, 
ein umfangreiches und sämtliche Rechtsschulen umfassendes Werk zu 
erhalten, das die Meinungsvielfalt des islamischen Rechtsdenkens wi- 
derspiegelt und auf die Gegebenheiten in Deutschland Bezug nimmt. 

Bisher jedoch existierten entweder nur Schriften, die einzelne Teilge- 
biete darstellten, oder Einzelwerke, die nur eine Rechtsschule behan- 
delten bzw. überhaupt keine klare Darstellung zum Recht waren. Wer 
etwa ein Werk in deutsch suchte, in dem erklärt wurde, wie man sich 
verhält, wenn man im Gebet diesen oder jenen Fehler macht, oder was 
für eine Frau zu tun ist, wenn ihre Periode nur unregelmäßig kommt - 
ob sie beten soll oder nicht, ob sie fasten soll oder nicht, ob sie bei der 
Pilgerfahrt (dem Hajj) den Tawäf (die Umschreitung der Ka'ba) verrich- 
ten soll, kann, darf oder nicht — , der fand darauf gar keine oder keine 
ausreichende Antwort. 

Vor dem Hintergrund vielfältiger Fragen der Muslime soll dem deutsch- 
sprachigen Leser, der sich über die grundlegenden Glaubens- und Rechts- 
dinge praxisorientiert informieren will, mit vorliegendem Werk eine 
erste Unterstützung und Handreichung gegeben werden. 

Ausgehend von klassischen und modernen Werken anerkannter isla- 
mischer Gelehrter zum Rechts- und Glaubensbereich, galt es, die Dinge 
ohne Verzerrung durch nationale oder sonstige Einzelinteressen darzu- 
stellen. 

Das vorliegende Werk ist ein erster Versuch, die gewaltige Lücke - 
um nicht zu sagen: die Leerstelle - zum Thema in der deutschsprachi- 
gen Literatur zu füllen. Klar ist, daß mancher Leser, manche Leserin, 
sich zu bestimmten Einzelthemen deutlichere und ausführlichere Dar- 
stellungen wünschen wird, es im Rahmen eines in seiner Seitenzahl 
eingeschränkten Werkes andererseits unumgänglich ist, manche The- 
men gegenüber anderen zu bevorzugen. 

Wurden alle im Werk behandelten Themen mehrfach geprüft, kann 
auf die Korrektheit der Darstellungen verwiesen werden, wo so man- 
cher Sachverhalt in diversen Volksbräuchen sich vom geschriebenen 
islamischen Recht unterscheidet. 



24 HANDBUCH ISLAM 

Sofern der Wahrheitsgehalt angesprochener Sachverhalte angezwei- 
felt werden sollte, sei auf die angegebenen Quellen verwiesen wie bei- 
spielsweise die Häshiya ihn Abidin, ein Rechts werk, das etwa zu Beginn 
des Osmanischen Reiches vom damaligen Oberrichter Ibn 'Abidin zur 
hanafitischen Rechtsmeinung verfaßt wurde und auf das sich alle offi- 
ziellen Richter des Osmanischen Reiches letztlich bezogen. 

Das vorliegende Werk fällt in die literarische Gruppe der sogenann- 
ten Um al- //«/-Werke („direkt anwendbaren Wissens"), bei denen -je 
nach Zielsetzung - die Meinungen und Rechtsbestimmungen einer, 
mehrerer oder aller Rechtsschulen angegeben werden, ohne daß aber, 
von wenigen Ausnahmen abgesehen, die Quellen dieser Rechtsentschei- 
dungen (Hadithe, Koranverse) oder Rechtsgrundsätze genannt werden. 
So versteht sich dieses Werk als Darstellung der klassisch-islamischen 
Rechts- und Pflichtenlehre, und nur in Einzelfällen wurden moderne 
Gutachten (Fatäwä) mit eingezogen. Grundsätzlich sei darauf verwie- 
sen, daß hierzulande die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland zu 
beachten sind. 

Angesprochen werden auch nicht zum c Ilm al-Häl im engeren Sinn 
gehörende Themen. Die Rechtswissenschaften und die Rechtsschulen 
werden vorgestellt, und es wird die Rolle gewürdigt, die der Brauch in 
den islamischen Gesellschaften und im Recht spielt, usw. (vgl. S. 1 38 ff.). 

Besondere Aufmerksamkeit wurde natürlich den eigentlichen gottes- 
dienstlichen Handlungen ( Ibädät) gewidmet: dem Gebet an erster Stelle, 
dann dem Geben der J?akät, dem Fasten, der Pilgerfahrt (Hajj und 'Umra), 
aber auch sonstigen Dingen wie den Gelöbnissen (Nudhür) usw. Auch wird 
beispielsweise auf die gegenseitigen Vertragsarten (Mu'ämalät), auf Ehe- 
und Scheidungsrecht (Ahwäl shakhsiyd) Bezug genommen. 

Da das vorliegende Werk als ein Nachschlage- und Lehrwerk konzi- 
piert ist und vorwiegend auch so gebraucht werden wird, sollte eine 
hier und da auftretende Wiederholung nicht ins Gewicht fallen. 

Zusammenfassend wird, so Gott will, dem vorliegenden Buch ein viel- 
facher Nutzen entspringen und dem Leser neben anderem dabei be- 
hilflich sein, 

• wichtige Begriffe des islamischen Rechts zu lernen, 

• die Bedeutung und Rolle der Rechtsschulen zu verstehen, 

• die Rechtsbestimmungen auch zu kleineren Einzelheiten zu finden, 

• praktische im Alltag erforderlich werdende Anleitungen zu finden, 

• zu erkennen, wie er bestimmte Fehler im täglichen Leben vermei- 
den kann, 

• zu erfahren, welche Rolle und Bedeutung die Glaubenssätze ( Aqä'id) 

für ihn und sein Muslimsein haben. 



VORWORT 25 

Abschließend bittet der Verfasser Gott den Erhabenen, den Allerbar- 
mer, den Allbarmherzigen, diese Arbeit anzunehmen, den Lohn dafür 
nicht zu verweigern und das Werk zu einer Quelle im wahrsten und 
besten Sinne des Wortes für die Muslime in Deutschland zu machen. 

Köln, im Dhu l-Hijja 142 5 /Januar 2005 

Ahmad 'Abdurrahmän Reidegeld 



32 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL I 
DER GLAUBE AN GOTT 



§ i 



DAS BEZEUGEN DER EINHEIT 
UND EINZIGARTIGKEIT GOTTES (TAUHID) 

Alles beginnt mit der Shahäda, dem Glaubensbekenntnis; es besteht 
eigentlich aus zwei Einzelsätzen (darum auch „ash-Shahädatän", die zwei 
Glaubensbekenntnisse), die -jeder für sich - einen eigenständigen Teil 
des gesamten Glaubensbekenntnisses darstellen. Der erste Teil bezeugt 
den Tauhid, die absolute Einheit und Einzigartigkeit Gottes, während 
der zweite das Prophetentum, die Gesandtschaft des Propheten Muham- 
mad^yj bekräftigt. Die beiden Shahädas (Shahädatän) sind Grundlage ei- 
ner geistigen Welt, die aus einigen Grundlagen und den daraus folgen- 
den Glaubensfolgerungen verstanden werden kann - oder anders aus- 
gedrückt: 

Die erste Shahäda ist negativ in ihrer Form, um die Existenz irgendei- 
ner Gottheit außer dem einen Gott ganz und gar auszuschließen und 
um dem Gläubigen ebendies klarzumachen, damit er die Einheit, Ein- 
zigartigkeit und Unvergleichlichkeit Gottes ohne Zugeständnis und Kom- 
promiß vor Gott, sich selbst und allen, die die Einheit Gottes bekennen, 
bezeugen kann. Die zweite Shahäda ist positiv gefaßt, um das zu bezeu- 
gen, was den Muslim von den Menschen unterscheidet, die zwar die 
Einheit Gottes bezeugen, aber den Propheten Muhammadgt nicht als 
Propheten anerkennen. 1 

Die Kurzform mit dem reinen Inhalt des Bezeugten lautet: 

La iläha illä lläh Muhammadu r-rasülu lläh 2 - „ [Es gibt] keinen Gott (keine 
Gottheit) außer Gott, Muhammad ist der Gesandte Gottes." Dieselbe 
Grundform mit dem Zusatz Ashhadu an ... („ich bekenne", „ich bezeu- 
ge") lautet: Ashhadu al-lä iläha illä lläh 3 wa ashhadu anna Muhammada r-rasülu 
lläh - „Ich bezeuge, daß es keinen Gott (keine Gottheit) außer Gott gibt, 
und ich bezeuge, daß Muhammad der Gesandte Gottes ist." - oder: 

Ashhadu an lä iläha illä llähwa ashhadu anna Muhammadan e abduhu wa r- 
rasüluhu - „Ich bekenne, daß es keinen Gott gibt außer Gott, und ich 
bekenne, daß Muhammad Sein Diener ist und Sein Gesandter ." Inwie- 
fern hier anstelle des Wortes „Gott" auch im Deutschen der Name „Al- 
lah" stehen könnte, wird sich (vgl. S. 35 ff.) noch zeigen. 



ERSTER TEIL 

DIE 
GLAUBENS- 
GRUNDSÄTZE 

'Aqä'id 



3 1 



ALLGEMEINE VORSTELLUNG: 
WAS GENAU BEDEUTET 'AQlDA? 



Wörtlich bedeutet Aqida: „Grundlage". Als Fachbegriff heißt es hier: 
„Glaubens grün dlage", „wesentlicher Glaubens grundsatz". Damit sind 
die Glaubensgrundlagen gemeint, auf denen der Islam als Glaube be- 
ruht. Niemand kann ein Muslim, eine Muslimin sein, wenn er diese 
Glaubensgrundlagen ( Aqä'id) nicht ausdrücklich anerkennt und bestä- 
tigt. Wenn jemand auch nur eine einzige 'Aqida - geschweige denn meh- 
rere oder alle — ablehnt oder nur in ihrem Sinn verändert annimmt, so 
kann er nicht mehr als gläubiger Muslim bezeichnet werden. Das heißt, 
anders formuliert: Wer die AqäHd des Islam annimmt und daran glaubt, 
der ist Muslim; wer das nicht tut, ist es nicht. 

Dabei gilt für Menschen, die den Islam annehmen (wollen): Damit 
von der Gemeinschaft der Muslime - der Umma — mit gutem Gewissen 
bezeugt werden kann, daß jemand tatsächlich Muslim geworden ist, 
muß er das Glaubensbezeugnis (die Shahädd) vor mindestens zwei Zeu- 
gen aussprechen, und es muß schon vorher klar sein, daß er die Aqä'id 
bereits kennengelernt und - zumindest in allgemeiner Form - ange- 
nommen hat. 

Es ist nicht die Aufgabe eines Muslims, zu ergründen, was im Inne- 
ren eines Menschen ist - das weiß nur Gott allein. Aber es gibt äußere 
Kennzeichen des Glaubens sowie auch solche des Unglaubens: 

• Wer sich daher durch die Shahäda vor Zeugen als Muslim bekennt, 
keine Dinge in Wort und Tat tut, durch die jemand nach dem Maß- 
stab des Islam ungläubig wird, der muß (noch) als Muslim betrachtet 
werden. 

• Wer sich in Wort und Tat als Ungläubiger zeigt, ist nach den Maß- 
stäben des Islam auch ungläubig - gleich, ob er als Muslim geboren 
wurde oder irgendwann den Islam angenommen hat. 



32 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL I 
DER GLAUBE AN GOTT 



§ i 



DAS BEZEUGEN DER EINHEIT 
UND EINZIGARTIGKEIT GOTTES (TAUHID) 

Alles beginnt mit der Shahäda, dem Glaubensbekenntnis; es besteht 
eigentlich aus zwei Einzelsätzen (darum auch „ash-Shahädatän", die zwei 
Glaubensbekenntnisse), die -jeder für sich - einen eigenständigen Teil 
des gesamten Glaubensbekenntnisses darstellen. Der erste Teil bezeugt 
den Tauhid, die absolute Einheit und Einzigartigkeit Gottes, während 
der zweite das Prophetentum, die Gesandtschaft des Propheten Muham- 
mad^yj bekräftigt. Die beiden Shahädas (Shahädatän) sind Grundlage ei- 
ner geistigen Welt, die aus einigen Grundlagen und den daraus folgen- 
den Glaubensfolgerungen verstanden werden kann - oder anders aus- 
gedrückt: 

Die erste Shahäda ist negativ in ihrer Form, um die Existenz irgendei- 
ner Gottheit außer dem einen Gott ganz und gar auszuschließen und 
um dem Gläubigen ebendies klarzumachen, damit er die Einheit, Ein- 
zigartigkeit und Unvergleichlichkeit Gottes ohne Zugeständnis und Kom- 
promiß vor Gott, sich selbst und allen, die die Einheit Gottes bekennen, 
bezeugen kann. Die zweite Shahäda ist positiv gefaßt, um das zu bezeu- 
gen, was den Muslim von den Menschen unterscheidet, die zwar die 
Einheit Gottes bezeugen, aber den Propheten Muhammadgt nicht als 
Propheten anerkennen. 1 

Die Kurzform mit dem reinen Inhalt des Bezeugten lautet: 

La iläha illä lläh Muhammadu r-rasülu lläh 2 - „ [Es gibt] keinen Gott (keine 
Gottheit) außer Gott, Muhammad ist der Gesandte Gottes." Dieselbe 
Grundform mit dem Zusatz Ashhadu an ... („ich bekenne", „ich bezeu- 
ge") lautet: Ashhadu al-lä iläha illä lläh 3 wa ashhadu anna Muhammada r-rasülu 
lläh - „Ich bezeuge, daß es keinen Gott (keine Gottheit) außer Gott gibt, 
und ich bezeuge, daß Muhammad der Gesandte Gottes ist." - oder: 

Ashhadu an lä iläha illä llähwa ashhadu anna Muhammadan e abduhu wa r- 
rasüluhu - „Ich bekenne, daß es keinen Gott gibt außer Gott, und ich 
bekenne, daß Muhammad Sein Diener ist und Sein Gesandter ." Inwie- 
fern hier anstelle des Wortes „Gott" auch im Deutschen der Name „Al- 
lah" stehen könnte, wird sich (vgl. S. 35 ff.) noch zeigen. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 33 

Tauhid ar-Rubübiya 

[Gott als alleinigen 

Herrn und Erhalter allen Seins zu bezeugen) 

Hier besteht der Tauhid darin, daß man nur Gott allein als seinen Herrn, 
Erhalter, als Anzubetenden, zu Verehrenden bezeugt. Wer ein Wesen, 
irgend etwas außer Gott oder mit ihm zusammen als „Rabb"* betrach- 
tet, ist in der Tat ungläubig (Käfir) und jemand, der Gott dem Allmäch- 
tigen etwas zur Seite stellt, Polytheist (Mushrik). 

Tauhid al-Ulühiya 
[Gott als einzigen Gott zu bezeugen) 

Dies bedeutet, die ausschließliche Einzigartigkeit, Ausschließlichkeit und 
Einheit Gottes zu bezeugen hinsichtlich seiner Göttlichkeit. Darin sind 
verschiedene Unterpunkte erfaßt: 

Ikhläs (ausschließliche, reine Hinwendung zu Gott) 

Man muß sich — wenn es sich um reine Rechte Gottes des Erhabenen 
handelt - nur und ausschließlich Gott zuwenden. Wenn man etwa 
betet oder fastet (was reines Recht Gottes ist), so muß man das tun, 
um Gottes Wohlgefallen zu erlangen, man darf es aber nicht tun, um 
sich vor den Menschen hervorzutun. Diese Ausschließlichkeit in der 
Hinwendung zu Gott wird „Ikhläs" genannt (wörtlich: „Reinheit in 
etwas erhalten, bewirken"; „etwas ganz und gar gereinigt von ande- 
rem tun, erfüllen") und gehört zwingend zum Tauhid. 

Sich mit Bittgebeten (Du'ä') und beim festen Vertrauen (Tawakkul) und Wün- 
schen um Dinge, zu deren Erfüllung nur Gott mächtig ist, an Gott zu wenden 
Es kommt nur Gott allein zu, daß man sich mit Bitten in Du'ä'-Form 
an Ihn wendet. Das soll so verstanden werden: Man kann wohl einen 
Menschen um eine Sache bitten, doch man muß sich immer bewußt 
sein, daß es letztlich immer Gott ist, der einem Versorgung mit etwas 
gibt, der einem hilft, der einen prüft, usw. - und wenn man durch die 
scheinbare Auswirkung von Menschenhand etwas erhält, so hat Gott 
etwas durch die Hand anderer bewirkt. 

Daß man nur Gott allein ßirchtet 

Letztlich darf man nur Gott allein fürchten. Zwar ist es natürlich und 
wohl unvermeidlich, daß man sich vor Gewalt und Gewaltanwen- 
dung seitens der Menschen usw. fürchtet, aber letztlich darf man nur 
Gott als Alleinherrscher und zur Gewaltausübung Berechtigten aner- 



34 HANDBUCH ISLAM 

kennen. Wer also immer stärker in seinem Glauben wird, fürchtet 
immer weniger Unrecht und Unterdrückung für seine eigene Person, 
wenn er mit Verstand und Gottvertrauen zugleich bezeigt, daß es 
keine wirkliche Kraft und Macht außer durch, von und mit Gott 
gibt. Daher ist es am besten, in Notsituationen oder wenn man sich 
vor Gewalt und Ungerechtigkeit und Heimsuchung durch Menschen 
und andere Wesen fürchtet, dies zu bezeugen, in der Form: 
La haula wa lä quwwata illä bi lläh[i l- l aliyi l- 'agim] 5 

„Es gibt weder Kraft noch Macht außer bei Gott, [dem Hohen, dem 
Gewaltigen.]" 

Daß man nur Gott in den verschiedenen Formen des Gottesdienstes anbetet 
Das besondere Recht des Gottesdienstes - die direkte Anbetung - ist 
ausschließliches Recht Gottes. Wer irgendeinem geschaffenen We- 
sen oder einem angenommenen, falschen Gott X oder Y Gottesdien- 
ste erweist, ist Polytheist, Götzendiener (Mushrik). Das gilt auch für 
Dinge, die nicht wörtlich oder offiziell als Gottesdienste bezeichnet 
werden, es aber der Tat nach sind: Wenn jemand das Wort eines 
Menschen als einzig entscheidendes Gesetz ansieht, sei es für sich 
oder andere, gleich, ob das betreffende Wort dieses Menschen nun 
mit den Regeln Gottes übereinstimmt oder nicht, ist Mushrik (Götzen- 
diener). Wer auch Ideen als einzigen oder wichtigsten Maßstab an- 
nimmt - wer etwa als Nationalist den Nationalismus höher einstuft 
als die Brüderlichkeit im Islam, der ist Mushrik (Götzendiener), genau- 
so wie jemand, der den Islam zugunsten nationaler Interessen ver- 
fälscht, indem er verbietet, was Gott und Prophet ^J befehlen, und 
umgekehrt gebietet, was Gott und Prophet|g£ verbieten. 

Tauhid al-Asmä' wa s-Sifät 
(Gottes Absolutheit in seinen Eigenschaften zu bezeugen) 

Zum Tauhid gehört auch, daß man die Eigenschaften, die der allmäch- 
tige Gott sich selbst im Koran zuschreibt, ohne Wenn und Aber als 
wahr bezeugt. In diesen Eigenschaften sind die Unbegrenztheit, die 
Herrlichkeit und die gesamte Göttlichkeit Gottes in ihrem Wesen be- 
schrieben. Dabei gibt es Eigenschaften wie das Sehen und Hören, die in 
geringer Form auch den Geschöpfen Gottes zur Verfügung stehen, Ihm, 
dem Erhabenen, aber in ihrer höchsten Form. Doch gibt es auch beson- 
dere Eigenschaften Gottes, die nur Ihm selbst zur Verfügung stehen, 
wie die Fähigkeit, ein Wesen zu erschaffen oder aus Totem Lebendiges 
hervorzubringen. Hier muß der Muslim bezüglich der ersten Art der 
Eigenschaften bezeugen, daß nur Gott allein diese Eigenschaften in 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 35 

Vollkommenheit besitzt; bezüglich der zweiten Art muß er bezeugen, 
daß sie nur Gott allein zur Verfügung stehen. 



DER GOTTESNAME „ALLAH 

Allgemeines 

Das Wort „Allah" hat für alle Muslime, gleich welcher Nationalität, 
eine besondere Bedeutung, weil es zugleich den einen und unteilbaren 
Gott bezeichnet, neben dem es keinen anderen Gott, keine andere Gott- 
heit gibt, und weil es zugleich jedem Muslim sofort verständlich ist - 
gewissermaßen international. Weil es zugleich die Bezeichnung Gottes 
in der Shahäda-Formd ist (La iläha illä lläh 6 ), gewinnt das Wort „Allah" 
ganz außerordentliche Bedeutung für jeden Muslim. Davon abgesehen 
ist es aber auch mit vielen Mißverständnissen belastet, speziell seitens 
der nichtarabischen Nichtmuslime; auch werden seitens der Muslime, 
die sich nicht stark mit Theologie (Kaläm) beschäftigen und beschäftigt 
haben, insofern Mißverständnisse aufgebracht, als das Wort und seine 
Beziehung zu den Eigenschaften Gottes (Sißtu lläh) unklar werden. Das 
betrifft auch die Frage, ob und wenn, wie das Wort „Allah" in andere 
Sprachen als dem Arabischen übertragen werden kann. Zu all diesen 
Fragen nun einige grundsätzliche Darstellungen, die auf klassischen 
Werken der allgemein anerkannten Gelehrten beruhen, wie dem Lisän 
al-'arab des Ibn Mandhür (ein bis heute maßgebliches Lexikonwerk), 
und vielen anderen. 

Herkunft und Art des Wortes „Allah" 

Nach dem Werk Lisän al-'arab\ das als Standard unter allen Kennern 
der arabischen Sprache gilt, werden zum Wort „Allah" folgende Erläu- 
terungen 8 gegeben: 

i . Die Grundansicht, daß das Wort „Allah" sich von dem Wort „lläh", 
das einfach „Gott", „Gottheit" heißt, abgeleitet ist: 

Zum Wort „Allah" und seiner Herleitung sagt der Gelehrte Ibn äl- 
Athir: Dies ist abgeleitet von „lläh" (Gott, Gottheit). 
2. Die zweite Grundansicht, daß es sich bei dem Wort „Allah" um ein 
Wort handelt, das weder von einem anderen Wort ableitbar noch 
mit einem solchen in Verbindung zu bringen ist: 

Der Sprachgelehrte al-Khalil sagte dazu: Das Wort „Allah" ge- 
hört zu jenen Substantiven, die nicht von anderen Wortstämmen ab- 



36 HANDBUCH ISLAM 

geleitet werden können und dürfen, wie das - im Unterschied dazu - 
bei Namen wie „ar-Rahmän" oder „ar-Rahim" möglich und zulässig ist. 

Ibn Mandhür gibt dann - unter Bezug auf den Gelehrten al-Mun- 
dhiri - klare Belege dafür, daß grammatisch gesehen die erste Mög- 
lichkeit die richtige ist, daß sich aber das Wort „Allah" selbst in seiner 
Bedeutung klar von „Iläh" absetzt und als eigenständig, nicht von „Iläh" 
abhängig, gesehen werden muß: 
Der Gelehrte al-Mundhiri überliefert von dem Gelehrten Abu 
Haitham (seinem Gewährsmann), daß er ihn (Abu Haitham) da- 
nach fragte, ob und wie das Wort „Allah" ta'älä sprachlich abgeleitet 
werden könne. Darauf sagte Abu Haitham: In Wirklichkeit handelt 
es sich um das Wort „Iläh" (Gott), an das der bestimmte Artikel „al" 
(hier: der) angefügt und daraus „al-iläh" wurde; dann aber verwischte 
sich schon bei den (alten, den vorislamischen) Arabern die Trennung 
in der Aussprache zwischen al- und iläh, und man sagte den Aus- 
druck wie ein Gesamtwort „aliläh". Dann wurden die beiden L zu- 
sammengefaßt und assimiliert, bis das Wort „Allah" daraus entstand. 
Zusätzlich aber wurde in dem Wort „Allah" das lange A zwischen den 
beiden L und dem H auch noch verändert, indem es dunkel gespro- 
chen wurde - wahrscheinlich bedingt durch die Verschleifungen inner- 
halb des Wortes. So wurde es klar in der Aussprache unterschieden von 
dem Wort „Iläh", in dem das lange A immer hell ausgesprochen wird. 

Die Bedeutung des Wortes „Allah" 
im Unterschied zum Wort „Iläh" 

Daß „Allah" die Bedeutung von „al-Iläh" (der Gott, der eigentliche, der 
wahre Gott) habe, sofern nur dem einen, einzigen Gott es zukommt, 
angebetet zu werden, ist die erste Beschreibung von Ibn Mandhür: 
al-Iläh: Allah (mächtig und hoch erhaben ist Er). Alles, was außer ihm 
angebetet/verehrt wird, wird seitens dessen, der diese Verehrung 
durchführt, „iläh" genannt; dieses Wort „iläh" hat eine Pluralform 
„Aliha". Mit „Aliha" wiederum sind Götzen gemeint, die darum so 
[das heißt Aliha] genannt werden, weil die Götzendiener so ausdrük- 
ken wollen, daß diesen Götzen es zukäme, angebetet zu werden. Das 
heißt, der Aspekt des Angebetet-Werdens kommt in den Götzen- 
namen, (die in dem Wort Äliha zusammengefaßt werden), zum Aus- 
druck - ohne daß diese grammatische Ausdrucksweise in sich eine 
(theologische) Wahrheit beinhaltet. 

Von daher stimmen alle Gelehrten und im speziellen die Theologen 
überein, daß das Wort „Allah" nur und ausschließlich auf den einen, 
den einzigen Gott bezogen werden kann, im Unterschied zu „Iläh", was 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 37 

sowohl den einen Gott, als auch eine andere Gottheit bezeichnen kann; 
insofern ist „Allah" letztendlich in seiner wahren Bedeutung unabhän- 
gig von „Iläh" zu sehen. 

Weil diese Sinngebung jedem arabischsprachigen Menschen klar ist, 
wird „Allah" immer benutzt, wenn nur von dem einen Gott die Rede 
ist, wobei bezeichnenderweise auch arabischsprachige Christen nur und 
ausschließlich „Allah" verwenden, wenn sie von Gott sprechen. 

Die Verwendung des Wortes „Allah" 
in anderen Sprachen als dem Arabischen 

Es ergibt sich ein grundsätzliches und nicht leicht zu nehmendes Pro- 
blem in Sprachen außer dem Arabischen: 

• Kann man das Wort „Allah" in einer betreffenden nichtarabischen 
Sprache durch ein einheimisches Wort ersetzen oder nicht? 

• Besteht eine theologische Pflicht, nur und ausschließlich das Wort 
„Allah" zu verwenden, wenn von dem einen, einzigen Gott im Sinne 
des Islam die Rede ist? 

• Ist das Wort „Allah" eine Wesensbezeichnung des einen Gottes oder ein 

regelrechter Eigenname, der nicht übersetzbar bzw. übertragbar ist? 
Aus naheliegenden Gründen haben sich arabischsprachige Gelehrte mit 
diesem Problem nur sehr begrenzt oder auch gar nicht beschäftigt, weil 
innerhalb der arabischen Sprache diese Frage eindeutig zu beantwor- 
ten ist bzw. sich gar nicht stellt. Da aber schon früher Nichtaraber - 
etwa Iraner und Malaien - und mit ihnen einheimische Gelehrte die- 
sem Problem gegenüberstanden, fanden auch schon früh Überlegun- 
gen dazu statt; insgesamt ergibt sich also folgendes: 

Bei nichtarabischen Sprachen muß danach unterschieden werden, 
ob es eine einheimische Bezeichnung gibt für einen einzigen, ungeteil- 
ten Gott, die im Sprachverständnis von der Bezeichnung für irgendeine 
Gottheit unterschieden wird bzw. werden kann. 

Gibt es eine solche Unterscheidung nicht, sondern nur eine Bezeich- 
nung für irgendeine Gottheit im allgemeinen Sinne, so genügt diese 
Bezeichnung nicht, und nur das Wort „Allah" kann hier die Sinngebung 
„einziger Gott" wiedergeben. Hier besteht daher Einigkeit unter den 
Gelehrten, daß in diesem Fall nur das Wort „Allah" zulässig ist. 

Gibt es aber eine Bezeichnung, die dem Sinngehalt von „Allah" inso- 
fern entspricht, als damit der Gedanke des einzigen Gottes ausgedrückt 
und zugleich der Gedanke an eine zweite Gottheit ausgeschlossen wird, 
ist es zulässig, das einheimische Wort zu verwenden. Das gilt unter der 
Bedingung, daß das betreffende einheimische Wort ohne Erläuterung 
oder Zusätze dem oben genannten Sinngehalt entspricht. 



38 



HANDBUCH ISLAM 



Über die Verwendung des Wortes „Gott" im Sinne von „Allah" 

Innerhalb der deutschsprachigen Literatur nun wird sowohl das Wort 
„Allah" wie auch das einheimische Wort „Gott" verwendet, wenn von 
der Idee des einen Gottes, der keinen Teilhaber in Seinem Göttlichsein 
hat, die Rede ist. Auch bei den deutschsprachigen Muslimen — sowie 
auch den nicht deutschstämmigen Muslimen, die in deutsch veröffent- 
lichen - werden dazu verschiedene Positionen vertreten 9 : 

• manche halten den Begriff „Allah" für verpflichtend, 

• andere halten ihn für besser als „Gott", das Wort „Gott" aber für 
völlig zulässig, 

• mache halten beide für gleichgut zur Bezeichnung des Gemeinten. 
Hier nun eine Abwägung dazu: Dafür, daß man nur den Begriff „Allah" 
wählen darf, spricht im Falle des Deutschen nur ein einziger Punkt: 

Daß man von dem Wort „Allah" keinen Plural bilden kann, also der 
Gedanke an mehrere „Götter" von vornherein unmöglich damit in Ver- 
bindung gebracht werden kann, während das bei dem deutschen 
(Grund)Wort „Gott" möglich ist. 

Dafür, daß der Begriff „Allah" besser ist als „Gott", aber das Wort 
„Gott" voll zulässig ist, spricht folgendes: 

Der Begriff „Allah" wird von jedem Muslim - gleich welcher Mutter- 
sprache — verstanden; er ist gewissermaßen international, während das 
Wort „Gott" nur von Deutschsprachigen verstanden wird. 

Andererseits ist das Wort „Gott", wenn es ohne Artikel (ein/der) 10 
verwendet wird, im Rahmen der monotheistischen deutschen Sprach- 
tradition unmißverständlich und eindeutig: Es kann nur den einen, ein- 
zigen Gott bezeichnen, wie etwa in Sätzen wie „Gott tut das aus Barm- 
herzigkeit", „Gott hat Propheten entsandt". 

Daran ändert auch der Punkt nichts, daß man von dem Grundwort 
„Gott" den Plural „Götter" bilden kann, denn innerhalb eines korrek- 
ten Satzes wird das Grundwort „Gott" nur im Sinne „ein anderer als 
der eine, einzige Gott" mit dem Artikel „der" oder „ein" verwendet, 
während das Wort, wenn es ohne Artikel wie ein Eigenname - ohne 
irgendeinen Artikel — verwendet wird, den „einen und einzigen Gott" 
bezeichnet und dann auch kein Plural möglich ist. Das heißt: von der 
äußeren Form her gibt es nur eine einzige Wortform „Gott", von der 
echten, grammatischen Verwendung im Satz her aber gibt es zwei: 

i . „Gott" als Grundwort; es steht zwingend mit einem Artikel und 
hat den Plural „Götter". 

2. „Gott" als Bezeichnung für den einen, einzigen Gott; es wird — wie 
ein Eigenname - nur ohne Artikel verwendet und hat als solches keine 
Pluralform. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 39 

Dafür, daß beide Begriffe - „Allah" und „Gott" - insofern gleichwertig 
sind, als der Begriff „Allah" nicht als besser betrachtet wird, gibt es 
folgendes Argument: 

Insbesondere wenn Muslime und Nichtmuslime miteinander über 
Glaubensdinge sprechen, aber auch, wenn ein deutscher Nichtmuslim 
zum Islam findet, besteht oft das Mißverständnis, daß „Allah" ein ganz 
anderer Gott sei als der, der ja grundsätzlich auch im Christen- und 
Judentum als der eine, einzige Gott bezeichnet wird. 

Abgesehen davon, daß - nach islamischer Auffassung - durch Ver- 
fälschungen in den Evangelien bzw. in der Thora, durch menschliche 
Manipulationen das ursprüngliche Gottesbild, die reine Vorstellung 
Gottes getrübt wurde, ist es doch für alle monotheistischen Religionen 
ein unverzichtbarer Grundsatz, daß es nur einen einzigen Gott gibt, der 
die Propheten entsandte, Schriften herabsandte, der Schöpfer von al- 
lem Sein ist, usw. 

Es kann also nur ein einziger Gott gemeint sein, wenn in diesen Reli- 
gionen von dem einen Gott bzw. schlicht von „Gott" die Rede ist: alles 
andere wäre unlogisch. 

Daher muß in diesem Zusammenhang das Wort „Gott" dem Wort 
„Allah" gleichbedeutend sein; wenn nun in bestimmten Situationen das 
Wort „Gott" und das Wort „Allah" als zwei unterschiedliche Sinnträger 
bezeichnet werden, kann das Problem hier durch alleinige Verwendung 
des Wortes „Gott" vermieden werden - vorausgesetzt, alle Angespro- 
chenen und Sprecher sind Monotheisten. 



§3 

DER GOTTESNAME „RABB" 

Das Wort „Rabb" ist mit einem einzigen Ausdruck nicht wiederzuge- 
ben. Nach dem Gelehrten Ibn Mandhür und anderen Sprachgelehr- 
ten der arabischen Sprache kommt dieses Wort von dem Verb „rabbä", 
was „aufziehen", „erziehen", „erhalten", „sorgen für" bedeutet. Neben 
den sich daraus ergebenden Bedeutungen bezeichnet „Rabb" den, dem 
Verehrung und Anbetung ( 'Ibäda) im weiteren und auch konkreten Sinn 
zukommt, auch „Friedenstifter". Dieses Wort ist, absolut, ohne Zusatz 
gebraucht, ein direkt und nur auf Gott bezogenes Eigenschaftswort; es 
ist andererseits zulässig, wenn ein Mensch das Wort mit einem Zusatz 
für einen Menschen verwendet, etwa: Rabb ad-Där (der Herr des Hau- 
ses, zur Bezeichnung des Familienvaters und Hausherrn, usw.). Es steht 
in direktem Zusammenhang mit „Abd". Das Wort „Abd" bezeichnet 



4° HANDBUCH ISLAM 

wörtlich zwar „Diener", „Sklave", doch hier im Zusammenhang mit 
„Rabb" (Gott dem Erhabenen) bezeichnet es den Menschen, der ver- 
ehrt, der dem Rabb ergeben ist. Dabei fehlt ganz der Aspekt von Gefan- 
genschaft oder Gewalt, weswegen hier „Diener" und „Sklave" irrefüh- 
rende Begriffe im Deutschen sind. 

So ist Gott „Rabb al~Älamiri\ wörtlich: „der Rabb der Welten" bzw. 
der Wesen insgesamt. Die Wiedergabe „Herr" für „Rabb" — gerade an 
dieser Stelle, in diesem Ausdruck, ist zwar nicht falsch, aber unzurei- 
chend, weil in „Rabb" „Barmherzigkeit" und „Fürsorge" mitgedacht 
sind, während „Herr" neben der Vorstellung von „i&rr-schaf t", „Macht" 
und „Gewalt" nichts Vergleichbares enthält. 

Nur Gott kommt die Position und Bezeichnung „Rabb" bzw. „Rabb 
al-'Alamin" zu, nur Er darf ja letztlich verehrt oder gar angebetet wer- 
den. Wer sich daher aus der Masse der geschaffenen oder vorgestellten 
Wesen einen „Rabb" auswählt (also einen anderen als Gott), ist Götzen- 
diener, Polytheist (Mushrik). 

So heißt es im Koran über die Irregehenden unter den frühen Juden 
und Christen, daß sie ihre Priester und Gelehrten als „Arbäb" (PI. von 
„Rabb") nahmen. Dies, weil sie diesen Menschen besondere geistig-reli- 
giöse Rechte zugestanden, die nur Gott zukommen, wie Vergebung 
der Sünden oder Einsetzen eigener religiöser Vorschriften ohne aus- 
drückliche Anweisung oder Erlaubnis Gottes dazu. 



§4 

DER GLAUBE AN DIE EIGENSCHAFTEN GOTTES 

Allgemeine Darstellung 

Der Muslim muß im Rahmen des Glaubens an Gott auch an Seine 
Eigenschaften glauben, denn diese Eigenschaften bezeichnen das We- 
sen Gottes, so, wie Gott selbst sie im Koran dargestellt hat. 

Sie umfassen Dinge wie die Eigenschaft Gottes, Schöpfer aller We- 
sen außer Ihm selbst zu sein, alles zu wissen, alles zu können und aller 
Dinge mächtig zu sein, und vieles andere. 

Es ist unzulässig, von Gott eine Eigenschaft zu behaupten, die nicht 
im Koran oder in ganz sicheren Hadithen als solche bestätigt wird. 

Die Schönsten Namen Gottes [al-Asmä' aUhusnä) 

Die Eigenschaften Gottes werden vor allem durch die sogenannten 99 
„Schönsten Namen" dargestellt. Das sind zwar nicht alle der in Qur'än 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 4 1 

und Sunna genannten Eigenschaften und Umschreibungen, doch die 
wichtigsten. Hier eine Darstellung dieser Namen mit Kurzkommentar. 

Die „Schönsten Namen" 
mit Übersetzung, Besonderheiten und Erläuterungen zum jeweiligen Namen: 

ar-Rahmän der Erbarmer* 

Diese Form drückt dauerhaftes Erbarmen aus; das Erbarmen-Zeigen 

ist eine der wichtigsten Eigenschaften Gottes. 11 

ar-Rahim der Barmherzige* 

Diese Form entspricht etwa der vorigen; hier ist das tatsächliche Inne- 
haben der Barmherzigkeit stark betont. 

al-Malik der Herrscher, der König 

Gott allein hat die wahre Herrschaft über alles Sein inne. 

al- Quddüs der Heilige* 

Heilig muß hier im Sinne von absoluter Reinheit, Unantastbarkeit und 

Erhabenheit über alles Fehlerhafte verstanden werden. 12 

as-Saläm der Frieden* 

Damit ist die Bereitschaft Gottes gemeint, dem Menschen Frieden im 

Sinne von innerlichem Frieden zu gewähren. 13 

al-Mu'min der Gläubige 

Keines der geschaffenen Wesen kann Gott so erkennen, wie Er sich 
selbst erkennt; daher bezeichnet Er, der Erhabene, sich in dem Sinne 
als gläubig (Mu'min), daß Er vor den geschaffenen Wesen Seine Eigen- 
schaften und Majestät bezeugt. 

al-Muhaimin Der Wachende, Schützer 

Gemeint ist von der Wortwurzel her: jemand, der etwas bezeugt, bei 

etwas anwesend ist und über etwas bzw. jemanden dabei wacht. 

al-'AziZ der Freundliche, Würdige 

Gott ist trotz Seiner Allmacht und alles umfassenden Eigenschaften 



* Die mit Sternchen gekennzeichneten Namensformen dürfen nur in Zusammenhang 
mit Gott dem Erhabenen genannt werden. Einem Menschen kommt es nicht zu, 
diesen Namen ohne Zusatz zu tragen oder einen anderen damit zu benennen. 



42 HANDBUCH ISLAM 

milde und hat in sich und durch sein Handeln die eigentliche, unüber- 
treffliche Würde inne. 

al-Jabbär der Gewaltige 

Gottes Kraft und die Intensität Seiner Eigenschaften ist unübertreff- 
lich und daher auch unüberwindlich; niemand kann sich gegen Gott 
den Erhabenen stellen und erfolgreich daraus hervorgehen. 

al-Mutakabbir der sich selbst als groß Bezeichnende 

Wörtlich auch: der Hochmütige; gemeint ist aber, daß es einem Men- 
schen nicht zukommt, sich als soundso groß zu bezeichnen, Allah ta'älä 
aber dazu berechtigt ist. 14 

al-Khäliq der Schöpfer * 

Nur Gott allein ist Schöpfer, alles außer Ihm ist geschaffen.' 5 

al-Bäri' der Schöpfer * 

Nur Gott allein ist Schöpfer, alles außer ihm ist geschaffen. 

al-Musawwir der Bildner, der Erschaff er 

Gott als Schöpfer formt Seine Geschöpfe und verleiht ihnen Leben und 

Seele; der Mensch, der seelenbegabte Wesen nachbildet, begeht daher 

eine gewaltige Sünde, wenn er sich bei seiner Formung als „Schöpfer" 

vorkommt. 

al-Ghaffär der Verzeihende 

In der Wortform kommt zum Ausdruck, daß Gott stets zum Verzeihen 
bereit ist, so wie es im Koran heißt, daß Er grundsätzlich alles außer 
Vielgötterei (Shirk) verzeiht. 16 

al- Qahhär der Überwinder, der Sieger 

Jeder, der als Geschöpf über andere Geschöpfe siegt, wird doch von 
Gott überwunden. Er, der Erhabene, überwindet alle Wesen, ist der 
einzige, wahre Überwinder. 

al- Wahhäb der stetig Schenkende 

Gott schenkt den Wesen, ohne kleinlich aufzurechnen. 17 

ar-Razzäq der stetig Versorgende * 

Nur Gott allein ist letztendlich der, der den Menschen mit den Dingen 
des Lebens, dem Lebensunterhalt, versorgt. Ein Mensch, der einem an- 
deren etwas an Lebensunterhalt gibt, wird nur als der Ausführende 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 43 

betrachtet, während in Wirklichkeit Gott der Geber ist. Auch darf der 
Begriff „Razzäq" nur auf Gott angewandt werden. 

al-Fattäh der Eroberer 

Gott überwindet jeden Widerstand, erobert, bildlich gesehen, alle Din- 
ge- 

al-'A lim der Wissende 

Allah der Erhabene umfaßt alle Dinge mit Seinem Wissen; nur Er allein 
weiß um die Dinge des Verborgenen {'lim al-Ghaib), wenngleich Er eini- 
gen Propheten und Gesandten, der Friede sei auf ihnen, etwas davon 
anvertraut hat. Doch nur Gott der Erhabene allein kennt alle Dinge, 
verborgen und nicht verborgen. 

al-Qäbid der Erfassende 

Wörtlich meint „Qabd" das feste, tatsächliche Umfassen einer Sache; 
mit der Eigenschaft des „Qäbid" ist hier gemeint, daß der allmächtige 
Gott in das Geschehen der Welt real und mit festem Griff eingreift, die 
Dinge mit Seiner Allmacht steuert. 

al-Bäsit der Ausbreitende, Entfalter 

Gemeint ist hier entweder die Schöpfungsart, in der Gott die Erde aus- 
gebreitet hat (wie es mit der Wortform „Bisätä" im Koran heißt), oder 
die Fähigkeit Gottes, die Dinge und die ihnen innewohnende Wahrheit 
durch Zeichen darzulegen. 

al-Khäfid der Verminderer, Mäßigende 

Gott kann dem Menschen die Dinge entziehen oder vermindern, um 

ihn zu prüfen. 

ar-Räfi' der Erhebende 

Gott erhöht zuzeiten den Besitz und die Möglichkeiten des Menschen, 

auch, um ihn zu prüfen. 

al-Mu 'izz der Würde und Macht Verleihende 

Alle Macht und Würde kommt nur von und durch Gott; wenn Er will, 

gibt Er sie, wem Er will und in dem Maß, das Er will. 

a l-Mu dhill der Erniedrigende, der Macht und Würde entzieht 

Alle Macht und Würde kommt nur von und durch Gott; wenn Er will, 
nimmt Er sie, von wem Er will und in dem Maß, das Er will. 



44 HANDBUCH ISLAM 

as-SamV der Hörende 

Gott hört alle gesprochenen Dinge, ist allhörend. 

al-Basir der Sehende 

Gott sieht alle sichtbaren und unsichtbaren Dinge, ist allsehend. 

al-Hakam der (gerecht) Richtende 

Gott richtet gerecht. 

al-'Adl die Gerechtigkeit 

Gott verkörpert in sich die Gerechtigkeit. 

al-Latif der Freundliche 

Gott übertrifft alle Wesen an Freundlichkeit und Beistand. 

al-Khabir der Kundige 

Gott weiß um alle Dinge, ohne daß Er eines Kundschafters bedarf. 

al-Halim der Sanfte 

Er, der Erhabene, ist zu den Gläubigen sanft. 

al-'A^im der Gewaltige 

Gott ist in Seiner Wirklichkeit und Seiner Macht gewaltig. 

al- Ghafür der Vergebende 

Gott vergibt denen, die Ihn um Vergebung bitten. 

ash-Shakür der Dankbare 

Gott ist denen, die Ihm treu sind, dankbar, indem Er ihnen ihre guten 

Taten und Absichten mit Gutem vergilt. 

al-'Aliy der Hohe 

Gott ist hoch über die geschaffenen Wesen erhaben. 

al-Kabir der Große 

Gott ist Seinem Wesen nach groß, größer als alles außer Ihm. 

al-Hafiz der Bewahrer 

Gott bewahrt die wichtigen Dinge, gemäß Seinem Plan. 

al-Muqit der mit Lebensunterhalt versorgt 

Er versogt die Lebewesen mit dem für sie notwendigen Lebensunterhalt. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 45 

al-Hasib der Berechnende 

Gott rechnet die Taten der Menschen am Jüngsten Tag auf. 

al-Jalil der Majestätische 

Gott ist der Inhaber der Majestät. 

al-Karim der Würdevolle 

Gott verfügt über die höchste Würde und muß daher auch am meisten 

gewürdigt werden. 

ar-Raqib der Überwachende 

Nichts entgeht der Wachsamkeit Gottes. 

al-Mujib der Antwortende 

Gott antwortet auf das Gebet und die Bitte eines gläubigen Dieners. 

al-Wäsi' der Umfassende 

Es gibt nichts in Diesseits und Jenseits, das Gott nicht an Wissen und 

Vermögen umfaßt. 

al-Hakim der Weise 

Gott weiß und verwendet Sein Wissen auf die beste Weise. 

al- Wadüd der Liebende, in Liebe Zugeneigte 

Der Begriff der Liebe ist im Islam nicht so zentral gebraucht wie der 
Schlüsselbegriff der Barmherzigkeit; doch ist auch die Eigenschaft der 
innerlichen, reinen Liebe eine der Eigenschaften Gottes. 

al-Majid der Prächtige 

Gott ist in Seiner Herrlichkeit prächtiger als alles andere. 

al-Bä'ith der Erweckende, der auferstehen läßt 

Gott erweckt die Menschen am Jüngsten Tage wieder auf. 

ash-Shahid der Bezeugende 

Gott ist Zeuge aller Dinge, nichts entgeht Ihm. 

a l- Ha q q die Wahrheit 

Gott selbst ist die Wahrheit. 

al- Wakil der die Aufgabe Innehabende 

Gott hat sich selbst verschiedene Dinge auferlegt, so etwa die Barmher- 



46 



HANDBUCH ISLAM 



zigkeit. Er, der Erhabene, hat sich im Schöpfungs- und Weltplan selbst 
eine bestimmte Rolle zuerkannt. 

al-Qawiy der Starke 

Er, der Erhabene, übertrifft alle und alles an Stärke. 

al-Matin der in sich Starke 

Gott bezieht seine Stärke nur aus sich selbst; die geschaffenen Wesen 

jedoch beziehen ihre beschränkte Stärke nur von Gott. 

al- Waliy der Nahestehende 

Niemand steht dem Menschen so nah wie Gott. 

al- Hamid der Preisenswerte 

Nur Gott ist letztlich wert, gepriesen zu werden. 

al- Muhst der alles Zählende, Erfassende 

Niemand von den Menschen, kein Geschöpf überhaupt, kann die vie- 
len von Gott geschaffenen Einzeldinge in ihrer wahren Anzahl auch 
nur schätzen - Gott jedoch kennt alles in der jeweils wahren und abso- 
luten Zahl. 

al-Mubdi' der Hervorbringer, Erschaffer 

Nur Gott ist Schöpfer. Er, der Erhabene, bringt alle Dinge (neu) hervor. 

al-Mu { id der zurückkehren läßt 

So wie er, der Erhabene, die Menschen zum ersten Mal erschaffen hat, 
bringt Er sie am Jüngsten Tag neu wieder hervor, erschafft ihre Körper 
zum zweiten Mal. 

al-Muhyi der Leben Gebende 

Nur Gott kann Lebendes aus Totem oder aus dem Nichts hervorbrin- 
gen. 

al-Mumit der sterben läßt 

Nur Gott ist letztlich der, der den Tod verordnet und einem Wesen das 

Leben nimmt. 

al-Hayy der Lebendige 

Gott ist lebendig und stirbt niemals. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 47 

a l - Qayy um der Ewige 

Gott hat als einziges Wesen die Eigenschaft der Urewigkeit, Er war 

ewig und wird ewig sein. 

al-Wäjid der Findende 

Vor Gott können sich die Dinge und Wahrheiten nicht verschließen, Er 

findet sie immer. 

al-Mäjid der Preisenswerte, Vornehme 

Gott ist in all Seiner Vorzüglichkeit auch der Würdigste und Vornehm- 
ste, wird als Einziger dieser Eigenschaft - preisenswert zu sein - ge- 
recht. 

al-Wähid der Eine 

Gott ist nur Einer, es gibt keine Gottheit außer Ihm. 

al-Ahad der Einzige 

Gott ist ein Einziger, keiner ist Ihm, dem Erhabenen, gleich. 

as- Sara ad der Ewigbleibende 

Gott ist ewig und bleibt ewig existent. 

a l- Qädir der Bestimmende 

Gott ist der Herr der Vorherbestimmung. 

al-Muqtadir der die Bestimmung Festsetzende 

Gott setzt für jeden Menschen eine Bestimmung fest. 

al-Muqaddim der Vorausgehende 

Gott ist ewig gewesen und geht allen Dingen außer Ihm voraus. 

al-Mu'akhkhir der Nachkommende 

Gott wird immer, ewig sein und übertrifft daher alle irdischen Dinge in 

Zeit und Raum. 

al-Awwal der Erste 

Er, der Erhabene, war am Anfang allen Seins. 

al-Äkhir der Letzte 

Er, der Erhabene, wird sein, wenn alles irdische Sein nicht mehr ist. 



48 



HANDBUCH ISLAM 



a^-Zähir der Äußere 

Das Äußere der Dinge ist Ihm offenbar, und der Erhabene zeigt sich 

bzw. Seine Eigenschaften in äußeren Zeichen. 

al-Bätin der Innere 

Er, der Erhabene, kennt das Innerste aller Dinge und Wesen, nichts 
bleibt Ihm verborgen; auch verbirgt Er Sein wahres Wesen für die We- 
sen im Diesseits. 

al-Wäli der Herrschende 

Er, der Erhabene, beherrscht alle Dinge. 

a l- Mu ta ( ä li der Hocherhabene 

Er, der Erhabene, ist hocherhaben über alles andere. 

al-Birr der Fromme/die Frömmigkeit 

Er, der Erhabene, kennt das Wesen der Frömmigkeit besser als die Ge- 
schöpfe, die fromm sein sollen. 

at-Tawwäb der sich immerwährend in Vergebung Zuwendende 

Der Mensch wendet sich in Reue Gott zu (Tauba ilä lläh), und Gott wen- 
det sich als Antwort in Vergebung dem Menschen zu (Tauba c alä l-Insän). lB 

al-Muntaqim der Bestrafende 

Gott bestraft die Sünder, manchmal schon im Diesseits, immer aber im 
Jenseits, soweit sie nicht rechtzeitig bereuen. 

al- 'Afüw der Verzeihende 

Gott ist der, der die Sünden verzeiht. Nur Gott allein kommt es letztlich 
zu, Sünden zu vergeben, wenn Dinge betroffen sind, die über das reine 
Recht der Menschen hinausgehen. 

ar-Ra 3 üf der Verzeihende, sich Erbarmende 

Gott neigt sich den Menschen freundlich, mit milder Verzeihung, zu, 

wenn sie ihre Verfehlungen bereuen. 

Mäliku l-Mulk der Besitzer der Herrschaft 

Er, der Erhabene, ist der, der alles in den Himmeln und auf der Erde 

und in allen Welten, die Er erschaffen hat, beherrscht. 

Dhu l-Jaläli der Herr der Majestät 

wa l-Ikräm und Würdigung 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 49 

Er ist der, dem allein die wahre Majestät und letztendliche Würdigung 
zukommt, weil Er über allen und allem anderen steht. 

al-Muqsit der Gerechtigkeit Einsetzende 

Er ist der, der Gerechtigkeit walten läßt, der weder allgemein noch spe- 
ziell am Jüngsten Tag anders als gerecht urteilt. 

al-Jämi' der Versammelnde 

Er ist der, der die Menschen am Jüngsten Tag versammelt. 

al-Ghani der Reiche, der sich selbst zu Recht Genügende 

Gott bedarf keines anderen: Er ist der Schöpfer, der Erhalter, Er erhält 
und wird nicht erhalten. 

al-Mughni der Genügende 

Er ist der, der dem Gläubigen als Herrn genügt, weil der Gläubige kei- 
nen wahren Herrn anerkennt außer Gott. 

a l - Mä ni c der Verwehrende 

Entweder ist gemeint, daß Gott den Gläubigen bestimmte Dinge und 
Handlungen verwehrt, oder es ist gemeint, daß es nur Gott zukommt, 
Dinge zu gestatten oder zu gewähren, weil nur Er letztlich der wahre 
Gesetzgeber ist. 

ad-Särr der Schaden Zufügende 

Niemand kann letztlich einem Menschen Schaden zufügen, ihn bestra- 
fen, ihn prüfen, außer Gott, bzw. Schaden entsteht einem Menschen 
nur mit Erlaubnis Gottes, als Strafe oder Prüfung. 



an- Näß ' der Nutzen Bringende 

Nur Gott kann dem Menschen wirklich Nützliches geben, ihm wahre 

Werte, Bleibendes, Gutes geben. 

an -Nur das Licht 

Wie es im berühmten Lichtvers, Äyat an-Nür, heißt: Gott ist das Licht 

der Himmel und der Erde. 

al-Hädi der Rechtleitende 

Nur Gott ist der wahre Rechtleiter. Er, der Erhabene, leitet die Men- 
schen recht durch die Gesandten (Rusul) und Propheten {Anbiyä% wel- 
che in Seinem Auftrag den Menschen den rechten Weg zeigen. 



5° HANDBUCH ISLAM 

al-BadV der Neues Hervorbringende 

Gott allein ist Schöpfer. Er, der Erhabene, allein kann aus dem Nichts 

etwas Neues hervorbringen. 

al-Bäqi der (ewig) Bleibende 

Wenn am Jüngsten Tag alles irdische Sein vergeht, bleibt doch Gott, 

und Gott existiert von Ewigkeit bis in alle Ewigkeit. 

al-Wärith der Erbende 

Gott ist gewissermaßen der, der die „Dinge der Erde erbt", dem nichts 

von den Geschehnissen verborgen bleibt und der sie am Jüngsten Tag 

aufdeckt. 

ar-Rashid der Rechtgeleitete 

Gott selbst ist derjenige, der am besten weiß, wie wahre Gottesfurcht 

und Gläubigkeit sein muß. 

as-Sabür der Geduldige 

Gott übertrifft in Seiner Geduld alle anderen Wesen, die er ja auch 

erschaffen hat. 



KAPITEL 2 

DER GLAUBE AN DIE ENGEL 

Der Glaube an die Engel ist einer der wichtigsten Glaubensartikel (Rukn). 
Im Koran wird ausdrücklich auf die Engel - auf ihr wirkliches Vor- 
handensein und die Notwendigkeit, an sie zu glauben - hingewiesen: 

„Es ist nicht Glauben, daß ihr euer Angesicht nach Osten oder Westen 
wendet, sondern der Glaube ist (bei dem,) der an Gott, den Jüngsten 
Tag, die Engel, die Schrift und die Propheten glaubt." 

Sure al-Baqara (2), Vers 177 
„Der Gesandte glaubt an das, was ihm von seinem Herrn (an Offen- 
barung) herabgesandt wird, und (auch) die Gläubigen. Alle glauben an 
Gott, seine Engel, seine Schriften und seine Gesandten. (Sie sprechen:) 
Wir machen bezüglich keines einzigen von ihnen einen Unterschied ..." 

Sure al-Baqara (2), Vers 258 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 5 1 

„Und wer nicht an Gott, seine Engel, seine Schriften, Gesandten und den 
Jüngsten Tag glaubt, der ist weit irregegangen." 

Sure an-Msä' (4), Vers 1 36 

Auch im berühmten Hadith von IJmar wird der Glaube an die Engel - 
als einer der sechs Hauptglaubensartikel - aufgeführt. 

Das Wort „Malä'ika" (PI. von „Malak") leitet sich von dem Wort „ Ulüka" 
ab, was - wie auch das Wort „Risäla" - „Gesandtschaft", „das Entsandt- 
sein", „Gesandter sein" bedeutet; der Engel (Malak) ist also wörtlich ein 
„Gesandter". 



§5 

SCHÖPFUNGSEIGENSCHAFT DER ENGEL 

Die Schöpfung der Engel ist gewaltig; ihre Gesamtanzahl ist so groß, 
daß sie nicht vom Menschen erfaßt werden kann, und nur Gott allein 
weiß sie. 

Gott hat die Engel aus Licht erschaffen, und ihre Natur folgt dem 
Guten; weder kennen sie aus sich selbst heraus das Böse, noch befehlen 
sie dazu. Sie sind Tag und Nacht tätig und eilen umher; sie lügen nicht 
und sind nicht nachlässig im Gottesdienst; auch sind sie nicht hochmü- 
tig oder überheblich. Auch können sie sich Anordnungen Gottes nicht 
widersetzen, weil dies ihrer Natur widerspräche. 

Der Gesandte Gottes ^£ sagte über die Materie, aus der die Engel 
erschaffen sind: Die Engel (Malä'ika) sind aus Licht erschaffen, und die 
Geistwesen (Jinn) sind aus rauchlosem Feuer erschaffen; der Mensch 
wurde aus dem erschaffen, was euch beschrieben worden ist" 19 . 

Auch im Koran sind an mehr als einer Stelle genau diese Schöpfungs- 
ursprünge für Engel und Jinn genannt. 



§6 

DIE WICHTIGSTEN STUFEN 
IN DER HIERARCHIE DER ENGEL 

Unter den Engeln wird nach mehreren Stufen unterschieden, die hier- 
archisch geordnet sind: 

An erster Stelle stehen die Oberhäupter der Engel, die mit den wichtigsten 
Aufgaben betraut sind; sie haben zu allen Orten ihrer Welt Zugang 



52 HANDBUCH ISLAM 

und gebieten über sehr viele, ihnen untergebene andere Engel. Zu die- 
sen zählen die Engel Jibril (Gabriel), Mikä'il (Michael), Isräfil und Azrä'il 

Darauf folgen die Befehlshaber unter den Engeln, die in ihrer Befehls ge- 
walt auf einen bestimmten Bereich eingeschränkt sind, aber auch ih- 
nen untergebenen Engeln übergeordnet sind. Hierzu zählen wohl vor 
allem Ridwän, der „bewachende Engel" des Paradieses und zugleich „be- 
fehlshabende Engel" der „Dienerengel" des Paradieses, bzw. Mälik, der 
„befehlshabende Engel" der „Wärterengel der Hölle". 

Darauf folgen diejenigen Engel, die entweder direkt als „Helfer" 
(A'wän) einem befehlshabendem Engel unterstellt sind oder die eine be- 
sondere, dienende Tätigkeit ausüben, ohne daß aber ausdrücklich ge- 
sagt ist, daß sie direkte „Helferengel" sind. 



5 7 

DIE TÄTIGKEITEN DER ENGEL 

Die Tätigkeiten, Pflichten und Aufgaben, die die Engel erfüllen, sind 
belegbar durch den Qur'än und die Sunna; die Engel, ihre Namen und 
Anzahl - soweit genannt - und ihre jeweiligen Aufgaben sind die im 
folgenden aufgeführten: 

i .Jibril (Gabriel) vyui, auch Ruh al-Quds 2 ° genannt: Er wird von Gott in 
der Sure at-Takwir so beschrieben, daß er sich durch Stärke und Ver- 
trauenswürdigkeit auszeichnet: „Dies ist wahrlich das Wort eines edlen 
Gesandten, dem Macht gegeben ist beim Herrn des Thrones und der in 
Ansehen steht, dem gehorcht wird und der treu ist" (Sure at-Takwir 
[8 1], Vers 1 9-2 1). Er gehört zu den größten und gewaltigsten Engeln; er 
ist auch der Engel, der von Gott beauftragt wurde, den Propheten (An- 
biya') und Gesandten (RüsüI)^j\ die Offenbarungen und Offenbarungs- 
schriften zu übermitteln. 

2. Mikä'il (Michael): Seine Aufgabe, die Gott ihm übertragen hat, ist es, 
das zu regeln, was mit dem Regen und den Pflanzen zusammenhängt. 

3. Isräfil. Seine Aufgabe, die Gott der Erhabene ihm übertragen hat, 
ist, am Jüngsten Tag die Posaune (Sür) ertönen zu lassen. 

4. Der Todesengel Azrä'il: Er hat die Aufgabe, den Geist (Ruh) der 
Menschen zu ergreifen und aus den Körpern herauszuziehen. Er hat 
Engel als Helfer, auch „Helferengel" genannt, so wie es im Wort Got- 
tes des Erhabenen heißt: „Bis daß zu einem von euch der Tod kommt, 
indem ihn unsere Gesandten (das heißt, der Todesengel und seine Helfer- 
engel) sterben lassen, wobei sie (das Maß) nicht überschreiten" (Sure al- 
An'äm, Vers 61). 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 53 

5. Die Helferengel (A'wäri) des Todesengels: Diese gliedern sich in zwei 
Gruppen: die Engel der Barmherzigkeit (Malä'ikatu r-Rahma) und die En- 
gel der Bestrafung (Malä'ikat al-'Adhäb). 

6. Die „Trägerengel des Thrones Gottes": Dies sind normalerweise 
vier Engel, doch am Jüngsten Tag werden ihnen noch vier weitere En- 
gel hinzugefügt, wenn der Thron Gottes des Erhabenen von ihnen her- 
abgetragen wird, so daß Gott auf seinem Thron über die Menschen 
richtet. 

7. Ridwän: Er ist der Engel, dem es übertragen ist, die Paradiesgärten 
zu bewachen. Er ist der „bewachende Engel des Paradieses", und er ist 
auch der Befehlshaber und das Oberhaupt der „Dienerengel des Para- 
dieses". 

8. Die „Dienerengel des Paradieses": Sie sind dazu bestimmt, den 
Bewohnern des Paradieses zu dienen. Es ist überliefert, daß einem je- 
den Bewohner des Paradieses nicht weniger als achttausend dieser 
Dienerengel zur Verfügung stehen werden. 

9. Die „£abäniya" genannten „Wärterengel" der Hölle: Dies sind En- 
gel, die Gott damit beauftragt hat, über das Höllenfeuer zu wachen, in 
ihm die zur Hölle Verurteilten zu bestrafen und darauf zu achten, daß 
diese Verdammten nicht aus dem Feuer entweichen. Sie sind neunzehn 
an ihrer Zahl; über sie ist als „befehlshabender Engel der Wärterengel" 
der Engel namens Mälik eingesetzt. 

10. Die „ehrenwerten Schreiberengel" (al-Kiräm al-Kätibün). Dies sind 
Engel, die den Menschen begleiten und seine Taten in Büchern, die sie 
bei sich haben, aufzeichnen: der Engel zur Rechten des Menschen 
schreibt die guten Taten nieder, der Engel zur Linken die schlechten. 
Diese Engel treten am Jüngsten Tag offen zutage, und je nachdem, wie 
der Mensch gelebt hat, übergibt ihm der eine oder der andere der 
Schreiberengel das entsprechende Buch der Taten 21 . 

11. Die „Schutzengel" (Hafa^a) des Menschen: Die Aufgabe dieser 
Engel ist es, den Menschen, dem sie zugeteilt sind, vor den Nachstellun- 
gen der Geistwesen (Jinn) und Teufel (Shayätin) zu schützen. Diese Engel 
befinden sich vor und hinter dem Menschen und behüten ihn gemäß 
der Bestimmung, die Gott der Erhabene diesem Menschen bestimmt 
hat, bei Tag und Nacht. Doch wenn das Schicksal dieses Menschen 
etwas an Übel vorsieht bzw. Gott ihm den Tod oder Heimsuchung (im 
Sinne von Qadr) bestimmt hat, entfernen sich die Schutzengel von dem 
ihnen zugeteilten Menschen und verlassen ihn, bis das in Qadr Bestimmte 
sich erfüllt hat. 

12. Der Engel, der mit dem Mutterleib und der Entstehung der Kin- 
der beauftragt ist: Dieser Engel wartet ab, bis in der Gebärmutter einer 
Frau aus dem Samen des Mannes und der Eizelle der Frau sich etwas 



54 HANDBUCH ISLAM 

heranbildet, und fragt dann Gott, ob daraus ein Wesen - das heißt ein 
Mensch - entstehen soll. Wenn Gott entscheidet, daß ein Mensch ent- 
stehen soll, so fragt der Engel Gott den Erhabenen: 

Soll es ein männliches oder weibliches Kind werden? 

Soll es in seinem Leben Glück oder Unglück erfahren? 

Wie soll es um seinen Lebensunterhalt (Rizq) bestellt sein? 

Wie lang soll seine Lebenszeit sein? 
Auf diese Fragen hin gibt Gott dann die entsprechenden Anweisungen, 
und diese werden dem Menschen im Mutterleib als Schicksal (als Qadr) 
festgesetzt 22 . 

1 3. Der „Engel der Berge": Dieser Engel ist von Gott mit der Aufsicht 
über die Berge beauftragt. 

1 4. Die „umherziehenden Engel" (al-MaläHka as-Sayyähün): Diese sind 
damit beauftragt, den Segen- und Friedenswunsch - as-salätu wa s-salämu 
( alä n-nabiyi Muhammad - zu hören und aufzunehmen, den die Umma 
des Gesandten Gottes Muhammad^gJ, ihrem Gesandten, wünscht. 

1 5. Die „Engel des Bittgebets" [Malä'ikatu d-Du'ä } ): Diese befinden sich 
beim Kopf des Betenden, wenn er ein Du'ä* spricht, und sind damit 
beauftragt, immer dann, wenn ein Muslim für seinen Bruder im Islam 
im Du'ä 3 etwas Gutes wünscht, zu sagen: Amin, und dir das gleiche. 

16. Die „Engel des Aufsteigens": Diese Engel sind zwei an der Zahl 
und nehmen die Seele eines Menschen, der gerade gestorben ist, mit 
sich mit, indem sie zum Himmel emporsteigen 23 . 

17. Die beiden „befragenden Engel" Munkar und Nakir: Diese bei- 
den Engel sind damit beauftragt, den Menschen nach seinem Tod - 
wenn er ins Grab gelegt wurde - zu befragen: 

Wer ist dein Herr (Rabb)? 

Was ist deine Religion? 

Wer ist dein Prophet? 
Der Gläubige findet dabei die richtigen Antworten, worauf sie von ihm 
ablassen; der Ungläubige jedoch ist dazu außerstande und wird von 
ihnen noch im Grab gequält 24 . 



§8 

DIE WICHTIGSTEN EIGENSCHAFTEN DER ENGEL 

Schamgefühl 

Vor frommen Menschen zeigen die Engel Schamgefühl, das heißt, sie 
zeigen aus Respekt eine gewisse Scheu, ihnen zu nahe zu treten. So ist 
mit einem korrekten Hadith 25 vom Propheten |gk überliefert, daß er 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 55 

bezüglich der Person 'Uthmän bin al-'Affäns <^r sagte: Soll ich nicht 
Schamgefühl (also Respekt und Hochachtung) zeigen vor einem Mann, 
vor dem die Engel Schamgefühl zeigen? 

Von bestimmten Dingen belästigt zu werden 

Die Engel werden von unangenehmen, abstoßenden Dingen genauso 
belästigt, wie das bei Menschen der Fall ist; das gilt nach richtigen 
Hadithen besonders für unangenehme Gerüche, wie starken Zwiebel- 
und Knoblauchgeruch, und ihnen unangenehme Lebewesen und Ge- 
genstände, wie Hunde und Abbilder von Lebewesen. Wenn die Engel 
dergleichen an einem Ort erkennen, betreten sie diesen Ort nicht. 

Freisein von menschlichen Bedürfnissen 
und bestimmten menschlichen Eigenschaften 

Die Engel sind frei von solchen Eigenschaften der Menschen, denen 
ein Bedürfnis zugrundeliegt; so werden sie nicht krank, brauchen we- 
der zu essen noch zu trinken, müssen nicht schlafen und ermüden auch 
nicht. 

Gottesfurcht 

Die Engel fürchten Gott, wie es im Koran bestätigt wird: 

Sie (die Engel) sind nicht hochmütig und fürchten ihren Herrn, der 
über ihnen (thront), und tun, was ihnen befohlen wird. (Sure an-Nahl 
[i6], Vers 49 f.) 

Gehorsam gegenüber Gott 

Die Engel gehorchen Gott immer, widersetzen sich in keinem Fall, ja 
kennen von ihrem Wesen her Ungehorsam gegenüber Gott gar nicht: 
Sie (die Engel) widersetzen sich Gott nicht in dem, was Er ihnen be- 
fiehlt, und tun, was ihnen befohlen wird. (Sure at-Tahnm [66], Vers 6) 

Liebe und Zuneigung für die 
zu empfinden, die ihren Herrn -Allah ta'älä lieben 

Wie in richtigen Hadithen überliefert ist 26 , lieben die Engel einen Men- 
schen in dem Maße, wie dieser Mensch Gott liebt bzw. ihm gehorsam 
ist und Frömmigkeit zeigt. So wird überliefert: 

Wenn Gott der Allmächtige einen seiner Diener (gemeint: einen from- 
men Menschen) liebt, so ruft Jibril aus: Gott liebt diesen Menschen und 
(hat mir gesagt:) „Also empfinde Liebe und Zuneigung für ihn"; darauf 
liebt auch Jibril diesen Menschen und ruft dann im Himmel aus: „Gott 
liebt diesen Menschen, also liebt auch ihr ihn", und darauf lieben ihn 
auch die Bewohner des Himmels ... 



56 



HANDBUCH ISLAM 



Im Du'ä' für jemanden zu bitten oder ihn zu verfluchen 

Aus vielen Koranstellen geht hervor, daß die Engel für fromme Men- 
schen Fürbitte einlegen und im Du'ä' den allmächtigen Gott bitten, ih- 
nen zu vergeben 27 . Andererseits verfluchen die Engel (auf Dauer) auch 
diejenigen, die von Gott wegen ihres Unglaubens verflucht werden bzw. 
auch in manchen Fällen (für bestimmte Zeit) solche Menschen, die zwar 
nicht ungläubig sind, denen aber Gott der Allmächtige einer bestimm- 
ten (größeren) Sünde wegen zürnt. 

Die Gewaltigkeit ihrer Schöpfung und Gestalt 

Die Engel sind in ihrer wahren Gestalt gewaltig, und wenn der Mensch 
ihnen begegnet, fürchtet er sich nach den meisten Überlieferungen vor 
ihnen. So ist von dem Engel Jibril ^i aus den islamischen Quellen her 
gesagt, daß der Prophet ihn - als er,g£ diesen Engel kurz nach der 
ersten Herabsendung von Koranversen - am Horizont sah, wohin auch 
immer erg£ seinen Kopf hinwandte, und daß der Engel von ungeheu- 
rer Größe war. 

In anderen Überlieferungen und Koranversen wird auch deutlich, 
daß Jibril als einer der wichtigsten Engel in seiner wahren Gestalt über 
sechshundert Flügel verfügt 28 , während andere Engel nur über zwei, 
drei oder vier verfügen, wie es im Koran heißt: 

Preis sei Gott, dem Schöpfer der Himmel und der Erde, der die Engel 
zu Gesandten (Rusul) gemacht hat, [und sie haben] zwei, drei und vier 
Flügel; [doch] er fügt in seiner Schöpfung hinzu, was er will. Wahrlich, 
Gott ist aller Dinge mächtig. (Sure Fätir [35], Vers 1) 

Von einem der Engel, die den Thron Gottes des Erhabenen tragen, 
ist bezüglich seiner Größe gesagt, daß er mit seinen Füßen auf dem 
Grund der Erde steht, daß aber zwischen seinen Ohrläppchen und sei- 
nem Schulterblatt eine Entfernung liegt, die ein Vogel nur in sieben- 
hundert Jahren fliegend überwinden könnte. 

Andererseits ist es den Engeln auch möglich, Menschen in normaler 
menschlicher Gestalt zu erscheinen. Dies ist klar in mindestens einem 
richtigen Hadith überliefert, wo ein Mann mit tiefschwarzem Bart und 
Kopfhaar und makellosem weißem Gewand in die Moschee zu Medi- 
na kam und den Gesandten Gottes ^^ in Anwesenheit seiner Gefähr- 
ten über die Religion befragte; als dieser Mann wieder gegangen war, 
fragte der Prophet ^^: 

„Wißt ihr, wer das war? Die Gefährten sagten: ,Gott und sein Ge- 
sandter wissen es besser.' Da sagte (der Gesandte Gottes^^): ,Dies war 
der Engel Jibril, der gekommen war, um euch über eure Religion zu 
belehren.'" 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 57 

Offenbar nehmen die Engel des öfteren verschiedene Gestalten an; 
bezüglich des Todesengel etwa wird überliefert, daß er den Menschen, 
deren Seele er aus ihrem Körper herausziehen will, in furchterregender 
oder schöner Gestalt erscheint, je nachdem, wie diese Menschen gelebt 
hatten. 



§9 

DER GLAUBE AN DIE EXISTENZ DES TEUFELS 

(ASH-SHAITÄN), DER TEUFELWESEN (SHAYÄTIN) 

UND DER GEISTWESEN (jINN) 

%ur Wichtigkeit dieses 'Aqida-Bereichs 

7m dem ^f<fo-Bereich des Glaubens an die Engel gehört auch, daß 
man an die Existenz des Teufels [ash-Shaytän), der Teufelwesen [Shayätin) 
und der Geistwesen (Jinn) glaubt. Die Existenz dieser Wesen und daß 
sie von Gott als wirkliche Wesen geschaffen wurden, geht eindeutig 
aus vielen Koranversen und korrekten (sahih) Hadithen des Propheten 
4g£ hervor. Dieses Thema, es muß hier im Rahmen dieses Werkes not- 
wendig behandelt werden, weil hierüber viele falsche Ansichten in 
Umlauf sind, ist schwierig, weil die Menschen gerade durch falsche, oft 
auch lächerlich machende Aussagen diesem Thema entfremdet sind. 

Die folgenden Aussagen beruhen ausschließlich auf entsprechenden 
Koranversen und Sahih-Hadithen. 

Über den Teufel (ash-Shaitän) 

Der Teufel selbst ist ein von Gott geschaffenes Geistwesen, nicht aber 
ein Engelwesen bzw. Engel. Der Teufel hat sich bei der Erschaffung 
des ersten Menschen und Propheten, Adam r xJl, geweigert, Gott zu ge- 
horchen, welcher ihm befohlen hatte, sich vor Adam niederzuwerfen. 

Darum ist der Teufel direkt danach von Gott verflucht worden und 
sofort dazu verurteilt worden, in der Hölle bestraft zu werden - wie 
jedes andere Geschöpf auch, das sich Gott widersetzt. 

Von dem Moment an, wo sich der Teufel aus Hochmut und ent- 
täuschter Eitelkeit Gott ungehorsam zeigte, wird er auch „Iblis" (der 
Enttäuschte) genannt, ansonsten nur der Teufel (ash-Shaitän) 29 . 

Der Teufel ist von Anfang an der Feind aller Menschen gewesen und 
wird es immer sein. Er hat aber von Gott einen Aufschub erhalten: Bis 
zum Jüngsten Tag kann er versuchen, die Menschen irrezuleiten und 
sie zu dem zu bringen, was auch ihm selbst bestimmt ist - auf ewig in 
der Hölle bestraft zu werden. 



58 



HANDBUCH ISLAM 



Der Teufel hat mit Erlaubnis Gottes verschiedene Arten der Macht- 
ausübung zugestanden bekommen, um die Menschen verführen zu 
können; dazu gehört, daß er die Gestalt verschiedener Menschen an- 
nehmen kann. 

Allerdings hat der Teufel nicht die Möglichkeit, die Gestalt des Pro- 
pheten Muhammad^ anzunehmen. Wer aber von den Menschen 
Gott treu und ergeben ist, wer ein gläubiger Muslim ist und sich be- 
müht, so zu leben, wie Gott es ihm bestimmt hat, über den hat der 
Teufel keine wirkliche Macht. Der Teufel kann bei diesen guten Men- 
schen zwar seine Künste und Verführungstricks versuchen, doch diese 
Menschen beschützt Gott insofern, als er ihnen diese Tricks und Ver- 
führungen klar als übel und nicht erstrebenswert erscheinen läßt. 

Bei Menschen jedoch, die sich nicht um Gott und seine Gebote küm- 
mern, für die der einzige Glaube in ihren Begierden besteht, denen steht 
Gott nicht derart bei: Bei diesen erlaubt Gott dem Teufel, daß er (der 
verfluchte Teufel) diesen Menschen die verbotenen Dinge schön erschei- 
nen läßt. Und viele - wenn auch nicht alle dieser Menschen - fallen 
dann auf diese Verführungen des Teufels herein. (Möge Gott uns vor 
dem verfluchten Teufel schützen!) 

Der Teufel teilt mit den übrigen Geistwesen die allgemeinen Eigen- 
schaften der Jinn 30 . Nichts ist dem Teufel so zuwider, nichts vermeidet 
und flieht der Teufel so sehr wie die folgenden Dinge: 

i . Das Rezitieren des Koran (als solches, unabhängig von der betref- 
fenden Stelle) 3 '. Besonders gilt das für die beiden Schutzsuren (al- 
Mu'awwadhatän). 

2. Den Adhän und die Iqäma. 

3. Das aufrichtige Gebet (Saldi). 

4. Das aufrichtige Fasten (Saum). 

5. Aufrichtigkeit in den Dingen und Handlungen. 

6. Freigebigkeit (speziell beim Geben von Sadaqa 32 ). 

7. Anstand und Schamgefühl. 

Umgekehrt ist schon das bloße Nichtvorhandensein dieser Dinge eine 
Einladung an den Teufel. 

Die Arten der Geistwesen 

Wie der eigentliche Teufel (Iblis), so sind auch die übrigen Geistwesen 
von Gott erschaffene Wesen, die ihrer eigenen Welt angehören. Wenn 
auch Menschen- und Geisterwelt nicht identisch sind, so überschneiden 
sie sich doch in manchen Bereichen (das heißt räumlich und zeitlich). 

Es gibt unter den Wesen der Geisterwelt unterschiedliche Arten, dar- 
unter folgende grundsätzliche: 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 59 

i. Die gewöhnlichen Geistwesen (Jinn, Einzahl: Jinni). 
2. Die eigentlichen Teufelwesen: 

Einfaches Teufelwesen (Shaitän, Mehrzahl: Shayätin). 

Übles Teufelwesen (Shaitän märid). 

Bösestes Teufelwesen (Tfiü). 
Es gibt männliche und weibliche unter all diesen Geistwesen. Während 
die zweite Gruppe der Geistwesen, die Teufelwesen, von Grund auf 
bösartig sind, teilen sich die einfachen Jinn in Gruppen verschiedener 
Wesensart auf; auch gehören die Jinn verschiedenen Religionen an. Vor 
allem gibt es unter ihnen Muslime, Christen und Juden. Das ist da- 
durch erklärlich, daß ja die Offenbarungsschriften, die Gott durch die 
Propheten vj[j| überbringen ließ, für Menschen und auch Geistwesen 
herabgesandt wurden. 

Über die Eigenschaften der einfachen Geistwesen 
(Jinn) und Teufelwesen (Shayätin) allgemein 

,Jinn" bedeutet wörtlich: „Verborgenes". Dies darum, weil sie Wesen 
sind, die den Menschen nicht offenbar, nicht offen sichtbar sind. Zu- 
mindest die ersten jemals erschaffenen Jinn sind aus rauchlosem Feuer 
erschaffen; die Jinn als solche können gezeugt werden, zeugen und ster- 
ben, wie grundsätzlich auch die Menschen. 

Ob aber manche Jinn (das heißt spätere) auch direkt aus Feuer er- 
schaffen wurden oder aber genau wie bei den Menschen gezeugt sind, 
ist nicht eindeutig aus den gesicherten Koranversen und sicheren 
Hadithen zu entnehmen. 

Die Jinn haben ihre eigene Existenzebene (ihre Welt, die Geisterwelt), 
wie auch die Engel und die Menschen ihre jeweils eigene haben, doch 
überschneiden sich diese Existenzebenen teilweise räumlich und zeit- 
lich. 

Die gläubigen Jinn, die Muslime, beten, fasten und tun — wie auch 
die gläubigen Muslime unter den Menschen - das, was ihnen von Gott 
befohlen ist. Sie können in manchen Fällen auch den muslimischen 
Menschen helfen: So ist sicher überliefert, daß sie einen betenden Men- 
schen im Gebet - wobei sie ebenfalls beten - begleiten und ihn dabei 
auch vor bösartigen Jinn abschirmen (können). 

Jedoch können die bösartigen bzw. feindseligen Jinn von einem gläu- 
bigen Menschen durch Gebete (auch Du ( ä) abgewehrt werden. Insbe- 
sondere muß der (menschliche) Muslim vor dem Essen, Trinken, Schla- 
fen und vor dem Geschlechtsverkehr bei Gott seine Zuflucht suchen 
vor dem Teufel und bösartigen Jinn, denn diese Wesen begleiten den 
Menschen besonders bei diesen Tätigkeiten. 



6o 



HANDBUCH ISLAM 



Die besonderen Eigenschaften und Gewohnheiten der Geistwesen 

Trotz der ähnlichen Schöpf ungsart besteht ein großer Unterschied zwi- 
schen den einfachen Jinn und den Teuf eis wesen; daher wird gemeinhin 
von den „vier Arten der Wesen" (das heißt den mit Geist versehenen 
Wesen außer den Tieren 33 ) gesprochen: 
i . Engel, 

2. Menschen, 

3. Jinn, 

4. Teufelwesen. 

Obwohl die wahre Gestalt der Jinn von einem Menschen nicht mit dem 
Blick wahrgenommen werden kann, können sie doch andere (dem 
Menschen sichtbare) Gestalten annehmen: 

• Der Teufel (verflucht sei er) kann Menschengestalt annehmen. 

• Jinn können Schlangengestalt annehmen, auch andere Gestalten, 

die ihnen - von ihrer jeweiligen Art her - erlaubt sind. 
Die Jinn haben auch bevorzugte Wohnorte: 

• weite, öde Flächen, 

• Flußtäler (Wädis), 

• Orte, wo Müll und Schmutz ist, 

• zerstörte und verlassene Orte. 

Sie begleiten gern die Menschen, schließen sich aber gemäß ihrer eige- 
nen, individuellen Veranlagung auch immer solchen Menschen an, die 
ihnen in ihrer charakterlichen Art ähnlich sind; so begleiten etwa die 
Ungläubigen der Jinn gerne die Menschen, die schlecht sind, gern Sün- 
den begehen und Schmutz und schmutzige Dinge und Handlungen 
lieben. 

Ursprünglich war es den Teufelwesen und Jinn von Gott erlaubt, bis 
zur eigentlichen Engelwelt vorzudringen und einige Entscheidungen, 
die von den hohen Würdenträgern unter den Engeln wiedergegeben 
wurden, zu belauschen. Manche dieser Jinn haben dann einigen Men- 
schen diese Geheimnisse verraten, wobei sie aber auch Lügen mit die- 
sen wahren Aussagen vermischten. Doch vom Moment der Entsendung 
des letzten der Gesandten und Propheten, Muhammads^gS, an wurde 
ihnen das verwehrt. 

Obwohl auch Jinn über Ehre und Würde verfügen können, so sind 
doch selbst die guten unter ihnen durch Gott weniger mit Würde aus- 
gestattet worden als ein guter Mensch. Das heißt, von seiner Schöpfung 
und seinen Schöpfungseigenschaften her ist der Mensch würdiger, ge- 
ehrter als ein Geistwesen. Daher schließen sich die Jinn immer Men- 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



6l 



sehen an: guten, gottesfürchtigen, wenn sie selbst so sind, und entspre- 
chend schlechten, wenn sie selbst schlecht sind. Die „einfachen" Jinn 
sind keineswegs vom Teufel gezeugt (wie das bei bestimmten üblen 
Teufelswesen der Fall ist), sondern sind eine eigenständige Art. Auch sie 
können grundsätzlich ins Paradies gelangen, genauso wie die Menschen 
- wenn sie das tun, was Gott ihnen befohlen hat. 

Ob und wie Menschen 
von den Jinn heimgesucht werden können 

In manchen Fällen ist es möglich, daß Menschen von Jinn heimgesucht 
bzw. gequält werden. 

Besonders ist zu bemerken, daß sich ein Jinni rächen wird, wenn er 
beleidigt wird; böse Jinn werden aber auch ohne Grund versuchen, den 
Menschen zu quälen - besonders, wenn der Mensch sich nicht davor 
durch Gebete und Du'ä* (mit der Absicht, Gott um Hilfe vor diesen 
Nachstellungen zu bitten) schützt. 

Ein Mensch muß daher beachten, daß vor dem Teufel und bösartigen Geistwesen am 
besten folgendes hilft: 

• Den Ta'awwudh auszusprechen (A'üdhu bi llähi mina sh-shaitäni r-rajim). 

• Den „Thronvers" (Ayat al-kursi) zu rezitieren. 

• Die Mu l awwadhatän (die beiden Schutzsuren, die beiden letzten Suren 

des Koran) zu rezitieren; dabei ist es besonders empfohlen, diese bei- 
den Suren jeweils dreimal hintereinander zu rezitieren, und das so- 
wohl morgens als auch abends. 

• Die gesamte Sure al-Baqara (die zweite Sure) zu rezitieren. 

• Die Shahäda i oo mal pro Tag zu rezitieren; dabei ist neben der Grund- 

form „La iläha illä lläh" vor allem die folgende Form empfohlen: 

La iläha illä llähu wahdahü lä sharika Iah 

lahu l-mulku wa lahu l-hamdu 

[yuhyi wayumit] 

[huwa l-hayyu läyamüt\ 

wa huwa l alä kulli shai'in qadir 

„Es gibt keine Gottheit außer Gott, Er ist einzig, keiner ist Ihm 

beigesellt, 
Er hat die Herrschaft inne, und Ihm kommt der Lobpreis zu, 
[Er gibt Leben, und Er läßt sterben], 
[Er ist lebendig und stirbt nicht], 
und Er ist aller Dinge mächtig." 

• Gottes in Form von Dhikr zu gedenken. 

• Bei Zorn einen Wudü' vorzunehmen. 



62 



HANDBUCH ISLAM 



Besondere Du 'ä* -Formen gibt es ßir folgendes: 

i . Das Essen und Trinken; so soll man niemals vergessen, vor dem Es- 
sen „Bismi lläh" (im Namen Gottes) bzw. „Bismi llähi r-rahmäni r-rahim" 
(im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen) zu sprechen. 
Vergißt man das und bemerkt es, so soll man sprechen: „Bismi lläh. 
Astaghfiru lläh. Allähu l-awwalu wa l-akhiru" „Im Namen Gottes. Ich bit- 
te Gott um Verzeihung. Gott ist der Erste (der zuerst genannt werden 
muß) und der zuletzt (gepriesen werden muß)." 

2. Beim Schlafen, wenn noch Nahrungsmittel bzw. Essensreste in der 
Hand des Schlafenden sind. Wenn das geschieht, hat der Teufel das 
Recht, dem Schlafenden die Nahrungsreste aus der Hand zu neh- 
men und ihm so Schaden zuzufügen. 

3. Vor und nach dem Betreten der Toilette bzw. des Ortes, wo man sein 
Bedürfnis verrichtet. Davor spricht man: Bismi lläh. Allähumma innia 'üdhu 
bika mina l-khubuthi wa l-khabä'ith. „Im Namen Gottes. O Gott, Ich neh- 
me bei dir meine Zuflucht vor den männlichen und weiblichen unrei- 
nen Geistwesen." Danach spricht man: Ghußänak. „Ich bitte dich [o 
Gott] um Verzeihung." 

4. Vor dem Geschlechtsverkehr; das dann zu sprechende Z)w flautet: 
Allähumma jannibnä sh-shaitänu wajannibi sh-shaitänu mimmä razaqtanä. „O 
Gott, wende den Teufel von uns ab und wende den Teufel (auch) von 
dem 34 ab, was du uns als Versorgung gibst." 



KAPITEL 3 

DER GLAUBE AN DIE 
GEOFFENBARTEN BÜGHER UND SCHRIFTEN 



§ 10 

DIE IM KORAN MIT BESONDEREM NAMEN 
GENANNTEN OFFENBARUNGSSGHRIFTEN 

Dies sind: die Thora {Taurät) des Gesandten Müsä r üjl 35 , die Psalmen 
(£abür) des Gesandten Däwüd r >u! 36 und das Evangelium (Injil) des Ge- 
sandten 'Isä r 5ui Die als Schriften, aber ohne speziellen Eigennamen im 
Koran erwähnten Schriften sind die Schriftseiten (Sühuf) des Gesand- 
ten Ibrahim^ 37 . 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



63 



Eine Sonderrolle spielen hier die „Worte" (Kalimät), die der erste 
Mensch und Prophet, Adam ,^1, von Gott erhielt 38 ; hiermit ist eine 
Offenbarung gemeint, die aber nicht als Schrift (Kitäb), Schriftseiten 
(Suhüfj oder dergleichen bezeichnet wird. Von daher kann nicht genau 
gesagt werden, ob hier eine Offenbarung im Sinne der Schriften (Kutub) 
gemeint ist oder nicht. 



§ 11 

DIE FRAGE DER VERFÄLSCHUNG UND 

VERNICHTUNG DER OFFENBARUNGSSCHRIFTEN 

UND DIE UNVERÄNDERTHEIT DES KORANS 

Nach islamischer Auffassung ist der Koran die einzige noch vollstän- 
dig und in ihrer ursprünglichen Form erhaltene Offenbarungsschrift. 
Das heißt: Der Koran ist in der Sprache erhalten, in der er geoffenbart 
wurde, in klassischem Arabisch. Nur diese sprachliche Form - nicht 
aber eine Übersetzung in irgendeine andere Sprache - kann den An- 
spruch erheben, „ Qur'än" zu sein. In Fällen von Übertragungen in ande- 
re Sprachen handelt es sich um „Übersetzung der Sinngebungen des 
Qur'än" bzw. „Ungefährer Übertragung der Sinngebungen des Qur'än". 
Als Muslim von einer regelrechten „Übersetzung des Qur'än" zu spre- 
chen, ist aber aus mehreren Gründen zumindest zweifelhaft: 

• Weil im Sinne von Fjäz eine volle sprachliche Übertragung des Koran 

unmöglich ist. 

• Weil die Reimprosa-Form (Saf), in der der Korantext gehalten ist, 
nicht mit gleichzeitiger korrekten Übersetzung einhergehen kann. 
Der Muslim muß also als Glaubenssatz ( ( Aqida) bestätigen, daß der 

Koran Wort für Wort direkte Offenbarung und Wort Gottes ist, daß 
er wortwörtlich vom Engel Gabriel .^ji, von Gott dem Allmächtigen 
mit dem Wort des Korans kommend, dem Propheten und Gesandten 
Muhammad ^g£ geoffenbart worden ist. Wer also auch nur ein Wort 
des Korans als erfunden oder irgendwie nicht direkt von Gott geof- 
fenbart betrachtet, muß als ungläubig im Sinne des Islam (als Käfir) 
betrachtet werden. Ebenso muß als Käfir betrachtet werden, der glaubt, 
daß zwar ein Koran wortwörtlich geoffenbart wurde, der Koran in 
seiner heute vorliegenden Form aber in seinem Wortlaut verändert oder 
verkürzt oder erweitert ist. 

Man muß weiter daran glauben, daß die rechtlichen Bestimmungen, 
die im Koran genannt sind und nicht von Gott aufgehoben wurden, 
verbindlich sind; wer glaubt, daß die nicht aufgehobenen Bestimmun- 



64 



HANDBUCH ISLAM 



gen des Korans heute keine Bedeutung mehr haben, ist ungläubig (Käfir). 
Dahingegen kann ein Muslim von dem, was heute „Evangelium" oder 
„Thora" genannt wird, nur folgendes sagen: 

1 . Wenn Gott, ein Prophet oder ein Gesandter in diesen Schriften belei- 
digt oder mit Sünden verbunden wird, muß das als üble Lüge und 
Verfälschung betrachtet werden. 

2. Wenn ein Bericht etwas in diesen Schriften behauptet, ohne daß das 
dem Sinn von entsprechenden Berichten aus Qufän und Sunna wider- 
spricht, aber auch ohne daß es bestätigt wird, so ist das als bloße 
Geschichte ohne Wahrheitsanspruch — geschweige denn Offenba- 
rung - zu betrachten. 

3. Wenn eine Erzählung aus diesen Schriften mit Berichten des Korans 
oder sicheren Berichten aus Hadithen übereinstimmt, kann man das 
als dem Sinn nach korrekte Erzählung betrachten, aber auch nicht 
als Offenbarung. 



KAPITEL 4 

DER GLAUBE AN DIE PROPHETEN (ANBIYÄ') 
UND GESANDTEN (RUSUL) GOTTES 

§ 12 

GRUNDSÄTZLICHES 

Der Muslim muß als Glaubensgrundsatz {'Aqidd) glauben, daß Gott den 
Menschen durch Gesandte und Propheten mitgeteilt hat, wie sie leben 
sollen, was die Religion, was der Glaube - der Islam - vor Gott ist. Es 
ist Glaubensgrundsatz, daß die Religion bei Gott immer der Islam war, 
in seiner Elementarform: der Glaube an einen einzigen und unteilbaren 
Gott, daß man ihn anbeten muß - in einer Art, die in den Offenbarungs- 
schriften dargestellt war - und daß man fasten und Pilgerfahrten ver- 
richten mußte. 

Es ist durch verschiedene sichere Belege klar, daß den früheren Ge- 
sandten und Propheten in manchen Dingen mehr Pflichten auferlegt 
war, als dem Propheten und Gesandten MuhammadgJ für die Muslime 
auferlegt wurde, wie etwa verschiedene Reinigungsvorschriften. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 65 

§ 13 

WESENSART UND AUFGABEN 
DES PROPHETENTUMS (NUBUWWA) 

Die Auffassung von Prophetentum allgemein im Islam 

Zunächst ist wichtig, daß nach islamischer Auffassung die Propheten- 
schaft ein Phänomen ist, was nach dem Tod des Propheten und Ge- 
sandten Muhammad^ nicht mehr erscheinen kann, denn mit der 
Entsendung des Gesandten Gottes, Muhammads^J, ist die Reihe der 
Propheten und Gesandten abgeschlossen: Nach Muhammadi^ konn- 
te und kann kein Mensch mehr Prophet oder Gesandter sein. Wer das 
behauptete oder behauptet, kann aus islamischer Sicht nur als Lügner 
und Betrüger bezeichnet werden. 

Die unten gegebene Darstellung bezieht sich sowohl auf den Prophe- 
ten Muhammad .g£ als auch auf jeden anderen Propheten. Ein Pro- 
phet ist nach islamischer Auffassung zunächst einmal ein Mensch. Ein 
Prophet wurde durch Befehl Gottes dazu bestimmt, für sein jeweiliges 
Volk ein Prophet zu sein, ein Rechtleiter, der auf ausdrückliche Erlaub- 
nis Gottes und Seinen Befehl hin den Menschen eine Botschaft von 
Gott überbringen muß. Damit man ihm glauben sollte, war er als ein 
Mensch von tadellosem Wesen von Gott geschaffen: vertrauenswür- 
dig, anständig, ehrlich - in allen Dingen vor seiner Entsendung als Pro- 
phet haben die Menschen ihm vertraut. So war also eine logische Grund- 
lage für die Menschen gelegt, dem Propheten zu glauben. Ein Prophet 
ist des weiteren vor wirklichen Sünden geschützt, er hat die sogenannte 
„ ( Isma" (Sündlosigkeiten); das heißt, er kann zwar Fehler machen, da er 
weiterhin Mensch ist, doch Sünden im wirklichen Sinne zu begehen - 
von der Schlechtigkeit einer Sache zu wissen und sie doch zu tun -, ist 
einem Menschen, der später als Prophet erweckt wird, unmöglich. Da- 
her kann ein solcher Mensch auch nach seiner Entsendung als Prophet 
keine Sünden begehen. Wenn nun im Koran von einem Gesandten 
oder Propheten berichtet wird, daß er sagte: „meine Sünde(n)", so sind 
damit - in Übereinstimmung aller Gelehrten des Islam - Fehler ge- 
meint, die der jeweilige Gesandte oder Prophet schwer bereut. 

Zu jedem Volk, das der allmächtige Gott jemals entstehen ließ, wurde 
zumindest ein Prophet entsandt, wie ausdrücklich im Koran bestätigt 
wird. In manchen Völkern - wie den „Banü hrä'il", Kindern Israels - 
wurden allerdings sehr viele Propheten und zwei Gesandte erweckt (mit 
den beiden Gesandten sind Moses und Jesus gemeint). Auch wird aus- 
drücklich durch Koran und Sunna bekräftigt, daß die Botschaft eines 



66 



HANDBUCH ISLAM 



jeweiligen Propheten oder Gesandten nur für das jeweilige Volk galt, 
nicht aber für andere Völker; erst die Botschaft des Gesandten Muham- 
madJgJ gilt nach islamischer Auffassung für alle Völker. 

Die Propheten und Gesandten haben nicht nur eine gemeinsame Bot- 
schaft, sondern bezogen sich auch immer aufeinander. Man bezeich- 
net die Abfolge der Propheten und Gesandten daher als die „Kette der 
Propheten" (Silsilat al-Anbiyä'), die geeint wird durch das grundsätzliche 
und allen gemeinsame Anliegen: den Menschen die Einheit Gottes zu 
verkünden und ihnen den Weg zu zeigen, dem sie nach göttlichem 
Willen folgen sollen. 

Dabei verleiht Gott - so wie Er es will - den einzelnen Propheten und 
Gesandten die Macht, Wunder zu tun. Auch gibt es verschiedene Kenn- 
zeichen des Prophetentums, die zum Teil auch körperlich sind. Diese 
Zeichen sind den Menschen aus alter Zeit - aus ihren damaligen unver- 
fälschten Offenbarungsschriften - bekannt gewesen, doch heutzutage 
kann man sie nicht mehr genau bezeichnen, abgesehen von sehr weni- 
gen, wie etwa dem sogenannten „Siegel", das ein besonderes Zeichen 
zwischen den Schulterblättern gewesen sein soll. 

Die genaue Anzahl und die Namen aller Gesandten (Rusul) und Pro- 
pheten (Anbiyä') ist unbekannt, nur Gott allein kennt sie. Es ist aller- 
dings überliefert, daß sie mehrere Tausende bis Zehntausende über- 
schreitet - was auch bedeutet, daß die absolute Mehrheit der Prophe- 
ten und Gesandten heute unbekannt ist. 



§ *4 

DIE GRUNDARTEN DES PROPHETENTUMS 

Man unterscheidet zwei Grundarten des Prophetentums: 

/. Risäla 

Dies ist die höchste Art des Prophetentums, die sogenannte „Gesandt- 
schaft", das „Gesandtentum" (Risäla); ein solcher Prophet und Gesand- 
ter wird „Rasül" (PL: Rusul) genannt. Gemeint ist, daß ein Prophet nicht 
nur mit einer bestimmten Botschaft als Warner und Aufklärer und 
Rechtleiter entsandt wird, sondern daß er zudem auch eine besondere 
Offenbarungs schrift (Kitäb) erhält. 

Darin werden die Regeln und Gesetze, nach denen die Menschen 
nach dem Willen Gottes leben sollen, dargelegt. Nach islamischer Auf- 
fassung waren daher die Menschen niemals ohne ein solches Regel- 
werk, sondern schon der erste jemals geschaffene Mensch, Adam ^j\, 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



67 



war ein Prophet (Nabiy) und Gesandter Gottes (Rasül). - Die in den isla- 
mischen Quellen übereinstimmend als Gesandten (Rusul) bezeichneten 
Propheten sind: 



r 5U 



1 . Adam 

3. Müsä (Moses) £u\ 

5. 'Isä (Jesus) r <u\ 



2. Ibrahim (Abraham) r <cii 
4. Däwüd (David) r <u\ 
6. Muhammad^gk 



2. Nubuwwa 

Dies ist die Grundart des Prophetentums. Ein Prophet (Nabiy, PL: Anbiyä') 
erhält eine Botschaft von Gott, aber er bezieht sich auf eine bereits 
vorhandene Offenbarungsschrift (Kitäb, wörtl.: „Buch"). So bringt ein 
Prophet (Nabiy) kein eigenes Buch, aber er will die Menschen zu dem 
richtigen, gottgefälligen Weg wieder zurückführen, wobei er sich auf 
die Offenbarungs schrift des Gesandten (Rasül) vor ihm zurückbezieht. 
So haben sich die Propheten des Volkes Israel, die ja nach dem Gesand- 
ten Müsävyui kamen, immer auf die Thora zurückbezogen. 

An Propheten (Anbiyä') sind mit Namen bekannt, wobei die entspre- 
chenden Gesandten (Rusül) in eckigen Klammern mitgenannt sind: 



[Adam] 


[Müsä (Moses)] 


1 . Idris * 


1 2. Härün (Aaron) 


2. Nüh (Noah) 


[Däwüd (David)] 


3. Hüd * 


13. Sulaimän (Salomon) 


4. Sälih* 


14. Ilyäs (Elias) 


[IbrähIm] 


15. al-Yasa' (Elisa) 


5. Lüt (Lot) 


16. Yünus (Jonas) 


6. Ismä'il (Ismael) 


i7.Dhul-Kifl* 


7. Ishäq (Isaak) 


18. Zakariyä (Zacharias) 


8. Ya'qüb (Jakob) 


19. Yahyä (Johannes der Täufer) 


9. Yüsuf (Josef) 


['Isä (Jesus)] 


10. Ayyüb (Hiob) 


[MüHAMMADg] 


1 1. Shu'aib* 





Bezüglich dieser Personen ist klar, daß sie Propheten bzw. Gesandte 
sind. Doch bezüglich einiger im Koran genannter Namen ist es umstrit- 
ten, ob es sich um Propheten handelt oder nicht. Dies sind: 
1. TJzair (Ezra) 2. Luqmän* 3. Dhu 1-Qarnain 



: Dieser Prophet gehört zu den nur im Koran, nicht aber in den heutigen Evangelien 
oder der Thora erwähnten Propheten, weswegen auch keine im Deutschen gebräuch- 
liche Namensform angegeben wurde. 



68 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL 5 

DER GLAUBE AN DIE VORHERBESTIMMUNG 
(QADR) 

Die Vorherbestimmung stellt unter den wichtigen Glaub ensgrunds ätzen 
('AqäHd) vielleicht das schwierigste Thema dar. Viel ist hier an Nützli- 
chem und Nutzlosem, an Belegtem und an Spekulation gesagt worden. 
Hier soll nur knapp das Wichtigste erwähnt werden, um diesen Glaubens- 
grundsatz ausreichend darzustellen. Es ist Pflicht, daran zu glauben, 
daß es eine Vorherbestimmung (bestimmter Dinge) gibt. Wer eine jeg- 
liche Vorherbestimmung leugnet, der muß als ungläubig (Käfir) betrachtet 
werden. 

Die „Bestimmung" bzw. „Vorherbestimmung" (arab.: Qadr) festzu- 
setzen ist eine der Eigenschaften Gottes. Ihr steht der sogenannte „freie 
Wille des Menschen" gegenüber. Äußerlich ergibt sich hier ein wesens- 
hafter Widerspruch, der auch viele Muslime verwirrt: Wie kann einer- 
seits der Mensch verantwortlich sein für sein Handeln, sein Tun und 
Lassen, wenn andererseits die Dinge, die er in seiner Handlung tut, 
schon vorherbestimmt sind? Dieser Widerspruch ist aber so nicht vor- 
handen, denn: Nicht alle Dinge sind von Geburt des Menschen an für 
ihn vorherbestimmt. Vorherbestimmt im Sinne von Qadr ist für den 
Menschen vom Zeitpunkt an, wo er im Mutterleib mit einer Seele ver- 
sehen wird, folgendes: 

• ob es ein männliches oder weibliches Wesen wird, 

• ob er (grundsätzlich) glücklich oder unglücklich im Leben sein wird, 

• wie sein Lebensunterhalt aussehen wird, 

• wie alt er werden wird. 

Nicht aber vorherbestimmt ist etwa von Geburt an, ob jemand im Sin- 
ne des Islam gläubig oder ungläubig wird. Hier stellt sich nun die Fra- 
ge, was die Möglichkeit des Menschen ist und wie diese Möglichkeit 
durch die Macht, die Herrschaft und den Willen Gottes begrenzt ist. 

Einerseits umfaßt Gott alles mit seinem Wissen; das heißt, Er weiß 
bereits von Anbeginn der Zeit, was sich zu irgendeinem Zeitpunkt er- 
eignen wird. Dies darum, weil Gott nicht - wie die geschaffenen Wesen 
— durch Raum und Zeit eingeschränkt ist. Der Mensch wiederum ist 
innerhalb seiner Zeit und seiner Existenz, die ja zeit- und raumbegrenzt 
ist, in bestimmten Dingen in der Lage, eine Entscheidung zu treffen - 
etwa, ob er eine gute oder schlechte Tat tun soll. Die Vorherbestim- 
mung [Qadr) nun sagt zwar aus, daß auch Dinge, die noch nicht bei 
bzw. vor der Geburt festgelegt waren, von Gott in einer bestimmten 
Weise festgelegt sein müßten, insofern als ja Gott ohne jede Unterbre- 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



69 



chung die Herrschaft über die Welt ausübt und ja auch schon den Aus- 
gang aller Handlungen von vornherein kennt. 

Doch andererseits hat Gott auch dem Menschen die Möglichkeit - 
die echte Möglichkeit - gelassen, sich zu bestimmten Zeitpunkten (ge- 
sehen aus der Sicht des zeit- und raumgebundenen Menschen), für oder 
gegen eine Handlung zu entscheiden, denn sonst wäre ein Mensch, der 
bestimmte Sünden begeht und im Jenseits dafür in die Hölle gelangt, ja 
zwangsweise dazu verdammt gewesen - dann wäre Gott jedoch unge- 
recht, was aber nicht denkbar ist, weil Gott unter seinen Eigenschaften 
auch die der Gerechtigkeit, c Adl, hat. 

Eine Klärung dieses Problems liegt nun darin, daß - wie in einem 
Hadith gesagt - zwar Gott bstimmte Dinge, speziell auch Unglücke 
und Heimsuchungen, vom Himmel herabsendet (weil sie eben vorher- 
bestimmt sind), doch der Gläubige kann sich im Du'ä' an Gott wenden, 
wobei sein Du'ä } emporsteigt und das Unglück dadurch aufgehalten 
wird, sei es ganz oder teilweise, wenn Gott will. 

Das heißt: der Mensch hat in bestimmten Fällen und gemäß dem 
Plan Gottes die Möglichkeit, an seinem Schicksal mitzuwirken; zu Sün- 
den aber ist kein Mensch durch Qadr gezwungen. Von daher ist jeder 
Mensch von seiner Schöpfung und seiner individuellen Bestimmung 
her durchaus in der Lage, so zu leben, daß er ins Paradies gelangen 
kann; nur die Leichtigkeit und Beschwerlichkeit ist unterschiedlich. 



KAPITEL 6 

DER GLAUBE AN DEN JÜNGSTEN TAG 
(YAUM AL-QJYÄMA) 

§ 15 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 

Der Glaube daran, daß der Jüngste Tag eintreffen und stattfinden wird, 
gehört zu den wichtigsten Glaubensgrundsätzen. Diese Aqida ist erst 
dann korrekt befolgt, wenn der Muslim ganz und gar an zwei Dinge 
glaubt: 

1 . Daß man in umfassender, allgemeiner Form an den Jüngsten Tag 
glaubt. Damit ist gemeint, daß man (ohne Einzelheiten zu bedenken) 



70 HANDBUCH ISLAM 

glaubt, daß er eintreffen wird, daß es eine Auferstehung gibt, daß die 
Körper und die Seelen wieder vereinigt werden, daß es eine Abrech- 
nung gibt, bei der Gott selbst jeden einzelnen zur Rechenschaft zieht, 
daß es Paradies und Hölle gibt und jede Seele - nach ihrer gerechten 
Beurteilung durch Gott selbst — in einem der beiden ihren Platz ein- 
nehmen wird. 

2. Daß man an alles glaubt, was der ehrwürdige Koran und die korrek- 
ten Hadithe des Gesandten und Propheten Gottes, Muhammads^yj, 
über den Jüngsten Tag - und was damit zusammenhängt - aussagen. 

Mit diesen zwei Punkten sind folgende Dinge erfaßt: 

• Der Tod und der Todesengel (Malak al-Maut). 

• Die Heimsuchung im Grab (Fitnat al-Qabr), die Befragung durch die 
zwei Engel, die Bestrafung der Ungläubigen im Grab (Adhäb al-Qabr) 
und die Annehmlichkeit und Wohltat als Belohnung für die Gläubi- 
gen im Grab (Na'im al-Qabr). 

• Die Zeit des Barzakh zwischen dem Aufenthalt im Grab und der Auf- 

erstehung. 

• Die Zeichen für die Nähe und das Anbrechen des Jüngsten Tages 
(Ashrät as-Sä'a) (allgemein). 

• Die kleinen Zeichen (al-Ashrät as-sughrä) als Ankündigung des Jüngsten 

Tages. 

• Die Großen Zeichen (al-Ashrät al-kubra) als Ankündigung des Jüngsten 

Tages. 

• Der Beginn des Jüngsten Tages (Taum al-Qxyäma). 

• Die Auferstehung (al-Ba c th). 

• Die Versammlung (al-Hashr). 

• Belohnung und Bestrafung für die Taten (Jazä' al-A ( mäl). 

• Das Stehen des Einzelnen vor dem Thron Gottes (al-Araa) und die 
Abrechnung (al-Hisäb). 

• Der Teich (al-Haud). 

• Die Waage (al-Mizän). 

• Der Weg (as-Sirät). 

• Paradies (al-Janna) und Hölle (Jahannam). 



§ 16 

DER TOD UND DER TODESENGEL (MALAK AL-MAUT) 

Wenn Gott den Tod eines Menschen beschlossen hat, so wird dem 
Todesengel (Malak al-Maut) oder einem seiner Helferengel befohlen, die 
Seele des betreffenden Menschen aus dessen Körper zu ziehen; nach 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 7 1 

manchen Überlieferungen nimmt der Todesengel dabei beim Kopf des 
Menschen Platz und wartet schon, kurz bevor ihm der Befehl erteilt wird. 
Im Moment des Todes zieht der Engel die Seele aus dem Körper 39 , 
und der Tote bzw. seine Seele erkennen den Engel; dieser erscheint dem 
Toten dabei entweder in schöner, angenehmer Gestalt oder in schreck- 
licher, furchteinflößender Form, je nachdem, wie gut oder schlecht der 
Mensch sich vor seinem Tod verhalten hat. Zu dem, was dabei außer- 
dem noch geschieht, hier der Wortlaut eines richtigen Hadithes: 

„Wenn der gläubige Gottesdiener von der diessseitigen Welt (Dunya) 
getrennt und von der jenseitigen Welt (Akhira) in Empfang genom- 
men wird, so steigen zu ihm Engel vom Himmel (Samä*) herab, mit 
weiß leuchtenden Gesichtern, als ob ihre Gesichter wie die Sonne sind, 
und haben Leichentücher des Paradieses und Balsam 40 des Paradieses 
mit sich. [Sie kommen herab,] wobei sie sich, vom Toten in Blick- 
weite entfernt, niedersetzen und der Todesengel (Malak al-Mauf) sich 
bei dem Kopf des Verstorbenen niedersetzt und sagt: ,Du gute Seele, 
komm heraus und in die Vergebung und Zufriedenheit Gottes. ' Darauf kommt 
[die Seele] heraus, wobei sie so herausfließt, wie ein Tropfen in den 
Mund eines Trinkenden fließt. 

Wenn der ungläubige Gottesdiener 41 vom Diesseits getrennt und vom 
Jenseits in Empfang genommen wird, steigen zu ihm Engel mit schwar- 
zen Gesichtern herab, die ein Gewand aus grobem Tuch mit sich 
führen, und setzen sich in Sichtweite [vom Toten entfernt] hin; dar- 
auf kommt der Todesengel zu ihm, bis er sich schließlich bei seinem 
Kopf hinsetzt und sagt: y Du schmutzige Seele, komm heraus in die Wut und 
den Z orn Gottes' Darauf wird diese Seeele vom Körper getrennt, wobei 
sie so aus dem Körper herausgezogen wird, wie man einen Stab aus 
feuchter Wolle herauszieht 42 ." 

Ein weiterer Hadith-Teil (nach richtigen Hadithen) verdeutlicht, was 
danach geschieht: 

„Wenn der Todesengel die Seele eines gläubigen Gottesdieners nimmt, 
so dauert es nicht einmal einen Augenblick lang, bis die Seele von 
den (Helfer) Engeln in die Hand des Todesengels gelegt wird; darauf 
nehmen sie alle sie [die Seele], legen sie in jenes Leichentuch und 
jenen Balsam, von dem ein Duft ausströmt, der dem besten Moschus- 
duft entspricht, der auf dem Angesicht der Erde zu finden ist. 
Dann steigen sie mit ihr empor, und jedesmal, wenn sie an Ober- 
häuptern der Engel vorbeikommen, sprechen diese: , Was für eine gute 



72 HANDBUCH ISLAM 

Seele ist das?' Darauf sagen die emporsteigenden Engel zu ihnen: ,Das 
ist [Soundso), Sohn/ Tochter des (Soundso).', wobei sie den Toten mit den 
schönsten Namen benennen, die er in seinem diesseitigen Leben führte. 
Dann bitten [diese aufsteigenden Engel] beim untersten Himmel (as- 
Samä' ad-dunyä) um Einlaß, und es wird ihnen geöffnet. Dann steigen 
sie auf diese Weise immer weiter empor und bewältigen jeden dar- 
auffolgenden Himmel, bis sie beim siebten Himmel ankommen und 
dann Gott der Erhabene (zu den Schreiberengeln) sagt: , Tragt bezüglich 
meines Dieners [in euren Büchern] ein, daß er für Tlliyün^ bestimmt ist 'Darauf 
bringen die Engel diese Seele wieder zu ihrem Körper zurück, [und 
dort verbleibt sie,] bis die zwei [befragenden] Engel zu ihr [ins Grab] 
kommen." 

[...] „Wenn der Todesengel die Seele eines ungläubigen Gottesdieners 
nimmt, so dauert es nur einen Augenblick lang, bis die (Helfer)Engel 
die Seele in die Hand des Todesengels legen und sie [alle] sie dann in 
das besagte Gewand aus grobem Stoff stecken; dabei kommt aus die- 
sem Gewand ein Gestank heraus, der dem übelsten Fäulnis- und 
Zersetzungsgestank von Aas auf dem Angesicht der Erde entspricht. 
Dann steigen sie mit ihr empor, und immer wenn sie an Oberhäup- 
tern der Engel vorbeikommen, sagen diese: , Was ist dasfiir eine schmutzi- 
ge Seele?' Darauf sagen sie zu ihnen: ,(Soundso), Sohn/ Tochter des (Soundso) ( 
, wobei sie [die aufsteigenden Engel] sie [die Seele] mit den absto- 
ßendsten Namen benennen, die sie im Diesseits gehabt hat. Dann 
fragen sie [beim untersten Himmel] um Einlaßt doch es wird ihnen 
nicht geöffnet. [Darauf rezitierte der ProphetJgk während seines Be- 
richtes folgendes aus dem Koran:] Jhnen werden die Tore des Himmels 
nicht geöffnet, und sie betreten das Paradies nicht, bis ein Kamel durch ein Nadelöhr 
hindurchgelangV [Sure al-A'räf (7), Vers 40]. 

(Dann fährt der Bericht fort:) Darauf sagt Gott der Erhabene [zu 
den Schreiberengeln]: , Tragt für ihn in seinem Buch ein, daß er für Sijjin,fitr 
die unterste Stufe der Erde (darin) bestimmt ist 'Darauf wird die Seele dieses 
Menschen heftig fortgeschleudert. [An dieser Stelle rezitierte der Ge- 
sandte Gottes -sg|£:] ,Und wer etwas Allah (ta'älä) [in Götzendienst] zur Seite 
stellt, der ist so, als fiele er vom Himmel herab und die Vögel würden ihn erhaschen, 
oder er würde vom Wind an einen fernen Ort hingeweht/ [Sure al-Hajj (22), 
Vers 31] 

Darauf wird die Seele wieder zum Körper [in das Grab] zurückge- 
führt." 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 73 

§ i7 

die heimsuchung im grab (fitnat al-qabr.), 

die befragung durch die zwei engel, 

die bestrafung der ungläubigen im grab 

('adhäb al-qabr) 

und die annehmlichkeit und wohltat 

als belohnung für die gläubigen im grab 

(na'im al-qabr) 

Es gibt drei wichtige Zeiträume, die der Muslim immer in seinen Ge- 
danken behalten muß: 

1 . Den Zeitraum, der sich von dem Moment an, wo er (im Diesseits 
lebend) körperlich und geistig reif und erwachsen (und damit für seine 
Taten verantwortlich) geworden ist, bis zu seinem Tod erstreckt. Hier 
hat er die Möglichkeit und Pflicht, für seine Existenz in der jenseitigen 
Welt vorzusorgen, indem er als bewußter, gläubiger Muslim so lebt, 
wie Gott es ihm vorgeschrieben hat. Dieser Zeitraum wird „Barzakh" 
(Zwischenbereich, Trenn-Bereich) genannt und endet, wenn der Mensch 
stirbt: wenn also der Todesengel oder einer seiner Helfer auf Befehl 
Gottes die Seele aus dem Körper zieht. Bereits hier setzt das erste Mal 
Belohnung oder Strafe ein, denn der Todes engel erscheint dem Toten 
-je nach seinen Taten - in freundlicher, schöner oder in schrecklicher, 
furchterregender Gestalt. Diese nun vom Körper getrennte Seele wird 
dann nach der Grablegung des Leichnams des betreffenden Menschen 
in das Grab gebracht. 

2. Den Zeitraum, den die Seele des Verstorbenen im Grab verbringt, 
welcher von der Zeit kurz nach der Grablegung bis zu einem bestimm- 
ten Zeitpunkt vor der Auferstehung andauert. Dieser Zeitraum ist be- 
reits mit einem Vorgeschmack der künftigen Existenz des betreffen- 
den Menschen im Jenseits erfüllt: entweder wird der Tote im Grab Ruhe, 
Annehmlichkeit, Licht und beruhigtes Abwarten vorfinden, oder er wird 
Enge, Strafe, Qual und Verzweiflung erdulden müssen. 

Der Zeitraum des Barzakh^ wird zu bestimmten Zeitpunkten, nach 
manchen Meinungen morgens und abends, für die Seele mit dem Ver- 
lassen des Grabes und dem Aufenthalt der Seele am Ort 'Illiyin (für die 
Gläubigen) bzw. Sijjin (für die Ungläubigen) - wo die Seele, wie schon 
im Grab, Wohltaten bzw. Strafen erfährt -, ausgefüllt und endet mit 
dem Zeitpunkt der Auferstehung. 

3. Den Zeitraum, den der Mensch im eigentlichen Jenseits verbringt. 
Dieser Zeitraum wird mit der Auferstehung und den anderen Dingen 
des Jüngsten Tages (von dem nur Gott allein weiß, wie lange er und die 



74 HANDBUCH ISLAM 

Aufdeckung aller Taten andauern wird) eingeleitet und dauert bis in 
alle Ewigkeit. 

Der zweite Zeitraum beginnt dann, wenn der Tote im Grab beigesetzt 
wurde und die Angehörigen ihn und das Grab zurücklassen. In richti- 
gen Überlieferungen vom Propheten^J heißt es dazu, 
... daß den Toten bei seinem Begräbnis seine Angehörigen, sein Besitz 
und seine Taten bis zum Grab begleiten: dann aber verlassen ihn 
Angehörige und Besitz und kehren dorthin zurück, von wo sie kamen 
- doch die Taten des Verstorbenen folgen ihm ins Grab. Daraufkehrt 
die Seele des Toten, die beim Tod vom Körper getrennt wurde, wie- 
der in das Grab zurück. 45 

Hierbei kann nicht gesagt werden, auf welche Weise das geschieht; 
auch ist klar gesagt, daß es für die spätere Wohltat bzw. Strafe im Grab 
keine Rolle spielt, ob und wieviel von dem Körper des Toten noch vor- 
handen ist. 

Jedenfalls existiert auf eine Weise, die dem Menschen im Diesseits 
verborgen ist und die er nur durch die Offenbarung Gottes und die 
Kenntnis des Propheten |gj vom Verborgenen erfährt, ein Körper im 
Grab, der auch von Wohltaten und Qualen erfaßt werden kann. Zu 
diesem Körper tritt dann die Seele, welche dann im Grab befragt wird 
- aber ohne daß die Seele und dieser Körper so vereinigt werden, wie 
das mit der Seele und dem Körper vor dem Tod der Fall war bzw. wie 
es nach der Auferstehung der Fall ist, wo die Seele und ein für sie neu- 
geschaffener Körper vereinigt werden. 

Diese Befragung der Seele findet so statt 46 , daß zwei Engel in das 
Grab hinabsteigen, deren Namen Munkar 47 und Naklr 48 sind. Der Tote 
hört das Kratzen ihrer Fingernägel, dann sieht er sie. Sie werden als 
Wesen von zugleich schwarzer und gelber Farbe beschrieben, und in 
manchen Überlieferungen wird gesagt, daß ihre Fingernägel die Erde, 
die sie zur Seite graben, verbrennen. Diese beiden Engel erscheinen vor 
dem Toten 49 und hocken sich vor ihm hin. Dann befragen sie den To- 
ten: 
„Wer ist dein Herr (Rabb)?" 
„Was ist deine Religion?" 
„Wer ist dein Prophet?" 

Hierauf findet der gläubige Muslim die Antwort: 

„Mein Herr (Rabb) ist Gott." 

„Meine Religion ist der Islam." 

„Mein Prophet ist der Gesandte Muhammad |§£." 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 75 

Wer aber als Ungläubiger (Käfir) oder Heuchler (Munäfiq) gestorben ist, 
der erkennt in diesem Moment die Wahrheit und findet doch keine 
andere Antwort als diese: 

„Ich weiß es nicht. Ich hörte die Leute etwas sagen und habe es nach- 
gesprochen." 

Wer den beiden befragenden Engeln die richtigen Antworten geben 
kann, von dem lassen sie ab, dem wird das Grab weit und geräumig 
gemacht 50 , und ihm wird sein Grab, seine Wohnung, bis zum Tag der 
Auferstehung mit schönen Dingen 51 angefüllt. 

Wer vor den beiden befragenden Engeln aber nicht bestehen kann 
und damit eingestehen muß, daß er ungläubig (Käfir) ist, der wird im 
Grab auf verschiedene Weise gequält und schon vor dem Jüngsten Tag 
bestraft: Ihm wird sofort nach seinem Eingeständnis von den beiden 
Engeln ein starker Schlag versetzt, und zwar mit hammerartigen Eisen- 
keulen; er wird danach auf Gesicht und Rücken geschlagen, sein Grab 
wird ihm eng gemacht, bis sein Körper (den er im Grab hat) so ein- 
gequetscht wird, daß sich seine Rippen ineinanderschieben, so wie man 
die gespreizten Finger seiner Hände ineinander verschieben kann. Sei- 
ne Qualen sind um so stärker, je größer seine Sünden im Jenseits vor 
seinem Tod waren, und sie dauern bis zu seiner Auferstehung an. Wäh- 
rend seiner Zeit im Grab kann sein Schreien auch von den Seelen ande- 
rer Toten, die (zum Beispiel auf Friedhöfen) neben ihm liegen, gehört 
werden. 

Es gibt also nur diese beiden Möglichkeiten: daß man im Grab - und 
auch danach im Barzakh, bis zur Auferstehung am Jüngsten Tag - 
Wohltaten und einen glücklichen Aufenthalt (Na'im al-Qabr) hat oder 
daß man im Grab - und auch danach im Barzakh, bis zur Auferstehung 
am Jüngsten Tag - Qualen und Bestraf ung ( 'Adhäb al-Qabr) zu erdulden 
hat. 



§ 18 

DIE ZEIT DES BARZAKH VON DEM 
AUFENTHALT IM GRAB BIS ZUR AUFERSTEHUNG 

Wörtlich bezeichnet „Barzakh" etwas, was zwei Dingen voneinander trennt 
oder zwei Arten von Material bzw. Materie (zum Beispiel Salz- und Süß- 
wasser) auseinanderhält, wie ein Damm, ein Wall, eine Mauer usw. 

Auch im übertragenen Sinne kann man das Wort einsetzen: So ist 
etwa die (bewußte) Sprache als trennendes Merkmal zwischen Mensch 
und Tier auch ein „Barzakh", und auch das, was den Zweifel von der 



76 



HANDBUCH ISLAM 



Gewißheit trennt, ist ein „Barzakh". Im Bereich der Religion ist damit 
gemeint, daß die Seele nach einer bestimmten Zeit, die sie im Grab 
geblieben ist, an einen bestimmten Ort gebracht wird, an dem sie bis zur 
Auferstehung bleiben muß - sei es für einen mehrfach wiederkehrenden 
Zeitraum oder kontinuierlich bis zum Tag der Auferstehung. Dieser Ort 
ist für die Seelen der Gläubigen Tlliyün, für die Seelen der Ungläubigen 
aber Sjjjin. In Tlliyün werden die Seelen mit den Vorfreuden des Paradie- 
ses versehen, in Sjjjin erhalten die Seelen der Ungläubigen in Form von 
Qual einen Vorgeschmack auf die Strafen der Hölle. Bei beiden Orten 
handelt es sich aber um solche Orte, die fern des Grabes sind, aber nicht 
direkt zu Paradies bzw. Hölle gehören. Sie sind feste Aufbewahrungsor- 
te, in denen die Seelen an jedem Tagesanbruch bzw. -ende für eine Weile 
bleiben, während sie ansonsten im Grab verbleiben müssen. 

Eine Ausnahme hiervon bilden die Seelen der Märtyrer (Shuhadä'), 
die um Gottes des Erhabenen willen sich um den Islam bemüht haben 
und um ihr Festhalten an Gott und Islam willen getötet wurden: Diese 
Seelen gelangen direkt in das Paradies und wohnen direkt unterhalb 
des Thrones Gottes des Erhabenen. 



§ 19 

DIE ZEICHEN FÜR DIE NÄHE UND DAS ANBRECHEN DES 
JÜNGSTEN TAGES (ASHRÄT AS-SÄ'a) ALLGEMEIN 

Bevor der Jüngste Tag anbricht, erfüllen sich bestimmte Ereignisse, die 
zum Teil sehr erstaunlich sind. Diese Zeichen werden die Zeichen der 
Stunde [des Anbruchs des Jüngsten Tages] (Ashrät as-Sä'a) genannt. Sie 
werden in zwei Gruppen aufgeteilt: 

• die sogenannten „Kleinen Reichen" (al-Ashrät as-sughrä); diese sind sehr 
viele, nach manchen Zählungen etwa dreihundert. Die meisten die- 
ser Zeichen sind bereits erfüllt. 

• die sogenannten „Großen Reichen" (al-Ashrät al-kubrä). Diese sind sehr 
viel weniger, genauer: zehn Zeichen. 

Sobald das erste dieser Reichen eintrifft, ist das Tor zur Reue verschlossen, man kann 
den Gläubigen und den Ungläubigen offen (körperlich) erkennen, und von keiner Seele, 
die sich bis dahin noch nicht zum Islam bekannt hat, wird danach noch eine Bekehrung 
zum Islam angenommen: Der Jüngste Tag im weiteren Sinn hat dann begonnen (nicht 
jedoch die Stunde selbst, in der die Auferstehung stattfindet). 

Es ist gesagt, daß die Kleinen Zeichen zuerst nur in geringer Zahl in 
jedem Jahrhundert auftraten, aber - je näher die Stunde rückte - in 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 77 

jeweils gleichen Zeitabständen immer häufiger erschienen und bis heu- 
te erscheinen. 

Die Großen Zeichen schließlich folgen ungeheuer schnell aufeinan- 
der, und nach Erfüllung des letzten von ihnen folgt der eigentliche 
Anbruch der Stunde. 



§ 20 
DIE KLEINEN ZEICHEN (AL-ASHRÄT AS-SUGHRÄ) 

Die Kleinen Zeichen sind insgesamt sehr zahlreich (etwa 300), und die 
meisten davon sind bereits eingetreten. Von diesen Zeichen - bereits 
eingetretenen und noch nicht erfüllten - hier nun einige Beispiele: 

1 . Das Auftreten von immer mehr und gewaltigeren Kriegen und Schlachten. - Dies 
ist bereits eingetreten. Geschichtlich nachweisbar kamen in den mei- 
sten Schlachten auf der Arabischen Halbinsel zur Zeit des Propheten 

^J jeweils weniger als 200 Menschen um; doch schon ein Jahrhundert 
später stieg die Zahl der Gefallenen in einer „gewöhnlichen" Schlacht 
dieser Weltgegend auf durchschnittlich 500 bis 1000. Daß in Schlach- 
ten und Kriegen in anderen Jahrhunderten davor und danach jeweils 
weit gewaltigere Menschenmassen umkamen und umkommen (bis zu 
vielen Zehn- und Hunderttausenden), ist allgemein bekannt. 

2. Der Eufrat (al-Furät) wird einen Berg von Gold freigeben, um den die Menschen 
kämpfen werden. - Dies ist noch nicht eingetroffen. 

3. Ein Feuer, das im Hijäz {Nordarabien) auftaucht und „die Kamelrücken in 
Basrä beleuchtet". - Dieses Zeichen ist bereits eingetreten. In Medina, im 
Viertel „al-Hurrat ash-Sharqiya", trat ein gewaltiges Feuer auf, das lange, 
während einer ganzen Nacht, anhielt und noch in Basrä gesehen wer- 
den konnte. Dies ereignete sich in der Nacht zu Mittwoch, dem <$.Jumädä 
al-Akhira 654 d. H. 

4. Daß die Götzen erneut auf der Arabischen Halbinsel angebetet werden. - Dies 
ist bereits eingetroffen. Vor allem im 16. und ^.Jahrhundert christli- 
cher Zeitrechnung verbreitete sich - außer in den wenigen Städten wie 
Mekka, Medina usw. - eine Baum- und Steinverehrung nach dem Mu- 
ster der Jähiliya, Tieropfer (solche, die nicht von dem islamischen Recht 
gestattet sind) wurden an bestimmten Orten für Geister dargebracht, 
Gräberkulte in absonderlichsten Formen, die weit vom Islam entfernt 
waren, wurden erfunden. 

5. Ein Mann von den Qahtän {südarabische Stammesgruppe) wird hervorkommen 
und die Menschen mit seinem Stock {das heißt mit Gewalt} vorantreiben. - Dies ist 
noch nicht eingetroffen. 



78 



HANDBUCH ISLAM 



6. Daß man als Muslim am Morgen aufwacht und als Käfir in die Nacht geht, und 
daß man nachts Muslim und morgens Käfir ist - weil man seine Religion für irgend 
etwas, irgendeine Sache dieser Welt (Dunyä) verkauf. - Dies ist heutzutage voll 
und ganz eingetroffen. 

Sobald aber der Anbruch des Jüngsten Tages näherrückt, treten die 
„Kleinen Zeichen" in jeweils gleichgroßen Zeiträumen in immer größe- 
rer Anzahl auf. Wenn das letzte der Kleinen Zeichen eingetreten ist, 
folgen die Großen Zeichen. 



§ 21 
DIE GROSSEN ZEICHEN (AL-ASHRÄT AL-KUBRÄ) 

Die „Großen Zeichen" gehen dem eigentlichen Jüngsten Tag kurz vor- 
aus und sollen schnell aufeinander abfolgen; der Überlieferung nach 
sind es insgesamt zehn. Diese zehn Großen Zeichen werden in mehre- 
ren richtigen (sahih) Hadühen aufgeführt, so auch im folgenden 52 : 

Der Gesandte GottesJ^ sagte: „Wahrlich, sie (die Stunde des Jüng- 
sten Tages) wird erst dann anbrechen, wenn ihr davor zehn Zei- 
chen 53 gesehen habt." Darauf nannte erJg£ 

• den Aufgang der Sonne von Westen her, 

• das Tier (ad-Däbba), 

• den Dajjäl, 

• das Herabsteigen Jesu (isä^i), 

• den Rauch (ad-Dukhän), 

• [das Erscheinen der beiden Völker] Gog und Magog [Ya'jüjwa Ma'jüj], 
dann drei (Mond-)Finsternisse: 

• eine im Osten (Mashriq), 

• eine im Gebiet der Arabischen Halbinsel, 

• eine im Westen (Maghrib), 

und als letztes [Zeichen] nannte er^£ 

• ein Feuer, das sich vom Jemen her ausbreitet und die Menschen zu 
ihrem Versammlungsplatz hintreibt. 

Der Aufgang der Sonne von Westen her 

Das erste der „Großen Zeichen" ist der Aufgang der Sonne von Westen 
her. Es ist in richtigen Hadithen überliefert, daß dieser Sonnenaufgang 
von Westen her von allen Menschen insgesamt gesehen werden wird. 
An diesem Tag wird für jeden, der Muslim ist, und jeden, der diese hier 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 79 

genannten Dinge kennt, klar werden, daß der Islam die Wahrheit ver- 
tritt, daß die Ankündigungen und Verheißungen Gottes im Koran 
Wahrheit und Wirklichkeit sind, daß nun das Schicksal der Schöpfung 
sich erfüllen wird und keine Reue, keine noch so gute Tat mehr jeman- 
den erretten kann, wenn er sich nicht schon vor diesem offenkundigen 
Zeichen zum Islam bekannt hat. 

Das Erscheinen des „Tieres" (ad-Däbba) 

Das „Tier" (ad-Däbba) wird erscheinen und sich gegen die Menschen 
richten. Dieses Zeichen soll direkt nach dem ersten eintreten. Es gibt 
keine gesicherte Beschreibung des „Tieres, das von Gott aus der Erde 
hervorgebracht wird", wie es in Sure an-Naml, Vers 82, heißt; es ist 
lediglich in dem genannten Vers gesagt, daß dieses Tier zu den Men- 
schen spricht und daß von diesem Moment an Gläubiger (Mu'min) und 
Ungläubiger (Käfir) durch dieses Tier und seine Handlungen erkennbar 
und gekennzeichnet sein werden. Es ist von eigenartiger, erstaunlicher 
Schöpfungsgestalt und stellt eine gewaltige Fitna (Heimsuchung, Ver- 
suchung) der Menschen dar. 

Das Erscheinen des Dajjäl 

„Dajala" bedeutet wörtlich „bedecken"; gemeint ist hier „betrügen", „lü- 
gen", weil dadurch die Wahrheit bedeckt wird. Der Dajjäl ist also wört- 
lich der „Dauerlügner", der „große, andauernde Betrüger". Er ist nach 
der Überlieferung eine Person (ein Mensch), die ungeheuere und viele 
Lügen verbreiten, den Anspruch der Göttlichkeit für seine Person erhe- 
ben (gemeint: daß er wirklich und wahrhaftig Gott sei - häsha li lläh 5i ) 
und versuchen wird, als Versucher die gläubigen Muslime von ihrer 
Religion abzubringen, indem er - der Dajjäl - die natürlichen und gu- 
ten Sitten aufhebt, erstaunliche Dinge bewirkt und so die Menschen 
irreführt. Doch zugleich wird Gott die wirklich Gläubigen in ihrem Glau- 
ben festigen; sie werden nicht von dem Dajjäl betrogen und irregeleitet 
werden können. Dem Treiben des Dajjäl wird schließlich durch die Her- 
absendung Jesu flsä r ;yu\) ein Ende gesetzt. 

Der Dajjäl wird in sicheren (Sahih) Hadithen so beschrieben, daß er 
mit Gottes Erlaubnis zu Dingen imstande ist, die normalerweise zu den 
rein göttlichen Eigenschaften gehören: 

• daß der Dajjäl Tote wieder lebendig machen kann, nachdem er sie 
getötet hat. 

• daß er die Erde zum Blühen und auch zum Verdorren bringen kann. 

• daß er über einen Garten 55 und über ein Feuer verfügt. 

• daß er über zwei Flüsse verfügt. 

• daß ihm die Schätze der Erde zur Verfügung stehen. 



8o 



HANDBUCH ISLAM 



• daß er dem Himmel befehlen kann, Regen hervorzubringen (es dann 

auch in der Tat regnet). 

• daß er der Erde befehlen kann, Pflanzen hervorzubringen, und daß 
das dann auch geschieht. 

Dann aber nimmt ihm Gott wieder diese Eigenschaften: Der Dajjäl wird 
machtlos, und darauf erscheint Jesus ( c Isä r >ui) und tötet ihn. 

Zu den besonderen Eigenschaften des Dajjäl, die hier genauer beschrie- 
ben werden sollen, gehört folgendes: 

i . Er ist einäugig; dieses Zeichen ist offen erkennbar und und klarer 
Beweis für die Gottesfürchtigen und alle Menschen mit Verstand, 
daß der Anspruch des Dajjäl, Gott zu sein, eine Lüge ist. Dazu hat der 
Prophet Muhammad ^J gesagt: „Er (das heißt der Dajjäl) ist einäu- 
gig, doch Gott ist nicht einäugig." (Das heißt: „Gott ist nicht mit 
Mängeln behaftet". Diese Prophetenaussage ist nicht im Sinne des 
Anthropomorphismus zu verstehen, sondern sinnbildlich.) 

2. Der Dajjäl verfügt über zwei Flüsse: der eine erscheint dem Auge des 
Betrachters so, als würde er weißes Wasser führen; der andere scheint 
äußerlich aus loderndem Feuer zu sein. Wenn man aber in dieser 
Lage das Feuer des zweiten Flusses genauer prüft, stellt man fest, daß 
dieser Fluß von kaltem Wasser ist. 

3. Der Dajjäl trägt auf seiner Stirn, zwischen seinen Augen, das Wort 
„Käfir" (ungläubig) geschrieben. Jeder Gläubige wird das lesen kön- 
nen, ob er nun des (gewöhnlichen) Lesens und Schreibens kundig ist 
oder nicht. 

4. Wer den Dajjäl erkennt, soll den Anfang der Sure al-Kahf (Nr. 50) 
rezitieren. 

5. Der Dajjäl wird an einem Ort zwischen Syrien 56 und Iraq in Erschei- 
nung treten. 

6. Der Dajjäl wird 40 Tage lang auf der Erde verbleiben: einen Tag so 
lang wie ein Jahr, einen Tag so lang wie einen Monat, einen so lang 
wie eine Woche und die restlichen Tage so lang wie gewöhnliche 
Tage. 

Das Herabsteigen Jesu ('Isä r yu\) 

Der Prophet und Gesandte 'Isä bin Maryam wird vom Himmel durch 
Gott auf ein Minära 57 östlich von Damaskus herabgesandt werden. Er 
wird zunächst den Dajjäl töten und dann nach der Shari'a des Islam 
gerecht richten. Er wird das Kreuz zerbrechen 58 , er wird das Schwein 
töten 59 und die Jizya nicht mehr auferlegen 60 . Durch die Gerechtigkeit 
der Richterschaft Jesu r ^Ui wird der Besitz der Menschen gemehrt, bis 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



8l 



niemand mehr Besitz will und jeder Mensch begreift, daß die Shahäda 
(als Glaubensbezeugnis) besser ist als alles, was im Diesseits (Dunyä) exi- 
stiert. Schließlich wird !sä bin Maryam r 5\jl sterben, die Muslime wer- 
den über ihn das Totengebet sprechen und ihn begraben. 



Das Erscheinen 
der beiden Völker Gog und Magog (Ta'jüj wa Majüj) 

Bei Gog und Magog (arab.: Ta'jüj und Majüj) handelt es sich um zwei 
Völker; im Koran und in sicheren Hadithen wird aber nur folgendes zu 
ihnen angegeben: 

Beide Völker wurden seinerzeit durch Dhu 1-Qarnain festgehalten, 
und zwar durch zwei Hindernisse [Saddänf 1 . Beim Jüngsten Tag jedoch 
läßt Gott diese beiden Hindernisse zunichte werden und läßt so diese 
zwei Völker frei. Man wird - seitens der anderen Völker - die Sprache 
der Völker von Gog und Magog nicht verstehen. Die ersten von ihnen 
werden beim See Tiberias auftauchen und von seinem Wasser trinken. 
Sie werden die Menschen heimsuchen 62 , und man wird sie nicht auf- 
halten können. 

Der Rauch (ad-Dukhän) 
Es wird sich ein Rauch 63 erheben, der die Menschen quälen wird. 

Drei besondere [Mond-)Finsternisse: eine im Osten (Mashriq), 
eine im Gebiet der Arabischen Halbinsel, eine im Westen (Maghrib). 

Als besondere (eben: große) Zeichen des Jüngsten Tages werden drei 
(Mond-)Finsternisse (Khusüßt) genannt. Aus dem Wort „Khusüf" geht 
nicht sicher hervor, ob es sich um eine Mondfinsternis oder eine andere 
Art von Finsternis (Verdunkelung von Himmelskörpern) handelt - wenn- 
gleich in der Regel mit »Khusüf i eine Mondfinsternis gemeint ist im 
Unterschied zu „Kusüf" (einer Sonnenfinsternis). 

Aus dem Zusammenhang geht zudem folgendes hervor: Es kann sich 
nicht um eine gewöhnliche (Mond-)Finsternis handeln, da solche voll- 
ständigen oder teilweisen Mond- (und auch Sonnenfinsternisse ver- 
gleichsweise häufig erscheinen; außerdem erschienen sie dutzendweise 
seit dem Tode des Propheten Jgjl, während der Aufgang der Sonne 
vom Westen her (das erste der Großen Zeichen) noch nicht eingetreten 
ist. Außerdem war auch den Arabern sowie allen anderen Völkern zur 
Prophetenzeit bekannt, daß solche Finsternisse recht häufig sind. Da- 
her muß es sich - auch nach altem Verständnis - um besondere, nicht 



82 



HANDBUCH ISLAM 



der üblichen Form entsprechende Finsternisse handeln, die - wie ja die 
anderen Großen Zeichen auch - so eindeutig der üblichen Natur wider- 
sprechen, daß jeder das Wundersame daran erkennt. Wie genau diese 
Finsternisse aussehen können (außergewöhnlich durch Farbe, Dauer oder 
noch anderes 64 ), weiß nur Gott allein, da hierzu keine gesicherten An- 
gaben existieren. 

Theoretisch denkbar wäre — gestützt auf verschiedene, nicht eindeu- 
tige Hinweise im Koran - eine Vereinigung von Sonne und Mond am 
Tag, wobei eine Mondfinsternis herauskäme (was auf natürliche, nor- 
male Weise unmöglich ist) - doch Gott weiß es am besten. 

Drei dieser besonderen (Mond-)Finsternisse jedenfalls sollen sich zei- 
gen, wobei jede als ein eigenständiges der zehn Großen Zeichen gezählt 
wird: 

• eine im Osten 65 (Mashriq), 

• eine im Gebiet der Arabischen Halbinsel, 

• eine im Westen [Maghrib). 

Ein Feuer, das sich vom Jemen her ausbreitet 
und die Menschen zu ihrem Versammlungsplatz hintreibt 

Das der Überlieferung nach letzte der Großen Zeichen - also das letzte 
der Zeichen überhaupt vor dem eigentlichen Anbruch des Jünsten Ta- 
ges - ist ein gewaltiges Feuer; es soll im Jemen seinen Ursprung haben 
und sich von dort her ausbreiten. Es soll die Menschen vor sich her- 
treiben, bis sie sich dort zusammengetrieben versammelt haben, wo die 
Vernichtung der diesseitigen Welt und die darauffolgende Auferste- 
hung sie erfassen soll. 



§ 22 

der eigentliche beginn des jüngsten tages 
(yaum al-qjyäma) 

Die Erde wird von Erdbeben erschüttert, Berge werden zunichte, Mee- 
re fließen über, und es geschieht all das, was dazu noch an Ereignissen 
im Koran berichtet wird. Alles, was die Menschen kannten, wird verge- 
hen. Dann ertönt der erste gewaltige Laut 66 , der ertönt, wenn der Engel 
Isräfil in sein Hörn 67 bläst, und die Berge werden zu Staub werden. 

Dazu hat der Prophet^^ gesagt: „Gott ergreift die Erde und umfaßt 
den Himmel mit Seiner rechten Hand und sagt dann: ,Ich bin der Herr- 
scher (Malik), wo sind die Herrscher (Mulük) der Erde?'" 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 83 

§ 23 

DIE AUFERSTEHUNG (aL-BA'th) 

In diesem Moment erlischt alles irdische Leben; dann ertönt der zweite 
gewaltige Laut aus dem Hörn von Isräfil, und die Menschen - alle 
jemals erschaffenen Menschen - erstehen körperlich wieder auf; dieses 
Auferstehen wird auch „die zweite Schöpfung" genannt. Die Seelen 
werden mit ihren neugeschaffenen Körpern wiedervereinigt, wobei die- 
jenigen Seelen, die sich zum Zeitpunkt des zweiten Hornlautes im Bar- 
sach (das heißt in 'Illiyün oder Sijjin) befanden, von Gott wieder zur 
zweiten Schöpfung von dort herausgeführt werden. Alle Menschen 
werden dabei - nach einem Vergleich in einem Sahih-Hadith in al- 
Bukhäri - so hervorgebracht werden, wie jetzt (vor dem Jüngsten Tag) 
das Gras aus der Erde hervorkommt. 

Dabei wird ein „Rufender Engel" (Munädi) die Menschen bzw. ihre 
Seelen aufrufen: „Erhebt euch für euren Herrn!" Darauf - nachdem 
schon die Menschen, die beim ersten Stoß ins Hörn des Isräfil lebendig 
waren und starben, wieder auferstanden sind — kommen auch die To- 
ten, lebendig, mit neuen Körpern aus ihren Gräbern bzw. aus der Erde 
hervor, so daß dabei die Ebene, worauf die Menschen stehen, erschüt- 
tert wird. 

§ 24 

DIE VERSAMMLUNG (ALHASHR) 

Die Menschen werden mit ihrem neugeschaffenen Körper allesamt, 
nackt und bloß, auf der gewaltigen, ganz flachen Ebene versammelt 
werden. Dort müssen sie warten, bis Gott über sie richtet. Nach einem 
Sahih-Hadith fragte 'Ä'isha, möge Allah mit ihr zufrieden sein, dazu den 
Propheten|§£: „O Gesandter, blicken dort nicht die Männer und Frau- 
en alle aufeinander?" Darauf sagte der Prophet ,£§£: „O 'Ä'isha, die 
Sache ist zu gewaltig, als daß man einander anblickt." An diesem Tag 
des Gerichts wird die Sonne so nah an die Ebene (den Versammlungs- 
ort der Menschen) herangebracht, daß eine große Hitze entsteht; die 
Menschen aber werden dabei im Maß ihrer Taten im vorigen Leben 
schwitzen: manchen wird der Schweiß bis zu den Knöcheln reichen, 
manchen bis zu den Knien, manchen bis zur Brust und manchen bis 
zum Mund; der Prophet ^J hat darauf hingewiesen, indem er sagte, 
daß der Schweiß bei manchen bis dorthin stehen würde - und er|g£ 



84 HANDBUCH ISLAM 

hielt seine Hand flach bis zur Mundhöhe -, so daß er sein würde wie 
Zügel und Zaumzeug. An diesem Tag wird sich der Himmel aufspal- 
ten, bis er zu geöffneten Toren wird, und die Engel werden in Reihen 
zur Ebene hinunterkommen, und die acht „Trägerengel" bringen den 
Thron Gottes, auf dem Er thront, herab, bis der Thron einen Teil der 
Ebene beschattet. Es wird außer diesem Schatten keinen Schatten am 
Tag des Gerichts geben. 

Nach der Aussage des Propheten Jg£ werden nur sieben Arten von 
Menschen in diesem Schatten sein dürfen: 

1 . Der gerechte Imäm (al-Imäm al- 'ädU), das heißt derjenige, der eine 
Gemeinschaft von Menschen gerecht geleitet hat. 

2. Ein junger Mensch, der im Gottesdienst aufwuchs (das heißt, der 
sich stets fromm verhielt und sich von Sünden fernhielt 68 ). 

3. Ein Mann, dessen Herz mit der Moschee verbunden ist 69 . 

4. Zwei Menschen, die sich um Gottes und der Religion willen - im 
Sinne der Brüderlichkeit - lieben bzw. getrennt haben oder vereinen. 

5. Ein Mann, der von einer schönen und begehrenswerten Frau zum 
verbotenen, unehelichen Geschlechtsverkehr (£ina) aufgefordert und 
eingeladen wurde, es aber ablehnte mit den Worten: „Ich fürchte Gott". 

6. Ein Mensch, der im Verborgenen Sadaqa gibt und so freigebig ist, 
daß seine rechte Hand nicht mehr weiß, was seine linke ausgibt. 

7. Ein Mensch, der Gottes gedenkt, wobei er sich von allen anderen 
ablenkenden Gedanken befreit und - in seiner Innerlichkeit und Auf- 
richtigkeit - weint. 



§ 25 

DIE FÜRSPRACHE (sHAFÄ'a) BEI GOTT 

Wenn den versammelten Menschen die Qual und Hitze unerträglich 
wird, bitten sie die auch anwesenden Propheten [Anbiyä* r %j) un d Ge- 
sandten [Rusul^j^ um Fürbitte (Shqß'a) bei Gott. Zuerst bitten sie Adam 
f3Ui; er wird sagen: „Am heutigen Tag ist Gott so zornig, wie er es an 
keinem anderen Tag zuvor oder danach sein wird; ich habe mich (da- 
mals, im Paradies) widersetzt, als mir der Baum verwehrt wurde: Wie 
soll ich [für euch Fürsprache einlegen]? Geht zu einem anderen." Dar- 
auf werden sich die Menschen nach und nach an jeden einzelnen der 
Propheten wenden, unter ihnen Ibrahim, Müsä und 'Isä, und alle wer- 
den ablehnen bzw. sich entschuldigen und die Fürbitte nicht überneh- 
men wollen. Das geht dann so weiter, bis sie zum Gesandten Gottes, 
Muhammad $$£, kommen, der sagen wird: „Ich bin dazu bereit." Er 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



85 



$jJ£. begibt sich darauf zum Thron Gottes und wirft sich unter dem 
Thron nieder (in Sujüd). Dort preist er Gott den Erhabenen, seinen Herrn, 
so lange, bis Er ihm erlaubt, sein Haupt wieder zu erheben: „Erhebe 
dein Haupt und bitte, so wird dir geantwortet und gegeben werden, 
was du erbittest. Bitte um Fürsprache, und sie wird dir gewährt wer- 
den." Der Gesandte ^jg£ sagt: „O Herr, meine Umma." Darauf sagt 
Gott: „Betritt dies Paradies, o Muhammad, und diejenigen deiner Umma, 
die nicht die Abrechnung (Hisäb) ertragen müssen, durch das rechte der 
Paradiestore." Die anderen Menschen der Umma Muhammads^J tei- 
len sich die übrigen Tore des Paradieses mit den übrigen Menschen, die 
ins Paradies gelangen dürfen. 



§26 

DAS RICHTEN (QADÄ'), 

DAS STEHEN DES EINZELNEN 

VOR DEM THRON GOTTES (AL J ARAp) 

UND DIE ABRECHNUNG (aL-HISÄb) 

Dann wird über die Menschen gerichtet (in Qadä\ hier: „Richterschaft 
Gottes des Allmächtigen"). Den Menschen werden die „Bücher ihrer 
Taten" gegeben, das heißt die Bücher, die von den Schreiberengeln 
über den betreffenden Menschen und seine Taten angelegt wurden. 
Jeder Mensch wird dabei einzeln, allein, vor dem Thron Gottes stehen. 
Einem guten Menschen wird sein Buch von seiner rechten Seite und 
von vorn her, in seine rechte Hand, gegeben; einem schlechten wird es 
von links und von hinten her in seine linke Hand gegeben. Schon so- 
bald der Mensch das Buch in seiner jeweiligen Hand sieht, kennt er 
auch das Urteil und sein Schicksal. Wenn er nun zu den Glücklichen 
dieses Tages zählt, so wird er nur leicht und kurz geprüft - denn Gott 
bedeckt die Sünden dieser Menschen. Dann wird ein solcher Mensch 
mit den Gläubigen unter seinen Angehörigen vereint. Wenn er aber zu 
den Unglücklichen dieses Tages zählt, so wird er über jede einzelne 
seiner Sünden befragt, ob es sich dabei um eine kleine Sünde (Sagkirä) 
oder eine große (Kabird) handelt. Es ist durch eindeutige Belege von Qur'än 
und Sunna her klar, daß die schlechten Menschen an diesem Tag, vor 
Gottes Thron, auch versuchen werden, ihre Sünden zu verschweigen 
oder direkt zu lügen. Doch an diesem Tag befiehlt Gott den neuge- 
schaffenen Körpern, die Wahrheit offen darzulegen, und so heißt es 
im Koran, daß Hände, Füße, Haut und der ganze Körper sprechen 
werden (als Wunder), nicht nur Lippen und Zunge. An diesem Tag 



86 



HANDBUCH ISLAM 



darf für die Ungerechten, die Unterdrücker, keine Entschuldigung vor- 
gebracht werden. 



§ 27 

DER TEICH (AL-HAUp) 

Es ist sicher (bei Muslim) überliefert, daß der Prophet Muhammad^£ 
die Muslime, für die er um Fürsprache bitten durfte, bei einem Teich 
(Haud) erwartet. Dieser Teich ist von besonderer Art: Er wird von dem 
Paradiesfluß „Kauthar" her gespeist, sein Wasser ist süßer als Honig, 
und wer einmal von ihm getrunken hat, wird niemals mehr von Durst 
gequält (und das angesichts der Hitze am Tag des Gerichts). 

Wenn dann dem Gesandten Muhammad^J gesagt wird: „Wenn du 
wüßtest, was sie nach dir alles getan haben ...", so wird er erwidern: 
„Sie sind doch von meiner Umma." Es ist auch sicher überliefert, daß 
ein jeder Gesandter ^j\ für die im Sinne des ursprünglichen Islam Gläu- 
bigen unter ihrer jeweiligen Umma über einen solchen Teich verfügt, 
doch der des Gesandten Muhammad^^ ist am größten und herrlich- 
sten. 



§ 28 

DIE WAAGE (AL-MIZÄN) 

An diesem Tag wird bei den Menschen, die der Abrechnung (Hisäb) 
unterworfen werden, jede Tat, jede Handlung, wie ein Lebewesen vor- 
treten und sprechen (wie, das ist im Diesseits noch verborgen). Dabei 
wird jede einzelne Tat vortreten, und der Mensch wird ihr - in der 
Realität des Jüngsten Tages - real gegenüberstehen. Keine Tat wird 
dabei verborgen bleiben, wie klein sie auch immer ist. Diese Taten wer- 
den dann auf einer besonderen Waage (MTzän), die für diesen Tag ge- 
schaffen wurde, gewogen. 

Die Waage wird ihrer Aufgabe nach auch als „Waage der Gerechtig- 
keit" (Mizän al-Qist) bzw. als „Waagschalen der Gerechtigkeit" (Mawäzin 
al-Qist) bezeichnet. Wenn die guten Taten schwerer wiegen als die 
schlechten, wird der betreffende Mensch (noch) ins Paradies gelangen 
dürfen. Wenn aber die schlechten überwiegen, so ist der betreffende 
Mensch verloren und für die Hölle bestimmt. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 87 

§ 29 

DER WEG (AS-SIRÄT) 

Nachdem die Taten der Menschen auf der „Waage der Gerechtigkeit" 
gewogen wurden, werden die Menschen (als letzte Prüfung) gezwun- 
gen, über den „Weg" (as-Sirät) zu gehen. Dieser „Weg" ist eine schmale 
Brücke, die sich über die Hölle (Jahannam) hinwegspannt. Diesen Weg 
zu begehen fällt dem betreffenden Menschen leicht oder schwer im 
Maß seiner Taten im Diesseits. 

Auch für viele Muslime wird es ein schwerer und gefährlicher Gang, 
und so ist auch überliefert, daß der Gesandte Muhammad Jgjj an der 
Seite des Sirät steht und für die Muslime als Fürbitte Gott im Du'ä 3 
bittet: „O Herr, lasse sie heil hinübergelangen." 

Mancher, der im Diesseits besonders anständig und gottesfürchtig 
lebte, gelangt schnell wie ein Blitzschlag hinüber; andere gehen mehr 
oder minder langsam, wieder andere stolpern mühsam voran, andere 
kriechen, und die Sünder, denen nicht vergeben wurde, stürzen von 
dem Weg hinab in Jahannam — und bleiben dort 70 . 



§ 30 

DER WALL, DIE ZWISGHENWÖLBUNG 
ZWISCHEN PARADIES UND HÖLLE (aL-Q^INTARa) 

Diejenigen Menschen, die den „Weg" überschritten haben und in Si- 
cherheit auf der jenseitigen Seite des Sirät angekommen sind, müssen 
zunächst auf einer Art Wall, einem Trennbereich zwischen Paradies 
und Hölle bleiben. Dort werden alle Streitigkeiten und Uneinigkeiten 
zwischen denen, die das Paradies betreten sollen, beseitigt bzw. beige- 
legt, damit kein Groll oder gar Haß zwischen ihnen steht, wenn sie im 
Paradies sind. 

Sie werden dort (beim Zwischenbereich, al-Qintara) so lange festgehal- 
ten, bis sie sich gegenseitig verziehen haben. Dann erst erhalten sie die 
Erlaubnis, das Paradies zu betreten. 



88 HANDBUCH ISLAM 

§ 3 1 

PARADIES (AL-JANNA) UND HÖLLE (jAHANNAM) 

Über das Paradies (al-Janna) 

Der Platz hier reicht nicht, um das, was in Qufän und Sunna zu Paradies 
und Hölle alles gesagt wurde, darzustellen; daher kann hier nur das 
Wichtigste angedeutet werden. Das Paradies wird meist als „al-Janna" 
(wörtl.: der Garten) oder - in der Mehrzahl - al-Jannät bzw. al-Janän 
(die Gärten) bezeichnet. Auch der im Koran genannte Begriff Firdaus 
(Paradies) wird verwendet. Wenn man die Gesamtwelt des Paradieses 
in all ihren Stufen und Formen meint, wird oft der Begriff Dar as-Saläm 
(etwa: Ort des Friedens) genannt. Das Paradies hat acht Tore von ge- 
waltigen Ausmaßen. Eines davon ist speziell für die Fastenden bestimmt, 
ein weiteres ist denen der Umma Muhammads ^£ vorbehalten, die 
nicht der Abrechnung (Hisäb) unterworfen wurden. Am Eingang zum 
Paradies befindet sich ein gewaltiger Baum, an dessen Wurzeln zwei 
Quellen entspringen: eine, um die in das Paradies Eintretenden zu trän- 
ken, und eine, um sie zu reinigen. Wenn sie von der ersten Quelle trin- 
ken, erscheint auf ihren Gesichtern der Glanz der Glückseligkeit (Nadrat 
an-Na'im); wenn sie sich mit Wasser von der zweiten Quelle waschen 
und reinigen, wird ihr Körper von jeder Verunreinigung befreit, sei sie 
äußerlich oder innerlich, und das auf ewig 71 . Wenn die Menschen ins 
Paradies eintreten, werden sie von den Torwärter-Engeln begrüßt. Als 
erster begrüßt sie der befehlshabende Engel der Torwächter, Ridwän, 
dann die mit den Wohltaten des Paradieses beauftragten Engel, dann 
die sonstigen Engel 

Einige Besonderheiten des Paradieses 

Grundsätzlich ist durch Qufän und Sunna klar belegt, daß jeder Para- 
diesbewohner im Paradies erhalten kann, was er wünscht. Es gibt ver- 
schiedene Gärten bzw. Aufenthaltsorte innerhalb des gesamten Para- 
dieses; einige davon sind auch hierarchisch gestuft, das heißt einige 
sind herrlicher als andere, gemessen an dem Platz, den Gott und Glau- 
be bei dem betreffenden Menschen im Diesseits einnahm. Insbesonde- 
re gilt das für den Garten Eden (Jannatu Adri), der ein besonderer Teil 
innerhalb der Paradiesgärten ist. Es ist überliefert, das Gott diesen Gar- 
ten ganz besonders mit seiner Hand gestaltet hat; gemeint ist, daß er 
diesen Teil des Paradieses mit Besonderheiten ausgestattet hat, die es so 
in keiner Welt, in keiner Existenz, sonst noch gibt. 



DIE GLAUBENSGRUNDSATZE 



89 



Es ist sicher überliefert, daß Gott für die Shuhadä' (die Märtyrer des 
Islam) einen besonderen Ort direkt unterhalb seines Thrones erschaf- 
fen hat und daß es auch für manche andere Seelen besondere Ehren- 
plätze gibt, auf denen die Paradiesbewohner einander gegenübersitzen. 
Auch sind für manche Menschen Paläste und Schlösser bestimmt, die 
ihnen zusätzlich - zu den allgemeinen Wohltaten des Paradieses - ge- 
schenkt werden. Die Paradiesbewohner nehmen auch Nahrung zu sich; 
sie trinken aus reinen Brunnen, ausdrücklich werden im Korantext Tie- 
re (speziell: Vögel) und Früchte genannt, wobei die Paradiesbewohner 
sagen: „Das ist dem ähnlich, was wir im Diesseits zu uns nahmen." 
Jedoch sind die Dinge, die mit Unreinem verbunden sind, wie Wasser- 
lassen oder auch Menstruation, im Paradies nicht vorhanden (da mit 
dem Trinken aus der zweiten Quelle am Paradieseingang alles Unreine 
- auch in dieser Hinsicht - verschwindet). Die Paradiesbewohner wer- 
den von Engeln bedient; nach manchen Quellen stehen jedem Paradies- 
bewohner nicht weniger als 80.000 Engel zur Bedienung zur Verfü- 
gung. Die Paradiesbewohner leben in Familien; entweder wird man im 
Paradies mit seinen Angehörigen wiedervereinigt, oder Gott führt den 
jeweiligen Paradiesbewohner mit einem anderen Paradiesbewohner zu- 
sammen. Es ist auch sicher überliefert, daß es im Paradies die soge- 
nannten Paradiesjungfrauen gibt, die - wie es im Koran heißt - weder 
von Menschen noch von Jinn zu Unrecht berührt worden sind. Diese 
sind als Gefährtinnen für Paradiesbewohner bestimmt. Im Paradies gibt 
es Flüsse (wie den Fluß Kauthar) und Quellen (wie die Quelle Salsabil) 
mit außergewöhnlichem Wasser und gewaltige Bäume. 

Über die Hölle (Jakannam) 

Unter der Hölle (allgemein mit Jakannam bezeichnet) ist eine ganze Welt 
zu verstehen, die zur Qual und Bestrafung erschaffen wurde und - 
genau wie die Welt des Paradieses - viele Formen und Eigenschaften 
hat. Sie wird - zur Unterscheidung von Jakannam, was ja auch eine 
Stufe der Gesamt höllenweit beschreibt - auch mit Dar al-Bawär (etwa: 
Gebiet des Unglücks, der Vernichtung) angegeben. Die Hölle hat sie- 
ben Tore, von denen ein jedes für eine bestimmte Gruppe von verurteil- 
ten Seelen bestimmt ist, und jedes Tor führt zu einem bestimmten Teil 
der Gesamthölle. 

Die sieben Stufen der Hölle sind die folgenden (möge Gott uns vor 
jeder bewahren): 

1 . Mär Jakannam (das Feuer von Jakannam). 

Dies ist die oberste Stufe der Hölle, über die sich der „Weg" (as- 
Sirät) spannt. 



9° HANDBUCH ISLAM 

2. La^ä (das Lodernde). 

3. al-Hutama. 

4. Sa'ir. 

5. Saqar. 

6. al-Jahim. 

7. al-Häwiya. 

Diese Höllenstufe ist die niedrigste und schlimmste. Sie ist für die 
Heuchler (Munäßqün) bestimmt. 

Am Jüngsten Tag nimmt - wie es in der Überlieferung heißt - der 
Nacken (das heißt ein wichtiger Teil) von När Jahannam, dem Höllen- 
feuer, Gestalt an, mit zwei Augen, zwei Ohren und Zunge; dieser Teil 
des Feuers wird sprechen: „Ich bin beauftragt, jeden Gewaltherrscher 
aufzunehmen und jeden, der mit Gott gemeinsam eine Gottheit ange- 
rufen hat, und jeden Verfertiger von Abbildern 72 ." Die zur Hölle Ver- 
urteilten werden in Gruppen hineingestoßen; in der Hölle werden sie 
dann gequält: manche durch Schläge, andere durch ewiges Vergehen 
des Körpers im Feuer (wobei das im Feuer Vernichtete wieder neu ge- 
schaffen wird, um direkt wieder vernichtet zu werden). Die Menschen 
versuchen zwar, aus dem Feuer oder den anderen Orten ihrer Strafe zu 
entfliehen, doch die Strafengel, die die Verurteilten bewachen, stoßen 
sie zurück bzw. vereiteln jeden Versuch zur Flucht von vornherein. 

Einige Eigenschaften der Hölle (Jahannam) 

Der Teufel ist der stärksten und furchtbarsten Strafe ausgeliefert; er 
(verflucht ist er) wird auf besondere Weise in der Hölle bestraft 73 . 

Von dem eigentlichen Höllenfeuer ist sicher nur folgendes überlie- 
fert: 

1 . Es ist schwarz, schwärzer als Teer. 

2. Die Hitze des Höllenfeuers ist siebzigmal stärker als die des stärk- 
sten Feuers, das wir im Diesseits kennen. 

Das Lodern und Aufwallen des Höllenfeuers ist am Jüngsten Tag be- 
reits von weither zu hören. Das gewaltige Ausmaß von Jahannam wird in 
der Überlieferung so beschrieben, daß ein Felsen, der von der obersten 
Spitze von Jahannam herabgeschleudert würde, (nach irdischem Zeit- 
maß) siebzig Jahre lang fallen könnte, ohne daß er auf den Grund von 
Jahannam auf träfe. Die Höllenwelt hat auch gewaltige Flußtäler (Wädis); 
- nach vielen Gelehrten bezeichnen die im Koran genannten Namen 
Wail und Ghayy solche Flußtäler. Die zur Hölle Verurteilten werden auch 
mit Ketten gefesselt; es ist überliefert, daß dabei ein Teil der Kette 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 9 1 

durch den Mund des Verdammten hinein- und durch sein Hinterteil 
wieder hinausgeführt wird. Die Strafen der Höllenbewohner sind sehr 
unterschiedlich: das Ertragen des Höllenfeuers, Schläge der Strafengel 
und anderes mehr; so werden der Überlieferung nach diejenigen, die 
Hurerei begingen, verdorbenes Fleisch essen müssen, während zugleich 
gutes, reines Fleisch vor ihnen liegt — so wie sie auf anständige Weise 
hätten heiraten können, statt Hurerei zu begehen. 

Die Bewohner der Höllenwelt müssen auch Nahrung zu sich nehmen; 
diese ist ekelhaft und schrecklich und von verschiedener Art: 

i . Die Früchte des Baumes dz-Z^üm. Diese gleichen den Köpfen der 
Teufelwesen (Shayätin). Der Baum selbst hat seine Wurzel auf dem 
Grund der Hölle Jahim, von dem Wasser dieser Hölle ernährt. Die 
Früchte sind äußerst bitter und ekelhaft. 

2. Ghislin. Unter diesem Begriff wird Eiter, Schweiß und ekelhafte 
Flüssigkeit verstanden. 

3. Ad-Dan\ Dies sind Dornengewächse, die zudem bitter sind und in 
der Kehle steckenbleiben. 

Als Getränke existieren in der Hölle folgende Dinge: 

1 . Al-Hamim. Dies ist heißes Wasser, das - im Magen angekommen - 
als Besonderheit alles, was sich im Magen befindet, schmelzen läßt. 

2. Eiterflüssigkeit. Hier ist eine besondere Flüssigkeit gemeint, die 
wie Eiter ist, aber dem Trinkenden so große Schmerzen zufügt, 
daß nur Gott allein weiß, wie groß sie sind. 

3. Flüssigkeit vom Fluß al-Ghauta. Dieser Fluß ist einer der Höllen- 
flüsse; die Flüssigkeit, aus der er besteht, ist die Ausscheidung aus 
den Geschlechtsorganen der Hurerinnen. 

Allen dieser „Speisen der Hölle" ist aber gemeinsam, daß sie weder 
Durst noch Hunger stillen (die aber bei den Höllenbewohnern sehr stark 
sind), sondern die Qualen noch verstärken, die ohnehin bestehen. 

Möge Gott den Leser rechtleiten und zu den Leuten des Paradieses 
gehören lassen. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 93 

Anmerkungen: 

i Wie das bei Juden und Christen - sofern sie nicht schon in ihrem Inneren Muslime 
geworden sind - der Fall ist und logischerseits sein muß. 

2 Die Angleichung des N in „Muhammadan" an das R in „rasül" ist im klassischen 
Arabisch durchaus üblich und gilt in bestimmten Fällen — wie auch hier - als sprach- 
lich sehr gut; es ist aber auch richtig und zulässig, die zugrundeliegende Form 
„Mukammadun rasülu lläk" zu benutzen. Allerdings gilt die oben genannte Form mit 
Lautangleichung als besser, 

3 Hier wird das N von „an" an das L in Ja" angeglichen; es geht auch - entsprechend zu 

dem, was oben in Fußnote i gesagt wurde, auch ohne Angleichung, wenngleich diese 
sprachlich hier besser ist: „Ashhadu an lä iläha illä lläh ..." 

4 Siehe dazu den Abschnitt zum Namen Rabb weiter unten im Haupttext. 

5 Der in Klammern gesetzte Teil kann auch wegfallen - vor allem, wenn man das 
auszusprechen keine Zeit mehr hat oder sich fürchtet. 

6 Hier wird das Wort „illä" mit dem Anfangsvokal des Wortes ,Jilläh" so verbunden, 
daß dieser A-Anfangsvokal ausfällt; es handelt sich aber -jedem Arabisch Sprechen- 
den sofort verständlich, nicht aber einem nicht Arabisch Sprechenden - um dasselbe 
Wort „Mäh". 

7 Verfaßt von dem Imäm und Gelehrten Abu 1-Fadl Jamal ad-Din Muhammad bin 
Mukrim ibn Mandhür, geb. 630 H (=1233 M) und gest. 711 H (=1312 M). Ibn 
Mandhür war Gelehrter in mehreren Wissenschaften: den reinen Sprachwissenschaf- 
ten genauso wie der Rechtswissenschaft (Fiqh) und den darunterfallenden Unter- 
wissenschaften wie Quj'än- und Hadithwissenschaften. Er war seinerzeit mit dem Rich- 
teramt über die Stadt Tripolis betraut (gemeint: das „östliche Tripolis" im Gebiet des 
heutigen Libanon, nicht das „westliche Tripolis" im heutigen Libyen) und gehörte - 
in einer Zeit, wo die höchsten und besten Sprachgelehrten überhaupt lebten - zu den 
höchsten Autoritäten auf dem Gebiet der reinen arabischen Hochsprache. Sein Haupt- 
werk im Bereich der Redekunst, Grammatikgeschichte und Ableitung von Wortstäm- 
men sowie der reinen Lexikographie ist das oben erwähnte Lisän al-'arab (deutsch: 
„Sprache der Araber"), in welchem er einerseits die Überlieferungen und Quellen der 
alten Araber aus der vorislamischen Zeit zu Wortbedeutungen zusammenträgt (diese 
gelten als sehr wichtige Belege für korrekten Sprachgebrauch), als auch Auffassungen 
späterer Grammatiker und Lexikographen. Auch hat Ibn Mandhür zu vielen 
Hadithen (fast ausnahmslos Sahih-Hadithe) und Koranstellen grammatische und lexi- 
kographische Erläuterungen und Fachkommentare gegeben, so auch bei dem Wort 
„Alläk" bzw. „Iläh". Da sein Werk unangefochten als eines der besten und wichtigsten 
- nach manchen sogar als das wichtigste überhaupt - gilt, ist hier seine Darstellung 
genau wiedergegeben. 

8 Die folgenden Stellen beziehen sich auf den Eintrag im Lisän al- 'arab unter der Wurzel 
Alif-Läm-Hä } im 1 3. Band nach der Ausgabe des „Lisän" vom Verlag Dar Sädir, Bairüt 
(ohne Jahresangabe), erste Auflage, fünfzehnbändig. 

9 Der Verfasser dieses vorliegenden Werkes hat sich nach längerer Überlegung dazu 
entschlossen, im Regelfall das Wort „Gott" statt „Allah" zu verwenden; dem geschätz- 
ten Leser jedoch soll hierdurch keine Entscheidung aufgezwungen werden. Vielmehr 
wünscht sich der Verfasser, klar die vorhandenen Gelehrtenmeinungen und Belege 
zu dieser Frage darzustellen, weil gerade vielen deutschen Muslimen seitens nicht- 
deutscher Muslime die Sache so dargestellt wird, als wäre nur das Wort „Allah" zuläs- 



94 HANDBUCH ISLAM 

sig; auch werden meist - aus Unkenntnis der anderen Gesprächspartner oder weil die 
anderen eine entsprechende Ansicht vertreten - die vorhandenen Argumente für und 
gegen die Ansicht, daß nur „Allah" verwendet werden dürfe, nicht genannt. 

10 Wenn das Wort hingegen mit einem Artikel - sei er bestimmt oder unbestimmt - 
verwendet wird, ist unbedingt vom deutschen Sprachverständnis her eine Gottheit 
außer Gott, dem Einzigen, gemeint: etwa in Sätzen wie „der Gott [das heißt der Gott 
mit Namen XYZ, nicht der eine Gott] hat gesagt" oder „ein Gott [das heißt irgendein 
Gott, nicht aber der eine, einzige Gott] hat gesagt"; insofern ist es hier sehr wichtig zu 
beachten, daß der deutsche Sprachgebrauch genau dem arabischen entgegengesetzt 
ist, denn im Arabischen kann das allgemeine „iläh" nur durch den bestimmten Artikel 
„<z/-" mit „Allah" gleichbedeutend verwendet werden. 

1 1 Diese Namensform darf nur in Zusammenhang mit Gott genannt werden, einem 
Menschen kommt es nicht zu, diesen Namen ohne Zusatz zu haben oder einen ande- 
ren damit zu benennen. (Bei Namen, die derart nur von Gott dem Erhabenen geführt 
werden dürfen, steht daher das Zeichen *). 

1 2 Die Form Quddüs drückt hier immerwährende Stetigkeit der beschriebenen Eigen- 
schaft aus. 

13 Das Wort Saläm stellt über die zugrundeliegende Wortwurzel auch eine Verbindung 
zum Wort Saläma (Gesundheit, Heil, Unversehrtheit) her. Dieser Gottesname ist eines 
der Beispiele, wo kein Adjektiv, sondern ein Substantiv verwendet wird, was zunächst 
etwas erstaunlich auf den wirklich Nachdenkenden wirkt. Dann aber wird klar, daß 
hier dadurch ein - wenn auch ganz eigener - sprachlicher Nachdruck auf die betref- 
fende Eigenschaft gelegt wird, denn das Substantiv wirkt hier abstrakter, absoluter 
als das (denkbare) Adjektiv. 

14 Dies, weil vor Gott alle Geschöpfe letztlich gleich sind und es keinem der Geschöpfe 
zukommt, sich über die anderen zu erheben: das ist dann Hochmut und eine große 
Sünde. Da Gott aber in der Tat höher steht als jedes Wesen außer ihm - da er der 
Schöpfer ist und alle anderen Wesen Geschöpfe - kommt es Gott zu, seine Größe zu 
verkünden und zu bezeugen. Das ist dann seitens Gottes auch kein Hochmut mehr, 
sondern Berechtigung: daher ist die Übersetzung „der Hochmütige" zwar wortwört- 
lich richtig, hier aber falsch und irreführend. 

15 Niemand kann etwas erschaffen, und der Anspruch, Schöpfer zu sein, führt bei dem 
Wesen, das solches behauptet, zu sofortigem Unglauben und sogar Shirk. 

16 Aus einem Koranvers (Sure al-An'äm [6], Vers 18), in dem dieser Gottesname benutzt 
wird, wird deutlich, daß hier vor allem gemeint ist, daß Gott über seinen Dienern 
steht und insofern alles überwindet. 

1 7 Er, der Erhabene, gibt den Wesen alles, angefangen von Seele und Körper, bis hin zu 
ihren Fähigkeiten, ihrem Wissen, ihrem Lebensunterhalt. Darüber hinaus ist er frei- 
gebiger als jeder andere Schenkende - denn wer kann schon solche Geschenke ma- 
chen wie Gott? Auch belohnt Gott den Menschen für Dinge, die eigentlich nur die 
bloße Pflicht des Menschen, nicht aber etwas Zusätzliches sind - wer ist so freigebig 
außer Gott? 

18 Der Begriff Tauba kann sich auf die Reue wie auch die Vergebung beziehen; gram- 
matisch wird das durch Verwendung der Präposition deutlich: ,jatübu ilaihi" heißt: „er 
(der Mensch) wendet sich Ihm (Gott dem Erhabenen) in Reue zu", ^atühu 'alaihi" 
heißt: „Er (Gott der Erhabene) wendet sich ihm (dem Menschen) in Vergebung zu / 
vergibt ihm". „Tawwäb" (von der grammatischen Wortbildungsform her) bezeichnet 
jemanden, der stetig bzw. viel Tauba macht; bezogen auf einen Menschen bezeichnet 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 95 

es einen Frommen, der immer bereit ist zu bereuen, bei Gott bezeichnet es dessen bis 
zum Jüngsten Tag (und in manchen Fällen darüber hinaus) währende Bereitschaft, 
dem Menschen seine Sünden zu verzeihen. 

1 9 Dieser Hinweis bezieht sich auf die Worte Gottes im Koran: „Wahrlich das Beispiel 
des Jesus ist bei Gott wie das des Adam: Er erschuf ihn aus Staub, dann sprach Er zu 
ihm ,Sei', und er ward" (Sure AI 'Imrän [3], Vers 59); „Wir haben den Menschen aus 
[salsälin min hamä'in masnün] erschaffen" (Sure al-Hijr [15], Vers 26). Mit „salsäl" ist ein 
geformter Ton gemeint, mit „hamä' masnün" fein formbare Tonmasse. Der Hadith ist 
überliefert von Muslim, 8/227. 

20 Wörtlich: „Geist der Heiligkeit"; hier ist interessant, daß aus islamischer Sicht die 
Stellen, an denen in der heutigen Fassung des „Evangeliums" vom „Heiligen Geist" 
die Rede ist, sich im Zweifelsfall auf den Engel Gabriel beziehen müssen. Der Name 
„Ruh al-Quds" ist aber keine Übernahme aus irgendwelchen christlichen Texten, son- 
dern durch die islamischen Quellen belegt. 

2 1 Siehe dazu den entsprechenden Abschnitt über den Jüngsten Tag. 

22 Siehe dazu auch den Abschnitt über Qadr (Vorherbestimmung, Schicksal). 

23 Siehe dazu auch den Abschnitt über den Jüngsten Tag. 

24 Siehe dazu den Abschnitt über den Jüngsten Tag. 

25 Überliefert von Muslim. 

26 Bei al-Bukhär! und Muslim. 

27 Zum Beispiel in Sure al-Ghäfir [40], Vers 7. 

28 Überliefert bei Muslim und al-BukhärI. 

29 Wenn das Wort Shaitän mit dem bestimmten Artikel „al-" verwendet wird (also: der 
Teufel), ist Iblis gemeint. Wenn aber ohne jeden Artikel nur von einem Shaitän (also: 
irgendeinem Teufel) die Rede ist, kann zwar sowohl Iblis selbst als auch ein anderes 
Teufelwesen gemeint sein, doch meist ist dann von einem solchen die Rede. 

30 Siehe dazu entsprechend diese an entsprechender Stelle. 

31 Wenngleich bestimmte Suren und Surenstellen besondere Abschreckungswirkung 
auf den Teufel ausüben; diese Stellen und ihre Wirkung sind aber auch bei den üblen 
Geistwesen bzw. Teufelswesen mit dieser Wirkung versehen. 

32 Gemeint ist hier, daß man freiwillig von seinem Geld und Besitz etwas für Bedürftige 
und Arme fortgibt, ohne also am Besitz zu kleben. 

33 Nach islamischer Auffassung sind auch den Tieren Seelen gegeben, nicht aber Unter- 
scheidungsfähigkeit zwischen Gut und Böse, sondern Instinkt und Gehorsam gegen- 
über Gott, weswegen über diese Seelen am Jüngsten Tag nicht gerichtet wird. (Es gibt 
aber andererseits Hadithe, die aussagen, daß von Menschen ungerecht behandelte 
Tiere am Jüngsten Tag gegen ihre Quäler vor Gott Klage erheben). 

34 Gemeint ist, daß, wenn Gott entscheidet, daß aus dem Geschlechtsverkehr ein Kind 
hervorgeht, dieses Kind vor dem Teufel geschützt wird, daß der Teufel ihm weder 
vor noch nach der Geburt schaden kann. 

35 Zur Herabsendung der Thora des Gesandten Müsä ^uji un d des Evangeliums des 
Gesandten 'Isä^i siehe vor allem Sure// 'Imrän [3], Vers 1-4. (Diese Offenbarungs- 
schriften werden auch an anderen Stellen im Koran erwähnt). 

36 Zur Herabsendung des Zabür des Gesandten Däwüd^i siehe Sure al-Isrä' [17], Vers 

55- 

37 Diese Schriftseiten des Gesandten Ibrähim^ö sind erwähnt in Sure al-A'lä [87], Vers 
19. (In demselben Vers wird die Schrift des Gesandten Müsä ebenfalls als „Suhuf* 
aufgeführt). 



96 HANDBUCH ISLAM 

38 In der Sure al-Baqara [2], Vers 37, wird berichtet: „... darauf empfing Adam von 
seinem Herrn [das heißt Gott] Worte". Nur an dieser Stelle wird eine Herabsendung 
von Offenbarungsworten an Adam beschrieben. 

39 In diesem Zusammenhang ist es aufschlußreich, daß bei einem natürlichen Tod der 
Sterbende - wenn er nicht sehr schnell stirbt — deutlich bemerkt, wie das Leben und 
das Gefühl zuerst aus seinen Beinen entweicht und diese kalt werden, bis die Todes- 
kälte sein Herz erreicht; das ist durch eigenes Bekunden vieler Sterbender - Muslime 
wie Nichtmuslime - weithin bekannt. Das ist nicht verwunderlich, wenn man - auf 
der Grundlage der oben erwähnten Hadithe - annehmen kann, daß die Seele von 
dem Engel, der ja am Kopf des Sterbenden Platz genommen hat, auch dort herausge- 
zogen wird. 

40 Mit Balsam ist hier eigentlich ein solcher Balsam gemeint, womit man den Körper 
des Toten bestreicht, um ihn zu erhalten; von welcher Art und mit welcher Funktion 
dieser Balsam des Paradieses genau versehen ist, weiß aber Gott allein. 

41 Jeder Mensch ist, willentlich (als Gläubiger) oder gegen seinen Willen (als Ungläubi- 
ger), ein Diener Gottes des Erhabenen. 

42 Das Beispiel beschreibt die feuchte Wolle, die am Stab fädenziehend hängenbleibt 
und sich nur schwer vom Stab, der in ihr steckt, trennen läßt, bzw. daß bei der Tren- 
nung von seiner Seele der Körper duch die Heftigkeit der Handlung leidet, zumal 
sich der Sünder auch gegen den Tod, gegen das Verlassen des Diesseits wehrt. 

43 „Illiyün" bezeichnet den Barzakk-Ort, der Vorgeschmack des Paradieses ist. 

44 Zu Begriff und Bedeutung von „Barzakk" siehe weiter unten im Haupttext. 

45 Weil die Seele für einen bestimmten Zeitraum im Grab ist, soll man gemäß dem 
islamischen Recht auch nicht über ein Grab hinwegsteigen, denn der Tote bzw. seine 
Seele — spürt das und wird dadurch belästigt. 

46 Die folgende Beschreibung hält sich an die gesicherten Teile der betreffenden diesbe- 
züglichen Hadithe. 

47 Wörtlich: „der abgelehnt wird", wohl wegen seiner furchterregenden Erscheinung — 
doch Gott weiß es am besten. 

48 Diese Form heißt etwa das gleiche wie die des Namens „Munkar". 

49 Das heißt vor der Seele des Toten, die sich nach der Trennung vom diesseitigen 
Körper mittlerweile im Grab befindet. 

50 In der Überlieferung: Das Grab wird für den Toten - das heißt: seinen im Grab 
bestehenden Körper- bis auf siebzig Ellen erweitert (eine Elle entspricht etwa 28 cm). 

51 In der Überlief erung: mit Grünem, mit grünen Pflanzen (sprachlich auch übertragen 
als „Schönes" zu verstehen - aber Gott weiß es am besten). 

52 Das zitierte Textstück stammt aus einem richtigen Hadith, der vom Hadith-Samm- 
ler Muslim herausgebracht wurde. 

53 Wörtlich in der Überlieferung: „Ayät", hier etwa in der Bedeutung: wundersame Zei- 
chen. 

54 Der Ausdruck „häsha U4läh" ist ein Ausdruck, mit dem man sein Entsetzen über eine 
(mögliche oder tatsächlich schon eingetretene) schlimme Vorstellung ausdrückt. 

55 Die Entsprechung zum Paradies, das ja auch als Garten beschrieben wird, bzw. zur 
Hölle, die ja auch als Feuer beschrieben wird, ist eindeutig. 

56 Gemeint ist hier der Bereich des alten Syriens (ash-Skäm), der die Gebiete des heutigen 
Syriens sowie Libanon, Palästina und Jordanien umfaßt. 

57 Dieses in den Hadithen verwendete Wort „Minära" heißt wörtlich „Leuchtturm", 
„Signalturm". Gemeint ist wahrscheinlich ein Turm, der zu Leuchtsignalen verwen- 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 97 

det wird, wie sie auch schon in alter Zeit zur Nachrichtenübermittlung verwendet 
wurden. Mit Sicherheit ist hier nicht die spätere Bedeutung „Ausruf -Turm für den 
Adhän", „Minarett", gemeint, da es derartige bauliche Einrichtungen bei Moscheen 
der Prophetenzeit nicht gab und das Wort daher mit dieser Bedeutung für die Ge- 
fährten — die Ohrenzeugen dieses Hadithes - keinen Sinn ergeben hätte. Das wird 
auch dadurch unterstützt, daß das Wort „Minära" in sich keinerlei Rückschluß auf 
einen ^Aän-Ausruf-Turm (arab. auch: Mi'dhana) zuläßt, sondern diese Bedeutung nur 
durch (nach-prophetischen) Sprachgebrauch und Ortsbrauch erhielt. 

58 Weil es das Symbol für die Kreuzigung ist, die für seine Person fälschlicherweise 
behauptet wurde. 

59 Gemeint: Er wird die Schweine als Tiergattung vernichten, zur Bekräftigung, daß 
dieses Tier niemals zum Verzehr erlaubt war, auch nicht den Christen; tatsächlich 
geht ja auch die Frage des Erlaubtseins von Schweinefleisch und anderen Dingen, die 
in der Thora verboten waren, nicht auf Jesus ,-vUi zurück, sondern auf Paulus, wie es 
selbst aus den heutigen Fassungen der eigentlichen Evangelien noch deutlich hervor- 
geht, in denen die Thora als gesetzgeberische Norm ausdrücklich bestätigt wird. 

60 Die Jizya ist eine Steuer, die nach islamischen Recht - zum Ausgleich für Schutz- 
recht und Befreiung vom Militärdienst — Angehörigen der Buchreligionen auferlegt 
wird. Hier ist gemeint, daß die Jizya von Jesus - im Gegensatz zu den anderen Dingen 
des islamischen Rechts - nicht mehr eingesetzt wird, weil ja schon mit Beginn des 
Jüngsten Tages (mit dem Erscheinen des ersten Großen Zeichens) entschieden ist, daß 
von keiner Seele mehr ein Eintritt in den Islam angenommen wird - es ist also schon 
entschieden, daß die nicht im Sinne des Islams Gläubigen von diesem Moment an 
auch keine Möglichkeit mehr haben, ins Paradies zu gelangen. W'eil nun die Sache 
dann entschieden sein wird, werden die Nichtmuslime in der Shari'a am Jüngsten Tag 
keine Rolle mehr spielen, werden weder mißachtet noch aber mit einem Sonderstatus 
belegt; sie werden jedoch als Menschen geachtet (wie es auch dann noch Pflicht der 
Shari'a sein wird). 

61 W r orin diese Hindernisse bestehen, ist nicht gesichert; nach nicht starken Hadithen 
wird von Mauern aus Metall gesprochen oder von noch anderem, doch das ist wie 
gesagt nicht gesichert. Es mag sich auch um Hindernisse anderer Art handeln, die 
nicht materiell sind - doch Gott weiß es am besten. 

62 Hierunter kann Verschiedenes verstanden werden, vor allem aber Heimsuchung durch 
Krieg und damit verbundene Qualen, Entwürdigung durch Erniedrigungen und 
Ausübung von Zwängen auf andere Völker und Verführung der Menschen, bis sie 
alles Gute an Sitten und Glauben aufgeben. 

63 Woraus dieser Rauch besteht oder wie er entsteht, ist nicht (bzw. nicht sicher) über- 
liefert. 

64 Hier eine kurze Beschreibung „gewöhnlicher Finsternisse": Finsternisse entstehen, 
wenn der Mond zwischen Erde und Sonne tritt und sich der Schatten des Mondes auf 
die Sonne legt (Sonnenfinsternis/Äkyä/) oder wenn die Erde zwischen Sonne und Mond 
tritt und sich der Schatten der Erde auf den Mond legt (Mondfinsternis / Khusüj). Man 
unterscheidet vollständige, teilweise und ringförmige Finsternisse (letztere nur bei 
Sonnenfinsternissen). 

Teilweise Sonnenfinsternis: Diese entsteht, wenn die Bahn des Mondes die der Sonne - 
vom Standort des Beobachters auf der Erde aus - nur berührt. Der Schatten des 
Mondes legt sich dabei zeitweise und teilweise auf die Sonne, ohne sie aber ganz zu 
bedecken; es sieht dann so aus, als ob ein rundes Stück aus der Sonne herausgeschnit- 



98 HANDBUCH ISLAM 

ten bzw. schwarz geworden wäre. Das Tageslicht vermindert sich (je nach Größe des 
Mondschattens), verschwindet aber nicht ganz. Auch die Farbe der Sonne bleibt wie 
gewohnt. 

Vollständige Sonnenfinsternis: Diese entsteht, wenn der Mond der Erde sehr nahe ist und 
Mond- und Sonnenbahn sich - vom Standort des Betrachters auf der Erde aus - 
kreuzen. Zunächst erscheint der schwarze Schatten (des Mondes) auf der Sonnen- 
fläche, wie schon bei der teilweisen Finsternis, dann aber bedeckt der Mondschatten 
die Sonnenscheibe völlig: sie wird schwarz, der Himmel wird schwarz, der Tag wird 
für kurze Zeit (Minuten) wirklich zur Nacht. Dennoch ist die Sonne am Himmel zu 
erkennen, weil ihr Strahlenkranz hinter der schwarzen Scheibe hell strahlt. Auch er- 
scheinen für diesen Moment der völligen Verdunkelung Sterne deutlich am Himmel, 
die Sternbilder werden in Sonnennähe zudem verzerrt. Dann gibt der Mondschatten 
wieder einen schmalen Rand der Sonnenscheibe preis, der Himmel wird wieder heller 
(wie bei der Dämmerung), die Sterne verschwinden wieder; für eine gewisse Zeit er- 
gibt sich wieder eine teilweise Finsternis, dann verschwindet der Mondschatten ganz, 
und es ist wieder normaler Tag. 

Ringförmige Sonnenfinsternis: Diese entsteht wie auch die vollständige Sonnenfinsternis, 
aber der Mond ist weiter von der Erde entfernt, und sein Schatten bedeckt die Son- 
nenscheibe daher so, daß ein äußerer leuchtender Ring immer verbleibt. Dabei er- 
scheint die ringförmige Sonnenfinsternis zunächst wie eine teilweise; doch dann tritt 
der Mondschatten als Vollkreis in die Sonnenscheibe, verbleibt dort für Minuten und 
tritt dann wieder aus der Sonnenscheibe aus, wobei der Himmel sich entsprechend 
der Fläche des Schattens verfinstert und wieder aufhellt. Die besonderen Erscheinun- 
gen der völligen Sonnenfinsternis entstehen hier daher nicht. 

Teilweise und völlige Mondfinsternis: Wenn die Erd- und Mondbahn sich - im Verhältnis 
zur Sonnenbahn auf bestimmte Weise kreuzen, legt sich der Erdschatten auf die 
von der Sonne beleuchtete Scheibe des Mondes. Sowohl bei einer vollständigen als 
auch bei einer teilweisen Mondfinsternis erscheint der Erdschatten aber nicht schwarz 
(wie das beim Mondschatten und der Sonnenfinsternis der Fall ist), sondern kupfer- 
rot. Auch gibt es auf natürliche, normale Weise nur Mondfinsternisse, wenn der Mond 
am Nachthimmel steht, nicht aber, wenn Mond und Sonne gemeinsam am Tag- 
himmel stehen - weil die Sonne gemäß ihrer (jetzigen) Natur dann keinen Erdschatten 
auf dem Mond bewirken kann. 

65 Gemeint ist hier höchstwahrscheinlich: im Osten (und weiter unten im Haupttext: im 
Westen) der Welt, von der Arabischen Halbinsel aus gesehen. 

66 Arab.: „Saika"; die genaue Sinnwiedergabe ist hier schwierig, denn das Wort kann als 
„Schrei", „lautes Ertönen" und dergleichen wiedergegeben werden, während aber 
andererseits hier auch von dem Instrument des Engels Isräfil die Rede ist und damit 
diese Übersetzungen doch recht eigenartig und unpassend wirken. Tatsächlich haben 
auch alle Übersetzer des Korantextes mit diesem Wort Probleme gehabt; der Verfas- 
ser hat daher hier die neutralste Übersetzung, „gewaltiger Laut", gewählt. 

67 Die genaue Übersetzung ist schwierig; welcher genauen Art dieses „Sür" genannte 
Instrument ist, ist aus dem Wort nicht klar zu erkennen. Nur um irgend etwas als 
ungefähre Wiedergabe anzubieten, hat der Verfasser hier „Posaune" als Übersetzung 
gewählt. 

68 Hier wird besonders der junge Mensch betont, weil die meisten jungen Menschen - 
mehr als erfahrenere Menschen - von scheinbaren Werten des Diesseits, von erlaub- 
ten wie auch (oft stärker) verbotenen Vergnügungen. 



DIE GLAUBENSGRUNDSÄTZE 99 

69 Hier ist speziell gemeint, daß sich jemand nicht nur für die Moschee einsetzt, son- 
dern auch oft dort ist; insofern sind — wie die Gelehrten dazu betonen - auch die 
Frauen mit bei Hadithen mit eingeschlossen, wenn in allgemeiner Form „der Mann" 
gesagt wird. Hier ist vor allem darum die Form „Mann" gelassen worden, weil die 
direkte Anwesenheit der Frauen in der Moschee - anders als bei den Männern - 
nicht in jedem Fall als gut betrachtet wird bzw. weil es in manchen Fällen vor Gott als 
verdienstvoller gilt, wenn die Frauen - als Gemeinschaft - in ihren Privathäusern 
Gottesdienste verrichten, als wenn sie mit den Männern in der Moschee zusammen- 
sind. Damit ist aber keine Geringerschätzung der Frau gemeint. 

70 Es ist so, daß auch ein Muslim, der im Diesseits sehr sündhaft gelebt hat, für be- 
stimmte Zeit in die Hölle gelangen kann, bis er von seinen Sünden durch die dortige 
Bestrafung befreit ist. Durch sichere Hadithe ist sogar überliefert, daß die Stellen, auf 
denen der Sujüd im Gebet vom Menschen ausgeführt wurde, nicht vom Höllenfeuer 
berührt werden - ein deutlicher Beleg auch dafür, daß das Gebet allein - bei Vorhan- 
densein sehr gewaltiger, nicht bereuter Sünden (bestimmter Kabä'ir) - nicht immer 
ausreicht, um den betreffenden sündigen Muslim ganz und gar vor der Hölle zu 
retten. 

71 Im Paradies existiert nichts Unreines, weder in oder an den Körpern der Paradies- 
bewohner noch sonstwie; da auch darauf geachtet wird, daß die ins Paradies Eintre- 
tenden gereinigt werden, ist diese zweite Quelle von Gott geschaffen worden. 

72 Gemeint sind hier in erster Linie diejenigen, die Götzenbilder anfertigen; aber auch 
diejenigen, die allgemein Abbilder von Tieren oder Menschen anfertigen, sind nach 
den meisten Gelehrten damit gemeint. 

73 Das soll hier besonders erwähnt werden, weil manche Leute ohne Wissen annehmen, 
daß der Teufel eine Art Gegenrolle zu Gott in der Hölle einnimmt; das ist jedoch 
völliger Unsinn und nichts als der Rest von heidnischen Glaubensvorstellungen, in 
denen es entweder mehrere Gottheiten (A 'üdhu bi lläh) gibt und eben eine davon eine 
Art Hölle beherrscht, oder es ist aus noch anderen konfusen Vorstellungen (zum Bei- 
spiel solchen aus der Dualistischen Idee der Zoroastrier) entstanden, in denen es ein 
Licht- und ein Dunkelheitsprinzip gibt, personifiziert durch diverse Gottheiten. All 
das muß der gläubige Muslim weit von sich weisen: Der Teufel (Shaitän) ist von Gott 
geschaffen und vom Zeitpunkt der Erschaffung Adams JÖ an zur Hölle verurteilt 
gewesen. 



ZWEITER TEIL 

DAS 

ISLAMISCHE 

RECHT 



Einleitung 
Das islamische Recht 



io5 



KAPITEL I 
DIE SHARl'A 

§ i 

DAS ISLAMISCHE RECHT UND SEINE GRUNDLAGEN 
FIQH UND USÜL AL-FIQH 

Der Unterschied zwischen „SharVa" und „Fiqh" 

Die beiden Begriffe „SharVa" und „Fiqh" werden oft als bedeutungs- 
gleich betrachtet, doch es gibt deutliche Unterschiede. „SharVa" bezeich- 
net wortwörtlich im arabischen Sprachgebrauch den Platz rund um 
einen Brunnenschacht, von dem aus man an das Wasser gelangen kann; 
sinnbildlich steht das Wasser hier für „ Lebensquelle", und so ist „SharVa" 
von der Sprache her gesehen das, was einem Muslim das Leben im 
Islam erst ermöglicht. Die SharVa ist die Art zu leben, die Gott den 
Muslimen vorgezeichnet hat, die Er für die Muslime wünscht. Von 
daher ist SharVa mehr als bloß „Islamisches Recht", sondern das Recht 
und alles, was den Muslim kennzeichnet und geistig und äußerlich von 
Nichtmuslimen unterscheidet. Demgegenüber bezeichnet das Wort „Fiqh" 
tatsächlich das Islamische Recht. Wortwörtlich bedeutet „Fiqh": etwas 
lernen, kennenlernen und dann begreifen; als Fachbegriff bedeutet „Fiqh": 
Islamische Rechtswissenschaft, Islamisches Recht. Fiqh ist daher ein Teil 
der SharVa, doch die SharVa ist umfassender als Fiqh. Andererseits ist Fiqh 
auch eine Wissenschaft, die wiederum Unterwissenschaften hat, wäh- 
rend Shari'a keine eigentliche Wissenschaft ist, sondern alles, was zum 
Wesen und zur Aufrechterhaltung des Islams gehört, umfaßt. 

Das Selbstverständnis des islamischen Rechts 

Das islamische Recht versteht sich seinem Wesen nach als ein Recht, 
dessen Grundlagen von Gott selbst gesetzt und dessen wesentliche 
Hauptanordnungen zeitunabhängig, gewissermaßen zeitlos gültig sind. 
Dieses Recht hat ein ganz eigenes Rechtssystem und dazu gehörende 
Wissenschaften, die sich mit den Quellen beschäftigen und sie anwend- 
bar machen. 



I06 HANDBUCH ISLAM 

WISSEN (^LM) UND UNWISSEN (jAHL) 

Was ist islamisches Wissen? 

Unter „islamischem Wissen" versteht man ein Wissen, was Kenntnisse 
über den Islam vermittelt und sich mit Dingen beschäftigt, die islami- 
scherseits lobenswert sind. Die wichtigsten Bereiche sind dabei die fol- 
genden: 

• Was einem Muslim/einer Muslima hilft, sich so zu verhalten, wie 
Gott es durch die SharVa bestimmt hat. 

• Was einen Muslim/eine Muslima davor bewahrt, Fehler zu begehen, 

die dem Glauben schaden (in Hinsicht der 'Aqä'ia). 

• Was einen Muslim/eine Muslima in die Lage versetzt, in dieser Welt, 

an ihrem Platz, wo sie nun gerade leben - und oft leben müssen -, als 
Muslime leben zu können - auch wenn es mit Schwierigkeiten ver- 
bunden ist. Dabei müssen aber die Regeln der SharVa bzw. des islami- 
schen Rechtes soweit wie möglich befolgt werden. Es ist außerdem 
nicht das Recht eines „JflAf/"(Unwissenden), sich nach seiner eigenen 
Nase zu richten, sondern er muß sich immer an solche Menschen 
wenden, die das meiste Wissen haben und ihn im Islam unterrichten 
können. 

Nützliches und nutzloses bzw. schädliches Wissen 

Das Wissen, das ein Mensch überhaupt in sich ansammeln kann, wird 
in drei Bereiche unterteilt: 

„Nützliches Wissen": dazu zählt das eigentliche „islamische Wissen", 
aber auch das, was vom islamischen Recht her gesehen nicht direkt 
„islamisches Wissen" (wie oben beschrieben), aber grundsätzlich doch 
nützlich ist. Das kann zum Beispiel sein, was auf erlaubte Weise Erträ- 
ge bringt, die nicht zum unbedingt nötigen Lebensunterhalt dazugehö- 
ren (Geld, Landwirtschaft usw.), oder was derzeit noch keinen direkten 
Nutzen bringt, dies aber in Zukunft durchaus tun kann. 

„Schädliches Wissen" ist ein Wissen von Dingen, die zu tun verboten 
sind; hilft das Wissen um diese Dinge dem Lernenden auch nicht wei- 
ter, so ist auch das Erlernen und Beibringen selbst verboten, da es ein- 
zig und allein nur zu Verbotenem führen kann. Das ist zum Beispiel bei 
der wirklichen Zauberei (Sihr) der Fall: diese dient dazu, anderen zu 
schaden, doch um sich vor den Auswirkungen der Zauberei zu schüt- 
zen, ist keine andere Art der Zauberei erlaubt, sondern die Rezitation 
von bestimmten Koranversen und Bittgebeten. Daher ist sowohl die 



DAS ISLAMISCHE RECHT 107 

Zauberei als auch ihr Erlernen, als auch das Beibringen davon ohne 
Ausnahme verboten. 

»Nutzloses Wissen" ist, was weder für den Lernenden noch den Lehren- 
den mit Schaden oder Nutzen verbunden ist. Dies ist zum Beispiel der 
Fall bei bestimmten grundsätzlich erlaubten Spielen, bei denen man 
zwar nichts lernt, durch die man aber auch nichts Verbotenes - wie 
zum Beispiel Unterlassen des Gebetes usw. - tut. 

Schaden, der durch Unwissen entsteht 

Der Schaden, der durch Unwissende (Juhhäl) bei anderen Unwissenden 
angerichtet werden kann (und oft auch angerichtet wird), kann gar 
nicht schlimm genug eingeschätzt werden. 
Zu den bedeutendsten dieser Schäden gehört, 

• daß jemand von einem solchen Unwissenden (Jähit) in seinem Glau- 
ben verunsichert wird. 

• daß jemand von anderen als Autoritätsperson angenommen wird und 

er ihnen Unsinn, Lügen oder Halbwahrheiten über den islamischen 
Glauben und das islamische Recht erzählt. 

• daß jemand gar kein oder nicht genug richtiges Wissen vermittelt 
bekommt, aber nun der festen Meinung ist, er wisse bereits genug 
oder viel (das gehört ohnehin zu den dümmsten Arten der Unwissen- 
heit). 

• daß jemand auf einen solchen Jähil hereinfällt und er dann — nach- 
dem ihm klar geworden ist, um was für jemanden es sich bei seinem 
„Lehrer" handelte - niemandem mehr traut und/oder nichts mehr 
lernt. 



§3 

DER UNTERSCHIED 
ZWISCHEN WISSEN UND WISSENSCHAFT 

Bloßes Wissen ist noch keine Wissenschaft 

Manche Muslime meinen, daß sie durch bloßes Ansammeln von aus- 
wendiggelernten Koranversen und Hadithen bereits „Gelehrte" wer- 
den könnten; jedoch besteht ein ganz gewaltiger Unterschied zwischen 
dem „bloßen Wissen" und „Wissenschaft". Erst wenn jemand weiß, ob 
der betreffende Koranvers, den er erlernt hat, aufhebend bzw. aufge- 
hoben ist, ob und welche Bedeutungen er haben kann (nach Meinung 
des ProphetenigJ und seiner Gefährten - möge Allah mit ihnen zufrie- 



io8 



HANDBUCH ISLAM 



den sein - sowie nach Auffassung der anerkannten Sprachgelehrten) 
und ob und welche Rechtskraft dieser Vers im islamischen Recht hat, 
kann er sich über diesen Vers im Sinne von bloßem Wissen und Wis- 
senschaft zugleich äußern. 

Ähnliches - und noch mehr - gilt für die Hadithe: Zu dem, was bei 
Koranversen beachtet werden muß, kommt hier noch die Frage, ob der 
Hadith stark, richtig, schön, schwach usw. ist, ob er durch andere 
Hadithe gestützt, im Sinn erweitert oder eingeengt wird, usw. 

Allgemein gilt: Die beiden Grundquellen - Qur'än und Sunna - sind 
zunächst, wie der Name schon sagt, Quellen - sie müssen von Gelehr- 
ten gefaßt und in jedem Fall erst durch die islamischen Wissenschaften 
innerhalb des Fiqh betrachtet werden, damit klar wird, was überhaupt 
für das Fiqh Bedeutung hat und angewandt werden darf, und innerhalb 
dessen, was wortwörtlich, was übertragen, was allgemein und was ein- 
geschränkt gilt. Dies herauszuarbeiten ist die Aufgabe der Fuqahä' 
(Rechtsgelehrten), nicht aber der Muqallidün (derer, die den Gelehrten 
folgen müssen) und nicht die der Muttabi'ün (die zwischen Fatwas und 
Rechtsmeinungen der Gelehrten wählen können). 

Die speziell-islamischen und andere Wissenschaften 
Es gibt innerhalb der SharVa mehrere Bereiche; die wichtigsten sind: 

• das eigentliche, islamische Recht ( ( Ilm al-fiqh oder Fiqh) 

• die Theologie (Kaläm) 

Beide Hauptwissenschaften haben sogenannte iy Grundlagenwissen- 
schaften" (arab.: UsüJ) und werden selbst dementsprechend als „abge- 
leitete Wissenschaften" (arab.: Furü 3 ) bezeichnet; außerdem gibt es „Hilfs- 
wissenschaften" bzw. vorauszusetzende Wissenschaften, die einen 
Muslim erst in die Lage versetzen, sich wirklich mit den Haupt- und 
Grundlagenwissenschaften beschäftigen zu können. 1 Das heißt: Nur wer 
diese Wissenschaften beherrscht, hat die Voraussetzung, Gelehrter zu 
sein bzw. zu werden. Hier eine Vorstellung der wichtigsten der Wissen- 
schaften: 

I. Die vorauszusetzenden Wissenschaften (Ad ab -Wissenschaften) 

(a) Wissenschaften, die einzelne Wörter betreffen 

i . Lexikographie (Wesen, Gehalt und Bedeutung der Wörter) 
[7/m al-lugha] 



DAS ISLAMISCHE RECHT I O9 

2. Etymologie (Verhältnis der Wörter zueinander, Ableitung der Wör- 
ter aus Wurzeln) [ ( Ilm al-ishtiqäq] 

3. Formenlehre (Endungssysteme, Aufbau, Struktur der Wörter) 
['Um at-tasrifl at-Tasnf/ as-Sarf] 



(b) Wissenschaften, die mehrere Wörter/ganze Sätze betreffen 

1 . Syntaxlehre (behandelt die Endungssysteme der Wörter in Abhän- 
gigkeit voneinander) [ 'Um an-nahuw] 

2. Rhetorik, dem Inhalt nach (über die genaue Wiedergabe eines Sin- 
nes/einer Bedeutung durch bestimmte, verschiedene Ausdrücke) 

['Um al-ma'äni] 

3 . Rhetorik, der Formulierung nach (Verwendung verschiedener Wor- 
te, Ausdrücke bei gleicher Bedeutung) ['Um al-badi 3 ] 

4. Tropik (Verschönerung des sprachlichen Ausdrucks) ['Um al-bayän] 



II. Gründlagenwissenschaften 

1. Qufän-Wissenschaften 

(a) Wissenschaften, die den Wortlaut des Koran betreffen 

1 . Die Wissenschaft von der Lesung und Rezitation des Koran 
['lim al-qirä'a] 

2. Die Wissenschaft von der Schreibung des Koran (Buchstabenformen, 
-position, usw.) ['Um rasm al-qur'än] 

(b)Wissenschaften, die den Inhalt des Koran betreffen; 

die Wissenschaft von der Auslegung des Koran ['Um at-tafsir] 

2. 'Usül al-Hadith (Grundlagen der Hadith- Wissenschaften) 

1 . Die Wissenschaft vom (Erkennen des) Hadith (Erkennen der Rede 
und der Taten des Propheten^f) ['Um al-hadith] 

2. Die Wissenschaft von der Bewertung des Hadith (Arten, Bedingun- 
gen, Umstände der Überlieferung und Rechtsgültigkeit) [ 'Um diräyat 
al-hadith] 



IIO HANDBUCH ISLAM 

3. Die Wissenschaft von der Kette (Stärke, Schwäche usw. der Überlie- 
ferung) [ c Ilm al-'isnäd\ 

4. Die Wissenschaft von den Überlief erern 

(das Verhalten, Merkvermögen, Korrektheit usw. der Überlieferer) 

[ c Ilm ar-rijäl] 

3. Usül al-Fiqh [Grundlagen der Rechtswissenschaft) 

(a) Die beiden Grundquellen 

1 . Der Qur'än: gemeint diejenigen Verse, die für das islamische Recht 
Bedeutung haben, die sogenannten „Ayät al-Hukm" 2 . 

2. Die Sunna: gemeint sind hier diejenigen Hadithe, die Rechtskraft ha- 
ben. 

(b) Die beiden abgeleiteten Quellen 

1. Ijmä'\ Konsens, völlige Übereinstimmung der Rechtsgelehrten. Din- 
ge, über die ein Ijmä' besteht, gibt es nur sehr wenige; dazu zählen vor 
allem Dinge, die als absolute Pflicht (Rukn, Fard c ain) aus bestimmten 
Koranversen oder - wenigen, sehr starken — Hadithen hervorgehen. 
Zum Beispiel die Pflicht der „fünf Säulen" oder verschiedene Anord- 
nungen, die sich im Koran zur Aufteilung der Pflichterbteile finden. 

2 . Qjyäs: Analogieschluß, der auf der Basis von entsprechenden Versen 
des Korans mit Rechtskraft [Ayät al-Hukm) bzw. Hadithen mit Rechts- 
kraft die ursprüngliche Rechtsanordnung auf eine neue Situation an- 
wendbar macht. 

(c) Weitere Methoden/ergänzende Quellend 

1 . Istihsän: wörtlich „das Fürguthalten"; die Abweichung von der Regel; 
diese Abweichung von einer Rechtsbestimmung bzw. einem Beispiel- 
fall tritt dann ein, wenn sich die Notwendigkeit dazu aus einem be- 
sonderen Rechtsumstand ergibt. Istihsän tritt auch als Gegenstück zum 
Qiyäs auf: Wenn nach Meinung eines Mujtahid ein entsprechender Qiyäs 
der Situation im Geist der Shari'a nicht gerecht wird, greift er zum 
Istihsän. Diese Methode wurde von der frühen Hanafiya oft angewandt, 
wird aber von vielen anderen Schulen nicht anerkannt (wie etwa der 
Shäfi'iya^ die darin ein Verlassen der Grundquellen sieht). 

2. al-Masälih al-mursala: wörtlich „die (vom Gemeinwohl) bestimmten 
Interessen" (Einzahl: „al-Maslaha al-mursala"). Grundsätzlich handelt 



DAS ISLAMISCHE RECHT 



es sich hier um Rechtsbestimmungen, die aufgrund bestimmter 
zwingender Umstände im berechtigten Interesse der Umma bzw. ei- 
ner islamischen Gesellschaft sind. Dabei gilt: Eine „Maslaha" (wie „al- 
Maslaha al-mursala" oft abgekürzt verwendet wird) kann - in diesem 
Rahmen - grundsätzlich alles sein, 

a. was im Sinne der SharVa selbst gut ist, 

b. was zum Guten hinführt, 

c. was im Zweifelsfall, wenn eine Entscheidung zwingend getrof- 
fen werden muß, eher zum Guten als zum Schlechten hinführt. 

Diese Rechtsquelle wurde ursprünglich von den Gelehrten der Mälikiya 
benutzt, wird aber heute auch von vielen Gelehrten anderer Schulen 
für moderne Fatwas verwendet. 

Das Gegenteil von Maslaha (im Sinn: „was gut ist/was [im Zweifel 
eher] zum Guten hinführt") ist Mafsada (also: „was schlecht ist/was 
[im Zweifel] eher zum Schlechten hinführt"). 

Das Ziel von „al-Masälih al-mursala" ist also, selbst „Mafisid" (Mehr- 
zahl von Mafsada) zu vermeiden - oder anders gesagt, Schaden von 
der Umma abzuwenden, der durch Benutzung der sonstigen Grund- 
quellen allein nicht vermieden werden kann. 

3. Ma'thürät (überlieferte) Lehrmeinungen von Prophetengefährten - 
möge Allah mit ihnen zufrieden sein. Mit Prophetengefährten sind 
hier solche Personen (auch Frauen, speziell die Ehefrauen des Pro- 
pheten) gemeint, die lange Zeit mit dem Propheteng^ zusammenge- 
lebt haben, ihn persönlich sehr gut kannten und als Muslim starben. 
Unter der Lehrmeinung einer solchen Person ist nun die Äußerung 
zu einem speziellen Fall, einer konkreten Sache gemeint. Die Autori- 
tät und Rechtskraft dieser Meinungen ist vor allem aus folgenden 
Gründen umstritten: 

a. Auch die Prophetengefährten, möge Allah mit ihnen zufrieden sein, 
waren sich in Rechtsfragen nicht immer einig und haben manch- 
mal sogar bestimmte Rechtsmeinungen bestimmter Gefährten nicht 
akzeptiert. 

b. Die Rechtskraft einer solchen Meinung ist unbedingt davon ab- 
hängig, ob die betreffende Person bezeugtermaßen über Rechts- 
verstand (Fiqäha) verfügte oder sogar Gelehrtenrang unter den Ge- 
fährten einnahm (speziell, ob sie zu einem Zeitpunkt das Richter- 
amt ausübte). 

c. Die Muslime sind zwar verpflichtet, sich nach der Sunna des Pro- 
pheten^J auszurichten, doch die Sunna der Gefährten (Sahäba), ih- 
rer Nachfolger (Täbi'ün) und die deren Nachfolger (Täbi'u t-Täbi ( in) 
ist nach allgemeiner Übereins timmung keine verpflichtende Quelle. 



112 HANDBUCH ISLAM 

Diese Rechtsquelle wird daher meist in bestimmten Fällen herange- 
zogen, in denen eine solche Ma'thüra (Einzahl von Ma'thüräi) (erklä- 
rend wirkt 4 . 

4. Istishab: das Fortgeltungsprinzip; damit ist gemeint, daß man an ei- 
nem sicher bezeugten Tatbestand so lange festhält, bis sich ein exak- 
ter Gegenbeweis findet. 

5. Sadd adh-Dharä'V: wörtlich: „Abweisung der Mittel"; gemeint ist da- 
mit, daß das, was zu Verbotenem führt, ebenfalls verboten sein muß. 
Dies war ein ursprünglicher Rechtsgrundsatz, der aber hier auch zu 
einer regelrechten Rechtsquelle geworden ist. 



§4 

DIE WERTSCHÄTZUNG 
VON GELEHRTEN UND GELEHRSAMKEIT 

Gelehrsamkeit und Wissenschaft 

Das Lernen ist eine Grundpflicht (Fard ( ain); das setzt natürlich auch 
voraus, daß es Menschen gibt, die Lehrer sein können - weil sie wissen- 
der sind als andere, und dies, weil sie schon zuvor Wissen erworben 
haben. In jeder Gesellschaft, in jeder Religion, gab und gibt es solche 
Menschen. Wichtig ist für den Islam, daß es in ihm keine Priesterklasse 
oder Vergleichbares - wie im Christentum - gibt, sondern die sogenann- 
ten Gelehrten. Gelehrte gab es bereits in der Frühzeit des Islam. 

Einige Prophetengefährten, möge Allah mit ihnen zufrieden sein, nah- 
men vor anderen einen besonderen Rang ein, weil sie mehr Wissen 
vom Propheten aufgenommen und mehr geistigen Nutzen daraus ge- 
zogen hatten als andere. Einige wurden auch wesentlich älteren Ge- 
fährten in Wissensdingen vorgezogen - wie zum Beispiel 'Abdullah bin 
'Abbäs, möge Allah mit ihm zufrieden sein, den der zweite der recht- 
geleiteten Kalifen, 'Umar bin al-Khattäb, möge Allah mit ihm zufrie- 
den sein, als Ausleger des Korans den anderen Gefährten vorzog, da er 
sie in diesem Wissensgebiet bei weitem übertraf ('Abdullah bin 'Abbäs 
war beim Tod des Propheten^J etwa 18 Jahre alt). Bestimmte Gefähr- 
ten wiederum wurden schon zu ihrer Zeit von anderen Gefährten als 
Autorität in Rechtsdingen angesehen und - wie zum Beispiel Abu Musä 
al-Ash'ari - als Richter und Statthalter in die Provinzen des damaligen 
islamischen Reiches entsandt. Damals wie heute erfüllten die Gelehr- 



DAS ISLAMISCHE RECHT I I 3 

ten ihre Aufgabe: ihr vergleichsweise großes Wissen für die Umma ein- 
zusetzen - als Richter, als Lehrer, als Bewahrer. Aus diesem Grunde 
wurden aufrichtige Gelehrte auch von sündhaften Regierungen, die 
sich so manches Mal auch den Anschein gaben, „islamische" zu sein, 
verfolgt, sobald sie den Herrschenden unbequem oder einfach nicht 
gehorsam waren. 

Die Rolle der islamischen Gelehrten in der Umma 

Die Gelehrten sorgen in den islamischen Gesellschaften dafür, daß die 
islamische Lehre, das Wissen um die Geschichte, das islamische Recht, 
nicht verlorengeht. Sie sind vor Gott dafür verantwortlich, daß das 
Wissen ohne Verfälschung weitergegeben wird, denn: Die Pflicht des 
Wissenden, den Unwissenden zu unterrichten, ist (noch) größer als die 
Pflicht des Unwissenden, die Wissenden aufzusuchen, um von ihnen 
Unterricht zu bekommen. 

Nach einem Hadith, der in seiner Überlieferung zur sichersten Kate- 
gorie der Hadithe gehört, wird vom Propheten gesagt: , Jemandem, der 
nach seinem Wissen gefragt wird und es verschweigt, soll am Jüngsten 
Tag Zaumzeug aus Feuer angelegt werden." So wird die große Verant- 
wortung und Befugnis deutlich, die die Gelehrten innehaben. 

Bedingungen, die Vorraussetzung dafür sind, 
daß jemand die Stufe eines Faqih {Rechtsgelehrten im Islam) erreicht 

Es darf niemand den Anspruch eines Gelehrten ('Alim, PL: f Ulamä) er- 
heben, der nicht bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Die Stufe eines 
Rechtsgelehrten (Faqih, PL: Fuqahä') ist schon eine höhere Form der Ge- 
lehrsamkeit, und um diese Stufe zu erlangen, muß man über noch höhe- 
re Fähigkeiten verfügen als jemand, der lediglich die einfache Gelehr- 
tenstufe erreicht hat. 
Um die Stufe der Rechtsgelehrsamkeit (Fiqäha) zu erreichen, muß man 

• alle oben genannten Wissenschaften als solche kennen 

• die Wissenschaften in dem, was für das islamische Recht wichtig ist 
(vor allem die Wissenschaftszweige Fiqh und Usül al-Fiqh), tadellos 
beherrschen 

• die wichtigsten Gelehrten, ihre Werke und (noch gültigen) Rechtsgut- 
achten (in allgemeiner Form) 5 kennen 

• sich in der Rechtsgeschichte auskennen 

Innerhalb dieser Stufe des Wissens, der Rechtsgelehrsamkeit, findet 
sich auch die Stufe des Ijtihäd. 



114 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL 2 

DIE RECHTSSCHULEN 
(MADHÄHIB) IM ISLAMISCHEN RECHT 

§5 

WAS BEDEUTET „RECHTSSCHULE" (MADHHAB)? 

Die eigentliche Bedeutung 

Wortwörtlich bedeutet „Madkhab": „die Art, wie man geht", „die Me- 
thode, mit der man geht". Im islamischen Recht ist dieses Wort ein 
Fachausdruck und bedeutet „Rechtsschule", das heißt: eine bestimmte 
Art, das Recht zu bearbeiten, welche von bestimmten Rechtsgelehrten 
vertreten wird. Was heißt das jetzt genau? Im Lauf der islamischen 
Geschichte entstanden zwischen den Rechtsgelehrten unterschiedliche 
Meinungen, und dies aus zwei Gründen: 
i . Weil sie unterschiedliche Methoden verwendeten, um die Quellen — 

Qur'än und Sunna - zu verstehen und anzuwenden. 
2. Weil sie bei gleicher Methode dennoch - aufgrund ihrer jeweils be- 
gründeten Meinung zu unterschiedlichen Bewertungen des jeweili- 
gen Problems kamen. 

Schon bei den Prophetengefährten, möge Allah mit ihnen zufrieden 
sein, gab es unterschiedliche Meinungen, doch wurde eine begründete 
Meinung auch von den Vertretern einer anderen Ansicht akzeptiert 6 . 

In den nächsten zwei Generationen jedoch wurde die Anzahl der zum 
Teil sehr unterschiedlichen Rechtsmeinungen so groß, daß sich die Ge- 
lehrten je nach ihrer Grundhaltung zusammenschlössen, um einem Cha- 
os vorzubeugen. So entstanden die „Meinungsgruppen" 7 , die sich in 
ihrer Grundhaltung einig waren, etwa zur Zeit Abu Hanifas. In der 
Zeit des Gelehrten ash-Shäfi'I wurden die zuerst losen Gruppen dadurch 
fest zusammengebunden, daß sich die Gelehrten nach einem sehr hoch- 
geschätzten Gelehrten bzw. Mujtahid ausrichteten und die von ihm ak- 
zeptierten Methoden der Rechtsfindung annahmen. 

Die Methoden der Rechtsfindung 

Die Rechtsschulen verwendeten alle gemeinsam die beiden Grundquellen 
(den Qur'än sowie die Sunna). Darüber hinaus stimmten sie bezüglich der 
Verwendung des Ijmä 3 (bei den Prophetengefährten, möge Allah mit 



DAS ISLAMISCHE RECHT 



ihnen zufrieden sein) überein, doch schon bei der Verwendung von 
Qiyäs bestand keine völlige Einigkeit 8 . Der Unterschied bei den Rechts- 
meinungen der Madhähib kommt daher, daß sie verschiedene Metho- 
den zur Rechtsfindung als verpflichtend, andere als möglich, wieder 
andere als unzulässig betrachten. Das heißt, daß die Unterschiede, die 
dem einfachen Muslim (dem Nicht-Gelehrten) auffallen, nicht einer 
willkürlichen Meinung entspringen, sondern durch diese Unterschiede 
begründet sind. So benutzte die frühe Hanafiya sieben verpflichtende 
Rechtsquellen, die Mälikiya dreizehn, die Shqfi'iya vier und die Hanbaliya 
drei bis vier. Andererseits werden heute zum Beispiel manche Quellen, 
die zur Zeit Abu Hanif as benutzt wurden, nicht mehr verwendet, wäh- 
rend andere - früher nicht allgemein anerkannte - heute sehr weit - 
und über alle Rechtsschulgrenzen hinweg - verbreitet sind und benutzt 
werden. 

Die Übertreibung 

Vor allem nach dem Untergang der Kalifen der Abbasidendynastie 
(749-1258) durch die zerstörenden Feldzüge der Mongolenheere und 
die Zerstörung des alten Baghdad (1258) verknöcherten die Rechts- 
schulen. Nicht nur die Auslegung der Rechtsschuloberhäupter und frü- 
hen Gelehrten, sondern auch die der späteren großen Gelehrten wur- 
den absolutes Maß, eine Weiterentwicklung wurde nahezu unmöglich. 
Das führte schließlich zu einer Selbstabschließung und Abschottung 
einer jeden Rechtsschule, bis hin zu regelrechten Streitereien und klein- 
lichen Feindseligkeiten zwischen den Vertretern verschiedener Rechts- 
meinungen. Dieser Zustand bewirkte schließlich auch, daß das islami- 
sche Recht nicht nur in seinen unveränderlichen Grundlagen, sondern 
in allen (auch zeitbedingten) Einzelregelungen festgeschrieben wurde, 
stehenblieb - was es aber in der Zeit der Rechts schulgründer nicht ge- 
tan hatte. Diese hatten sogar eine derartige Versteifung, eine solche 
Übertreibung bezüglich ihrer Schulen untersagt. 

Im letzten Jahrhundert nun entstanden daher zwei Reformbewegun- 
gen, die bis heute in verschiedenen Einzelrichtungen weiterbestehen 
und jeweils ganz unterschiedliche Denkrichtungen vertreten: 
1 . Eine Richtung, die für eine Anpassung der Madhähib an die heutige 
gesellschaftliche Wirklichkeit und ihre Anforderungen eintritt. Diese 
Richtung ist naturgemäß für die Beibehaltung der Madhähib, aber auch 
zugleich für eine Nutzung dieser Madhähib, wie sie ursprünglich be- 
absichtigt war: nicht als eine Fast-Glaubensrichtung - was ja niemals 
richtig war -, sondern als Methode, wobei man auf die allgemeinen, 
guten, immer zweckmäßigen Erkenntnisse früherer Gelehrter zurückgreift und 
auf dieser Grundlage neue Fatwas und Ansätze schafft. 



HANDBUCH ISLAM 



2. Eine andere Richtung (allgemein „as-Salajvya" genannt 9 ), die für die 
völlige Abschaffung der Madhähib eintrat und ausschließlich die Grund- 
quellen - und zwar direkt - nutzen will, wobei einige Anhänger die- 
ser Richtung nur den bloßen Wortlaut befolgen wollen (was zu unzu- 
lässigen Ergebnissen führen kann), andere aber ernsthaft die Metho- 
den der klassischen Gelehrten benutzen wollen, ohne aber deren gesam- 
te Systeme der Rechtsfindung bzw. deren Meinungen zwingend zu 
übernehmen 10 . 

Viele Mißverständnisse 

Zwischen den Vertretern der Madhähib und der Salafiya kam und kommt 
es immer wieder zu Streitigkeiten und sogar Feindseligkeiten; das liegt 
an verschiedenen Dingen: 

i . Einige der Madhähib-Anhänger vertreten die Auffassung, man müsse 
unbedingt einem Madhhab per Taqlid angehören; ihre Meinung kann 
so zusammengefaßt werden: 

• Es besteht absolute Tfl^öißf-Pflicht für jedermann. 

• Kein eigenständiger Ijtihäd - auch von heutigen Gelehrten - ist mehr 

zulässig. 

• Wer keinem Madhhab angehört bzw. keinen Taqlid ausübt, ist sünd- 
haft; manche sagen sogar: ungläubig (Käfir) 11 . 

2. Einige der Salafiya vertreten die absolute Gegenmeinung, wobei sie 
sagen: 

• Niemand ist gezwungen, Taqlid auszuüben. 

• Die Madhähib sind eine völlige Fehlentwicklung und heutzutage unzu- 

lässig. 

• Wer an einem Madhhab per Taqlid festhält, begeht schon dadurch eine 

Sünde, weil dies Bid'a ist 12 . 

• Man müsse - ohne die Meinungen der früheren Gelehrten zu beach- 

ten - direkt zu den Quellen zurück, ohne auf die Wege der Madhähib 
zurückzugreifen. 

Beide (Extrem-)Meinungen sind aus verschiedenen Gründen abzuleh- 
nen: 

Es gibt von der ersten Zeit des Islam an keine absolute Pflicht zum 
Taqlid. Der Taqlid ist nur dann zur Aufrechterhaltung des Islam not- 
wendig, wenn ein Muslim/eine Muslimin keine Ahnung vom islami- 
schen Recht hat. In der Frühzeit des Islam bestand ein natürliches Ver- 
hältnis zwischen denen, die wußten, und denen, die weniger oder so gut 
wie nichts wußten. Die Wissenderen machten kein großes Aufheben 



DAS ISLAMISCHE RECHT I I 7 

um ihr Wissen und unterrichteten die anderen. Niemand zerbrach sich 
über Fragen wie Taqlid oder Madhähib den Kopf. 

Das Problem wurde erst mit der Übernahme des Islam von den Be- 
wohnern weiter Gebiete der damaligen Welt deutlich: Diese Muslime 
waren zwar sehr oft hervorragende Gläubige, und sie stellten auch die 
Mehrzahl der Gelehrten (etwa in der Zeit Abu Hanifas); doch die Mas- 
se der Muslime - eine viel größere Menschenmenge als zu Zeiten des 
Propheten jemals vermutet - hatte viel zu wenig Wissen, um noch so 
selbständig wie die ersten Generationen urteilen und Wissen sammeln 
zu können. Als die Meinungen zunahmen, bildeten sich die Madhähib: 
sie waren Methoden, nicht aber Selbstzweck' 3 . Für die einfachen Men- 
schen war es nicht möglich, genug Wissen zu sammeln, und der Taqlid 
wurde - schon aufgrund der mangelnden Bildungsmöglichkeit - prak- 
tisch unausweichlich' 4 . 

Daraus ergibt sich einiges an Antworten: 

i . Wer nicht über das nötige Wissen verfügt, um seine Religion, den 
Islam, in allen wichtigen Lebensbereichen praktizieren zu können, muß 
notwendigerweise bei irgend jemandem das Wissen suchen, das er be- 
nötigt; sobald er jemanden gefunden hat, der dazu in der Lage ist, ihn 
zu unterrichten, muß sich der Unwissende wohl oder übel ganz auf 
seinen Lehrer verlassen - also Taqlid machen. 

Von daher ist die Aussage, man dürfe überhaupt keinen Taqlid ma- 
chen, Unsinn. 

2. Wer über das nötige Wissen über die Themen des Rechts und über 
die Wissenschaften verfügt, um sich selbst ein Bild von den Quellen zu 
machen, und wer die Belege von Fatwas und Rechtsschulmeinungen 
korrekt untersuchen kann (ohne Gelehrter zu sein), darf keinen absolu- 
ten Taqlid mehr machen. Denn wenn er eine Meinung befolgt, die nach 
seiner islamwissenschaftlichen Erkenntnis nicht stark bzw. nicht zu 
vertreten ist, ist er für das Befolgen dieser schwachen Meinung vor 
Gott auch verantwortlich. Dies gilt für die Stufe von Ittibä ilb . 

Daher ist die Meinung, jedermann müsse absoluten Taqlid machen, 
ebenfalls Unsinn. 

3. Wer meint, er könne die Meinungen der früheren Gelehrten „über 
den Haufen schmeißen", weil sie Rechtsschulen angehört hatten, hat 
selbst den Sinn und die Rolle der Madhähib nicht verstanden. 

Das hieße im einzelnen, das ganze islamische Recht zugrundezurich- 
ten, weil die (zulässigen) verschiedenen Rechtsmeinungen nun einmal 
hauptsächlich in Form von Rechtsschulmeinungen bestehen. Es hieße 
weiterhin, alle Erkenntnisse, die mit verschiedenen Rechtsmethoden 
und Rechtsquellen gemacht wurden, umsonst wären, daß alle Schritte 
- gute wie schlechte - wiederholt werden müßten, um letztendlich zum 



n8 



HANDBUCH ISLAM 



gleichen Ergebnis zu kommen: ohne Rechtsmethoden, nur mit Qur'än 
und Sunna allein, läßt sich kein islamisches Rechtssystem aufbauen. 

4. Wer andererseits ablehnt, Rechtsmeinungen, die sich nicht belegen 
lassen oder auf schwachen Belegen beruhen, aufzugeben bzw. ihnen nicht 
mehr zu folgen, versündigt sich gegen Sinn und Zweck des Fiqh. Gott gab 
uns nicht Offenbarung und Verstand zugleich, damit wir die Offenba- 
rung mißachten, indem wir ihren Sinn nicht zu verstehen suchen. 

5. Wer diejenigen - egal, welchen Wissens -, die keiner Rechtsschule 
(ausschließlich) folgen, als Ungläubige bezeichnet, begeht mehrere Sün- 
den: 

• Der Taqlid ist eine Sache des Zwecks im Recht (Fiqh), keine Glaubens- 

sache (Sache der 'Aqä'id). Von daher ist diese Aussage Unsinn. 

• Die Madhähib sind erst lange nach dem Propheten^J entstanden; sie 
stammen weder von ihm^J noch von seinen Gefährten *&& y noch 
von deren Nachfolgern, noch gibt es ihrerseits irgendwelche Aussa- 
gen, daß man der Meinung eines einzigen Rechtsgelehrten nachfolgen 
müsse. Wäre das der Fall, so wären unzählige korrekte und große 
Gelehrte der Frühzeit Sünder oder sogar Ungläubige geworden - eine 
wahnwitzige Vorstellung, und natürlich Unsinn. 

• Nach vielen sicheren und rechtsgültigen Hadithen gilt: Der, der einen 

anderen Muslim als Ungläubigen bezeichnet, ohne daß dies so ist, 
wird selbst ungläubig. Daher sollte sich jeder hüten, solche Aussagen 
leichtfertig zu treffen. 

• Im Fall des Taqlid ist die Aussage: „Wer nicht absolut Taqlid zu einem 

Madhhab macht, ist ungläubig", völlig unwahr - und wer so etwas 
wissentlich sagt, mag sich selbst ausrechnen, was er ist. 

Aus dem Gesagten kann man daher folgern: 

1 . Taqlid ist keine Glaubenssache; wer keiner Rechtsschule folgt, wird 
nicht ungläubig - aber wenn er nicht mindestens MuttabV ist, wird er 
früher oder später schwere Fehler als Muslim begehen. 

2. Wer MuttabV ist, darf keinen bedingungslosen, absoluten Taqlid mehr 
machen; allerdings ist er gezwungen, sich an zuverlässige Gelehrten- 
meinungen zu halten, er kann nicht selbständig über das Recht urtei- 
len (darf also nicht Mujtahid-T ätigkeit ausüben) 16 . 

3. Solche Anschuldigungen wie die oben erwähnten führen nur zur 
Zerstörung der Umma und sind darüber hinaus weder von den Quel- 
len her noch geschichtlich, noch vom Fiqh, noch von den 'Aqä'id, noch 
von der Logik her zu halten. 



DAS ISLAMISCHE RECHT I I 9 

§6 

ENTSTEHUNG UND ROLLE DER REGHTSSGHULEN 

Die „Rechtsschulgründer" 

Zur Zeit von Abu HanIfa (699-767) gab es - historisch belegbar - 
noch keine Rechtsschulen im heutigen Sinne, sondern nur „Gesinnungs- 
gruppen der Gelehrten"' 7 : Gelehrtengruppen, bei denen jeder hochste- 
hende Gelehrte seine eigene Rechtsmeinung vertreten konnte, sich aber 
mit den anderen Gelehrten seiner Gruppe in den Prinzipien der Rechts- 
findung einig war. Dabei wurde aber keiner als Gründer dieser Gruppe 
oder Oberhaupt betrachtet. 

Zur Zeit des Mälik ibn Anas (715-795) wurden diese Gesinnungs- 
gruppen insofern geschlossener, als zum Beispiel Mälik noch keine Schule 
gegründet hatte, aber doch schon als einer der höchsten Mujtahidin eine 
Sonderrolle genoß und nach seinem Tode als Verkörperung der gesam- 
ten Haltung aller Gelehrten des Hijäz - seiner Gesinnungsgruppe, der 
„Ahl al-Hijäz" - verstanden wurde. Eine in sich geschlossene Rechts- 
schule konnte damals noch nicht entstehen, weil die Wissenschaften 
zur Rechtsfindung (das heißt die Usül al-Fiqh) noch nicht voll entwickelt 
waren. 

Erst mit ash-Shäfi'i (767-820) und anderen Gelehrten aller Rich- 
tungen seiner Zeit beginnt die Systematisierung und Festlegung der Wis- 
senschaften - und die eigentliche Rechtsschulbildung: Die Schüler von 
ash-Shäfi'i betrachten ihn als Begründer ihrer Richtung, wobei die an- 
deren Gesinnungsgruppen - nachträglich - die größten und allgemein 
anerkanntesten ihrer Mujtahidin ebenfalls zu Rechtsschuloberhäuptern 
machen (so wird Abu Hanifa zum Oberhaupt der Hanafiya, das heißt 
den Vertretern der Gelehrten des Iraq, und Mälik ibn Anas zum 
Oberhaupt der Mälikiya, der Gruppe der Gelehrten des Hijäz). 

Bei Ahmad ibn Hanbal (780-855) kann man dann wirklich von 
einem Rechtsschulgründer sprechen, denn zu seiner Zeit hatte sich be- 
reits die Auffassung von den Madhähib durchgesetzt. 

Die Oberhäupter der Rechtsschulen werden bis heute allgemein 
„Imäme" (arab.: Oberhaupt, Leiter; PL: „A'imma") genannt l8 . 

Das Selbstverständnis der Madhähib (Rechtsschulen) 

Die wirklichen Gelehrten der Madhähib haben immer begriffen, daß eine 
Rechtsschule nur eine Methode ist, aber nicht Selbstzweck. Die Über- 
treibung war bei ihnen immer verabscheuenswert und unannehmbar, 



120 HANDBUCH ISLAM 

so wie auch schon die Rechtsschulgründer oft genug betont hatten, 
daß derartiges unzulässig ist. 

Die Madhähib betrachten sich heute als verschiedene, aber alle gleich 
zulässige Wege, um die SharVa anwendbar zu machen. Gleichzeitig 
werden auch viele Meinungen früherer Gelehrter innerhalb der Madhhab, 
die sich als nicht gut belegbar durch Qur'än und Sunna erwiesen haben, 
aufgehoben und mit den Grundquellen in Übereinstimmung gebracht. 
Während früher das Wechseln der Rechtsmethoden (im Bereich „ Usül 
al-Fiqh" und „Fiqh"), „Talfiq" genannt, als schlecht bis unannehmbar 
galt, wird heute der Talfiq in bestimmten Bereichen akzeptiert: durch 
Übernahme und Akzeptanz mancher Quellen anderer Schulen, Über- 
nahme der Sichtweise einer anderen Schule in einer speziellen Frage, 
usw. Die Unterschiede zwischen den einzelnen Rechtsschulen werden 
auf der Ebene der wirklichen Gelehrten angesichts der heutigen, gewal- 
tigen Probleme immer geringer; nur die .Juhhäl" (die völlig unwissen- 
den Leute) beharren weiter auf einem Bild der Madhähib, das aus Ge- 
lehrtensicht schon längst nicht mehr existiert. 

Die Rechtsschulen in den islamischen Gesellschaften 

Ursprünglich gab es eine sehr große Anzahl von sunnitischen Rechts- 
schulen [Madhähib), von denen aber bis heute nur vier „überlebt" haben. 
Dies sind 

• die hanafitische Rechtsschule [al-Hanafiya/ al- Madhhab al-Hanafi) 

• die malikitische Rechtsschule [al-Mälikiya/ al- Madhhab al-Mäliki) 

• die schafi'itische Rechtsschule [ash-Shäfi'iya/al- Madhhab ash-Shäfi'i) 

• die hanbalitische Rechtsschule (al-Hanbaliya/ al-Madhhab al-Hanbali) 

In manchen Ländern gehört die Bevölkerung weitgehend einem be- 
stimmten Madhhab an; in solchen Fällen werden auch solche Bestim- 
mungen, die speziell nur bei diesem Madhhab zu finden sind, Allgemein- 
gut und allgemein beachteter Brauch. 

Auch läßt sich in solchen Fällen oft eine starke Abwehrhaltung unter 
den Unkundigen (Juhhäl) einer solchen Bevölkerung gegenüber anderen 
Madhähib feststellen — einfach darum, weil sie keine praktische Bekannt- 
schaft mit diesen anderen Madhähib haben. Beispiele dafür sind etwa 
die Türkei (abgesehen von einigen Gebieten der Ost-Türkei), wo man 
seit der frühosmanischen Zeit fast ausschließlich der Hanafiya nachfolgt, 
oder Nordafrika (Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen), wo so gut wie 
nur die Mälikiya vorherrscht. 

Hier nun die wichtigsten Angaben zu den Madhähib. 



DAS ISLAMISCHE RECHT 121 

KAPITEL 3 
EINZELVORSTELLUNG DER RECHTSSCHULEN 

§7 

DIE HANAFIYA 

Geschichte und Eigenarten der Hanafiya 

Die hanafitische Rechtsschule geht auf den Imäm Abu Hanifa & 
und seine beiden Hauptschüler, die Gelehrten Abu Yüsuf und Muham- 
mad *&&, zurück. Sie hatte sich zunächst im Gebiet des Iraq - dem 
Wirkungsbereich Abu Hanifas - verbreitet, dann aber auch im Gebiet 
des alten Syriens, „ash-Shäm" genannt, welches sich weiter als das heuti- 
ge Syrien erstreckte. Seit der Zeit der Seldschuken (der frühen Turkdy- 
nastien vom 10. bis zum 12. Jh.) wurde die Hanaßya in den syrischen 
und anatolischen Gebieten - neben der Shäfi'iya - staatlich bevorzugt. 
Da die Mälikiya in diesen Gebieten gar nicht vertreten war und die son- 
stigen Madhähib nicht stark vertreten waren, gab diese Unterstützung 
der Hanafiya starken Auftrieb und sorgte für weite Verbreitung unter 
der Bevölkerung. Im Osmanischen Reich schließlich wurde die Hanafiya 
„Staats-Madhhab", das heißt diejenige Rechtsschule, auf die alles in Staat 
und Gesellschaft abgestimmt war. DieHanafiya ist daher heute in allen 
Nachfolgestaaten des Osmanischen Reiches verbreitet, vor allem in der 
Türkei, Syrien, dem Libanon, Jordanien, Palästina und dem (Nord)Iraq. 
Auch in den europäischen Gebieten, wo seit der Zeit des Osmanischen 
Reiches Einheimische Muslime waren, ist die Hanafiya vorherrschend, 
das heißt in den Balkangebieten (speziell Bosnien), Albanien und Grie- 
chenland. Des weiteren herrscht die Hanafiya vor in Afghanistan, Paki- 
stan und Indien 19 , Turkestan, Zentralasien, China und Südamerika. 

Quellen und Methoden der Rechtsfindung bei der Hanafiya 

In der Hanafiya wurden zur Zeit von Abu Hanifa mehr Quellen benutzt 
als nach ihm und der Zeit seiner beiden Hauptschüler, der Gelehrten 
Abu Yüsuf und Muhammad. 

Die wichtigen in der Hanafiya anerkannten Quellen sind: Qur'än, Sunna 
(= Sunna des Prophet en^gQ, Ijmä\ Qvyäs, Istihsän, Ra'y. 

Mit „Istihsän" (wörtl.: etwas für gut erachten) ist, vereinfacht gesagt, 
gemeint, daß ein Mujtahid bei der Erarbeitung eines Qiyäs feststellt, daß 
dieser Qvyäs im Endergebnis nicht dem Sinn der SharVa entspricht bzw. 



122 HANDBUCH ISLAM 

daß ein denkbarer Qjyäs keine neue, bessere Lösung aufzeigt als die, die 
schon ohne Qjyäs vorhanden sind. In dieser Lage erarbeitet der Mujtahid 
in Form des freien Ra'y eine bessere Lösung, die dann aber soweit wie 
möglich dem denkbaren Qjyäs angenähert wird. 

Anders gesagt: Qjyäs und Istihsän stehen sich in der Frühform der 
Hanafiya als zwei gegensätzliche Lösungen gegenüber, von denen der 
Mujtahid die auswählt, die ihm aufgrund seines Wissens und seiner Er- 
fahrung besser erscheint. 

Zu den von Anfang an wichtigen Eigenarten der Hanafiya gehörte die 
starke Betonung von Qjyäs und Istihsän, und sie waren darum so wichtig, 
weil in der Zeit Abu Hanifas zu viele schwache und gefälschte Hadithe 
in Umlauf waren und noch keine wirkliche Systematik zur Bestimmung 
des Richtigen (Sahih) unter ihnen vorhanden war. 

Nach der Lebenszeit Abu Hanifas ist insofern ein wichtiger und schar- 
fer Einschnitt in der Geschichte der Hanafiya zu beobachten, weil schon 
Abu Yüsuf und vor allem Muhammad stärker auf die Hadith-Grund- 
lage eingingen und überhaupt viele Rechtsentscheidungen Abu Hanifas 
durch neue Entscheidungen ersetzten; man kann sagen, daß im Zwei- 
felsfall sich ihre Meinung mehr in der heutigen Hanafiya durchgesetzt 
hat als die Abu Hanifas selbst. 

So wird auch heute der Istihsän de facto in der Form, wie ihn Abu 
Hanifa verwendete, nicht mehr eingesetzt; auch wird der Ra'y (die freie 
Meinungsäußerung des Mujtahid, die nicht in Abhängigkeit von direk- 
ten Belegen aus Qur'än und Sunna steht und auch nicht von ihnen - wie 
ein Qjyäs - abgeleitet ist) heutzutage kaum noch angewandt. 



§8 

DIE MÄLIKIYA 

Geschichte und Eigenarten der Mälikiya 

Diese Rechtsschule hat sich, ausgehend vom Hijäz und Medina, vor 
allem in Oberägypten, Nordafrika und den Westen der islamischen Welt 
ausgebreitet. 

Die Mälikiya entstand im Hijäz, genauer: in der Stadt des Propheten 
45J£, Medina, und hat daher auch die dort lebendige Tradition der Nach- 
folger der Prophetengefährt en, möge Allah mit ihnen zufrieden sein, 
aufgenommen und stark verarbeitet. 

Sie hat sich - im Gegensatz zu der Hanafiya - mehr auf die Lebenssi- 
tuation der in sich geschlossenen arabis chen Gesellschaften der Ära- 



DAS ISLAMISCHE RECHT I2ß 

bischen Halbinsel, Ägyptens und Nordafrikas (mit den Sahel- und den 
klassischen Südän-Gebieten, die - anders als der heutige Sudan - fast 
der ganzen Sahara -Zone entsprechen) eingestellt, wo kaum Einflüsse 
anderer Völker, Gedanken oder Gesellschaften spürbar waren wie etwa 
im Iraq oder Alt-Syrien; andererseits hat sich diese Schule zum ersten 
Mal systematisch mit der Überlief ungswissenschaft, dem Problem der 
Echtheit und Beurteilung der Hadithe und ihrer themenbezogenen An- 
wendung beschäftigt. Dieser Madhhab hat daher zugleich sehr konser- 
vative Züge (starke Bevorzugung der Hadith-Wortlaute, wo möglich, 
weniger freie Auslegungen) als auch die am umfangreichsten ausgebil- 
deten Methoden zur Rechtsfindung. 

Die Mälikiya ist heute nicht mehr im Hijäz verbreitet, da sie dort spä- 
ter von der Hanbaliya verdrängt wurde; sie ist heute vor allem - als aus- 
schließlicher Madhhab - verbreitet in Marokko (al-Maghribf Algerien 
(al-Jazä'ir), Tunesien, Libyen. Des weiteren ist sie in Oberägypten, Maure- 
tanien, dem Sudan, Kuweit (al-Kuwait) und Bahrain verbreitet. 

Quellen und Methoden der Rechtsfindung bei der Mälikiya 

Die Mälikiya geht vor allem von folgenden Rechtsquellen bzw. Rechts- 
methoden aus: 

i. Qur'än 

2. Sunna (Sunnatu n-Nabiy) 

3- J J mä} 

4- Qffäs 

5. Sunnat al-Ashäb [Sunna der Prophetengefährten, möge Allah mit ihnen 
zufrieden sein) 

6. Sunnatu- t-Täbi'in (Sunna der Nachfolgergeneration der Prophetenge- 
fährten, möge Allah mit ihnen zufrieden sein) 

7. Sunna Ahl al- Madina (Sunna der Bewohner von Medina) 

8. al-Masälih al-Mursala 

Zu den Besonderheiten dieses Madhhab gehört, daß man nicht nur die 
Sunan, die direkt auf die Person des Propheten $j£. zurückgehen, als 
zwingende Rechtsquelle betrachtet, sondern auch die Sunan und Rechts- 
auffassungen der Ashäb, möge Allah mit ihnen zufrieden sein, und ihrer 
Nachfolger als teilweise verbindlich ansieht (eine Haltung, die so von 
den anderen Madhähib nicht geteilt wird). 

Ein besonderer Aspekt bei der Mälikiya ist die Bevorzugung der Rechts- 
quelle der „Masälih" (kurz für: „al-Masälih al-Mursala", wörtl.: „die Din- 
ge, die [vom Nutzen der Umma] abhängen"): 



124 HANDBUCH ISLAM 

Damit sind Entscheidungen, Handlungen, Ahkäm usw. gemeint, die 

• in sich gut sind 

• zu guten, im Recht anerkannten Ergebnissen führen 

• dem Gemeinwesen der Muslime, der Umma, nützen bzw. Schaden 
von ihm abwenden. 

In Einzelfällen kann es nämlich vorkommen, daß weder mit den 
Grundquellen noch mit weiterführenden Quellen eine auf einen konkre- 
ten Fall bezogene, zufriedenstellende Lösung gefunden werden kann. 
Hier greift nun die Methode der Masälih ein und geht davon aus, daß 
das Wohl der Umma im Zweifelsfall vorrangig ist und gewahrt werden 
muß. Diese Methode prüft die Lage und wie dem Sinn der Grund- 
quellen entsprochen werden kann, 

• ohne daß aber ein direkter Beleg aus Qur'än bzw. der Sunna vorhan- 

den ist, 

• ohne daß ein Ijmä' dazu existiert, 

• ohne daß ein Qjyäs anwendbar ist 

• und ohne daß die Lage ohne Lösung belassen werden kann, weil 
sonst der Umma Schaden entsteht. 



§9 

DIE SHÄFl'lYA 

Geschichte und Eigenarten der Shäfi'iya 

Diese Schule entstand bereits von Anfang an als Rechtsschule im heu- 
tigen Sinne, indem sie von ihrem Begründer, ash-Shäfi'I, auf der 
Grundlage der malikitischen Rechtsauffassung entwickelt wurde. Die- 
ser Madhhab war für bestimmte geschichtliche Zeitabschnitte offizieller 
Madhhab in Ägypten, wo er sich durch die Richtertätigkeit ash-Shafi'is 
- damals Oberrichter von Ägypten - verbreitete und festigte; auch war 
die Shäfi'iya ~ vor der Verbreitung der Hanbaliya — in weiten Teilen der 
Arabischen Halbinsel verbreitet. 

Vor der Ausbreitung der 1 2er-Schia im Iran im 1 6. Jh. war die Shäfi'iya 
auch in fast ganz Iran der meistverbreitete Madhhab; das wird heute 
noch deutlich, wenn man bedenkt, daß die iranisch-sunnitischen Ge- 
lehrten der Abbasidenzeit wie etwa der große Korankommentator ar- 
Räzi der Shäfi'iya angehörten. Durch indische muslimische Kaufleute 
der Gujerat-Provinz, in der damals mehrheitlich die Shäfi'iya vorherrschte, 
wurde der Islam stark in Indonesien und allgemein Südostasien ver- 
breitet, weswegen bis heute die Shäfi'iya die ausschließliche Rechtsschule 
in Indonesien, den Philippinen und den angrenzenden Gebieten ist. 



DAS ISLAMISCHE RECHT 125 

Heute ist die Shäfi'iya verbreitet in Unterägypten, Jordanien, (Nord)- 
Libanon, Südarabien, Bahrain, Indonesien, auf den Philippinen, in 
Malaysia, Sri Lanka, Daghestan, den zentralasiatischen Gebieten, Tan- 
sania, Kenia, Somalia. 

Als gering vertretene Rechtsschule ist die Shäfi'iya auch in Palästina, 
dem Hijäz, Indien und dem Iran (vor allem im Süden, der Küstenre- 
gion) zu finden. 

Quellen und Methoden der Rechtsfindung bei der Shäfi'iya 

Diese Rechtsschule vereinigt in sich die Strömungen der alten „Gesin- 
nungsgruppen" des Iraq und des Hijäz: Sie zeigt sowohl eine gewisse 
konservative Haltung, indem sie viele Rechtsquellen als der Offenba- 
rung ungemäß ablehnt (so etwa den Istihsän der Hanafiya oder die Masälih 
als zwingende Rechtsquelle), als auch die unbedingte Bejahung des Qiyäs 
als notwendige und zugleich auf die Grundquellen gestützte Methode 
zur Weiterentwicklung des Rechts. 

So werden in der Shäfi'iya vier Quellen bzw. Methoden ohne Vorbe- 
halte bestätigt und bis heute angewandt: 

1. Qur'än 

2. Sunna (= Sunna des Prophet en^J) 

3. Ijmä* 

4. Qjyäs. 



8 I0 

DIE HANBALIYA 

Geschichte und Eigenarten der Hanbaliya 

Diese Schule wurde von dem Gelehrten Ahmad ibn Hanbal begrün- 
det, der zunächst Schüler des Gelehrten ash-Shäfi'i war (so wie dieser 
seinerzeit Schüler des Mälik ibn Anas gewesen war). Diese Schule hat 
über den großen Gelehrten und Reformer Ibn Taimiya (i 263-1 328) 
auf den Begründer der Wahhäbiya, Muhammad bin 'Abd al-Wahhäb 
( 1 7°3 -1 787) gewirkt, einer Denkrichtung, die als Hauptziel in ihrer Zeit 
die Beseitigung des wiederaufgelebten Heidentums auf der Arabischen 
Halbinsel und ein echtes Wiederbeleben der Sunna zum Ziel hatte, die 
aber in ihrer Strenge oft sehr weit ging. Heute ist diese Denkrichtung 
de facto auf der hanbalitischen Grundlage in Saudiarabien zu fin- 
den. 

Die Hanbaliya ist zahlenmäßig die kleinste der sunnitischen Madhähib 
und heute in folgenden Gebieten vertreten: Syrien, Iraq. Als sehr gerin- 



I2Ö 



HANDBUCH ISLAM 



ge Minderheit ist sie vertreten in Ägypten, Algerien, Indien und Afgha- 
nistan. 

Quellen und Methoden der Rechtsfindung bei der Hanbaliya 

Diese Schule zeichnete sich stets durch starke Betonung der Hadith- 
Belegung und sehr strenger Auslegungen aus, führte aber - im Gegen- 
satz zur Shäfi'iya — den Qjyäs nur sehr ungerne aus und weitere Quellen 
gar nicht. Sie ist weiter gekennzeichnet durch eine starke Abwehrhal- 
tung gegenüber dem damals zu stark ausgeübten Ra y y. 

Die Hanbaliya benutzt also ausschließlich folgende Quellen als ver- 
bindlich: 

i. Qufän 

2. Sunna ( = Sunna des Propheten^gQ 

3. Ijmä\ 

Der Qjyäs wird nicht als verbindliche, sondern nur akzeptierte Quelle 
betrachtet. 



KAPITEL 4 
DEFINITION DER HADITH-EINTEILUNGEN 

§ " 

ALLGEMEINES ZUR EINTEILUNG 

Die Hadithe werden bezüglich ihrer Stärke in zweierlei Hinsicht unter- 
sucht: 

• hinsichtlich der Anzahl der Überliefererketten 

• hinsichtlich der Stärke und Vertrauenswürdigkeit jeder einzelnen 

Kette 

Dann folgen Untersuchungen zum Text, zur rechtlichen Bedeutung 
des Hadith und zur Frage, ob er aufgehoben bzw. aufhebend ist, ob er 
in Zusammenhang mit Koranversen steht usw. 



DAS ISLAMISCHE RECHT 127 

§ 12 

DIE EINTEILUNGEN 
BEZÜGLICH DER ANZAHL DER KETTEN 

Mutawätir 

Wörtlich: „was aufeinander abfolgt". Dies ist ein Hadith, welcher Ge- 
neration um Generation, Überlief erergruppe nach Überlieferergruppe, 
immer jeweils von einer Einheit zur nächsten, weitergegeben wurde. 
Die Ketten fangen dabei immer beim Propheten ig£ an und reichen 
ununterbrochen bis zum letzten Überlieferer. Dabei muß jede Gruppe 
und jeder einzelne Überlieferer so vertrauenswürdig sein, daß an der 
Aufrichtigkeit {'Adl) und der Korrektheit in der Wiedergabe des Textes 
(Dabt) kein Zweifel besteht. Bezüglich der Anzahl der Überlieferer (Ruwät, 
Einz.: Räwi) sind die meisten Gelehrten der Ansicht, daß keine genaue 
Zahl festgelegt werden kann. 

Bei drei Generationen wird die Gruppe als Überlieferungsform als 
notwendig vorausgesetzt: 

i . bei den Gefährten (Sahäba) 

2. bei den Nachfolgern der Gefährten (Täbi'ün) 

3. bei den Nachfolgern der Nachfolger {Täbi'u t-Täbi'in). 

Was die später folgenden Generationen angeht, so wird die Überliefe- 
rung in Gruppenform bei ihnen nicht mehr als Definitionsbedingung 
vorausgesetzt, weil zu jener Zeit sowieso mehr Menschen als zuvor über- 
lieferten und es daher keine besondere Schwierigkeit mehr darstellt, in 
dieser Generation s stufe Überlieferer in Gruppen zu finden. Die Muta- 
wätir-Hadithe werden von den Gelehrten als absolut sicher angesehen; 
wer sie leugnet, leugnet den Propheten^gJ. Der Mutawätir gliedert sich 
auf in zwei Unterbereiche: „Mutawätir Laß:? 1 und „Mutawätir Ma'nawF . 

Mutawätir Laf^i 

Wörtlich: „was dem vollen Wortlaut nach mutawätir ist". Das ist ein 
Hadith, der in seinem ganzen vorliegenden Wortlaut mit Sicherheit 
auf die direkte Aussage des Prophetenigp Wort für Wort zurückgeht. 
Als Beispiel hier der Hadith: „Wer mich vorsätzlich leugnet, soll seinen 
Sitzplatz im Feuer einnehmen." 

Die Zahl der Überlieferer für diesen Hadith variiert; nach an- 
Nawawi waren es 62 Erstüberlief erer, darunter die zehn, denen das 
Paradies verheißen wurde. Nach al-Bukhäri und Muslim, die die- 



128 



HANDBUCH ISLAM 



sen Hadith auch in ihren Werken herausbrachten, sogar etwa i oo bis 
200, darunter 'Ali, Zubair, Anas und Abu Huraira. 

Mutawätir Ma'nawi 

Wörtlich: „was dem Sinn nach mutawätir ist". Ein derartiger Hadith 
wird in der zuvor beschriebenen Weise überliefert, wobei allerdings der 
Wortlaut leicht unterschiedlich sein kann, nicht aber der Sinn. Beispiel: 
die zahlreich überlieferten Hadithe, die sich mit dem Erheben der Hände 
beim Du'ä } beschäftigen. 

Mutawätir-Hadithe der Lqfyi-Form beschäftigen sich hauptsächlich mit 
Dingen und Handlungen, die der Prophet ^^ regelmäßig ausführte, 
wie zum Beispiel die Waschung vor dem Gebet, das Gebet, Fasten. 
Mutawätir Ma'nawi-Hadithe sind meist solche von Handlungen des Pro- 
phetenJg£, bei denen sich die Muslime absolut einig sind, daß er sie tat 
und befahl: wie zum Beispiel die Festlegung der genauen Gebetszeiten, 
die Anzahl der Raka'ät im Gebet, das Totengebet, die Festgebete, die 
Verschleierung der Frauen vor Männern, die nicht mit ihnen verheira- 
tet bzw. verwandt sind, das Geben von ^jikät, usw. 

Al-Khabar al- Wähid 

Auch „Khabar al-Ahäd" oder „Hadith al-Ahäct' genannt: wörtlich „einzelner 
Bericht, Überlieferung von Einzelpersonen". Dies ist ein Hadith, der be- 
züglich der Anzahl der Überlieferer nicht die Mindestgrenze des Mutawätir 
erreicht: so etwa ein Hadith mit 1,2,3,4 usw. Überlieferern. Die meisten 
Gelehrten definieren, daß das, was nicht Mutawätir ist, al- Khabar al- Wähid 
ist, wobei diese letztgenannte Gruppe noch weiter unterteilt wird. 

Al-Mashhür 

Wörtlich: „der/das Berühmte". Diese Art des Hadith gehört zu den al- 
Khabar al- Wähid, und manche Gelehrte sagten auch: was keine Überlie- 
ferungswege hat, die mehr als zwei Überlieferer beinhalten (also sehr 
direkt überliefert wird). Vom Mas hhür gibt es - genau wie vom al- Khabar 
al- Wähid- starke (sahih), schöne (hasan) und schwache (da'if) Hadithe. 
Berühmt wird er genannt aufgrund seiner Klarheit und seiner weiten 
Verbreitung. Dies ist die Definition der Gelehrten der Hanqßten. In den 
anderen Madhähib jedoch gibt es eine andere, und zwar eine Dreiteilung 
in Mutawätir/ Mashhür/ al- Khabar al- Wähid. Danach ist Mashh Erfolgendes: 
in der Gefährten-Generation al-Khabar al- Wähid, in der der Nachfolger 
und der Nachfolger der Nachfolger dann Mutawätir. 



DAS ISLAMISCHE RECHT 120, 

§ 13 
DIE EINTEILUNG IN STÄRKEGRADE 

Stärkegrade beziehen sich auf die einzelnen Ketten der Überlieferer 
beim einzelnen überlieferten Hadith, den al-Khabar al- Wähid. Es gibt 
sehr viele Einteilungen, von denen die folgenden wichtig sind. 

Sahih li-Dhätihi 

Die Kette ist durchgehend und ununterbrochen (muttasil), die Überliefe- 
rung des Überlieferers ist bestimmt von Aufrichtigkeit ( f Adl) und Kor- 
rektheit bzw. Treue zum Originaltext (Dabt). Die Kette endet entweder 
beim Propheten|g£ oder einem seiner Gefährten Sl;i oder einer anderen 
Person 21 und erfüllt die höchsten Eigenschaften, die zur Annahme eines 
Hadith als Sahih li-Dhätihi (richtig seinem Wesen nach) erforderlich sind. 

Sahih li-Ghairihi 

Ein Hadith, der alle vorher genannten Eigenschaften erfüllt, aber bei 
Dabt (Korrektheit des Räwi) unvollkommen ist, aber auch von einer 
anderen Überlieferung gestützt wird, ist Sahih li-Ghairihi (richtig auf- 
grund von etwas anderem als ihm selbst). 

Hasan li-Dhätihi 

Dieser Hadith entspricht grundsätzlich dem Sahih, allerdings ist Dabt 
schwach, fehlt aber auch nicht gänzlich. 

Hasan li-Ghairihi 

Ein Hadith, bei dem ein Überlieferer eine Schwäche hat, ohne aber 
allzuviele Fehler zu haben oder gar sündhaft zu sein. Dazu kommt 
dann eine weitere, sichere Überlieferung eines anderen Überlieferers 
von einer anderen Seite oder vom selben Gewährsmann der Überlieferer, 
wodurch dieser Hadith dann gestützt wird und so Hasan li-Ghairihi (schön 
aufgrund von etwas anderem als ihm selbst). 

Sahih al-Isnäd 

Wörtlich: „Mit richtiger Kette". Ein Hadith, dessen Kette nach der 
Hadithuntersuchung zwar richtig ist, dessen Text aber irgendeinen Man- 
gel bzw. Fehler aufweist. 

Hasan al-Isnäd 

Wörtlich: „Mit schöner Kette". Ein Hadith, der eine schöne (hasan) Ket- 
te besitzt, dessen Text aber irgendwie mangelhaft ist. 



13° HANDBUCH ISLAM 



Hasan Sahih 



Tax diesem Begriff gibt es drei Definitionen: 

i. Es gibt zu diesem Hadith zwei Ketten, die eine Sahih, die andere 
Hasan. 

2. Der Hadith ist Hasan li-Dhätihi und zugleich Sahih li-Ghairihi. 

3. Hasan Sahih ist eine Stufe zwischen Sahih und Hasan. 

Hasan Sahih Gharib 

Der Hadith ist nur von einer Seite überliefert, von jemandem, der in 
sich Korrektheit (Dabt) und Aufrichtigkeit ( ( Adl) vereinigt und der dann 
den Bericht nur an eine einzige Person weitergegeben hat. 

Da'if 

Wörtlich: „schwach". Dieser Begriff umfaßt viele Unterteilungen, die 
von verschiedenen Gelehrten unterschiedlich aufgefaßt werden; grund- 
sätzlich ist alles, was nicht mutawätir, sahih oder hasan ist, da'if. 



§ 14 

DAS ARBEITEN MIT SCHWACHEN HADITHEN 

Diesbezüglich gibt es drei Richtungen unter den Hadith-Gelehrten: 

1 . Richtung 

Sie vertritt die grundsätzliche Ablehnung, mit schwachen Hadithen zu 
arbeiten oder sich gar im Handeln nach ihnen zu richten. Diese Rich- 
tung vertraten zum Beispiel al-Bukhäri und Muslim. 

2. Richtung 

Sie vertritt grundsätzlich die Möglichkeit, mit schwachen Hadithen zu 
arbeiten, auch wenn diese Hadithe nicht stark in anderen Kapiteln und 
Bereichen des Rechts gefunden werden. Diese Ansicht geht zurück auf 
Ahmad bin Hanbal, welcher meinte: „Die schwache Überlieferung 
ist uns (das heißt mir und meinen Anhängern) lieber als die Meinung 
der Männer (das heißt die private Meinung der Gelehrten)." Allerdings 
ging diese Gruppe von einer anderen Definition von „Da'if' aus: Es gab 
zu dieser Zeit nur die Einteilung in Sahih und Da'if, wobei alles, was 
nicht Sahih war, als Da'if bezeichnet wurde. Demnach war auch das, 
was später als Hasan bezeichnet wurde, in dem Begriff „Da'if' mit ent- 
halten; erst at-TirmidhI benutzte den Begriff „Hasan". 



DAS ISLAMISCHE RECHT I3 1 

Zuvor unterteilte man die schwachen Hadithe in „Matrük" („was weg- 
zulassen ist") und „Ghair Matrük" („was nicht wegzulassen ist"). Dane- 
ben gab es noch die Begriffe „Da'if Munkar" („was so schwach ist, daß es 
abgelehnt werden muß, damit zu arbeiten") und „Da'ifBätil" („schwach 
im Sinne von ungültig"). Neben Ahmad bin Hanbai gehört der Hadith- 
Sammler und Gelehrte Abu Däwüd zu den bekanntesten Anhängern 
dieser Richtung. 

3. Richtung 

Daß man sich in seinem Handeln nach einem schwachen Hadith rich- 
tet, sofern es um Vorzüge (Fadä'il) im Handeln geht, um Ermahnun- 
gen, um Anspornen und Einschüchtern [Targhib wa tarhib). Hier läßt man 
Nachsicht walten bei solchen Ketten (Asänid) und Überlieferungen, die 
keinen klaren Beweis für Schwäche zeichen. 

Wenn es jedoch um Glaubensgrundsätze (Aqä'id) wie die Eigenschaf- 
ten Gottes geht, Fragen bei Haläl und Hamm usw., wird nicht mit diesen 
Hadithen gearbeitet, und man richtet sich nicht nach ihnen, und in 
diesem Fall ist es unzulässig, bezüglich der Ketten und Überlieferun- 
gen nachsichtig zu sein - selbst wenn kein klarer Beweis für die Schwä- 
che des betreffenden Hadith vorliegt. Dazu die Aussage des großen 
Hadithgelehrten an-Nawawi: 

„Die Gelehrten unter den Hadith-Wissenschaftlern und Juristen so- 
wie noch andere sagen: ,Das Handeln bezüglich der Fadä'il, des 
Anspornens und Einschüchterns (at-Targhib wa t-Tarhib), ist nach einem 
schwachen Hadith zulässig (Jä'iz) und wünschenswert (Mustahabb), so- 
fern es sich nicht um Grundlegendes handelt." 

Was aber die verpflichtenden Bestimmungen (Ahkäm) angeht - wie 
das Erlaubte und Verbotene (al-Haläl wa l-Haräm), Kauf und Verkauf 
(al-Bai) 22 , Heirat (Mkäfi) und Scheidung (Taläq) und noch anderes, so 
wird diesbezüglich nicht wie mit richtigen (Sahih) Hadithen gearbeitet - 
es sei denn, daß man in einer Sache Vorsicht walten läßt." 

Daraus ergeben sich zwei Dinge: 

1 . Daß bezüglich einer Sache, die mit Ahkäm zu tun hat, grundsätzlich 
nur mit dem gearbeitet wird, was „Sahih" oder „Hasan" ist. 

2. Daß man auch dann in JMäm-Angelegenheiten mit schwachen 
Hadithen arbeiten und sich danach richten kann, wenn es sich um 
Vorsichtsmaßnahmen handelt, wie etwa darum, daß zum Beispiel 
manche Kaufs- und Verkaufsarten abgelehnt werden (makrüh sind); 
aber eine solche Haltung ist nicht verpflichtend. 



I3 2 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL 5 

DIE WICHTIGSTEN BEGRIFFE 
BEI DER ANWENDUNG DES ISLAMISCHEN RECHTS 

§ T 5 

FARD (ABSOLUT VERPFLICHTENDES) 

Rukn (unbedingt zu erfüllende Pflicht} 

Rukn (wörtl.: „Säule") bezeichnet eine Pflicht, die unverzichtbar zum 
Islam gehört und eine besondere Stellung einnimmt. So sind etwa die 
„fünf Säulen" (al-Khamsatu Arkän: Shahäda, Saläh, £akät, Saum Ramadan, 
Haß) solche „Arkän" (Mehrzahl von „Rukn"). Man muß diese Pflichten 
erfüllen und daran glauben, daß sie Pflichten sind. Wer die Dinge, de- 
ren Erfüllen „Rukn" ist, ohne Entschuldigungsgrund nicht erfüllt und - 
ohne sein Tun zu bereuen — stirbt, muß damit rechnen, im Jenseits 
dafür bestraft zu werden. Die Unterlassung eines Rukn ohne Entschul- 
digungsgrund gilt als größere bis große Sünde (Kabira). 

Fard bei der Hanafiya 

„Fard" bedeutet allgemein: „absolute Pflicht". Bei der Hanafiya wird die- 
ser Begriff im Gegensatz zum Begriff „ Wäjib" gesehen und bedeutet: 
etwas, was als absolute Pflicht erfüllt werden und woran zugleich als 
Pflicht geglaubt werden muß. Dies ist beispielsweise bei der Bedeckung 
der Aura (den zu bedeckenden Körperbereich) der Fall: Man muß - 
wenn kein Entschuldigungsgrund vorliegt, seine Aura bedecken und 
zugleich daran glauben, daß dies wirklich durch Gott und ProphetJ^ 
befohlen ist. 

Fard bei den anderen Rechtsschulen 

Die Definition von „Fard" ist bei der Mälikiya, Shäfi'iya und Hanbaliya 
grundsätzlich dieselbe wie bei der Hanafiya - nur wird bei ihnen „Fard" 
und „ Wäjib" (außerhalb des Hajj) als ein- und dasselbe, nämlich als ab- 
solute Pflicht der Tat und dem Glauben nach, betrachtet. 

Fard ( ain (Pflicht eines jeden Einzelnen) 

Der Ausdruck „Fard ( ain" bezeichnet eine Pflicht, die jeder einzelne er- 
füllen muß und die ihm von keinem anderen abgenommen werden 
kann (zum Beispiel das tägliche Pflichtgebet), im Gegensatz zu „Fard 



DAS ISLAMISCHE RECHT J 33 

kifiya". In der Stärke der Verpflichtung entspricht „Fard c ain" dem, was 
allgemein über „Fard" gesagt wurde. 

Fard kifäya 
(Pflicht, die einer aus einer Gemeinschaft erfüllen muß) 

Mit „Fard kifiya" ist die Verpflichtung gemeint, die als solche erfüllt 
werden muß. Etwas, was „Fard kifiya" ist, gilt als ebenso stark geboten 
wie etwas, was „Fard" ist - nur gilt, daß, wenn mehrere in der Lage 
sind, diese Pflicht zu erfüllen, und einer von diesen sie erfüllt, diese 
Pflicht von den anderen genommen ist. 

Wenn zum Beispiel ein ausgesetztes Kind in einem Stadtviertel ge- 
funden wird und alle davon unterrichtet werden, so ist es „Fard kifiya" 
für jeden, der islamrechtlich Sorgerechte übernehmen darf, dieses Kind 
aufzunehmen und für es zu sorgen. Nimmt also jemand von denjeni- 
gen, der islamrechtlich das Sorgerecht übernehmen dürfen, dieses Kind 
auf, so entfällt diese Pflicht für die übrigen; nimmt aber keiner von 
diesen Leuten das Kind auf, so kommt die Sünde für diese Nichterfül- 
lung der Pflicht auf alle, die sie hätten erfüllen können. 

„Fard kifiya" wird darum auch als „kollektive/gemeinschaftliche 
Pflicht" beschrieben; das Gegenstück dazu ist „Fard ( ain", was oft dem- 
entsprechend als „individuelle/auf jede Einzelperson beschränkte 
Pflicht" beschrieben wird. 



§ 16 
wäjib (verpflichtendes) 

Wäjib bei der Hanafiya 

Bei der Hanafiya werden die beiden Begriffe „Fard" und „ Wäjib" als 
Gegensatzpaar definiert: „ Wäjib" ist, was nur der Tat nach, nicht aber 
dem Glauben nach, Pflicht ist. Das heißt, wenn jemand diese Pflicht 
der Tat nach ohne Entschuldigungsgrund nicht erfüllt, ist das zwar 
eine größere Sünde, aber keine „Kabira". Glaubt er des weiteren- unab- 
hängig davon, ob er die Pflicht der Tat nach erfüllt oder nicht - nicht 
daran, daß das betreffende „ Wäjib" wirklich Pflicht ist, so ist dies keine 
größere Sünde, weil eben „Wäjib" nicht wie „Fard" direkt etwas mit 
dem Glaubensbereich zu tun hat. Dies ist die Beschreibung der Hanafiya. 
Bei den anderen Madhähib jedoch wird „ Wäjib" anders definiert, und 
man muß sich daher immer vergewissern, wie der Begriff jeweils ge- 
meint ist. 



134 HANDBUCH ISLAM 

Wäjib bei den anderen Rechtsschulen 

Bei den anderen Madhähib gilt, daß „ Wäjib" dasselbe ist wie „Fard" - nur 
nicht bei dem Hajj: In diesem Falle gilt, daß eine Sache, die „ Wäjib" ist 
und nicht erfüllt wurde, durch ein Tieropfer wieder ausgeglichen wer- 
den kann. Wird aber ein „Fard" auf dem Hajj nicht erfüllt, ist der Hajj 
ungültig. 

§ '7 

MANDÜB (WÜNSCHENSWERTES) 

Mandüb 

Für „Mandüb" gibt es mehrere Bedeutungen; die beiden wichtigsten sind: 

1 . Alles, was nicht Pflicht, aber doch wünschenswert zu tun und nicht 
wertfrei ist. (Diese Bedeutung umfaßt alles, was „Sunna mu'akkada bzw. 
„Sunna ghair mu'akkada" ist.) 

2. Was dem Begriff „Sunna mu'akkada" entspricht. 

Sunna 

Von den vielen Bedeutungen und Definitionen, die mit dem Wort 
„Sunna" verbunden werden, sind hier die folgenden wichtig: 

1. Was dem Begriff „Mandüb" entspricht, in der Bedeutung: alles, was 
zwischen „Fard" und „Mubäh" steht. 

2. Was dem Begriff „Sunna ghair mu'akkada" entspricht. 

Sunna ( ain (sehr wichtige Sunna) 

„Sunna c ain" bezeichnet das Wichtigste bei den Sunan, was im Zweifels- 
fall immer Vorrang hat. Es ist zugleich ein Teil der „Sunna mu'akkada" ~ 
also das, was im Bereich der „Sunna mu'akkada" der Pflicht am nächsten 

kommt. 

Sunna mu'akkada (wichtige Sunna) 

„Sunna mu'akkada" (wichtige Sunna) steht zwischen „Fard 1 ' (absoluter 
Pflicht) und „Sunna ghair mu'akkada" (zusätzlicher Sunna) und bezeichnet 
das, was besser getan werden sollte, also der Pflicht nähersteht als dem 
„Mubäh" (Wertfreies /Unbestimmbares). Allerdings ist das Unterlassen 
einer „Sunna mu'akkada" zulässig und keine Sünde, im Gegensatz zu 
„Fard". 



DAS ISLAMISCHE RECHT I 35 

Sunna gkair mu'akkada [zusätzliche Sunna) 

„Sunna ghair mu'akkada" steht zwischen „Sunna mu'akkada" und „Mubäh" 
(Wertfreies /Unbestimmbares); damit sind Dinge gemeint, die gut zu 
tun sind, aber wenn man sie unterläßt, ist das nicht schlimm. Dieser 
Bereich der „Sunna ghair mu'akkada" steht dem „Mubäh"-Bereich näher als 
dem Pflichtbereich. 



§ 18 

MUBÄH (WERTFREIES) 

Mubäh 

„Mubäh" bezeichnet alles, was weder Pflicht [Fard/ Wäjib) noch Verbot 
(Haräm), noch wünschenswert (mandüb), noch abzulehnen (makrüh) ist. 
Das heißt: Es bezeichnet Dinge, die man tun oder lassen kann, wie man 
möchte, ohne daß Lohn oder Schaden im Jenseits davon zu erwarten 
ist. Dieser Bereich - der des „Mubäh" - wird daher als „wertfrei" oder 
„nicht einzuordnen" beschrieben. Er umfaßt eigentlich zwei Unter- 
bereiche (siehe unten). Wird das Wort „Mubäh" benutzt, kann man al- 
lerdings nicht wissen, zu welchem Bereich dieses „Mubäh" nun gehört. 
Das ist aber auch nicht wichtig, da alle Arten von „Mubäh" in ihrer 
Rechtsbestimmung gleich sind. 

Mubäh als Nicht- Erfaßtes 

„Mubäh als Nicht-Erfaßtes" bedeutet, daß es in den Quellen keinen Be- 
leg dafür gibt, wie man die betreffende Handlung einzuordnen hat, 
und daß es auch durch Herleitungsmethoden wie Qvyäs usw. nicht mög- 
lich war, der Handlung eine Rechtsbestimmung zuzuweisen; daher ist 
sie nicht einzuordnen und daher wiederum wertfrei. 

Mubäh als ausdrückliche Kategorie 

„Mubäh als ausdrückliche Kategorie" bezeichnet die Handlungen, die 
durch die Quellen bzw. durch die Rechtsmethoden des Fiqh als aus- 
drücklich wertfrei erkannt wurden. In der Rechtskraft ist kein Unter- 
schied zur vorherigen Kategorie festzustellen, wie schon oben bei 

„Mubäh" erklärt. 



I36 HANDBUCH ISLAM 

MAKRÜH (ABZULEHNENDES) 

Makrüh 

„Makrüh" kennzeichnet Handlungen, die zwar noch nicht verboten (haräm), 
jedoch schon abzulehnen sind. Wird das Wort „Makrüh" ohne Zusatz wie 
„tanzihan" bzw. „tahriman" verwendet, ist damit der gesamte Bereich zwi- 
schen „Mubäh" und „Haräm" gemeint. Handlungen zu tun, die makrüh 
sind, ist zwar nicht sündhaft bzw. im islamischen Recht strafbar, doch 
abzulehnen, weil diese Handlungen den Muslim/die Muslimin an zwei- 
felhaftes Verhalten gewöhnen können bzw. dazu führen, daß der Muslim/ 
die Muslimin sich von den lobenswerten Dingen fernhält. Daher steht 
der Makrüh-Bereich zwischen dem Mubäh- und dem Haräm-Bertich 23 . 

Makrüh tanzihan (in geringem Maß Abzulehnendes) 

Dieser Bereich bezeichnet das, was dem Mm WA-Bereich näher steht als 
dem //flräm-Bereich - was also nur geringfügig abzulehnen ist. „Makrüh 
tanzihan" steht demnach zwischen „Mubäh" und „Makrüh tahriman". 

Makrüh tahriman (in starkem Maß Abzulehnendes) 

Dieser Bereich steht dem Verbot (Haräm) näher als dem Wertfreien 
(Mubäh); damit werden Handlungen bezeichnet, die unbedingt unter- 
lassen werden sollten, da sie dem Verbot schon sehr nahe kommen - 
auch wenn sie noch keine verbotenen/sündhaften Handlungen sind. 
„Makrüh tahriman" steht zwischen „Makrüh tanzihan" und „Haräm". 

§ 20 
HARÄM (VERBOTENES) 

Haräm 

Dieser Bereich - das Verbotene, „Haräm" - ist besonders wichtig, denn 
im islamischen Recht gilt: Alles, was nicht verboten ist, ist erlaubt, was 
aber selbst verboten ist oder mit Verbotenem verknüpft oder darauf 
gegründet ist, wird von Gott nicht angenommen. Dieser Bereich ist aber 
auch darum wichtig, weil er mit vielen Mißverständnissen - gerade im 
Volksverständnis - verbunden ist. Viele unwissende Leute (Juhhäl) nei- 
gen nämlich leicht dazu, alles, was „makrüh" ist, oder sogar erlaubte 



DAS ISLAMISCHE RECHT 137 

Handlungen, die im Volksglauben verabscheut werden, ebenfalls für 
„haräm" zu erklären. 

Das führt zu äußerst üblen Folgen: 

i . Es entsteht Unterdrückung denen gegenüber, denen etwas zu Un- 
recht verboten wird, und der Islam wird bei ihnen zu einem System der 
Gängelung, der Unfreiheit. Dies ist vor Gott eine große Sünde, da da- 
durch die Kinder solcher unwissenden Leute oft zu Feinden des Islams 
werden: Sie können ja in der Regel selbst auch nicht erkennen, wie 
falsch diese selbsterfundenen Verbote sind, und werden - sobald sie 
erwachsen sind - auch keine Lust verspüren, sich mit dem nun verhaß- 
ten System zu befassen. 

2. Es ist eine schwere Sünde, sich zu weigern, Wissen zu sammeln 24 und 
statt dessen einfach etwas zu verbieten, nur weil es bequemer ist; wer 
also in dieser Art anderen etwas verbietet, was in Wirklichkeit keines- 
wegs verboten ist, begeht eine Sünde 

a) gegen Gott, weil es nur ihm zukommt, etwas zu verbieten; 

b) gegen den Propheten|g£ als dem Vorbild der Muslime, wenn ihm 
ein solches Verbot zugeschrieben wird; 

c) gegen die Umma, weil er ihr schadet, indem er ihr andere durch 
sein Verbot entfremdet; 

d) gegen diejenigen, denen er dieses Verbot mitteilt — gleich, ob er 
ihnen etwas direkt verbietet oder ihnen nur allgemein davon er- 
zählt, weil er sie dadurch irreleitet; 

e) gegen sich selbst, weil er durch diese Handlung selbst eine Sünde 
begeht 25 . 

Haräm hurmatan sughrä (was im kleineren Maß verboten ist) 

Etwas, „was im kleineren Maß verboten ist" (Haräm hurmatan sughrä), 
muß unbedingt vermieden werden wie auch jeder andere Unterbereich 
des „Haräm". Das Besondere in diesem Bereich ist, daß eine so begange- 
ne Handlung aus diesem Bereich durch Reue des Täters und Dinge wie 
das tägliche Pflichtgebet wieder vor Gott als weggewischt, als nicht 
getan gilt. Wer eine derart verbotene Tat begeht, wird außerdem nicht 
ungläubig und muß keine spezielle Sühnehandlung (Kaffära) erfüllen. 

Haräm hurmatan kubrä (was im größeren Maß verboten ist) 

Was im Bereich des „Haräm hurmatan kubrä" liegt, kann als Sünde nicht 
durch einfache Reue, das heißt nicht ohne Sühnehandlung (Kqffara), 
vor Gott ausgelöscht werden. Eine Handlung, die mit diesem Bereich 
gekennzeichnet wird, gilt als im starken Maß verboten. Der Bereich 
von „Haräm hurmatan kubrä" liegt zwischen „Haräm hurmatan sughrä" und 
„Kabira" (große Sünde). 



i 3 8 



HANDBUCH ISLAM 



Kabira [große Sünde) 

Handlungen, die als „Kabira" eingestuft werden, sind - wie auch „Rukn" 
im positiven Pflichtbereich - mit dem formalen Recht (Fiqh) und den 
Glaubensgrundsätzen (AqäHd) zugleich verbunden. Wer eine solche Tat 
begeht, muß aufrichtig bereuen und (bei manchen Arten der „Kabira") 
bestimmte Sühnehandlungen (Kqffarät) erfüllen. Wer eine dieser Taten 
begeht, wobei er weiß, daß es sich um eine Kabira handelt, wird in schwe- 
ren Fällen (das heißt bei manchen der Kabä'ir, wie Shirk) ungläubig bzw. 
kann - in den anderen Fällen - nicht mehr als wirklich gläubiger oder 
anständiger Mensch und Muslim bezeichnet werden. Wer eine schwe- 
re „Kabira", die ihren Täter ungläubig werden läßt, wissentlich und be- 
wußt begeht, muß 

• aufrichtig bereuen und Gott um Verzeihung bitten, 

• eine Sühnehandlung (Kqffara) erfüllen, wenn vorgeschrieben, 

• die Folgen der Tat - wenn vorhanden und bleibend - wieder gut- 
machen oder dies zu tun versuchen, 

• vermeiden, diese Tat zu wiederholen. 

Wer in einem solchen Fall einen dieser Punkte nicht korrekt erfüllt, 
muß als ungläubig gelten. Wer in diesem Fall zudem bis spätestens 
kurz vor seinem Tod nicht aufrichtig bereut, stirbt als Ungläubiger. 



KAPITEL 6 

DIE ROLLE VON BRAUCH 
('URF) IM ISLAMISCHEN RECHT 

§ 21 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 
DER BEGRIFFE „'URF" UND „'ADA*' 

In der Rechtslehre (Fiqh) werden 'Urf und Ada schon zur Gründungs- 
zeit der Rechtsschulen verwendet. Hier zunächst die Definition von 
al-Ghazäli 26 : „Ada und ( Urf ist das, was in den Seelen seitens der 
Vernunft dauerhaft beharrt und von den gesunden Naturanlagen be- 
reitwillig akzeptiert wird, oder das, was die Bewohner des islamischen 
Herrschaftsbereichs mit gesunden Naturanlagen sich angewöhnt ha- 



DAS ISLAMISCHE RECHT 139 

ben - allerdings unter der Bedingung, daß es nicht einem rechtskräfti- 
gen Text der Grundquellen widerspricht." 

'Urf, so kann man heute sagen, ist das, was von der Allgemeinheit 
durch stetige Wiederholung an Wort und Tat als Brauch angenommen 
worden ist und was in dem Denken der Leute mit gesundem Verstand 
als gut betrachtet wird. 



§ 22 

WAS VOM ISLAMISCHEN RECHT HER ALS 
KORREKTER BRAUCH ANERKANNT WIRD UND WAS NICHT 

Mit dem Begriff „korrekter Brauch" ( e Urf mu'tabar) ist nicht alles ge- 
meint, woran sich die Leute eines Volkes in ihrer Geschichte allgemein 
gewöhnt haben, sondern nur das, was davon einem erwachsenen, ge- 
sunden Denken und gesunden (nicht perversen oder völlig abwegigen) 
Naturanlagen entspricht 27 . Aber ein Brauch, der mit Schädigung von 
Menschen, ihrem Besitz und ihrer Würde verbunden ist bzw. der kei- 
nerlei (erlaubten) Nutzen 28 für den Einzelmenschen und die Gesellschaft 
(Familie, Nachbarn, Mitmenschen allgemein) hat, wird als islamrechtlich 
verbotener und damit nichtiger Brauch ( 'Urffisid) betrachtet; auf einem 
solchen Brauch kann und darf kein Urteil eines islamischen Richters 
basieren noch irgendein Fatwä (Rechtsgutachten) eines Gelehrten. 

Mit „ 'Urfsahih" ist also ein Brauch gemeint, der 

• keinem grundsätzlichen Hukm (islamrechtliche Rechtsbestimmung) 
bzw. keinem klaren Rechtstext der Quellen (Qur'än und echte Sunna) 
offen widerspricht oder der Tat nach entgegenwirkt, 

• keiner feststehenden, von Zeit und gesellschaftlichen Verhältnissen 
unabhängigen, allgemein von den Gelehrten anerkannten Rechtsmei- 
nung [Ijmä) bzw. keinem rechtskräftigen Urteil eines Richters (Qädi) 
bzw. keinem derzeit gültigen Hukm widerspricht. 

Die Gültigkeitsvorraussetzungen für den Brauch als Rechtsquelle sind, 
zusammengefaßt und ausführlicher dargestellt, die folgenden: 

i . Der Brauch muß bei denen, die ihn befolgen, in Hinblick auf ihre 
Rechtsgeschäfte überwiegend konstant sein. Wird er jedoch mal be- 
folgt, ein anderes Mal gelassen - ohne daß dies als schlecht im Sinne 
des Brauches gilt -, so reicht der betreffende Brauch nicht als Rechts- 
quelle aus. 



14° HANDBUCH ISLAM 

2. Ein Brauch muß zum Zeitpunkt, wo er eine entscheidende Rolle - 
speziell bei der Begründung von Urteilen, Rechtsgutachten (Fatäwa) - 
spielen soll, im fraglichen Fall schon fest bestanden haben. 

3. Es darf keine anderslautende Regelung der beteiligten Personen - 
speziell bei Verträgen - geben, die dem betreffenden Brauch wider- 
sprechen. Ist dies nämlich der Fall, kommt man auf einen derartigen 
Brauch gar nicht erst zurück. 

4. Der Brauch darf keinen Rechtstext der Quellen [Qur'än und Sunna) 
außer Kraft setzen bzw. ihm in seiner Auswirkung widersprechen. 

Ein Sonderfall liegt vor, wenn während der Prophetenzeit ein Brauch 
als gut angesehen und vom Propheten ,g£ bestätigt wurde; in diesem 
Falle wird dieser Brauch gewissermaßen selbst zu einer bedingten Rechts- 
quelle, da der Brauch von der Sunna solcherart bestätigt wird. 

Der Brauch an sich ist aber keine Quelle für richterliches Urteilen 
oder Rechtsgutachten; er dient vielmehr zum Erkennen von Wortbedeu- 
tungen und ähnlichem und der sich daraus ergebenden Folgen für die 
Handlungen und ihre Beurteilung 29 . 

So ändern sich denn auch viele Fatwas im Laufe der Zeit, weil sich 
ein zugrundeliegender 'Ulf bzw. eine zugrundeliegende Ada änderte. 
Auch kann ein Qiyäs, der von einem früher bestehenden Brauch beein- 
flußt wurde, durchaus von einem neuen Brauch, der den alten aufhebt, 
mit aufgehoben werden 30 . 



5 23 

UNTERSCHIEDE UND 
GEMEINSAMKEITEN BEI ,,'URF" UND ,,'ÄDA" 

Es gibt Gelehrte, die die Begriffe „ c Urf" und „ Ada" gleichsetzen. Man- 
che unterscheiden zwischen beiden Begriffen, indem sie sagen: „ 'Ada" 
bedeutet einfach „Wiederholung", wie im Fall einer Gewöhnung an 
eine Sache, Handlung usw. seitens einer Einzelperson oder seitens einer 
ganzen Gruppe von Menschen. Dabei bedeutet ,/Urf" nach dieser An- 
sicht „individuelle Sitte", „Ada" „gesellschaftliche Sitte". 

Nach einer weiteren (allgemeiner akzeptierten Definition) kann sich 
'Urfah Begriff nur auf die gesellschaftliche Sitte beziehen, denn woran 
sich einzelne Menschen gewöhnen bzw. gewöhnt haben, ist noch kein 
f Urf. dieser muß sich erst aus der Gewöhnung des überwiegenden Teils 



DAS ISLAMISCHE RECHT I4 1 

oder der Gesamtheit der Bevölkerung bzw. einer Gemeinschaft verwirk- 
lichen 31 . 

Dabei wird kein Unterschied zwischen den einfachen (rechtsunkun- 
digen) Leuten, Leuten mit solider Rechtsbildung (Muttabi'ün) und Gelehr- 
ten gemacht (welche zu selbständiger Rechtsfindung aus den Quellen 
fähig sind). Andererseits kann auch ein solcher Brauch anerkannt sein, 
der sich nur innerhalb einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht - 
dort aber allgemein - durchgesetzt hat 32 . 



§ 24 

BESONDERE DEFINITIONEN VON ,,'ÄDa" 

„ ( Ada" bezeichnet nach manchen Definitionen eine Sitte, die eine über- 
greifende Bedeutung bzw. allgemeine Verbreitung in allen Ländern oder 
einigen von ihnen hat. Dabei ist zu beachten, daß die Rechtsgelehrten 
die Sitte und den Brauch nur von einem bestimmten Gesichtspunkt aus 
betrachten: insofern er nämlich die Regel ist, auf der die praktischen 
Urteile bzw. Rechtsgutachten beruhen. 'Ada bezieht sich daher manch- 
mal auf eine individuelle Sitte, 'Urf&uf den Brauch einer Gesellschaft. 

• Ada ist demnach das, was sich ohne Beziehung zum Nachdenken 
wiederholt, also nicht ein wiederholtes Verhältnis von Ursache und 
Wirkung. 

• ( Urf gebraucht man aber nur bei Verhalten, das durch Nachdenken 
und aus freier Entscheidung ergibt. 

In sehr vielen Fällen haben die beiden Begriffe aber die gleiche Bedeu- 
tung, und wahrscheinlich ist die Unterscheidung zwischen beiden auch 
erst später eingesetzt worden und eher theoretischer Natur 33 . 

§ 25 
EINTEILUNGEN BEIM BRAUCH (*URf) 

Grundsätzlich wird zwischen dem „korrekten Brauch" ('Urfsahih) bzw. 
dem „rechtlich anerkannten Brauch" ('Urfmu'tabar) einerseits und dem 
„unzulässigen, nichtigen Brauch" ( 'Urffasid) unterschieden. Man unter- 
scheidet des weiteren innerhalb des „korrekten Brauchs" ('Urfsahih) zwi- 
schen einem allgemeinen Brauch ('Urf'ämm) und einem besonderen ( ( Urf 



142 HANDBUCH ISLAM 

khäss), wobei der allgemeine sich auf ein gesamtes islamisches Gebiet 
bzw. auf die gesamte Umma der Muslime bezieht und der zweite nur 
für ein Land, eine Gegend, eine Stadt, eine Berufsgruppe usw. gilt. 

Auch wird unterschieden zwischen einem Brauch, der sich auf die 
Sprache bezieht ( c Urf qauli) und einem, der auf das Handeln Bezug 
nimmt ('Urf'amali). 

Wie oft sich etwas wiederholt haben muß, um als Brauch zu gelten, 
steht bei den Gelehrten aber nicht eindeutig bzw. nicht übereinstim- 
mend fest. 



DAS ISLAMISCHE RECHT 143 

Anmerkungen". 

i Die eigentlichen traditionell-islamischen Wissenschaften, die erst mit dem Islam ent- 
standen, nennt man „die tradierten, abgefaßten Wissenschaften" (al- 'ulüm an-naqliya 
al-wad'iya), im Unterschied zu den bekannten Naturwissenschaften wie Physik, Mathe- 
matik usw., welche die ersten Muslime durch Kontakt mit der griechischen, indi- 
schen und iranischen Kultur kennenlernten und weiterentwickelten. 

2 Dies sind Verse des Koran, die bestimmte Rechtsbestimmungen (Ahkäm, Sg.: Hukm) 
beinhalten. Siehe dazu auch den entsprechenden Abschnitt im ersten Teil. 

3 Diese Rechtsquellen bzw. Rechtsmethoden sind nicht von allen Rechtsschulen glei- 
chermaßen anerkannt. 

4 Lediglich die malikitische Rechtsschule vertritt die Auffassung, daß die Lehrmei- 
nung der Gefährten, ihrer Nachfolger und die deren Nachfolger „zwingende Rechts- 
quelle" sein kann. 

5 „In allgemeiner Form" heißt hier: daß man die Titel und den groben Inhalt kennt, so 
daß man bei Bedarf gezielt die Einzelheiten nachsehen kann. 

6 Es war dem Propheten^S wohlbekannt, daß es unter seinen Gefährten unterschied- 
liche Meinungen geben würde. In diesem Sinne wird das Wort des Propheten^t in 
sicherer Überlieferung angegeben: „Das Verhältnis von mir und meinen Gefährten 
ist das der Sonne und der Sterne; welchem meiner Gefährten ihr auch nachfolgt, ihr 
werdet rechtgeleitet sein." Daraus und aus dem Verhalten der Gefährtengeneration 
wird ersichtlich, daß unterschiedliche Ansichten per se zulässig waren und keine uni- 
forme Meinung gefordert war. 

7 Etwa die Gruppe des Iraq, die die freie Anwendung der Rechtsauslegung beim Mujtahid 
bevorzugte (Ta'arruq genannt), oder die Vertreter der Meinung, die die Hadithe aus 
der Prophetenzeit und die Überlieferungen der Täbi'in und die der Medinenser mit 
dem Ra'y verbanden (Ahl al-Hijäz genannt). 

8 Hierzu bezog und bezieht man sich auf das gesicherte Prophetenwort ^jyj: „Meine 
Gemeinde wird in keinem Irrtum völlig übereinkommen." 

9 Das Wort „Salqfiya" bezieht sich auf den Ausdruck „as-Salafas-sälih", was „die auf- 
richtigen Vorgänger", „die aufrichtigen früheren Generationen" bedeutet. Gemeint 
ist hier das Vorbild der Prophetengefährten und ihr unmittelbarer Zugang zu den 
Grundquellen Qur'än und Sunna — ein Vorbild, das dementsprechend auch von der 
„Salafya" als Vorbild aufgefaßt wird, zu dem man ohne den Vermittlungsweg der 
Madhähib zurückkehren muß. 

io Durch die starke Verknöcherung der Madhähib gerade während der letzten Zeit des 
Osmanischen Reiches bildete sich unter der religiösen Bildungsschicht eine Bestebung 
heraus, diese Stagnation durch einen Neubeginn im Verständnis des Fiqh aufzubre- 
chen. Daß letztendlich die salafitische Bewegung sich meist aus nicht gelehrten Mus- 
limen zusammensetzte, war klar, weil seinerzeit aus den traditionellen Gelehrtenzirkeln 
keine neuen Impulse hervortraten. 

1 1 Diese letztgenannte Ansicht ist allerdings falsch: Da die Madhhab- und Taqlid-Frage 
keine Angelegenheit der Aqä'id ist, darf niemand so eine Aussage von sich geben. 

1 2 Als „Bid'a" wird im Bereich des Fiqh eine Handlung bezeichnet, die in die Religion 
eingeführt wird, ohne daß ein Beleg seitens des Korans oder der Prophetentradition 
vorliegt. Eine solche „unzulässige Neuerung" gilt als eine verbotene Handlung. Ande- 
rerseits ist es gerade in neo-salafitischen Kreisen üblich, diesen Begriff auf alles anzu- 
wenden, was der eigenen Meinung nicht entspricht. 



144 HANDBUCH ISLAM 

1 3 Zur Entstehung der Madhähib siehe § 6, -»- S. 1 20. 

14 Man merkt, wie groß das Problem der Unwissenheit auch heute noch ist, wenn man 
zum Beispiel fragt, wer von den traditionellen Muslimen - denen, die offiziell als 
Muslime geboren wurden - weiß, wie das Freitagsgebet abläuft, wie der Hajj durchge- 
führt wird, welche Geschäfts arten es im islamischen Recht gibt: fast niemand oder 
nur eine verschwindende Minderheit. Und das, obwohl heutzutage ein viel größerer 
Anteil der islamischen Gesellschaften lesen und schreiben kann als in früheren Jahr- 
hunderten und es viel mehr Bücher (Buchdruck!) gibt als jemals zuvor. 

15 Man kann grundsätzlich zwischen drei Wissensstufen unterscheiden: 

1 . Taqlid = daß man sich völlig und ohne Einschränkung auf die Aussage von Gelehr- 
ten und Wissenden verlassen muß, da man selbst über (so gut wie) kein Wissen 
verfügt, um entscheiden zu können, wie und warum eine Meinung des Fiqh be- 
steht. Eine solche Person wird „Muqallid" genannt und kennt die Wissenschaften 
des Islam nicht. 

2. Ittibä' = daß man sich grundsätzlich einem Madhhab anschließt, aber keinen völli- 
gen Taqlid mehr ausübt. Einzelmeinungen können auf ihre Stärke hin erfaßt und 
bewertet werden, die Wissenschaften sind bekannt, alle wichtigen Bestimmungen 
des Fiqh und der Usül sind bekannt. Eine solche Person wird „Muttabi"' genannt 
und darf weder gegen ihr Wissen einer schwächeren Einzelmeinung folgen, noch 
darf sie umgekehrt ein Fatwä (Rechtsgutachten) geben, noch Richteramt ausüben 
(Qadä>). 

3. Ijtihäd = daß man die Stufe der höheren Gelehrtenschaft erreicht hat, die Wissen- 
schaften meistert und über so viel Wissen und Erfahrung verfügt, daß man Rechts- 
gutachten {Fatwä) geben darf und Richtertätigkeit ausüben kann (Qadä } ). Eine sol- 
che Person wird „Mujtahid" genannt. 

16 Wie man erkennt, ist die Stufe des Muttabi' die eines gebildeten Muslims/einer gebil- 
deten Muslimin, welche/r noch nicht die Stufe der eigentlichen Gelehrten erreicht 
hat. 

1 7 Eine „Rechtsschule" bzw. ein fester „Madkkab" ist dadurch gekennzeichnet, daß er 
sich auf eine besonders geachtete Gelehrtenpersönlichkeit hin definiert, daß die von 
dieser Persönlichkeit besonders herangezogenen Quellen des Fiqh in diesem Madhhab 
stark herangezogen werden. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob ein solcher Ge- 
lehrter eine Schule im eigentlichen Sinne begründete (wie etwa bei ash-Shäfi'I) oder 
ob er im nachhinein als der herausragendste der betreffenden Gelehrten jenes Madhhab 
gilt (wie etwa bei Mälik). Als Gesinnungsgruppe hingegen gilt eine Gruppe von Ge- 
lehrten, die meist räumlich und in ihrer konkreten Auslegung weitgehend einer Auf- 
fassung sind und das auch in der Öffentlichkeit kundtun. 

18 Zu weiteren Bedeutungen des Wortes siehe im „Buch über das Gebet", Kapitel 1 1 
über „Das Vorbeten (Imäma)". 

1 9 Die Muslime in Pakistan und (Nord)Indien muß man als kulturelle Einheit betrach- 
ten. 

20 Zur Zeit des islamischen Spaniens war auch dort die Mälikiya alleinig vorhandene 
Rechtsschule. 

2 1 In der Regel ist mit dem Wort „Hadith" eine Überlieferung vom Propheten selbst 
gemeint. 

22 Im klassischen Arabisch heißt „Bai'" unter anderem: a) Verkauf, b) Kauf und Ver- 
kauf. Heutzutage wird unter „Bai } " meist nur „Verkauf" - und dies als Gegensatzbe- 
griff zu „Shirä'", „Kauf" — verstanden. 



DAS ISLAMISCHE RECHT H5 

23 Da gerade dieser Bereich bei der Hanafiya sehr umfangreich ist, wurden speziell von 
dieser Rechtsschule die weiter unten beschriebenen Unterbereiche „Makrüh tanzihan" 
bzw. „Makrüh tahriman" benutzt; heute werden diese Kategorien jedoch auch von an- 
deren Madhähib des öfteren verwendet. 

24 Siehe dazu auch den entsprechenden Abschnitt in der Einleitung zum zweiten Teil 
des Buches. 

25 Wer aus Unwissenheit etwas verbietet, ohne wirklich die Gelegenheit zu haben, 
wissendere Muslime zu fragen, macht sich - so Gott will - nicht schuldig. Wer aber 
nachfragen könnte, es aus Bequemlichkeit, Hochmut oder dem Bewußtsein heraus 
nicht tut, wird sündig (ohne dabei ungläubig, „Käfir", zu werden). Wer schließlich 
bewußt - ohne Jähil zu sein - etwas verbietet, was Gott der Erhabene geboten hat, 
oder gebietet, was Gott verboten hat, wird sogar ungläubig [Käfir). 

26 Gemeint: der ältere Gelehrte al-Ghazäli, dem Verfasser des berühmten Werkes Ikyä 3 
( Ulüm ad-LHn („Wiederbelebung der Religionswissenschaften"), nicht der zeitgenössi- 
sche ägyptische Gelehrte Muhammad al-Ghazäli. Es sei angemerkt, daß der ältere al- 
Ghazäli auch als Gelehrter der Rechtswissenschaften und der Grundlagenwissenschaften 
des Rechts (Fiqh bzw. Usül al-Fiqh) bedeutend ist, nicht nur als Vertreter der gemäßigten 
Mystik, wie viele einfache Muslime meinen - daher auch hier das Zitat. 

27 Ein Brauch im Sinne des 'Urfmu'tabar ist zwar nichts, was auf anerkannten Grund- 
quellen (Ayät des Qur'än, korrekten Hadithen) beruht, aber er hat einen Hukm (Rechts- 
bestimmung: 

• er ist grundsätzlich Mubäh, insofern er weder Fardnoch Haräm, weder Mandüb noch 
Sunna noch Makrüh ist; 

• er ist in seiner Durchführung wünschenswert (Mustahabb), wenn er dem Rechtspinzip 
der „Masälih" entspricht (wenn er zu den Dingen gehört, die in sich selbst oder in 
dem, was sie bewirken, nutzbringend sind und rechtlich zu guten Ergebnissen und 
Zuständen führen). 

28 Mit erlaubtem Nutzen ist hier gemeint, daß ein Mensch aus der Durchführung eines 
solchen Brauches in einer Art und Weise Nutzen zieht, die vom islamischen Recht 
generell erlaubt ist. Wenn etwa jemand im Rahmen eines Brauches bei einer Hochzeits- 
feier Sachwerte (wie elektrische Geräte, Möbel usw.) oder Geld (aus erlaubten Einnah- 
mequellen wie korrekten Kaufgeschäften des Schenkenden) erhält, so ist das dann ein 
korrekter Brauch. Wenn aber im oben genannten Beispiel 

• der Brauch so hohe Geschenke durch gesellschaftliche Zwänge von den Schenken- 
den erwartet, daß sie dadurch finanziell stark geschädigt werden, bzw. 

• die Geschenke aus unerlaubten Quellen stammen (Rauschmittelverkauf, Zins- und 
Wuchergeschäfte, Betrügereien, Prostitution), bzw. 

• der Brauch in seinem ursprünglichen Sinngehalt so verändert ist, daß er nur noch 
akzeptiert wird, um Besitz zu erpressen, 

so ist dieser Brauch unzulässig und verboten (Haräm) bzw. ein „ungültiger Brauch" 
('Urf bätit). Ein solcher ungültiger Brauch bedeutet und bewirkt dasselbe wie alle 
anderen Fälle von Ungültigkeit im Recht: 

• aus einem ungültigen Brauch abgeleitete Rechte und Pflichten (speziell finanzielle) 
sind islamrechtlich nicht vorhanden, 

• unterlassene Handlungen im Rahmen eines solchen Brauches sind nicht einklagbar, 

• bei Durchführung eines solchen Brauches erwirbt sich der Beteiligte in keinem Fall 
Verdienst im Jenseits, sondern begeht im Zweifelsfall eine Sünde, weil er mit der 
Durchführung des Brauches gegen islamrechtlich anerkanntes Recht verstößt. 



146 



HANDBUCH ISLAM 



29 Das gilt besonders in Fragen des Mahr/Sadäq (Brautgabe), wobei oft „angemessene" 
Werte festgelegt werden, welche der Braut zu übergeben sind — gemeint: dem ortsüb- 
lichen Brauch entsprechend. So wird ein islamischer Richter (oder jemand, der seine 
Stelle einnimmt), der einen Ehevertrag mit den Beteiligten festhält, gegebenenfalls 
nachfragen, wie hoch bestimmte Werte entsprechend dem Ortsbrauch der Heimat- 
orte von Braut und Bräutigam festgelegt sind. Das muß zwingend bei dem sogenann- 
ten „Mahr al-Mathal" (dem „entsprechenden Mahr") geschehen, das ein den Ortsbedin- 
gungen entsprechend mittelhohes Mahr darstellt und in bestimmten Fällen von Schei- 
dung und Eheauflösung übergeben werden muß. 

30 Das ist insofern ganz natürlich, als in der islamischen wie auch in anderen Rechtsord- 
nungen gilt: Basiert eine Rechtsbestimmung zwingend auf der Grundlage einer ande- 
ren Rechtsbestimmung und ändert sich dann die zugrundeliegende Rechtsbestimmung, 
so wird die erste Rechtsbestimmung — zumindest in ihrer vorliegenden Form — ungül- 
tig. Das gilt im islamischen Recht ohne Kompromiß: ein Hukm (Rechtsbestimmung) 
bzw. eine Fatwä, die auf inzwischen aufgehobenen Bräuchen oder Umständen basie- 
ren, sind ungültig und dürfen nach übereinstimmender Meinung der Gelehrten der 
„ Usül al-Fiqh "-Wissenschaften auf keinen Fall mehr Beachtung finden. 

3 1 Gemeint sein kann hier sowohl 

• ein ganzes Volk 

• die Angehörigen einer Minderheit (zum Beispiel auch muslimische Minderheiten in 
weitgehend nichtmuslimischen Völkern), 

• die Bewohner einer Provinz, einer Stadt, eines Dorfes. 

32 Wenn etwa in (allen) Reichen eines Landes, einer Provinz oder auch einer größeren 
Stadt Besitzgeschenke in einer besonderen Art zu besonderen Anlässen üblich sind 
oder wenn allgemein innerhalb eines bestimmten Berufsstandes besondere Sitten bei 
Hochzeiten, Beschneidungen oder der Rückkehr der 7/fly-Pilger üblich sind, so wird 
ein solcher Brauch auch als c Urfmu'tabar betrachtet - unter Beachtung der grundsätz- 
lichen Rechtsbestimmungen der Shari'a natürlich. 

33 Im vorliegenden Buch soll daher an entsprechenden Stellen nur von „'Urf" im Sinne 
eines ,,'Urfmu'tabar" gesprochen werden. 



I. 



Buch 
über die Reinheit 

Tahära 



i49 



KAPITEL i 

ROLLE UND VERSTÄNDNIS VON REINHEIT 
(TAHÄRA) 

§ i 

GRUNDSÄTZLICHES 

In mehr als einer richtigen Überlieferung (Hadith sahih) hat der Gesand- 
te Gottes ,g£ gesagt: 
„Die Reinheit (Tahära) ist die Hälfte 1 der Religion." 
„Gott ist rein (tähir) und nimmt nur Reines (Tähir) an." 

Unter Reinheit werden im Islam zwei Dinge verstanden: 

a. körperliche Reinheit 

b. rituelle Reinheit. 

Unter körperlicher Reinheit versteht man im Islam und im islamischen 
Recht, daß - außer bei echter Notwendigkeit und nur so kurz wie mög- 
lich - keine Najäsät (unreinen Dinge) oder ekelerregende Substanzen 
vorhanden sind, weder am Körper des Menschen noch an seiner Klei- 
dung, noch an den Dingen, die er im täglichen Leben verwendet. Dazu 
zählt auch die korrekte Körperpflege des Menschen (Pflege von Kopf- 
und Barthaar, Enthaarung der Achselhöhlen, usw.). 

Unter der rituellen Reinheit versteht man eine Reinheit, die es dem 
Muslim/der Muslimin ermöglicht, zu beten, zu fasten und allgemein 
gottesdienstliche Handlungen (Ibadäi) zu verrichten, für die rituelle 
Reinheit verpflichtend vorhanden sein muß. 

Sofern der Muslim/die Muslimin die Möglichkeit hat, sich körper- 
lich zu reinigen, so muß er/sie das tun; nur bei Entschuldigungsgrün- 
den ist es einem Muslim erlaubt, die körperliche Reinigung und Rein- 
haltung zu unterlassen. Die rituelle Reinheit ist grundsätzlich verbunden 
mit der körperlichen; ist es aber unmöglich, sich körperlich zu reinigen, 
so treten bestimmte Ersatzhandlungen (Ersatzwaschungen) in rein rituel- 
ler Form an Stelle der konkreten Waschung. Im islamrechtlichen Sprach- 
gebrauch wird meist nicht zwischen der nur rituellen, der nur körperli- 
chen, und der beide Aspekte verbindenden Reinheit unterschieden. Man 



15° HANDBUCH ISLAM 

bezeichnet die „Reinheit" (meist die rituelle und körperliche zugleich) 
als „Tahära", etwas zugleich körperlich und rituell Reines als „Tähir". 



§2 

ORT UND ART DER REINHEIT, HINSICHTLICH 
DER ARTEN DER AUFHEBUNG DER REINHEIT 

Der Zustand der Reinheit umfaßt bezüglich des Ortes: 

• den Körper des Menschen 

• seine Kleidung, die er am Körper trägt 

• den Ort, wo er sich befindet (besonders während einer gottes- 
dienstlichen Handlung - ( Ibäda). 

Der Muslim muß grundsätzlich immer darauf achten, daß er bezüglich 
dieser Orte den Zustand der Reinheit wahrt bzw. - wenn nötig - wie- 
derherstellt, 

• indem er die beiden Zustände der Unreinheit bezüglich seines Kör- 
pers (Hadath) durch körperliche und rituelle Reinigung aufhebt 
(durch Wudü\ Ghusl, Tayammum), 

• indem er äußerlich anhaftende, unreine Dinge (Najäsät) von seinem 

Körper, seiner Kleidung und dem Ort, wo er sich aufhält, (sofern 
und soweit wie möglich) entfernt. 



§3 

WIE REINHEIT GRUNDSÄTZLICH 
ERREICHT BZW. WIEDERHERGESTELLT WERDEN KANN 

Um sich von rituell verunreinigenden Dingen (Nqjäsät) zu reinigen, muß 
man sie auf bestimmte Art entfernen; das gilt insbesondere bei der 
Reinigung von Kot und Urin nach dem Verrichten des Bedürfnisses 
(Istibrä' bzw. Istinjä'). Das erreicht man durch Abstreifen und durch 
Waschen mit (zur Waschung geeignetem) Wasser. Dies dient dazu, die 
körperliche Reinheit wiederherzustellen. Zur vollständigen rituellen Rein- 
heit aber müssen besondere Waschungen vorgenommen werden, je nach- 
dem, wie die rituelle Reinheit zuvor verlorenging. Es gibt (bei Vorhan- 
densein von ausreichendem, reinem und reinigendem Wasser) 

• die Ganzkörperwaschung (Ghusl) sowie 

• die Teüwaschung (Wudü*). 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT I 5 I 

Ist aber kein bzw. nicht ausreichendes reines und reinigendes Wasser 
vorhanden, so tritt die sogenannte 

• Sandwaschung (bzw. Ersatz was chung, Tayammum) 
an die Stelle von sowohl Ghusl als auch Wudü* (je nach den Umständen). 



KAPITEL 2 

ÜBER DIE REINHEIT DES WASSERS 
UND DIE REINIGUNG MIT WASSER 



§4 

DIE ALLGEMEINEN BEDINGUNGEN 
ZUR REINHEIT DES WASSERS 

Damit Wasser grundsätzlich zu jedem Verwendungszweck (also auch 
zur Reinigung und zum Erreichen der Tahärd) verwendet werden kann, 
muß es in dreierlei Hinsicht unverändert (das heißt in seinem reinen, 
natürlichen Zustand) sein: 
i . in seiner Farbe 

2. in seinem Geruch 

3. in seinem Geschmack. 

Sind diese Bedingungen - oder eine davon - nicht erfüllt, so kann 
das Wasser nur zu bestimmten Zwecken verwendet werden (zu Einzel- 
heiten siehe weiter unten). 



§5 

WANN MAN AN DER REINIGUNG GEHINDERT IST 

Wenn die allgemeinen Bedingungen nicht erfüllt sind 

Wenn die allgemeinen Bedingungen nicht erfüllt sind, kann man die 
Tahära nicht mehr durch Waschung mit Wasser erreichen; diese sind: 

1 . Wenn überhaupt kein Wasser vorhanden ist. 

2. Wenn zu wenig Wasser vorhanden ist, um die Waschung und an- 



I5 2 HANDBUCH ISLAM 

dere (lebens)notwendige Handlungen wie Trinken, Wundwaschungen 
usw. durchzuführen. 

3. Wenn zu wenig reines (das heißt zur Waschung ausreichend geeig- 
netes) Wasser zur Verfügung steht. 

Darüber hinaus gibt es noch weitere speziellere Bedingungen, unter 
denen die Waschung mit Wasser entfällt. 

Wenn Gefahr für die Gesundheit besteht 

Darunter ist Verschiedenes zu verstehen: 

1 . Daß das Verwenden von Wasser (in welcher Form auch immer) 
Schaden zufügt oder dies zumindest sehr wahrscheinlich ist. Wenn etwa 
jemand eine offene Körperwunde hat, die trocken gehalten werden muß, 
so kann natürlich kein Wasser darauf getan werden. Dasselbe gilt zum 
Beispiel auch, wenn jemand eine bestimmte Allergie hat, die sich bei 
Wasserkontakt verstärkt. 

2. Daß das Verwenden von kaltem Wasser Schaden zufügt. Das ist 
recht häufig im Winter der Fall, wenn zum Beispiel das Leitungswasser 
nicht durch Heizung, Boiler oder durch Erhitzen auf dem Herd erhitzt 
werden kann und man befürchtet, sich beim Verwenden des Wassers 
zu erkälten bzw. eine schon vorhandene Erkältungskrankheit dadurch 
noch zu verstärken. Wenn man aber - speziell in Moscheen - veranlas- 
sen kann, daß für einen das Wasser erhitzt wird, so ist die Waschung 
doch verpflichtend - selbst dann, wenn man eine (angemessene) Ge- 
bühr für das Erhitzen bezahlen muß. 

Wenn man fürchten muß, beleidigt zu werden 

Die Würde und Ehre des Menschen ist einer der Grundwerte, die in der 
Sicht des islamischen Rechts verteidigt und gewahrt werden müssen. Daher 
gilt, daß dann die Waschung für einen Muslim bzw. eine Muslimin nicht 
mehr verpflichtend ist, wenn das Wasser nur an einem Ort erreicht wer- 
den kann, an dem man um seine Würde und Ehre fürchten muß. 

Wenn etwa jemand zu einem Wasserbecken kommen will, um dort 
die Waschung vorzunehmen, und dort Leute stehen, die sich durch 
Worte und/oder Gesten über den Islam lustig machen oder einen selbst 
beleidigen - sei es, weil man dem Islam angehört, oder aus einem ande- 
rem Grund -, so entfällt die Verpflichtung, sich dort zu waschen. Wenn 
in einem solchen Fall keine weitere Waschmöglichkeit mehr besteht, so 
entfällt die Verpflichtung zur Waschung absolut, und man hat das 
Recht, die Sand- bzw. Ersatzwaschung [Tayammum) durchzuführen. Das- 
selbe gilt, wenn man zwar warmes Wasser zur Verfügung hat, aber 
direkt im Anschluß an die Waschung sich außerhalb des Hauses bewe- 
gen muß und dort kalter Wind bzw. Luftkälte herrscht. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 153 

Wenn man Angriffe von Feinden fürchtet 

Wenn man den Angriff seitens eines Feindes fürchtet (sei er ein Mensch 
oder nicht), wenn man sich zur betreffenden Wasserstelle bzw. Wasser- 
quelle begibt, so entfällt die Pflicht zur Waschung mit Wasser, und 
man nimmt statt dessen den Tayammum vor. 

Das ist der Fall, wenn etwa eine oder mehrere Personen den Zugang 
zu einem Wasserbecken verwehren bzw. direkt feindliche Haltung zei- 
gen oder wenn man selbst mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem 
tätlichen Angriff ausgehen muß, wenn man sich in die Nähe dieser 
Personen begibt. Dasselbe gilt, wenn etwa ein Wachhund - oder eine 
entsprechende Maschine/Wachanlage - den Zugang zum Wasser ver- 
wehrt. Ebenso gilt diese Bedingung, wenn man zwar keinen Feind of- 
fen sehen kann, aber es klare Anzeichen für sein Vorhandensein gibt 
(Stimmen, Gebell, usw.). 

Wenn die Menge des geeigneten Wassers nicht ausreicht 

Wenn die Menge des zu einer Waschung geeigneten Wassers nicht 
zur gerade nötigen Waschung ausreicht, so entfällt die Pflicht zur 
Wasserwaschung und man nimmt statt dessen den Tayammum vor. Im 
Rahmen der Vorstellung von Wudü* (Teilwaschung) und Ghusl (Ganz- 
körperwaschung) werden die Mindestmengen zur Waschung vorgestellt. 



KAPITEL 3 

DIE ARTEN DES WASSERS, 
DIE ZUR REINIGUNG ERLAUBT SIND 



Grundsätzlich werden beim Wasser vier Arten der Reinheit unterschie- 
den: 

i . Tähir mutahhir (was rein und zur Reinigung geeignet ist) 

2. Tähir mutahhir makrüh (was rein und grundsätzlich zur Reinigung 
geeignet, aber zugleich abzulehnen ist) 

3. Tähir ghair mutahhir (was rein, aber nicht zur Reinigung geeignet ist) 

4. Mutanajjis (was verunreinigt ist) 



154 HANDBUCH ISLAM 

§6 

TÄHIR MUTAHHIR 
(WAS REIN UND ZUR REINIGUNG GEEIGNET IST) 

Mit „ Tähir mutahhir" meint man das Wasser, was in seiner reinen, natür- 
lichen Grundform vorhanden ist, ohne daß Verunreinigungen in Far- 
be, Geruch oder Geschmack festzustellen sind und ohne daß man si- 
cher weiß, daß das Wasser verunreinigt worden ist. Dieses Wasser ist 
weder mit Schlamm oder dergleichen vermischt, noch abgestanden. 



§7 

TÄHIR MUTAHHIR MAKRÜH 

(WAS REIN UND GRUNDSÄTZLICH ZUR REINIGUNG 

GEEIGNET, ABER ZUGLEICH ABZULEHNEN IST) 

Diese Art des Wassers ist dadurch gekennzeichnet, daß das Wasser sich 
durch Sonnenhitze in seiner Eigenschaft verändert; diese Art ist nur 
unter drei Bedingungen gegeben: 

i . Daß der Ort des Wassers in einem Land mit heißem Klima liegt 2 . 

2. Daß sich das Wasser in einem Metallbehälter befindet, der weder 
aus Gold noch aus Silber besteht 3 , sondern aus Metall wie Eisen, Kup- 
fer usw. 

3. Daß das Wasser für Menschen (analog auch für den Fall der Toten- 
waschung geltend) 4 oder Tiere verwendet werden soll, die durch seinen 
Gebrauch von Hautkrankheiten befallen werden können. 



§8 

TÄHIR GHAIR MUTAHHIR 
(WAS REIN, ABER NICHT ZUR REINIGUNG GEEIGNET IST) 

Hier werden zwei Grundarten unterschieden: 

1 . Daß das Wasser bereits zur Reinigung bei Wudü 3 bzw. Ghusl ver- 
wendet wurde oder die Wassermenge gering ist. 

Dieses Wasser ist das, was bei den verpflichtenden Waschungen (ge- 
meint: Wudü 3 und Ghusl) verwendet wurde und nach der Anwendung 
vom gewaschenen Körper herabgetropft ist. Es ist zwar nicht rituell 
unrein (Mutanajjis), aber auch nicht so rein, daß es zu einer weiteren 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 155 

Reinigung verwendet werden darf; daher ist es rein [Tähir) und zugleich 
nicht reinigend (Ghair mutahhir). 

2. Daß sich etwas grundsätzlich Reines unauflöslich mit dem Wasser 
vermischt hat. 

Das ist gegeben, wenn sich eine reine Flüssigkeit - wie etwa Tee oder 
ein Fruchtsaft - mit völlig reinem und zuvor unvermischtem Wasser 
vermischt, so daß dieses Wasser seine Farbe ändert (zum Beispiel bei 
Tee), seinen Geschmack (wie zum Beispiel bei Fruchtsäften) oder auch 
seinen Geruch (wie bei Rosenessenz bzw. Rosenwasser). 



§9 

MUTANAJJIS (WAS VERUNREINIGT IST) 

Unter Wasser, was als Mutanajjis (verunreinigt, mit rituell Unreinem 
versehen) bezeichnet wird, versteht man Wasser, das mit etwas Unrei- 
nem (einer JSfajäsa) so in Kontakt gekommen ist, daß das Wasser - of- 
fensichtlich oder der rechtlichen Bestimmung nach 5 - als mit diesem 
Unreinem vermischt gilt. 

Hierbei werden zwei Fälle unterschieden: 

i . Wenn die Menge des verunreinigten Wassers gering ist. 

Damit ist gemeint, daß die fragliche Wassermenge unter dem Maß 
von 2 Qulla = 193 Litern liegt 6 . Dabei gilt, daß man dann, wenn die 
Annahme berechtigt ist, daß ein Wasserbehälter usw. mit maximal die- 
sem Inhalt verunreinigt worden ist, dieses Wasser nicht zur Reinigung 
benutzen darf (2 Qulla = ein Würfel von etwa 58 cm Kantenlänge). 

2. Wenn die Menge des verunreinigten Wassers groß ist. 

Wenn die Wassermenge gleich groß oder größer ist als das Maß von 
zwei Qulla, so gilt dieses Wasser auch dann noch als rein und zur Teil- 
(Wudü 3 ) bzw. Ganzkörperwaschung (Ghusl) geeignet (also als Tähir 
mutahhir), wenn zwar etwas Verunreinigendes mit dem Wasser in Kon- 
takt kam bzw. hineinfiel, aber keine der drei Eigenschaften der Rein- 
heit verändert erscheint. Wenn aber eine oder mehrere der Eigenschaf- 
ten verändert erscheinen, nachdem etwas Unreines mit dem Wasser in 
Kontakt gekommen bzw. hineingefallen ist usw., so muß das Wasser 
als rituell verunreinigt (Mutanajjis) gelten. 

Zusammenfassend gilt: 

Von den obengenannten Arten des Wassers ist nur die erste - und 
grundsätzlich auch die zweite - Art zur Durchführung des Wudü' bzw. 
Ghusl geeignet; auch ist es erlaubt, diese Arten zu anderen Zwecken 
(speziell dem Trinken) zu verwenden. 



I56 HANDBUCH ISLAM 

Die dritte Art ist zum Wudü'bzw. Ghusl nicht zulässig, kann aber grund- 
sätzlich auch zu anderen Zwecken (Trinken) verwendet werden. 

Die vierte Art des Wassers aber kann keinen Zweck erfüllen: Weder ist 
es zulässig, dieses Wasser zur Durchführung von Wudü' und Ghusl zu 
verwenden noch zu anderen Zwecken (speziell dem Trinken) 7 . 



KAPITEL 4 

DIE VERUNREINIGENDEN DINGE 

(NAJÄSÄT) 

§ 10 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 

Unter „Najäsa" (wörtlich: „Unreines") versteht man grundsätzlich et- 
was, was den Zustand der vollen körperlichen bzw. rituellen Reinheit 
(Tahära) aufhebt. 

Eine Najäsa ist andererseits etwas, was äußerlich anhaftet und durch 
Reinigung von außen auch wieder aufgehoben wird, im Gegensatz zum 
Hadath, bei dem es nicht um eine äußerlich anhaftende Unreinheit geht, 
sondern um einen Zustand bestimmter Unreinheit, der durch Austritt 
von bestimmten Dingen aus dem Körper entsteht. 

Eine Najäsa (PL: Najäsäi) muß beseitigt werden, damit der Muslim/die 
Muslimin wieder seine/ihre volle Reinheit [Tahära) erhält, die ja zur 
Durchführung der meisten eigentlichen 'Ibädät (vor allem: Gebet und 
Durchführung des Tawäf während des Hajj) notwendig ist. 

Man unterscheidet zwei Grundarten der Najäsa: 

1 . die tatsächliche Najäsa (Najäsa haqiqiya) 

2. die Najäsa der rechtlichen Bestimmung (Hukrn) nach: Najäsa hukmiya. 

Bei beiden Arten wird in Hinsicht der Schwere der Verunreinigung 
unterschieden; man unterscheidet bei Najäsät 

• schwere, grobe Najäsa (Najäsa mughalla^a) 

• leichte, geringe Najäsa (Najäsa mukhaffafd) 

• mittelschwere, mittlere Najäsa (Najäsa mutawassita). 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 157 

All diese Arten sollen nun - so Gott will - in dieser Reihenfolge dar- 
gestellt werden. 



I I 



TATSÄCHLICHE NAJÄSA (NAJÄSA HAQIqIyA] 

Eine „tatsächliche" Najäsa ist eine als rituell und körperlich unrein be- 
trachtete Sache, die äußerlich, in ihrer körperlichen Substanz sichtbar, 
an Kleidung, Körper, Ort anhaftet. Dabei spielt es keine Rolle, ob es 
sich um die Sache selbst handelt (beispielsweise Samenflüssigkeit, Blut- 
klumpen, Eiter usw.) oder ob diese Sache selbst schon entfernt wurde, 
ihre Spuren aber klar und deutlich noch sichtbar sind (durch Verfär- 
bung, Geruch, seltenen Geschmack). 

Für körperlich vorhandene Najäsa wird auch der Begriff „Najäsa 'ainiya" 
(der Substanz nach vorhandene Najäsa) verwendet. Dieser Begriff stimmt 
in seiner Bedeutung mit der Najäsa haqiqiya überein. 



I 2 



najäsa der rechtlichen bestimmung nach 
(najäsa hukmiya) 

Hierunter versteht man eine Unreinheit, die mit bloßem Auge bzw. 
dem Geruchssinn (seltener: dem Geschmackssinn) nicht erkannt wer- 
den kann, von der man aber sicher weiß, daß sie vorhanden sein muß. 

Das ist der Fall, wenn durch Kontakt mit Wasser bzw. einer Flüssig- 
keit sowie einer Najäsa diese Najäsa auf Körper, Kleidung und Ort über- 
tragen wird, ohne daß aber danach äußerlich erkennbare Spuren blei- 
ben, weil durch Wind und Austrocknung die Spuren der Najäsa ge- 
schwächt wurden. 

Wenn etwa Urin auf die Kleidung gekommen ist (und der Urinieren- 
de das auch gesehen hat), sich die Spuren dieser Tropfen aber durch 
Sonnentrocknung verloren haben, so bleibt die so betroffene Kleidung 
dennoch der Rechtsbestimmung (Hukm) nach mit der entsprechenden 
Verunreinigung behaftet. 

Das heißt: in der Auswirkung (dem Zwang, die betroffenen Orte zu 
reinigen) unterscheiden sich die Najäsa haqiqiya und die Najäsa hukmiya 
nicht; der Unterschied besteht lediglich in der mehr oder minder offe- 
nen Erkennbarkeit der Verunreinigung. 



I58 HANDBUCH ISLAM 

§ 13 
ARTEN DER NAJÄSA 

Wenn man von Arten der Majäsa spricht, meint man die Schwere der 
jeweiligen Verunreinigung, nicht die beiden Grundarten, weil sich - 
wie oben dargestellt - die Majäsa haqiqiya und die Majäsa hukmiya in ihren 
Auswirkungen nicht unterscheiden. Die unreinen Dinge sind, nach ih- 
rer Schwere geordnet, die folgenden: 

Was sehr stark unrein ist (Majäsa mughalla^a) 

Als schwere Majäsa (Majäsa mughalla^a) gilt: 

1 . Das Schwein in all seinen Bestandteilen und allem, was es hervorbringt. 

Mit „Schwein" sind hier alle Arten des Hausschweins und des Wild- 
schweins gemeint, und alle Körperteile sowie seine Körpersäfte und 
Ausscheidungen (Speichel, Samenflüssigkeit, Nasenschleim, Kot, Urin) 
sind große Majäsa. Auch die Haare (Borsten) und die Haut (das Leder) des 
Schweins gelten als große Majäsa; nach manchen Meinungen jedoch gilt 
das Schweineleder dann nicht mehr als zur Benutzung verboten, wenn es 
durch korrektes Gerben bearbeitet wurde. Dennoch wird kein Muslim 
freiwillig Kleidung usw. aus Schweineleder tragen, weil dieses Tier selbst 
als die größte Majäsa gilt und es zumindest als verwerflich bzw. makrüh gilt, 
Dinge zu berühren oder gar zu tragen, die von dieser Majäsa herrühren. 

2. Der Hund in all seinen Bestandteilen und allem, was er hervorbringt. 

Nach Meinung der Hanafiya in einigen ihrer Meinungen sowie der 
Mälikiya - im Gegensatz zu den anderen Madhähib - gilt der Hund selbst 
nicht als unrein, sondern nur sein Speichel, sein Fleisch und seine Inne- 
reien, nicht aber seine Haut oder sein Haar. Auch gilt nach manchen 
Meinungen innerhalb der Hanafiya sein Kot nicht als sehr stark unrein 
(Majäsa mughalla^a), sondern nur - wie der Kot eines zum Verzehr nicht 
erlaubten Tieres - als etwas mittelschwer Unreines (Majäsa mutawassita), 
weil die Ausscheidung nach dieser Meinung nicht mehr als zum Tier 
gehörig betrachtet wird. 

Nach Ansicht anderer Rechtsmeinungen - am stärksten in der Shäfi'iya 
ausgedrückt - gilt aber der Hund, lebend wie tot, in all seinen Bestand- 
teilen und auch in all seinen Ausscheidungen (einschließlich seines Kots 
und Urins), als grobe Majäsa, die auch (als Majäsa hukmiya) durch Feuch- 
tigkeit im Hundehaar usw. auf reine Stoffe (Kleidung, Haut des Men- 
schen usw.) übertragen werden kann. Es gilt ansonsten dasselbe, was 
auch schon zum Schwein gesagt wurde. Darüber hinaus gilt aber, im 
Unterschied zum Schwein: 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 159 

Ein Hund kann aus der Sicht des islamischen Rechts korrekterweise 
von einem Muslim/einer Muslimin als Jagdhund 8 bzw. Wachhund ver- 
wendet werden, nicht aber als reines Haustier, wie das gerade in Euro- 
pa häufig anzutreffen ist. 

Ein Schwein jedoch kann islamrechtlich von einem Muslim gar nicht 
verwendet werden, bzw. wenn er das tut (zum Beispiel es als Suchtier 
einsetzt, wie das in manchen Ländern üblich ist), so ist diese Handlung 
unzulässig (nicht Jä'iz) und das Ergebnis daraus ebenfalls nicht als Haläl 
(Erlaubtes) zu verwenden. 

Was im geringen Maß unrein ist [Najäsa mukhaffafa) 

Als geringe Najäsa [Najäsa mukhaffafa) gilt der Urin eines Kindes, das 

• maximal ein Jahr alt ist bzw. 

• nur und ausschließlich mit Milch gestillt wird bzw. 

• noch keine Zähne hat. 

Mittelschwere Najäsa [Najäsa mutawassita) 

Als mittelschwere Najäsa gilt jede Najäsa außer der großen bzw. geringen 
Najäsa\ darunter fällt eine ganze Anzahl von Dingen: 

/. Alkohol und alles, was flüssig ist und berauscht. 
Unter diese Kategorie fällt zunächst einmal alles, was als „Khamr" be- 
trachtet wird. Als eigentliche Najäsa gilt aber nur, 

• was berauscht (und sei es auch nur in größten Mengen) und 

• was zugleich flüssig ist. 

Bei Rauschmitteln in nicht-flüssiger Form, die im Sinne von Khamr 
auch als Genußmittel verboten sind, gilt, daß sie im Sinne einer Najäsa 
haqiqiya (das heißt wenn sie etwa tatsächlich auf der Kleidung oder dem 
Körper sind) als Najäsa bestehen können und dann auch entfernt wer- 
den müssen - nicht aber durch Waschen, wie im Fall des flüssigen 
Khamr, sondern nur durch Abstreifen und Abklopfen. Doch als Najäsa 
hukmiya kann nur der Rest, die Spur eines flüssigen Khamr gelten, nicht 
aber der einer von sich aus trockenen Art davon. 

Anmerkung: 

Nach manchen Gelehrten gilt etwas bereits zu Alkohol Vergorenes, 
das mit der Absicht vergoren wurde, zu Essig verarbeitet zu werden, 
nicht als Najäsa, sondern als rein [tähir). Des weiteren gilt nach manchen 
Gelehrten, daß Alkohol, der zur Konservierung bestimmter Stoffe (bei 
medizinischen Instituten, Apotheken usw.) dient, nicht als Najäsa anzu- 
sehen ist: weil beim Alkohol, der zu Genußzwecken hergestellt wurde, 



i6o 



HANDBUCH ISLAM 



der verbotene Zweck den Alkohol zu Verbotenem und Unreinem zu- 
gleich macht, aber in diesen Fällen (zur Konservierung, zu Forschungs- 
zwecken usw.) die Absicht lobenswert und in sich erlaubt ist. Da hier 
das Wohl und das weitere Wohlergehen der Gesellschaft und Gemein- 
schaft die zugrundeliegende Absicht ist, sei - nach dieser Ansicht - 
daher dieser alkoholische Stoff als zu diesem Zweck erlaubt und nicht 
als unrein anzusehen. 

2. Aas (Maita). 
Hierunter wird der rechtlichen Bestimmung nach 9 grundsätzlich — mit 
bestimmten Ausnahmen, die weiter unten behandelt werden - der 
Körper eines jeden Tieres verstanden, das nicht korrekt vor seinem Tod 
geschlachtet wurde, sondern auf eine der folgenden Arten zu Tode kam: 

• ohne jegliche Schlachtung, bzw. 

• durch inkorrekte Schlachtung seitens eines Muslims, bzw. 

• durch nicht in ihren Religionen anerkannte Schlachtung seitens ei- 
nes Angehörigen der Buchreligionen (Juden oder Christen), bzw. 

• durch Schlachtung, von einer Person ausgeführt, die weder Muslim 

noch Jude, noch Christ ist (also zum Beispiel eines Murtadd oder 
eines Mushrik) 10 

• durch Opferschlachtung für irgendwelche Götzen(bilder) 

• durch eine Schlachtung, bei der ein anderer Name als der Gottes 
genannt wurde 11 . 

All diese Arten des nicht geschlachteten bzw. nicht korrekt geschlach- 
teten Tierkörpers gelten als mittlere JVajäsa und dürfen von einem Muslim 
auch nicht gegessen werden 12 . 

Hierzu gelten folgende Ausnahmen: 

a. Der Leichnam eines Menschen. 

Der Mensch gilt als Ausnahme, da nur sein Leichnam nicht als etwas 
Unreines gilt, im Gegensatz zu den Körpern aller anderen (das heißt 
nicht bzw. nicht korrekt geschlachteten bzw. natürlich verstorbenen) 
Lebewesen. Als Beleg dient hier der Koranvers: 

„Wir haben die Kinder Adams geehrt" (Sure al-Isrä' [17 ], Vers 70). 

Dieser Vers wurde - wie aus korrekten, rechtsgültigen (sahih) Hadithen 
hervorgeht, von dem Propheten Jg£ so erklärt, daß der Muslim bzw. 
allgemein der Mensch nach seinem Tode (das heißt sein Leichnam) 
nicht Najäsa ist 13 . 

b. Fische. 

Fische und Lebewesen, die ausschließlich im Meer bzw. im Wasser 
leben, sind nach ihrem Tod (an Land bzw. außerhalb des Wassers) nicht 
unrein und müssen nach ihrem Fang auch nicht geschlachtet werden, 
um keine Najäsa und für den Muslim eßbar zu sein 14 . 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



161 



c. Heuschrecken. 

Für Heuschrecken gilt - wie entsprechend schon bei den Fischen — , 
daß sie ohne zuvor erfolgte Schlachtung als Nicht-Najäsa und eßbar 
gelten 15 . 

j. Aus dem Körper austretendes [fließendes) Blut. 
Hiervon ist das Blut ausgenommen, was — nach korrekter Schlachtung 
eines erlaubten Tieres - in Leber und Milz verblieben ist. 

4. Eiter, 

Hiermit ist der mit oder ohne begleitendes Blut aus dem Körper (aus 
Wunden, Geschwüren, Rissen usw.) austretende (krankheitsbedingte) 
Eiter gemeint, nicht aber der gewöhnliche Schnupfenschleim, der aus 
der Nase austritt. 

5. Kot und Urin des Menschen. 

6. Kot und Urin eines Tieres. 

Hierzu besteht hinsichtlich der Meinung der Hanqfiya eine Verschie- 
denheit zur Meinung der anderen Madhähib: 

Hanqfiya: Die Hanqfiya betrachtet den Kot derjenigen Tiere, die zu 
verzehren dem Muslim grundsätzlich erlaubt sind, nicht als Najäsa, 
sondern als reine Materie [Tähir). 
Der Urin solcher Tiere wird nach Meinung Abu Hanifas und der seines 
Schüler-Gelehrten Abu Yüsufs als geringe Najäsa [Najäsa mukhaffqfd) be- 
trachtet, während der zweite Schüler-Gelehrte Abu Hanifas, Muham- 
mad, den Urin dieser Tiere - wie auch schon den Kot - als rein [tähir) 
ansieht; diese letztere Meinung ist heute in der Hanqfiya am meisten 
vertreten. Der Kot und Urin all derjenigen Tiere, die der Muslim grund- 
sätzlich nicht verzehren darf, werden aber in der Hanqfiya als mittlere 
Najäsa [Najäsa mutawassita) betrachtet. 

Die anderen Madhähib: Bei den anderen Madhähib jedoch wird der Kot 
und Urin aller Tiere - außer Hund und Schwein - als mittlere Najäsa 
[Najäsa mutawassita) betrachtet; die Ausscheidungen von Hund und 
Schwein gelten aber nach den meisten nicht-hanafitischen Meinun- 
gen als große Najäsa [Najäsa mughalla^a). 

y. Die Milch eines Tieres, dessen Fleisch grundsätzlich nicht von Muslimen 
gegessen werden darf. 
Damit ist zum Beispiel die Milch von Pferden und Hauseseln gemeint. 
Auch hier - wie schon bezüglich von Kot und Urin - gilt, daß nach den 



IÖ2 HANDBUCH ISLAM 

Madhähib außer der Hanafiya die Milch von Schwein und Hund über- 
wiegend als große Najäsa gilt, bei der Hanafiya aber überwiegend als 
mittlere Najäsa. 

Im Unterschied zur Milch der Tiere, die man nicht verzehren darf, 
gilt die menschliche Milch (das heißt die menschliche Muttermilch) nicht 
als Najäsa. 

8. Jedes Körperteil, das von einem noch lebendigen Tier abgetrennt wird. 
Hiermit sind Körperteile wie Füße, Ohren usw. gemeint, bei deren Ab- 
trennen Blut austritt und deren Abtrennen dem Tier Schmerz bzw. of- 
fensichtliche Verletzung (ob nun für gewöhnlich tödliche, im konkre- 
ten Fall tödliche oder nicht-tödliche) zufügt. 

Auch wird ausgezupftes Haar eines Menschen (also nicht von selbst 
ausgefallenes Haar) von den meisten Gelehrten als mittlere Najäsa be- 
trachtet. Unter die hier vorgestellte Kategorie fällt aber nicht die Wolle 
bzw. das abzuscherende Haar oder der abzunehmende Teil des Feder- 
kleids eines grundsätzlich zum Verzehr erlaubten Tieres: all dies gilt als 
rein [tähir). Das ist die Ansicht der Madhähib außer der Hanafiya. 

Hanafiya: Auch das (abgeschorene) Haar/Fell eines Hundes gilt als 
rein. 

9. Knochen, Hufe, Hörner und £ähne von geschlachteten Tieren, die nicht zum 
Verzehr erlaubt sind, sowie von Tieren, die zwar grundsätzlich zum Verzehr 
erlaubt, aber Aas sind. 

Dazu zählt nach vielen Gelehrten auch das Elfenbein von Elefanten 
und anderen elfenbeintragenden Tieren. Hierzu vertritt die Hanafiya 
eine etwas abweichende Ansicht. 

Hanafiya: Hufe, Hörner und Sehnen von bereits toten Tieren (auch 
Maita) sind rein [tähir). 

Es ist nach Ansicht vieler Gelehrter erlaubt, die Knochen, Hufe, Hör- 
ner usw. nicht (korrekt) geschlachteter bzw. verendeter Tiere (also Maita) 
zu verwenden. 

10. Flüssigkeiten, die auf dem Harnweg oder dem hinteren Ausscheideweg 
austreten. 

Dies sind vor allem drei Körperflüssigkeiten: 

• Samenflüssigkeit [Maniy) 

• Erregungsflüssigkeit {Madhiy), eine klare, leicht gelbliche und klebri- 

ge Flüssigkeit 

• Erregungsflüssigkeit nach dem Austritt von eigentlicher Samenflüs- 

sigkeit (Wadiy) 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 1 63 

Diese werden als mittlere Najäsa betrachtet; nur in der Shäfi'iya wird 
die eigentliche Samenflüssigkeit (Maniy) nicht als Najäsa, sondern als 
rein (tähir) betrachtet. 

Wasser, das nach Reinigungen (nach dem Verrichten des Bedürfnis- 
ses) in den Körperausgang eintrat und dann kurz darauf wieder als 
reines (nicht-klebriges!) Wasser austritt, kann davon ausgenommen 
werden. 

//. Wasser bzw. Flüssigkeit, die aus dem Mund eines Schlafenden austritt, 
wobei die Farbe verändert ist 
Davon ist aber der reine Mundspeichel und Nasenschleim ausgenom- 
men, sofern nicht in Speichel/Nasenschleim Blut enthalten ist. 

Davon weicht die Meinung der Hanafiya und Mälikiya etwas ab. 

Hanafiya: Sofern die Menge des so aus dem Mund des Schlafenden 
austretenden Wassers nicht das Maß einer Mundfüllung erreicht, wird 
dieses Wasser nicht als Najäsa betrachtet. 

Mälikiya: Wenn aus dem Mund eines Säuglings Milch austritt, ohne 
daß die Farbe der Milch verändert ist, so gilt das nicht als Najäsa. 

12. Erbrochenes. 

13. Der Rauch bzw. Ruß von einer Najäsa, die verbrannt wird. 



§ 14 

WIE NAJÄSA ÜBERTRAGEN WIRD 

Vorstellung der Übertragungsarten von Najäsa 

Mit der Übertragung von Najäsa ist gemeint, daß ein reiner (tähir) Ort 
bzw. reine Materie verunreinigt wird (mutanajjis wird), indem sie auf 
bestimmte Weise mit einer Najäsa zusammenkommt bzw. in irgendei- 
ner Form von Feuchtigkeit mitwirkt. 

Sind aber alle Ausgangsstoffe trocken und ganz fest und ist keinerlei 
Feuchtigkeit vorhanden, so wird aus etwas Reinem (Tähir) durch bloße 
Berührung mit etwas Unreinem (Najäsa) nichts Verunreinigtes (Mutanajjis). 

Es gibt drei Grundfälle, in denen Najäsa übertragen wird: 

1 . Etwas Reines (Tähir) und etwas Unreines kommen zusammen, wobei beide 
Ausgangsstoffe ganz fest bzw. trocken sind, aber etwas an sich Reines, 
Flüssiges zusätzlich noch zwischen die beiden tritt. 

In diesem Fall gilt: 



164 HANDBUCH ISLAM 

Der reine Ausgangsstoff wird dort, wo ihn die Najäsa unter Mitwir- 
kung der Feuchtigkeit berührt, verunreinigt (Mutanajjis). 

Beispiele: 

Ein trockenes, festes Kotstück von einem Rind gerät an die Klei- 
dung, die durch vorherigen Regenfall feucht geworden ist: die Klei- 
dung wird mittelstark verunreinigt (im Maß der Najäsa mutawassita). 

Ein getrocknetes Stück Schweinefleisch (zum Beispiel ein fester 
Rauchschinken), das als Essen eines Nichtmuslims dient, wird in der 
direkten Nähe eines Muslims von diesem Nichtmuslim in eine Soße 
getunkt; dabei fällt das Stück Schweinefleisch dem Nichtmuslim aus 
der Hand und auf das Hemd des Muslims: das Hemd ist - an der 
berührten Stelle - grob verunreinigt (im Maß einer Najäsa mughalla^d). 

2 . Etwas Reines ( Tähir) und etwas Unreines kommen zusammen, wobei einer 
der beiden Ausgangsstoffe fest bzw. trocken, der andere nicht fest bzw. trocken 
ist. Dabei kann der nichtfeste Stoffflüssig oder schmierig {wie ein Fett) sein. 

In diesem Fall gilt: 

a. Ist der reine Stoff fest, so kann der unreine Stoff - also die Najäsa - 
relativ problemlos entfernt werden. 

b. Ist der reine Stoff jedoch fettartig, so muß soweit das verunreinigte 
Fett abgetragen werden, bis man sich bezüglich des Restes sicher sein 
kann, daß er rein (tähir) geblieben ist. 

c. Ist der reine Stoff aber flüssig, so muß er - wenn er sehr gering in 
seinem Maß, seiner Menge ist - als völlig und unwiederbringlich ver- 
unreinigt gelten; ist er dagegen in seiner Menge im Vergleich mit der 
Najäsa sehr groß (etwa mindestens im Verhältnis 1:200), kann man 
den Ort der Verunreinigung klar eingrenzen und ist der reine Aus- 
gangsstoff nach der Verunreinigung nicht bewegt worden (zum Bei- 
spiel durch Umrühren, Eigenbewegung der Najäsa usw.), so kann man 
von einer möglichst weit entfernten Stelle von dem Zustand der Rein- 
heit ausgehen - sofern das dem Verstand und der Erfahrung nach 
höchstwahrscheinlich ist 16 . 

Beispiele: 

Ein Hund hat einem Muslim das Hosenbein und auch die Hand ge- 
leckt, als er den Hund abwehren wollte: Hosenbein und Hand sind in 
grober Najäsa (Najäsa mughalla^a) verunreinigt. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 165 

Ein Kleinkind bzw. Säugling sitzt auf dem Schoß einer Person und 
hat durch die Windel hindurch auf die Hose des Sitzenden Wasser 
gelassen: die Hose (bzw. der Hosenboden) des Kindes und die verun- 
reinigte Stelle des Sitzenden sind leicht verunreinigt (mit Najäsa mu- 
khaffafd). 

Alkohol ist an ein Kleidungsstück geraten: die Kleidung ist mittel- 
schwer verunreinigt (Najäsa mutawassita). 

In ein Gefäß mit reinem (tähir) Fett fällt ein Klumpen Schweinefett: 
die so berührte Oberfläche und der so berührte Rand des Gefäßes 
gelten als stark verunreinigt (mit Najäsa mughalla^a), aber ein Teil des 
Fettes kann durch Ausschaben des von sich aus unreinen Fettes sowie 
des Anteils an verunreinigtem Fett und Einlagern in ein reines Gefäß 
als rein betrachtet und weiterverwendet werden. 

Ein kleines Wassergefäß (zum Beispiel ein großer, verzierter Be- 
cher) hat einen Elfenbeinrand, und das im Gefäß befindliche Wasser 
schwappt so hoch, daß es diesen Elfenbeinrand erreicht: das Wasser 
wird unwiederbringlich Najäsa und rituell mittelschwer unrein (Najäsa 
mutawassita). 

In ein sehr großes Wasserbecken fällt ein Becher hinein, der zuvor 
mit Alkohol gefüllt war, und das Wasser wird danach nicht bewegt: 
am Ort, wo der Becher hineinfiel, gilt das Wasser als mittelschwer 
verunreinigt, während es weiter entfernt (zum Beispiel am entgegen- 
liegenden Beckenrand) noch als rein gilt. 

In ein gleichgroßes Becken springt ein Hund hinein, schwimmt kurz 
quer durch das im Becken befindliche Wasser und springt wieder 
hinaus: alles Wasser dieses Beckens gilt als schwer verunreinigt (durch 
Najäsa mughalla^a) 17 . 

3. Etwas Reines (Tähir) und etwas Unreines kommen zusammen, 
wobei beide Ausgangsstoffe nicht fest sind (also fettartig oder flüssig). 

In diesem Fall gilt dasselbe, was oben zu den Fällen 2. b. bzw. 2. c. 
gesagt wurde: Wenn etwas fettartiges Reines mit etwas fettartigem oder 
flüssigem Unreinem zusammenkommt, kann man unter Umständen 
durch Abschöpfen/Abstreifen noch etwas von dem Reinen retten; war 
aber der reine Stoff flüssig, gilt, was zuletzt unter 1 . c. gesagt wurde. 

Anmerkung zur Stärke der Najäsa: In den oben vorgestellten drei Grund- 
fällen gilt, daß der verunreinigte Teil des ursprünglich Reinen dem Hukm 
nach als genausostarke Najäsa gilt wie die Najäsa, die die Verunreini- 
gung hervorgerufen hat. 



i66 



HANDBUCH ISLAM 



Wenn nun nicht etwas ganz Reines ( Tähir) und etwas Unreines (Najäsa) 
zusammenkommen, sondern 

• zwei Najäsät bzw. 

• etwas bereits Verunreinigtes (Mutanajjis) und eine weitere Najäsa i 

so gilt, daß beide der rechtlichen Bestimmung nach den stärkeren der 
beteiligten Verunreinigungs grade annehmen. 



§ l 5 

AUFHEBUNG VON UNREINEN DINGEN (NAJÄSÄT) 

Eine Verunreinigung wird vollständig nur durch Waschung mit dazu 
geeignetem reinem Wasser entfernt und aufgehoben, wobei körperlich 
vorhandene Verschmutzung (Najäsa haqiqiya bzw. 'ainiyd) zuerst abge- 
wischt, abgestreift usw. wird. Für jede Art der Verunreinigung gibt es - 
entsprechend ihrer Schwere - eine besondere Art der Waschung: 

Aufhebung einer schweren Verunreinigung [einer Najäsa mughalla^a) 

Eine solche Verunreinigung wird durch siebenmaliges Waschen bzw. 
stets erneutes Aufgießen von Wasser entfernt, wobei beim ersten bzw. 
dritten Mal etwas Sand, Staub oder dergleichen zum Wasser hinzuge- 
fügt und so die verunreinigte Stelle leicht gerieben (nicht heftig gescheu- 
ert) werden muß. Es ist hier nicht zulässig, Seifenschaum oder flüssiges 
Reinigungsmittel als Ersatz für das Reibemittel zu verwenden; wenn 
aber kein reiner Sand bzw. Staub usw. zur Verfügung steht, kann auch 
zur Not grober Stoff oder dergleichen als Ersatz dienen - und Gott 
weiß es am besten. 

Wenn die Najäsa vom Schwein herrührt, gehen viele Gelehrte dahin, 
bei jeder der sieben Waschungen das Verwenden von einem Reibe- 
mittel zu empfehlen, wobei jedesmal - nach jedem Abwaschen - aufs 
neue das Mittel dem Wasser zugegeben werden muß. Dies darum, weil 
im Zweifelsfall das Schwein und was mit ihm zusammenhängt als noch 
unreiner und verabscheuungswürdiger angesehen wird als der Hund 
und was mit ihm zusammenhängt. 

Aufhebung einer leichten Verunreinigung (einer Najäsa mukhaffafa) 

Diese Verunreinigung wird durch einmaliges Abwaschen (ohne Reiben 
oder Zusätze) aufgehoben. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



167 



Außiebung einer mittleren Verunreinigung [einer Najas a mutawassita) 

Diese Verunreinigung wird durch dreimaliges Abwaschen (ohne Rei- 
ben oder Zusätze) aufgehoben. 

In jedem Falle muß aber so viel Wasser verwendet werden, daß der 
verunreinigte Ort stark durchfeuchtet bzw. richtig naß wird; ein bloßes 
Bestreichen mit feuchter Hand und dergleichen reicht da nicht aus, 
sondern es muß Wasser ablaufen wie auch im Fall einer regelrechten 
rituellen Waschung (Wudü\ Ghusl). 

Wenn aber nach ausgiebigem Waschen dennoch Färb- oder Geruchs- 
flecken bleiben, so gilt dennoch der betreffende Ort als gereinigt, so- 
bald er getrocknet ist. 



§ 16 

WAS AN NAJÄSÄT BEI DINGEN, DIE RITUELLE 
REINHEIT ERFORDERN, VERNACHLÄSSIGT WERDEN KANN 

Kleine und kleinste Verunreinigungen, etwa Blut, das aus Pickeln, 
Mückenstichen und dergleichen austritt, können ohne Waschung ver- 
nachlässigt werden, wenn die Menge dieser Verunreinigungen nicht 
sehr groß ist (etwa, wenn der ganze Rücken von blutenden Pickeln usw. 
bedeckt ist). 

Auch das Blut eines Märtyrers, das noch an ihm haftet, gilt als rein, 
und wenn etwa bei dem Berühren seines Leichnams etwas - nicht gro- 
ße Mengen - auf die Hand, die Kleidung usw. eines anderen kommt, 
so darf das bei dem Berührenden vernachlässigt werden. 

Entsprechendes gilt für das Blut von (größeren) Fischen oder den ge- 
ringen Blutmengen, die in Adern oder der Leber bzw. der Milz eines 
Tieres verblieben sind und dann - beim Zerteilen des Tieres — austre- 
ten und auf Kleidung, Körper des Menschen usw. kommen. 

Auch gilt diese Ausnahme für Vogelkot, der von einem in der Luft 
fliegenden oder über dem Menschen sitzenden Vogel auf den Men- 
schen herab ausgeschieden wird: Ist der Vogel grundsätzlich zum Ver- 
zehr erlaubt, so gilt der Kot zudem nach der Hanafiya als rein, bei den 
anderen Madhähib als geringe Najäsa. 



l68 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL 5 

DAS VOLLSTÄNDIGE REINIGEN 

NACH DEM VERRICHTEN DES BEDÜRFNISSES 

(ISTINJÄ') UND DAS VERRICHTEN DES BEDÜRFNISSES 

§ 17 

ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 
VON ISTINJÄ' UNDISTIBRÄ' 

Mit dem Begriff „Istinjä'" (wörtlich: „sich von etwas Unangenehmem 
losmachen") ist die Reinigung von JVajäsa gemeint, speziell die von Kot 
und Urin, nachdem man sein Bedürfnis verrichtet hat. Es ist für den 
Muslim und die Muslimin verpflichtend, den Istinjä' vorzunehmen. Ei- 
gentlich unterscheidet man auch zwischen dem Ablösen der eigentli- 
chen JVajäsa (Istibrä\ wörtl: „sich von etwas (konkret) befreien") einer- 
seits und der anschließenden eigentlichen Reinigung des betreffenden 
verunreinigten Körperteils (Istinjä'); doch oft wird beides auch unter 
den Begriff „Istinjä'" zusammengefaßt. 



§ 18 

DAS, WOMIT MAN DEN ISTINJÄ' 
VORNEHMEN KANN (MUSTANJÄ BIHl) 

Der Istinjä'kann mit geeignetem Wasser 18 , aber auch grundsätzlich mit 
einem festen, trockenen Gegenstand, wie einem Stein, einem Holzstück 
oder Papier/ 9 durchgeführt werden, um die Najäsa hinwegzunehmen. 

Dabei wird man zunächst die jV"<3/£.ftz-Substanz mit einem festen Ge- 
genstand wie einem Stein usw. oder Papier vom Körper ablösen (Istibrä') 
und anschließend die Körperstelle (speziell die beiden Ausscheidungs- 
öffnungen, vorn und hinten) durch Reinigen mit Wasser gänzlich rei- 
nigen. 

Falls die Reinigung nur mit einem einzigen Reinigungsmittel (das 
heißt Wasser oder etwas anderem) möglich ist 20 , so ist im Zweifelsfall 
das Wasser vorzuziehen, weil dadurch sowohl die Substanz der Najäsa 
als auch die Spuren der JVajäsa am Ausscheidungsort beseitigt werden 
können 21 . Dabei muß das Reinigungsmittel beim Ablösen der JVajäsa- 
Substanz trocken sein, und man darf nicht warten, bis die JVajäsa fest- 
getrocknet ist, außer bei einem zulässigen Entschuldigungsgrund 22 . 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



169 



Auch soll man beim Istibrä 3 das Ablösen - wenn irgend möglich - 
dreimal durchführen, durch drei Stücke Papier bzw. drei Steine usw., 
und bei mehrmaligem Abstreichen (das heißt mehr als drei Malen) ist 
es Sunna, die Anzahl der Istibrä '-Handlungen in ungerader Zahl (5, 7, 9 
Mal usw.) vorzunehmen. 



§ 19 

WOMIT MAN DEN 
ISTINJÄ' NIGHT DURCHFÜHREN KANN 

Der Istinjä 3 ist ungültig, wenn er mit den folgenden Dingen durchge- 
führt wird: 

1 . Was in sich selbst Najäsa ist. 

2. Was sich als Essen und Nahrung für Mensch und Tier eignet, wie 
Brot, Obst, Fleisch usw.; auch Nahrungsreste, wie Knochen, dürfen 
nicht zu Istibrä 3 oder Istinjä 3 verwendet werden 23 . 

3. Was zu ehren oder zu würdigen ist: jedes Körperteil, das noch mit 
dem Körper eines Tieres (bzw. anderen Menschen 24 ) verbunden ist; 
wenn allerdings Dinge wie Wolle (von zum Verzehr erlaubten Tie- 
ren) bzw. gegerbte Tierhaut (von den Ursprungstieren getrennt) vor- 
handen sind, ist es zulässig, damit den Istinjä 3 zu verrichten 25 . 



§ 20 

WAS BEIM ISTINJÄ', ISTIBRÄ' SOWIE DEM 

VERRICHTEN DES BEDÜRFNISSES BEACHTET WERDEN 

MUSS BZW. WAS ALS GUTE SITTE EMPFOHLEN IST 

Der Ort, wo man sein Bedürfnis nicht verrichten darf 

Man darf sein Bedürfnis (sowohl Urin als auch Kot) nicht an folgenden 
Orten verrichten: 

1 . Auf bzw. direkt an einem öffentlichen Weg oder an einem Platz, wo 
sich üblicherweise Menschen hinsetzen, weil man damit den anderen 
Menschen Schwierigkeiten bereitet 26 . 

2. In ein Erdloch bzw. bei einer Wand. In ein Erdloch soll man sein 
Bedürfnis nicht verrichten, wenn es sich um eine natürliche Aushöh- 
lung, eine Tierbehausung, handelt. Nähert man sich solch einem Erd- 
loch, setzt man sich der Gefahr aus, daß ein Tier, das sich darin 



17° HANDBUCH ISLAM 

befindet, dem Menschen Schaden zufügt, oder der Mensch kann dem 
Tier schaden; und beides ist zu unterlassen. 

Direkt bei einer Wand ist das Verrichten des Bedürfnisses entspre- 
chend untersagt, weil - speziell bei älteren Gebäuden - in dieser Wand 
in manchen Gegenden Tiere leben, die entweder dem Menschen Scha- 
den zufügen können, wenn er sich der Wand nähert, oder denen von 
ihm Schaden zugefügt werden kann 27 . 

3. Unter einem früchtetragenden Baum. Dort darf man darum nicht 
sein Bedürfnis verrichten, weil entweder bereits abgefallene Früchte 
verunreinigt werden können oder zumindest den Menschen, die die 
Früchte ernten, durch die Verunreinigung Schwierigkeiten bereitet 
werden. 

4. In stehendes Wasser. Dies soll man darum nicht tun, weil dadurch 
das Wasser verunreinigt wird und - wenn das Wasser in nur geringer 
Menge vorhanden ist - nicht mehr zur Reinigung und zum Trinken 
bzw. Kochen verwendet werden kann 28 . 

Das Betreten und Verlassen 
des Ortes, wo man sein Bedürfnis verrichtet 

1 . Für den, der zum Verrichten des Bedürfnisses eine Toilette oder ähn- 
liche Orte betritt bzw. sie anschließend wieder verläßt, ist es musta- 
habb, daß er beim Betreten den linken Fuß zuerst voransetzt und beim 
Verlassen des Ortes mit dem rechten Fuß voran hinausgeht 29 . 

2. An diesem Ort soll man weder einen Gottesnamen noch einen ande- 
ren zu ehrenden Namen nennen 30 ; allgemein gehört das Sprechen in 
der Toilette und ähnlich unreinen Orten als sehr schlechte Sitte. 

3. Es ist mustahabb, vor Betreten und nach Verlassen der Toilette und 
entsprechender Orte bestimmte Du'ä's zu sprechen; als Beispiel hier 
zwei Du'ä's aus sicheren Hadithen: 

Beim Betreten der Toilette bzw. des Ortes, wo man sein Bedürfnis ver- 
richtet (aber noch vor dem Ort selbst, nicht darin): 

Bismi lläh ... 

Allähumma inni a'üdhu bika mina l-khubuthi wa l-khabä'ith 

„Im Namen Gottes ... 

O Gott, ich nehme meine Zuflucht bei dir vor den männlichen und 

weiblichen unreinen Jinn". 

Beim Verlassen der Toilette bzw. des Ortes, wo man sein Bedürfnis 
verrichtet (schon außerhalb des Ortes selbst): 

Ghufränak 

al-hamdu li llähi lladhi adhhaba 'anni l-adhä wa 'äfini, 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT I7 1 

[al-hamdu li llähi lladhi adhäqani ladhdhatah, 

wa abqäfiya quwwatah, 

wa dafa'a c anni adhäh] 31 

„Ich erbitte Deine Verzeihung, (o Gott), 

Preis sei Gott, der mich vor Schaden bewahrt und mir die Gesundheit 

erhalten hat 
[Preis sei Gott, der mir (zuvor) den köstlichen Geschmack (der Speise) 

gewährt hat, 
mir danach Stärke gegeben hat 
und von mir das Übel (von diesem Ort - oder: von dieser Speise) 

ferngehalten hat]". 

Die Richtung, die man bei dem Verrichten 
des Bedürfnisses einnehmen muß bzw. nicht einnehmen darf 

i . Es ist demjenigen, der gerade sein Bedürfnis verrichtet, verboten (haräm), 
sich so hinzusetzen bzw. zu hocken, daß er mit seiner Brust und dem 
gesamten Körper in Q^/a-Richtung oder in Gegen- Q^fo-Richtung aus- 
gerichtet ist, sofern er sich im Freien und sich vor ihm nichts befindet, 
das ihn vor Blicken anderer abschirmt. Dasselbe gilt, wenn er sich wäh- 
renddessen in einem Gebäude(teil) befindet, der nicht zur Verrichtung 
des Bedürfnisses gedacht ist (also kein Toilettenraum usw. ist) 32 . 

Als Grundlage dienen hier die sicheren (sqhih) Hadithe (bei Muslim 
und al-Bukhäri), in denen der Prophet^gE sagt: 

„Wenn ihr zum Abort geht, so nehmt, wenn ihr Urin und Kot laßt, 
weder die Q^/0-Richtung ein, noch wendet euch in die Gegen- Qibla- 
Richtung, sondern wendet euch nach links oder rechts davon." 

2. Derjenige, der sein Bedürfnis verrichtet, soll sich im Freien nicht in 
Richtung der Sonne bzw. des Mondes wenden, aus Respekt, weil 
diese beiden als wichtige Zeichen Gottes in Seiner Schöpfung gelten. 

3. Derjenige, der gerade sein Bedürfnis verrichtet, soll, während er sein 
Bedürfnis verrichtet, nicht den Blick zum Himmel hinauf richten. 

Verhalten beim Verrichten des Bedürfnisses 

1 . Daß man sich mit der linken Hand säubert, indem man mit dieser 
Hand das Reinigungsmittel (Wasser und/oder etwas Festes wie Pa- 
pier, Stein usw.) nimmt und die Verunreinigung abstreift. Es ist dies- 
bezüglich makrüh, die rechte Hand zur eigentlichen Säuberung zu 
benutzen. 

2. Daß man während des Verrichtens des Bedürfnisses sowie beim Istinjä' 
- wenn möglich — nicht auf sein eigenes Geschlechtsteil bzw. auf das, 
was von dort an Ausscheidungen austritt, blickt. Auch soll man - 
wenn möglich - sein Geschlechtsteil währenddessen nicht anfassen. 



I7 2 HANDBUCH ISLAM 

Ist das aber (zur Reinigung oder aus bestimmten medizinischen und 
sonstigen körperlichen Gründen usw. 33 ) notwendig, so soll man den fe- 
sten zur Reinigung benutzten Gegenstand mit der rechten bzw. das 
Körperteil mit der linken Hand festhalten und sich so reinigen. 



KAPITEL 6 
DIE AUFHEBUNG DER REINHEIT (DER HADATH) 

§ 21 
ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 

Wörtlich bedeutet „Hadath": „Ereignis", „Geschehen". 

Im Recht bedeutet Hadath, das auf einem der beiden Ausscheidungs- 
wege (Harnröhre und Darmweg) etwas aus dem Körper austritt, wo- 
durch der Zustand der Reinheit (Tahära) aufgehoben wird. 

Es gibt zwei Arten des Hadath: 

* den größeren Hadath (Hadath akbar), und 

• den kleineren Hadath (Hadath asghar). 



8 22 

DIE BEIDEN ARTEN 
DER AUFHEBUNG DER REINHEIT 

Art und Aufhebung des größeren Hadath (Hadath akbar) 

Wenn jemand im Zustand der vollen rituellen Reinheit (Tahära) ist und 
der größere Hadath eintritt, so befindet er sich im Zustand der großen 
rituellen Unreinheit (Janäba)) die Person, die sich in der Jana ba befindet, 
wirdjunub (männl. Form) bzw. Junuba (weibl. Form) genannt 34 . 

Um den Zustand der Janäba aufzuheben, muß er den Ghusl (die Voll- 
körperwaschung) vollziehen; um die volle rituelle Reinheit zu erreichen, 
muß er danach noch den Wudü' (die Teilkörperwaschung) vornehmen 
(bzw. als Ersatzwaschung für beide Arten des Hadath den Tayammum; 
diese Art der T^Ära-Wiederherstellung gilt aber nicht uneingeschränkt; 
siehe dazu weiter unten). 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT I 73 

Im Zustand der Janäba darf man nicht nur gottesdienstliche Hand- 
lungen ( 'Ibädät), die volle Tahära erfordern, nicht tun, sondern man muß 
auch bestimmte andere Dinge unterlassen (siehe dazu weiter unten). 

Der Zustand einer Frau während ihrer Menstruation (Haid) und wäh- 
rend der Phase, in der bei und nach der Geburt unreine Körperflüssig- 
keiten wie Blut und Schleim austreten (Majas genannt), entspricht zwar 
nicht in seiner Art, aber in seiner Auswirkung dem Zustand der Janäba 
(das heißt: hinsichtlich der Dinge, die man während dieses Zustandes 
nicht tun darf). 

Art und Aufhebung des kleineren Hadath (Hadath asghar) 

Wenn sich jemand im Zustand der vollen rituellen Reinheit befindet 
und bei ihm der kleinere Hadath (Hadath asghar) eintritt, so muß er den 
Wudü' (bzw. Tayammum) verrichten, um wieder in den Zustand der vol- 
len Tahära zu gelangen. 

Für diesen Zustand - den nach dem kleineren Hadath - gibt es keinen 
speziellen Begriff wie im Fall der Janäba) statt dessen wird üblicherwei- 
se der Begriff „ Wudü*' so verwendet, daß man ihn als Zustandsbeschrei- 
bung auffaßt und sagt: „Ohne Wudü*\ das heißt im Zustand der klei- 
nen rituellen Unreinheit. In dem Zustand ohne Wudü' sind grundsätz- 
lich nur die reinen gottesdienstlichen Handlungen, die volle Tahära ver- 
langen, untersagt bzw. können nicht gültig verrichtet werden. 

Vergleich der beiden Arten des Hadath 

Bei beiden Arten des Hadath wird die volle Tahära aufgehoben, aber bei 
dem größeren Hadath sind die Einschränkungen größer; außerdem ist 
jemand, der im Zustand der Janäba ist, automatisch auch ohne Wudü', 
und daher muß auch zur Wiederherstellung der vollen Tahära außer 
dem Ghusl zusätzlich noch der Wudü' vorgenommen werden (bei Vor- 
nehmen der T^ömmwm-Ersatzwaschung genügt ein einmaliges Vorneh- 
men des Tayammum zur Wiederherstellung der Tahära - mit den Ein- 
schränkungen des Tayammum). 

Durch den kleineren Hadath jedoch wird nur der Wudü' (bzw. Tayam- 
mum) zur Wiederherstellung der vollen Tahära notwendig; wird, ohne 
daß ein Hadath akbar vorkam, ein Ghusl vorgenommen, so geschieht das 
in diesem Fall als zusätzliche Tat, nicht aber konkret aufgrund einer 
zwingenden Ursache. Meist wird ein solcher freiwilliger Ghusl aufgrund 
eines Anlasses, der durch die Sunna vorgegeben ist, wie das Betreten 
der Stadt Medina, vorgenommen. Es sei aber erwähnt, daß ein Ghusl 
einen Wudü' nicht ersetzen kann, wie auch umgekehrt ein Wudü' nicht 
einen Ghusl: denn jede Art der Waschung ist von der SharVa für eine 
andere Art von Hadath festgelegt 35 . 



174 HANDBUCH ISLAM 

Der Unterschied zwischen Hadath und Najas a 

Es besteht ein wichtiger Unterschied zum Zustand, daß man mit JVajäsa 
versehen ist: 

Wenn man im Zustand der rituellen Reinheit (Tahära) ist und eine 
Art des Hadath eintritt, so wird zur Wiederherstellung der rituellen Rein- 
heit die entsprechende dafür vorgesehene Waschung erforderlich. 

Wenn aber eine äußerliche, von außen herangekommene körperliche 
und rituelle Unreinheit (Najäsa) an Körper und/oder Kleidung anhaf- 
tet, so erfordert das weder Wudü' noch Ghusl, sondern ein ein- bis sie- 
benmaliges Waschen und unter Umständen auch ein gleichzeitiges 
Reiben mit Sand und ähnlichem 36 . Zur Aufhebung von solchen äußer- 
lichen Verunreinigungen (Najäsät) sind weder Teil- noch Ganzkörper- 
waschung gefordert; vielmehr ist es verpflichtend (!), zuerst die Verun- 
reinigung (Najäsa) durch die jeweils vorgeschriebene Art der Waschung 
aufzuheben, bevor man anschließend Ganz- [Ghusl) und Teilkörper- 
waschung ( Wudü) bzw. nur Wudü ' zur Erlangung der völligen rituellen 
Reinheit vornimmt. 

Wenn andererseits jemand im Zustand der vollen rituellen Reinheit 
(Tahära) ist und dann eine Verunreinigung (Najäsa) an seinem Körper 
bzw. seiner Kleidung anhaftet, so gilt doch weiterhin, daß er weder im 
Zustand der ,Janäba" noch dem „ohne Wudü'" ist; wenn er daher die 
Verschmutzung - wie jeweils vorgeschrieben - entfernt hat, ist die vol- 
le rituelle Reinheit ohne Einschränkungen wiederhergestellt. 

Zusammengefaßt: 
i . Die volle Tahära kann unabhängig voneinander aufgehoben werden 
durch 

a. einen oder beide Hadath 

b. durch Anhaften irgendeiner Najäsa 

2. Bei Vorhandensein von Wasser und Fehlen entsprechender Hinde- 
rungsgründe wird die Janäba bzw. der Zustand nach dem größeren 
Hadath nur durch den Ghusl aufgehoben. Unter entsprechenden Um- 
ständen wird der Zustand „ohne Wudü Xi bzw. nach dem kleineren 
Hadath nur durch den Wudü } aufgehoben. Sind entsprechende Hinde- 
rungsgründe vorhanden, hebt der Tayammum sowohl den Zustand nach 
dem größeren wie auch dem kleineren Hadath auf; dabei können, wenn 
beide Arten des Hadath aufgehoben werden müssen, auch beide durch 
einen einzigen Tayammum aufgehoben werden. 

Eine Najäsa kann weder durch Wudü' noch Ghusl, noch Tayammum 
aufgehoben werden, sondern nur durch die jeweils vorgeschriebene 
Waschung bzw. Abreibung. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 175 

Die volle Tahära wird (gegebenenfalls) nur durch Ghusl, Wudü 3 und 
Abwaschung bzw. Abreibung von JVajäsa erreicht; der Tayammum gilt 
nur auf Zeit - bis die Hinderungsgründe entfallen bzw. ein erneuter 
Hadath nach dem Vornehmen des Tayammum eintritt. 



KAPITEL 7 

DER ZUSTAND NACH DEM HADATH AKBAR 
(JANÄBA) 

§ 23 

BESCHREIBUNG DER JANÄBA 

Allgemeine Vorstellung 

Mit sjanäba" ist der Zustand nach dem Eintreten der größeren Unrein- 
heit [Hadath akbar) gemeint; dieser Zustand kann - wenn Wasser ent- 
sprechend den allgemeinen 7^<2ra-Bedingungen 37 vorhanden ist - nur 
durch einen Ghusl aufgehoben werden, ansonsten - bei den beim Tayam- 
mum vorgestellten Gründen - genügt der Tayammum zur Wiedererlan- 
gung der vollen Tahära^. Während des JWÄ^-Zustandes ist es unter- 
sagt, bestimmte Dinge zu tun (siehe dazu weiter unten). 
Es gibt zwei Ursachen, die die Janäba verursachen: 

1 . Der Austritt von Samenflüssigkeit beim Mann bzw. entsprechen- 
der Flüssigkeit bei der Frau. 

2. Eigentlicher Geschlechtsverkehr, mit oder ohne Austritt von Sa- 
menflüssigkeit. 

Die erste Ursache der Janäba: Austritt von Samenflüssigkeit 

Die erste Ursache, die Janäba verursacht, ist der Austritt von Samen- 
flüssigkeit beim Mann bzw. der entsprechenden Flüssigkeit bei der Frau, 
aus welchem Grund auch immer (abgesehen vom eigentlichen Ge- 
schlechtsverkehr) . 

So spielt es keine Rolle, ob der Ausstoß der Samenflüssigkeit durch 
eine aktive Handlung des Betreffenden eintrat, wie 

• Herumspielen an den Geschlechtsorganen, 

• bewußt vorgenommene Selbstbefriedigung (Istimnä) 

• bewußtes absichtliches Betrachten, Zuhören, Riechen von konkret 



176 



HANDBUCH ISLAM 



beim Betreffenden in ihren Auswirkungen vorhandenen Dingen 39 , 
von denen man weiß, daß sie einen sexuell erregen, 
oder ob der Ausstoß der Samenflüssigkeit durch ein Ereignis eintrat, 
bei dem die betreffende Person keine aktive Rolle einnahm, wie 

• Ausstoß von Samenflüssigkeit während eines sexuell erregenden 
Traumes (Ihtiläm) 

• sexuelle Erregung durch unabsichtliches Sehen, Riechen bzw. Hören 
von erregenden Dingen (speziell durch Umstände erzwungenes) 40 

• nicht willentliches Nachdenken über erregende Dinge. 

Die zweite Ursache der Janäba: eigentlicher Geschlechtsverkehr 

Der zweite Anlaß, der den Ghusl erforderlich macht, ist der eigentliche 
Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau 41 . Dabei ist der Ghusl auch 
dann erforderlich, wenn kein Ausstoß von eigentlicher Samenflüssigkeit 
beim Geschlechtsverkehr stattfand: der bloße Geschlechtsakt, die kör- 
perliche Vereinigung der primären Geschlechtsorgane 42 , genügt, um 
Janäba hervorzurufen und so den Ghusl erforderlich zu machen. 



§ 24 

WAS IM ZUSTAND DER JANÄBA VERBOTEN IST 

1. Das Gebet (Saläh) zu verichten, ob fard, wäjib (bei der Hanafiya) oder 
näfila, ob in Qö^oder^ä'-Form, als Einzelgebet oder Gemeinschafts- 
gebet. 

2. Sich in einer Moschee aufzuhalten oder durch sie (ohne Notwendig- 
keit) hindurchzugehen; wenn es aber aus irgendwelchen Gründen (zum 
Beispiel bei fehlenden anderen Zugängen zu bestimmten Gebäuden) 
notwendig ist, die Moschee zu betreten und durch sie hindurchzuge- 
hen, so ist das nicht verboten, sondern zulässig (jä'iz). 

3. Den Tflwäf(Umschreitung der Ka ( ba während des Hajj bzw. der ( Umra) 
zu verrichten, sei er Fard oder nicht. 

4. Das Rezitieren von Koranversen (mit der Absicht, das als Gottes- 
dienst zu tun, oder auch mit der Absicht des Unterrichtens bzw. Erler- 
nens, oder auch ohne besondere Absicht); das Rezitieren von bestimm- 
ten Versen bzw. Versstücken, die übereinstimmend islamrechtlich als 
Du'ä' bei bestimmten Gelegenheiten rezitiert werden sollen, ist nach 
manchen Gelehrten aber auch für einen Junub bzw. eine Junuba er- 
laubt bzw. zulässig (jä'iz). 

Übereinstimmend gilt weiter, daß es einem Junub/ einer Junuba er- 
laubt ist, im Inneren Koranverse zu rezitieren — ohne mit den Lippen 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT I 77 

oder der Zunge (in Isrär- oder Jahr-Form) zu rezitieren. Auch ist es im 
Zustand der Janäba erlaubt, auf geschriebene Koranverse zu blicken. 
5. Das Berühren des arabischen Korantextes (Mushqfj* 3 



KAPITEL 8 
MENSTRUATION (HAID) 

§ 25 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG VON HAID 

Mit Menstruation [Haid) ist im islamischen Recht der Ausfluß des Blu- 
tes gemeint, welches im Rahmen der Menstruation auf natürliche Weise 
austritt. Dabei gilt aber auch, daß nur für eine bestimmte Zeit von 
Tagen das austretende Blut als Menstruationsblut gilt: Wenn nach die- 
ser Frist weiterhin Blut austritt, gilt dies der rechtlichen Bestimmung 
nach nicht mehr als Haid (Menstruation), und die einschränkenden Be- 
stimmungen (das heißt die Bestimmungen darüber, was man während 
der Menstruation nicht tun kann/darf), sind dann aufgehoben. 

Die Normaldauer der Menstruation 

Üblicherweise dauert bei den meisten Frauen die eigentliche Blutung 
sechs bis sieben Tage an. Es ist außerdem festzustellen, daß oft eine 
Beziehung zwischen den Mondphasen und dem Monatsregelzyklus 
besteht. Besonders bei seelischer Anspannung — zum Beispiel Erwar- 
tung wichtiger Ereignisse, extreme Freude bzw. Trauer - kann die 
Normaldauer der Monatsregel weit über- und unterschritten werden 
(oft bis zu mehr als einer Woche). 

Es muß aber angemerkt werden, daß nur das direkte Austreten von 
Blut als »Haid 1 gilt, nicht aber das Ausfließen von gelblicher oder klarer 
Flüssigkeit, was bei vielen Frauen der eigentlichen Menstruation (das 
heißt der Blutung) vorausgeht. Auch wenn die Regel völlig durcheinan- 
dergerät und Phasen von Blutung und solche ohne Blutung rasch ein- 
ander abwechseln, gilt jede einzelne Phase der Blutung als einzelner 
Haid (einzelne, eigenständig zu zählende Menstruationsphase) - im Rah- 
men der Madhähib-Nl einungen, bei denen manche eine Mindest- und 
Maximaldauer der Menstruation festsetzen (siehe dazu weiter unten). 



i 7 8 



HANDBUCH ISLAM 



Allgemein gilt, daß im islamischen Recht zwischen zwei möglichen 
Zuständen bei einer Menstruation unterschieden wird: 

i . Die Periode einer Frau dauert für gewöhnlich eine genau bestimm- 
bare Zeit (zum Beispiel sechs Tage und fünf Nächte). 

2. Die Periodendauer schwankt häufig, um jeweils mehr als einen Tag 
mit dazugehöriger Nacht. 

Der erste Fall und die daraus folgenden Dinge: 
Die Periode dauert normalerweise eine bekannte, feste Zeitdauer an; 
dieser Fall tritt ein, wenn eine Frau mehr als zweimal eine gleichlange 
Periode hat, wobei sich die beiden Periodendauern nicht im Maß eines 
24-Stunden-Tages unterscheiden dürfen. 

Der zweite Fall und die darausfolgenden Dinge: 
Wenn eine Frau des öfteren Änderungen ihrer Periodendauer feststellt, 

gilt: 

1 . Wenn die Dauer einer betreffenden aktuellen Periode die Dauer 
der vorigen Periode um mindestens einen vollen 24-Stunden-Tag über- 
oder unterschreitet, so gilt die neue (aktuelle) Periodendauer als vorläu- 
fige Richtgröße. Wenn die darauffolgenden Perioden (also mindestens 
die dritte und vierte Periode) diese vorläufige Richtdauer nicht mehr - 
wie beschrieben - über- bzw. unterschreiten, gilt diese Frau als Frau 
mit (dieser) nun regelmäßigen Periode. 

2. Wenn aber keine feste Dauer für mehr als zwei Perioden hinterein- 
ander festzustellen ist (im Rahmen der 24-Stunden-Regelung), so gilt 
die jeweils letzte Periodendauer als vorläufige Richtgröße. 

Die Bedeutung der regelmäßigen Periode 

bzw. der Richtgröße der Periode 
Bei einer Frau mit regelmäßiger Periode gelten nach der Mälikiya beson- 
dere Bedingungen bezüglich der rechtlichen Bestimmung von Haid und 
Istihäda, nach den anderen Madhähib aber nicht. 

Des weiteren kann man nach Meinung aller Madhähib bei einer sol- 
chen Frau die 'Idda (Wartefrist der Frau in Scheidungsfällen) sehr si- 
cher festsetzen, und die Menstruationsdauer ist hier in diesem Fall ver- 
pflichtender Zeitmaßstab. 44 

Die Maximaldauer der Menstruation 

Nach den klassischen Rechtsmeinungen der Madhähib außer der Hanafiya 
dauert die natürliche Menstruationsdauer einer gesunden Frau bis ma- 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 179 

ximal fünfzehn Tage mitsamt den dazugehörigen Nächten. Dies gilt 
nach Meinung der Shäfi'iya und Hanbaliya. 

Hanafiya: Nach der Hanafiya jedoch ist die Maximaldauer der Menstrua- 
tion zehn Tage mit den dazugehörigen Nächten. 45 

Mälikiya: Die absolute Maximaldauer der Menstruation liegt bei fünf- 
zehn Tagen (mit den dazugehörigen Nächten). Wenn aber die Periode 
einer Frau gewöhnlich bei einer bestimmten Tagesdauer liegt und diese 
Dauer um mehr als drei Tage (mit den dazugehörigen Nächten) über- 
schritten wird, so gilt das dann austretende Blut ebenfalls als Istihäda- 
Blut. 

Wenn etwa eine Frau normalerweise eine Periode von sechs Tagen 
und Nächten hat und die betreffende, aktuelle Periode kurz nach Däm- 
merung einsetzt, beginnt die Zählung mit dieser Dämmerung und „ein 
Tag der Periode" (das heißt 24-Stunden-Abschnitt) beginnt dann je- 
weils mit der Dämmerung. Wenn dann Blut nach der Dämmerung am 
Ende des neunten Perioden-Tages und weiter danach austritt, gilt die- 
ses Blut als Istihäda-Blut (siehe weiter unten). 

Die Mindestdauer der Menstration 

Minimal dauert die natürliche Menstruation einen Tag und eine Nacht 
lang an; dies ist die Meinung der Madhähib außer der Hanafiya und Mä- 
likiya. 

Hanafiya: Als Mindestdauer setzt die Hanafiya eine Dauer von drei Ta- 
gen mit den dazugehörigen Nächten an. 

Mälikiya: Für die Mindestdauer kann keine feste Grenze angegeben 
werden, und grundsätzlich kann sogar eine Blutung von wenigen Au- 
genblicken als Menstruation gelten. 

Bezüglich der Wartefrist der Frau in Scheidungsfällen ( c Idda) gilt als 
Mindestdauer ein ganzer (24~Stunden-)Tag oder ein großer Teil des 
Tages (etwa die Hälfte, ein Drittel). 

Die „Reinheit von der Menstruation" (Tuhr) 

Der „Tuhr" (wörtl.: „Reinheit", hier: der zeitliche Zwischenraum zwi- 
schen dem Ende der einen und Beginn der nächsten Periode) wird - 
wie auch die Menstruationsdauer - festgelegt; der Tuhr hat bezüglich 



i8o 



HANDBUCH ISLAM 



der Erkenntnis, ob überhaupt eine Periode als beendet anzusehen ist, 
bezüglich der gottesdienstlichen Handlungen ('Ibädät) und bei der Schei- 
dung bzw. der 'Idda entscheidende Bedeutung. 

Die Mindestdauer der „Reinheit von der Menstruation" (Tuhr) 

Als Mindestdauer der „Reinheit von der Menstruation" (Tuhr) gilt - au- 
ßer nach der Ansicht der Hanbaliya - eine Dauer von fünfzehn Tagen. 
Hanbaliya: Nach der Hanbaliya gilt als Mindestzeitspanne zwischen zwei 
Menstruationszyklen eine Dauer von dreizehn Tagen. 

Wenn etwa eine Frau nach drei Tagen eigentlicher Menstruation (das 
heißt Blutaustritt) keine weitere Blutungen mehr hat und dieser Zustand 
für vierzehn Tage 46 (im Sinne von 24-Stunden-Abschnitten) oder weni- 
ger andauert, bis dann wieder eine Blutung einsetzt, so gilt dieser Zwi- 
schenraum zwischen den beiden Blutungen nicht als Tuhr, sondern - 
der rechtlichen Bestimmung nach, im nachhinein betrachtet - als Haid 
(Menstruation) 47 . Dabei spielt es - außer nach Ansicht der Shäfi'iya - 
keine Rolle, ob die beiden Blutungen beides Menstruationsblutungen 
sind oder ob die erste Blutung Monatsblutung nach einer Geburt (Nafis) 
ist und die zweite Menstruationsblutung. 

Shäfi'iya: Die Mindestdauer für Tuhr ist zwar nach Ansicht der Shäfi'iya 
- wie auch nach der der Hanafiya und Mälikiya ~ fünfzehn Tage, doch 
wird in der Shäfi'iya als Bedingung festgelegt, daß die Zeitspanne von 
Tuhr zwischen zwei Menstruationsblutungen liegen muß. 

Wenn aber die erste Blutung Monatsfluß nach der Geburt (Najas) war, 
die zweite Blutung Menstruationsblutung (Haid), so gilt, daß es keine 
zeitliche Untergrenze (in Tagen gemessen) für Tuhr gibt: Wenn etwa 
nach Najas die Blutung für einen Tag (das heißt 24 Stunden) endet und 
darauf wieder Blutungen (also von Menstruation) einsetzen, so gilt die 
Zwischenzeit als Tuhr. 



Die Maximaldauer der „Reinheit von der Menstruation" (Tuhr) 

Eine Obergrenze für Tuhr gibt es in Übereinstimmung der Rechtsschulen 
nicht. Wenn etwa eine Frau nach einer Blutung für Wochen, Monate, 
Jahre oder sogar bis an ihr Lebensende keine Blutung mehr bekommt, so 
gilt sie für diese ganze Zeit ohne Blutung als Frau im Zustand von Tahära. 
Bezüglich der 'Idda aber gilt hier, daß man von Mondmonaten zur 
Berechnung von Tuhr und Haid ausgeht 48 . 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT l8l 

§ 2 6 

DIE SCHEINPERIODE (iSTIHÄDA) 

Wenn Blut über die längste Dauer des Austritts von Menstruationsblut 
hinaus austritt, so gilt dieses austretende Blut nicht mehr als Menstrua- 
tionsblut (Dam al-Haia), sondern als solches der „scheinbaren Menstrua- 
tion" (Istihäda). 

Wenn Istihäda-Bhit austritt, wird zwar der Wudü' hinfällig (der dabei 
eintretende Zustand entspricht dem Hadath asghar), doch der Ghusl wird 
dadurch - im Gegensatz zum Haid-Bhit - nicht erforderlich. In diesem 
Fall wäscht die betroffene Frau das Blut ab und legt eine schützende 
Binde an. Sie gilt nicht als Hä'id (Menstruierende) und nicht ahjunuba, 
und sie unterliegt nicht den Einschränkungen der Junuba bzw. Hä'id. 

Wenn sie beten will, sorgt sie lediglich dafür, daß das Istihäda-Bhit 
abgewaschen ist, eine sichere Binde angelegt ist, und vollzieht den Wudü'\ 
das genügt, um ihre volle Tahära wiederherzustellen, und sie kann dann 
das betreffende Gebet verrichten. 

Wenn das Blut regelmäßig austritt, gilt aber auch, daß sie - wie je- 
mand, bei dem stetig Urin austritt - stets vor jedem Gebet neu ihren 
Zustand überprüfen und jedesmal den Wudü } neu verrichten muß. 



§ 27 

WAS IM ZUSTAND DER 
MENSTRUATION (HAip) ZU TUN UNTERSAGT IST 

1. Das Gebet (Saläh) zu verrichten (wie bei der Janäba). 

Was ihr von den täglichen Pflichtgebeten während der Menstruati- 
on entging, wird nicht nachgeholt 49 . 

2. Rezitation von Koranversen und Berührung des Mushaf (wie bei der 
Janäba). 

3. Betreten und Hindurchgehen durch eine Moschee. 

Grundsätzlich gilt hier für eine Menstruierende dasselbe wie für 
jemanden im Zustand der Janäba. Allerdings kommt bei der Menstru- 
ierenden noch hinzu, daß es ihr verboten ist, überhaupt die Moschee 
zu betreten, wenn sie nicht sicher sein kann, daß nicht etwas von dem 
Blut oder anderem Unreinen von ihrer Kleidung usw. auf den 
Moscheeboden gelangen kann. Das gilt insofern, als es generell un- 
tersagt ist, etwas Unreines (JVajäsa) in die Moschee zu bringen oder 
den Boden oder anderes in ihr damit zu beschmutzen. 



l82 



HANDBUCH ISLAM 



Wenn sie sich aber sicher ist, daß das in ihrem Fall nicht geschehen 
kann, so gelten bei ihr die allgemeinen, schon oben vorgestellten Be- 
dingungen. 

4. Das Verrichten des Tawäf während des Hajj und der 'Urnra. 

5. Das Fasten (Saum); es ist der Menstruierenden nicht erlaubt zu fasten, 
sei es ein Pflichtfasten oder ein freiwilliges, eines in Ada 3 oder in Qadä 3 
tax verrichtendes. Dies gilt in Ijmä\ 

Die Tage des Pflichtfastens, die einer Menstruierenden entgehen, 
müssen von ihr nach dem Ende der Blutung sofort 50 nachgeholt wer- 
den, im Gegensatz zu den täglichen Pflichtgebeten. Es ist verpflich- 
tend, daß sie - im Zweifelsfall - sofort mit dem Fasten beginnt, selbst 
wenn sie sich noch nicht durch einen Ghusl von der Unreinheit des 
Haid gereinigt hat. 

6. Der eigentliche Geschlechtsverkehr und Berührung des engeren Aura- 
Bereichs bei der Menstruierenden; das heißt, es ist dem Ehemann 
einer Menstruierenden nicht erlaubt, den eigentlichen Geschlechts- 
verkehr zu vollziehen oder die 'Aura und den direkt angrenzenden 
Bereich (das heißt das, was zwischen Nabel und Knie liegt) in Form 
von indirektem Geschlechtsverkehr oder Stimulation (ohne trennen- 
den Stoff und dergleichen) mit seinem Körper zu berühren. 



KAPITEL 9 

BLUTUNGEN BEI DER GEBURT 
UND MONATSFLUSS (NAFÄS) 

§ 28 

ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 

Als Najas wird der Ausfluß von Blut kurz vor der eigentlichen Geburt, 
während der Geburt und vor allem nach der Geburt bezeichnet, und 
eine Frau in diesem Zustand wird Nafsä 3 genannt (also „Frau im JVqßs- 
Zustand"). 

Im Deutschen gibt es keine völlig entsprechende Ubersetzungsmög- 
lichkeit des Wortes JVqßs; aber bezüglich der Blutungen nach der Ge- 
burt gibt es den Begriff „Monatsfluß" (das heißt „Ausfluß von Blut für 
- mindestens - einen Monat", oder: „Ausfluß, der der Monatsregel 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



183 



ähnelt"), der hier wohl am besten entspricht, weil ja auch mit „Najas 11 
meist die Blutung nach der Geburt gemeint ist. 

Es gilt allerdings folgende Regel: 

Nach Meinung der Rechtsschulen - außer der Shäfi'iya - wird eine 
Frau nur dann als Nafsä } betrachtet, wenn sie ein voll ausgebildetes Kind 
oder zumindest - bei Frühgeburt - ein Kind in so ausgebildeter Form 
zur Welt bringt, daß Finger und Zehen, Gliedmaßen, Haar usw. schon 
erkennbar sind; wenn aber ein nicht ausgebildeter Klumpen oder ein 
eindeutig noch nicht derart ausgebildeter Körper wie oben beschrieben 
geboren wird, so gilt das nach dieser Geburt austretende Blut nicht als 
Nafis-Blut. 

Shäfi'iya: Auch wenn nur ein Klumpen oder etwas nur entfernt einem 
menschlichem Körper Ähnliches zur Welt kommt, so gilt das danach 
austretende Blut als Nafis-Blut. 



§ 29 

DIE RECHTLICHE BESTIMMUNG VON NAFÄS 

Die rechtliche Bestimmung (Hukm) von Nafis - bezüglich dessen, was 
eine Nafsä' an 'Ibädät und sonstigen Handlungen nicht tun darf - ent- 
spricht derjenigen von Haid (Menstruation). 



§ 3° 

UNTERSCHIEDE VON HAID UND NAFÄS 
IN RECHTLICHER UND SONSTIGER HINSICHT 

Eine Blutung bei Haid ist ein einheitlicher, ununterbrochener Vorgang, 
das heißt, sobald die Menstruationsblutung (nach einer Mindestdauer 
der Blutung) aufhört, wird auch die betreffende Menstruation als been- 
det betrachtet. 
Bei Nafis ist die Lage etwas schwieriger: 

1 . Oft hört die Blutung für einen oder mehrere Tage auf, um dann 
wieder einzusetzen. 

2. Es läßt sich wohl eine Maximaldauer von Nafis festsetzen, aber 
bezüglich einer Minimaldauer ist das kaum möglich - wenngleich es, 
wie auch bei der Menstruation, eine meist zu beobachtende Dauer gibt. 

3. Falls die Blutung des öfteren für mehr als einen Tag unterbrochen 
wird, stellt sich die Frage, ob damit die Verpflichtung zum täglichen 



184 HANDBUCH ISLAM 

Pflichtgebet und zum Pflichtfasten im Ramadan wieder einsetzt; dazu 
werden in den Rechtsschulen verschiedene Meinungen und Lösungen 
vertreten. 
Dazu nun die wichtigsten Punkte in Einzeldarstellung. 



§ 3 1 

DIE MAXIMAL- BZW. NORMALDAUER VON NAFÄS 

Die Maximaldauer von Näfäs wird zugleich auch als die „normale", 
meist zu beobachtende Dauer davon betrachtet und wird von den 
Rechtsschulen verschieden angegeben, wobei gilt: Wenn die Blutung 
über diese Frist weiter anhält, gilt das grundsätzlich als Istihäda-Blut, 
mit den gleichen Bestimmungen wie schon bei Istihäda nach der Men- 
struation 51 . 

Allgemein gilt, daß der Beginn von JVqßs der Moment des ersten Blut- 
austritts ist, und von diesem Zeitpunkt an wird berechnet, so daß Najas 
nach 40 x 24 Stunden zur selben Uhrzeit am Tag aufhört, wenn Nafis 
zu dieser Uhrzeit in der Nacht einsetzte, und daß Nafis umgekehrt zur 
entsprechenden Uhrzeit in der Nacht aufhört, wenn die Blutung am 
Tag einsetzte. 

Hanafiya und Hanbaliya: Die Maximaldauer von Nafis beträgt vierzig 

Tage, mit den dazugehörigen Nächten. 

Shäfi'vya: Die Maximaldauer von Nafis beträgt sechzig Tage mit den 

dazugehörigen Nächten, wenngleich die übliche Dauer vierzig Tage 

und Nächte ist. 

Mälikiya: Die maximale und zugleich übliche Nafis-T>diUtv ist sechzig 

Tage und Nächte. 



§ 32 

WENN DIE NAFÄS-BLUTUNGEN VOR ENDE 
DER NORMALDAUER DES ÖFTEREN AUFHÖREN 

Falls innerhalb der Zeit 

• vom ersten Tag nach der Geburt, bzw. 

• der ersten Nacht nach der Geburt, bzw. 

• vom Moment der ersten Blutung an 

bis zum Maximal-Ende der Nafis-Zeit (das heißt nach 40 oder 60 Ta- 
gen) eine Folge von einem oder mehreren Tagen (aber weniger als fünf- 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



l8 5 



zehn ununterbrochen aufeinander folgenden Tagen) ohne Blutung ein- 
tritt, so gelten nach den Madhähib unterschiedliche Ansichten zur Ver- 
pflichtung zum Pflichtgebet bzw. Fasten im Ramadan. 

Wenn aber fünfzehn Tage (das heißt mit den dazugehörigen Näch- 
ten) ohne Blutung ununterbrochen vergangen sind, gilt in Übereinstim- 
mung der Rechtsschulen - außer der Hanbaliya - der Nafis als beendet, 
selbst wenn danach wieder Blutungen einsetzen (solche Blutungen wer- 
den in diesem Fall übereinstimmend als Menstruationsblut, nicht aber 
als Istihäda-Blut betrachtet). 

Hanafiya: Auch wenn innerhalb eines Zeitraumes von vierzig Tagen nach 
der Geburt die jVö/ö^-Blutung des öfteren aussetzt, und sei es auch für 
fünfzehn Tage und Nächte ununterbrochen hintereinander oder mehr, 
so befindet sich die Frau doch weiterhin (während dieser vierzig Tage 
und Nächte) im Zustand von Nqßs 52 . 

Mälikiya: Wenn während der Dauer eines halben (Mond-)Monats ein 
ständiger Wechsel von Blutung und der Unterbrechung der Blutung zu 
beobachten ist, so gilt die Frau nach dem Ende dieser Monatshälfte 
(also nach 1 5 Tagen) 53 als im Zustand der Reinheit befindlich, und das 
dann austretende Blut gilt dann als Menstruationsblut. 

Wenn dieser stetige Vermischungs zustand aber nicht so lange an- 
dauert (wenn also die Blutung ununterbrochen für jeweils mehrere Tage 
andauert) 54 , so geht man von der Maximaldauer des Najas aus, indem 
die Frau so lange als im jVö/ßj-Zustand befindlich gilt, bis alle Blutungs- 
tage zusammengenommen maximal sechzig Tage (mit den dazugehö- 
rigen Nächten) ergeben: dann spätestens gilt der Najas als beendet. 

Wenn sich während der Zeit der Vermischung von Blutung und Nicht- 
Blutung an einem Tag (das heißt während 24 Stunden) keine Blutung 
eingestellt hat, so muß die Frau alle 7ÄÄ<fö-Handlungen verrichten, die 
eine Frau im Reinheitszustand auch verrichten muß, nämlich Beten 
sowie (gegebenenfalls) das Ramadän-Yüichtf asten. 

Shäfi'iya: Wenn die tatsächliche Blutung für fünfzehn Tage und den 
(wenn auch geringen) Teil eines weiteren Tages ununterbrochen aus- 
setzt, wird die Frau anschließend nicht mehr als Najsä' betrachtet, son- 
dern als im Zustand der Reinheit [Tahära) befindlich; solange aber diese 
Unterbrechung noch keine fünfzehn Tage (mit dazugehörigen Näch- 
ten) andauerte, gilt die Frau als Najsä\ 

Kommt aber direkt nach der Geburt kein Blut mehr und tritt auch 
während der fünfzehn folgenden Tage und Nächte kein Blut aus, so 
gilt die Frau als im Zustand der Reinheit ( Tahära) befindlich. 



i86 



HANDBUCH ISLAM 



Kommt nach einer Zeitspanne von fünfzehn Tagen ohne Blutaus- 
tritt erneut Blut, so gilt das als Menstruationsblutung (Haia) y aber nicht 
mehr als neu einsetzende Nqfis-Blutung. 

Hanbaliya: Wenn die Blutung für mehr als einen Tag (das heißt wäh- 
rend 24 Stunden) aussetzt, so muß die Frau alle Pflichten ( Ibädät) erfül- 
len, die auch eine Frau im Reinheitszustand erfüllen muß. 



KAPITEL 10 
DIE TEILWASGHUNG (WUDÜ') 



§ 33 

ALLGEMEINE BESCHREIBUNG UND AHKÄM DES WUDÜ' 

Allgemeine Beschreibung des Wudü' 

Wörtlich bedeutet „ Wudü'": „Reinheit, Frische, Sauberkeit". Als Fach- 
begriff im Recht bedeutet „ Wudü'" eigentlich zweierlei: 

1 . Das Vornehmen der kleinen rituellen Waschung 55 , um den Zustand 
der kleineren rituellen Unreinheit (Hadath asghar) aufzuheben und in 
den Zustand der rituellen Reinheit ( Tahära) zu gelangen. 

2. Der Zustand der Reinheit (Tahära) von der kleineren rituellen Unrein- 
heit (Hadath asghar) 56 . 

Der Wudü' verläuft grundsätzlich so 57 : Man faßt die Absicht, 
den Wudü' vorzunehmen. Dann spricht man die Basmala (Bismi 
lläh [ar-Rahmäni r-Rahim] und wäscht sich zunächst dreimal die Hände 
und befreit sie gegebenenfalls von jeglichem Schmutz (besonders unter 
den Fingernägeln); dabei spreizt man etwas die Finger und führt die 
Fingerspitzen der anderen Hand zwischen die so entstandenen Zwi- 
schenräume und reibt leicht das Wasser darin. 

Dann schöpft man Wasser mit der rechten Hand, nimmt dieses Was- 
ser in den Mund, spült den Mundraum damit aus und spuckt dann das 
verbrauchte Wasser wieder aus; dieser Vorgang heißt Mundspülung 
(Madmada) und wird dreimal wiederholt. 

Darauf schöpft man mit der rechten Hand Wasser und führt das 
Wasser so unter die Nase und dann mit einer Bewegung in die Nasenlö- 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



187 



eher, daß das Wasser in die Nasenlöcher hineinkommt (aber es soll nicht 
zusätzlich durch Hochziehen in den Nasenrachenraum hineingelangen: 
das ist weder angenehm noch überhaupt erwünscht), dann preßt man 
durch leichten Luftdruck von innen das Wasser wieder heraus; dieser 
Vorgang heißt Nasenreinigung (Istinshäq) und wird ebenfalls dreimal 
wiederholt. Sofern bei einer oder mehreren der drei Nasenreinigungen 
Unreinheiten wie Rotz und feste Unreinheiten dabei herausgespült wer- 
den, entfernt man sie sofort mit der linken Hand und wäscht diese 
auch sofort. Spürt man außerdem, daß Unreinheiten trotz der Waschung 
in der Nase verblieben sind und dort mehr oder weniger fest anhaften, 
so nimmt man einen Finger der linken Hand zur Hilfe, um diesen 
Schmutz zu entfernen, und wäscht gegebenenfalls die benutzte Hand 
von noch anhaftenden Schmutzteilchen. 

Daraufhin schöpft man mit beiden zusammengehaltenen Händen 
Wasser und wäscht sich das Gesicht, wobei man bei der Stirn 
anfängt, bei dem Kinn endet und in einer möglichst gleichmäßigen 
Bewegung das ganze Gesicht mit Wasser bedeckt. Dabei 
muß auch der Raum um die Augen sowie die Nase mitgewaschen wer- 
den. Falls man einen kräftigen Vollbart hat, kann man die Haut dar- 
unter oft nicht mitwaschen; in diesem Fall wird der Bart - wenn er 
wirklich dicht und kräftig ist - nur an seiner Oberfläche regelrecht 
gewaschen, dann aber geht man mit feuchten Fingern etwas durch die 
Barthaare, ohne aber das Barthaar dabei unordentlich zu zerwühlen. 
Diese Gesichts Waschung verrichtet man dreimal hintereinander. 

Dann wäscht man dreimal hintereinander erst den rechten, 
dann den linken Unterarm, wobei man Wasser in die gewölbte 
Handfläche schöpft und dabei den Unterarm in etwa waagerecht hält; 
dann hebt man den Unterarm an, so daß das Wasser den ganzen Un- 
terarm hinunterläuft, wobei man das Wasser auf der Haut durch Strei- 
chen, dann auch leichtes Reiben mit der Handfläche jeweils vom Hand- 
gelenk bis zum Ellenbogen auf ihm verteilt. Der Ellenbogen 
muß durch Umstreichen und Mitwaschen dabei miterfaßt werden. 

Dann läßt man Wasser auf die beiden Handflächen laufen, schöpft 
aber nicht, sondern macht die Hände nur sehr naß, und streicht 
dann über den Kopf (je nach Gelehrtenansicht über den ganzen 
Kopfbereich, auf dem normalerweise Kopfhaar wächst, oder nur über 
einen Teil davon), wobei man beim Stirnteil des Kopfhaares beginnt 
und die Hände nach hinten streicht (bzw. erst nach hinten, dann wie- 
der nach vorne). Dieser Vorgang heiß das Bestreichen des Kopfes (al- 
Mash ( alä r-Ra's) und wird nur einmal durchgeführt. 

Dann bestreicht man mit neu aufgenommenem Wasser die Ohren, 
wobei man die Hände bzw. Finger sehr naß macht und so dreimal 



i88 



HANDBUCH ISLAM 



hintereinander die Innen- und Außenteile der Ohrmuscheln wäscht, 
ohne aber eine regelrechte Ohrspülung zu machen oder Wasser ins In- 
nere des Gehörgangs zu bringen (das ist weder gemeint noch gefor- 
dert). Beide Ohrmuscheln werden dabei gleichzeitig gewaschen. Wenn 
in den Ohrmuscheln Schmutz - wie Staub oder nach außen gekomme- 
ner fester Ohrenschmalz usw. sitzt, wäscht man diesen Schmutz durch 
die Finger weg und wäscht anschließend kurz die Finger selbst. 

Dann macht man beide Hände vollständig naß und führt sie gleich- 
zeitig zum Nacken, der dann von hinten mit den Handrücken feucht 
bestrichen wird. Dieses Bestreichen des Nackens wird nur einmal aus- 
geführt. 

Dann wäscht man die Füße, zuerst den rechten, dann den 
linken, jeweils drei Mal, wobei man beim hinteren Teil des Fußes be- 
ginnt und bei den Zehen endet 58 ; dabei führt man das Wasser mit den 
Fingern auch zwischen die gespreizten Fußzehen 59 . Es ist wichtig, daß 
auch die Fußknöchel mit gewaschen werden. 

Anschließend wäscht man gegebenenfalls noch einmal die Hände. 
Dann spricht man den Tashahhud sowie ein oder mehrere Du'ä's, am 
besten in der Form: 

Ashhadu al-lä iläha illä llähu wahdahü lä sharika Iah 

wa ashhadu anna Muhammadan 'abduhü wa rasüluh 

„Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, einzig ist Er, 

keiner ist ihm beigesellt, 

und ich bezeuge, daß Muhammad Sein Diener und Sein Gesandter 

ist". 

Als Du'ä' spricht man darauf am besten eines oder beide der folgenden 
Du'ä'r. 

Allähummafalni mina t-tawwäbina waj'alnimina Umutattahhinn 

„O Gott, mache mich zu einem derer, die stetig bereuen, und zu 

einem derer, die sich reinigen und rein halten". 

Subhänaka llähumma wa bi-hamdik 

ashhadu al-lä iläha illä ant 

astaghfiruka wa atübu ilaik 

„Gepriesen seist Du, o Gott, und Dich will ich zum Dank preisen. 

Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Dir, 

Dich bitte ich um Deine Vergebung, und Dir wende ich mich in Reue 



Damit ist der Wudü' beendet. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 



l8 9 



Allgemeiner Hukm des Wudü 3 

Der Tawaddu 3 (das Vornehmen des Wudü) ist nur dann verpflichtend 
(fardf , wenn man eine Handlung verrichten will, zu der der Wudü' not- 
wendig ist, wobei es keine Rolle spielt, ob die betreffende Handlung, 
die den Wudü 3 als Pflicht erfordert, mandüb,fard usw. ist. Dies sind: 

1. Das Gebet (Saläh) in all seinen Formen und Arten, ob nun fard oder 
näfila. 

2. Süjüd at-Tiläwa (die Niederwerfung bei der Rezitation [bestimmter 
Äyäß). 

3. Süjüd lish-Shukr (die Niederwerfung zum Dank) 61 . 

4. Der Tawäf während der Pilgerfahrt (Hajj und 'Urnra), ob nun fard oder 
näfila. 

5. Das Rezitieren und Berühren des Mushaf [des arabischen Korantextes) 
- ob es sich dabei um den gesamten Text, einen größeren Teil davon 
oder nur eine einzige Aya handelt. 

Zu diesem letzten Punkt gibt es - in Abhängigkeit der Situation des 
Berührens und der jeweiligen Rechtsschule - verschiedene Ansichten 
und besondere Bestimmungen, die in zwei Extrapunkten behandelt 
werden sollen. 

Die Ahkäm des Wudü 3 bezüglich des Berührens des Mushaf 
[vollständiger, gebundener Korantext) 

1 . Das bloße Rezitieren aus dem Gedächtnis, ohne daß man während- 
dessen vom arabischen Korantext - als Gottesdienst ( { Ibäda) - abliest, 
erfordert keinen Wudü 3 . 

2. Das Rezitieren von Korantext als Gottesdienst ('Ibäda); dazu ist in 
absoluter Übereinstimmung sowohl der Wudü 3 als auch das Freisein 
von der Janäba (großen rituellen Unreinheit) vonnöten. 

Als Ausnahme ist das Rezitieren ganz bestimmter 4^-Stellen zuläs- 
sig, wenn dies als Du'ä '-Rezitation geschieht - wo das Rezitieren die- 
ser Äyät erwünscht [mandüb) ist. In diesem Fall ist das Rezitieren dieser 
Äyät auch kein eigentliches Rezitieren des Koran, da hier das Du e ä 3 - 
und nicht die Korantextrezitation als solche - im Vordergrund steht. 

3. Das Vortragen, leise und laute Rezitieren des Korantextes; dazu ist 
grundsätzlich der Wudü 3 erforderlich, es sei denn, es geschieht im 
Rahmen eines Unterrichts und es ist schwierig bzw. unmöglich, bei 
Zunichtewerden des Wudü 3 den Wudü 3 zu erneuern; in diesem Fall ist 
es zulässig, auch ohne Wudü 3 den Korantext in Unterrichtsform vor- 
zutragen (nicht aber als eigentliche Ibädd). 

4. Das Tragen des Mushafbzw. einiger Teile des Mushaf bzw. eines Tex- 
tes, der überwiegend aus Koranversen besteht; üblicherweise wird 



19° HANDBUCH ISLAM 

ein Tafsir (Korankommentar), der zu mindestens der Hälfte oder mehr 
aus Nicht-Korantext besteht, nicht im hier gemeinten Sinn als Koran 
gesehen, und in diesem Fall stellt sich das Problem der Tahära so nicht. 
5. Das Berühren der Schrift (das heißt von gedrucktem, handgeschrie- 
benem oder sonstwie festgehaltenem Korantext) selbst erfordert den 
Wudü\ dabei spielt es keine Rolle, ob dieser Text innerhalb eines voll- 
ständigen Müshqf(a.h Buch gebundenen Korantextes) ist oder inner- 
halb eines anderen Textes; dabei muß ganz klar sein, daß es sich um 
Ayät oder zumindest Teile davon handelt (zum Beispiel durch Her- 
vorhebung in Form von Schmuckklammern zu Beginn und am Ende 
des Textes, Anführungszeichen, Versendzeichen - meist kreisförmi- 
ge Ornamente, usw.). 

Wie man sich bezüglich des Wudü > verhalten muß, 
wenn Extremsituationen bezüglich des Koranberührens eintreten 

Der Koran ist das direkte, unverändete und wörtlich geoffenbarte Wort 
Gottes; er und alles, was direkt mit ihm zusammenhängt - besonders 
seine Rezitation und seine schriftliche Form, der Mushqf-, muß geach- 
tet, geehrt und bewahrt werden. Jede Form von Beleidigung des Ko- 
rans in Wort und Tat, jede entwürdigende Form der Aufbewahrung 
und des Tragens des MushafmuQ, wenn sie absichtlich und gewollt statt- 
findet, beim Muslim als Unglaube (Kufr) und Abfall vom Glauben 
(Ridda, Irtidäd) betrachtet werden. 

Geschieht es unabsichtlich, daß jemand den Koran in unwürdiger 
Form aufbewahrt, hält, hinstellt usw., so ist das zwar seitens des bzw. 
der Verantwortlichen kein Unglaube (Kufr) oder Abfall vom Glauben 
(Ridda, Irtidäd), aber es muß - entsprechend der Möglichkeiten desjeni- 
gen, der diese Lage vorfindet, Abhilfe geschaffen werden. 

Dabei sind besonders die folgenden Fälle wichtig: 

Wenn man einen gesamten Mushqfoder auch Teile davon in einer Moschee bzw. 
einem Ort, wo Muslime das Hausrecht haben, in einer unwürdigen Lage vorfindet 
Wer etwa einen Mushaf sieht, der 

• in einem Stapel von beliebigen Papieren liegt, 

• auf dem flachen Boden liegt, ohne daß zum Beispiel ein Muslim oder 

eine Muslimin gerade darin rezitiert und im Moment den Sujüd at- 
Tiläwa ausführt (und dazu den AfujAö/eventuell auf den Boden legen 
muß), 

• geöffnet daliegt, wobei die Seiten geknickt bzw. verknittert sind, 

• bereits sehr alt und zerlesen ist und bei dem mehrere Seiten nur lose 
und ungeordnet aus dem Deckel ragen oder sogar aus dem Einband 
herausgefallen sind 62 , 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT I9 1 

der muß den Mushaj "bzw. seine Teile 

• so schnell wie möglich nehmen, 

• gegebenenfalls lose Seiten sauber einordnen, 

• den Mushaj "von Staub usw. befreien, geknickte und verknitterte Sei- 

ten vorsichtig glattstreichen bzw. zwischen anderen Seiten des Mushaj 
glatt einlegen und durch das Eigengewicht der Seiten glattpressen 
lassen 

• den Mushqf geschlossen auf eine erhöhte, saubere Stelle legen (wie 
ein Schrankregalbrett, einen Schrankvorsprung und dergleichen). 

Dies gilt, wenn man den Wudü' noch hat, absolut. Ist man aber im Zustand 
ohne Wudü', so muß man die Lage abschätzen: Wenn man die Gefahr 
sieht, daß etwa ein nicht mehr korrekt gebundener Mushaj 'in seine Ein- 
zelteile zerfällt wird oder mit anderen Papieren einfach weggetragen 
wird, so muß man sofort handeln. 

Wenn man im Moment keinen Wudü'' ausführen kann, nimmt man 
dann am besten den Tayammum vor; ist das auch nicht möglich, muß 
man sofort - ohne Wudü' bzw. Tayammum - den Mushaj'm der beschrie- 
benen Weise schützen. 

Ist man in dieser Lage jedoch junub oder als Frau im Zustand der Men- 
struation, so muß man es wenn möglich vermeiden, den Mushajzu berüh- 
ren, und zunächst jemanden, der die volle Tahära hat bzw. weder junub 
noch menstruierend ist, darum bitten, das Nötige zu tun; ist aber nie- 
mand in diesem Zustand anwesend bzw. dazu bereit, das Nötige zu 
tun, so muß man eine Hülle aus Stoff oder dergleichen nehmen und 
den Mushajdtrart mittelbar tragen. 

Wenn man befürchten muß, daß ein Mushaj oder ein Teil davon entehrt, beleidigt, 

beschmutzt oder zerstört wird bzw. wenn man eine dieser Handlungen real 

beobachtet 
Wer einen Mushaj oder Teile davon in einer Lage sieht, die befürchten 
läßt, daß Schmutz bzw. Najäsa auf ihn kommt (zum Beispiel auf der 
Straße, wo Dreck, Abfall und Kot sind) bzw. daß er zerstört wird (zum 
Beispiel direkt in der Nähe eines Feuers oder eines Teiches oder sogar 
schon darin ist), der muß sofort etwas unternehmen, indem er hingeht 
und den Mushajbzw. den Mushaj-Ttil aufhebt, säubert (soweit möglich) 
und mitnimmt. 

Das gilt absolut, sofern nicht für ihn direkte Gefahr für sein Leben 
besteht (zum Beispiel auf einer gerade stark befahrenen Autostraße bzw. 
Autobahn): Bei Gefahr muß man entsprechend der Lage alles versu- 
chen, um den Mushaj bzw. seine Teile zu bergen. In dieser Extrem- 
situation ist es auch gleichgültig, ob man Muhdath (im Zustand von 
Hadath) ist oder nicht; allerdings soll man dann - wenn vorhanden - 



I9 2 HANDBUCH ISLAM 

den Mushaf in einer Hülle aus Stoff, Papier, in einer Tasche oder der- 
gleichen transportieren. Wer jemanden sieht, der den Koran in solcher 
Art entehrt, muß zunächst versuchen, ihn davon abzubringen. 

Wenn derjenige seinem Namen bzw. seiner Behauptung nach oder 
aufgrund der Zeugenaussage eines anderen Muslims Muslim ist, so wird 
er durch eine solche Handlung sofort käfir (ungläubig) sowie Murtadd 
(einer, der vom Islam als Religion abgefallen ist). 

Das gleiche gilt für einen sogenannten Muslim, der in einer solchen 
Lage ohne Schwierigkeiten eingreifen könnte, das aber bewußt nicht 
tut, sondern im Gegenteil noch durch äußere Kennzeichen deutlich 
macht, daß er mit dieser gotteslästerlichen Tat einverstanden ist. 63 

Die schlimmste denkbare Situation ist natürlich die, daß - was Gott 
verhüten möge, und zu ihm nehmen wir unsere Zuflucht davor! - je- 
mand, der weder Gott noch Ehre oder Gewissen achtet und kennen 
will, den Mushqf des ehrwürdigen Korans konkret mit Najäsa irgend- 
welcher Art beschmutzt und besudelt 64 . In diesem Fall ist es vom isla- 
mischen Recht her erlaubt, alles nur Denkbare zu unternehmen, um 
diesem Menschen den Mushqf 'bzw. seine Teile abzunehmen, zu reini- 
gen und mitzunehmen - die Rettung der für den Islam heiligen Schrift 
muß allem anderen vorangehen. In einer solchen Lage (vor allem, wenn 
es viele Gegner sind) muß ein Mann - sofern es ihm irgend möglich ist 
- im Rahmen seiner körperlichen und sonstigen Fähigkeiten (Ablen- 
kung, Geschicklichkeit, Schnelligkeit usw.) alles nur Mögliche zur Wah- 
rung der Würde des Islam, der hier im Kern angegriffen wird, unter- 
nehmen, was dem Ziel - der Rettung des Mushaf- dient. In solchen 
Fällen muß man gegebenenfalls auch ohne Wudü } bzw. im Zustand der 
Janäba bzw. Haid (bei Frauen) den Mushqf bzw. Teile davon fortbrin- 
gen. 

Von einer Frau kann hingegen eine direkte körperliche Auseinander- 
setzung nicht erwartet werden; aber auch sie muß alles ihr Mögliche 
tun, diese schlimme Situation zu verhindern. 

Wenn ein Mchtmuslim bzw. eine Mchtmuslimin einen Mushaf oder einen Teil 
davon, der im Besitz eines Muslims ist, berühren, besitzen bzw. kaufen möchte 
Nach manchen Gelehrten ist es absolut verboten (Haräm), einen Mushaf 
oder einen Teil davon einem Nichtmuslim auf Dauer zu übergeben, 
gleich, ob dies gegen einen Preis (also in Form eines Kaufgeschäfts) 
geschieht oder nicht, und gleich, ob es sich auch um ein Buch handelt, 
was den gesamten Mushaf oder doch sehr große Teile davon enthält; 
dies darum, weil man nicht davon ausgehen kann, daß ein Nichtmuslim 
sich rituell vor dem Berühren des Mushqf wäscht ( Wudü) oder, wenn er 
Junub ist, sich einer Ganzkörperwaschung (Ghusl) unterzieht. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 193 

Nach anderen Gelehrten ist es dann doch zulässig einen Mushqf (das 
heißt den arabischen Originaltext des Qur'än) einem Nichtmuslim zu 
übergeben bzw. zu verkaufen 65 , wenn der Muslim bzw. der Nichtmuslim 
bestimmte Bedingungen erfüllt: 

Die Bedingungen bezüglich des Muslims: 

i . Er darf den Koran nicht aus Geldgier verkaufen 66 oder ihn dem 
Nichtmuslim um eines Vorteils im Diesseits willen, den dieser Nicht- 
muslim ihm dafür verschaffen will, aushändigen. 

2. Er muß feststellen, ob der Nichtmuslim überhaupt zum Zeitpunkt 
(genug) Arabisch beherrscht, um den arabischen Text des Mushaf lesen 
und verstehen zu können; ist das nicht der Fall und will der Nichtmuslim 
zum Beispiel nur darum den Mushqfhaben, weil er schöne Schrift und 
Verzierungen usw. hat, so ist es in Übereinstimmung der Gelehrten 
nicht erlaubt, ihm den Koran auszuhändigen. 

3. Er muß sicherstellen, daß der Nichtmuslim ein ehrliches und nicht 
islam-feindliches Ziel damit verfolgt, den arabischen Originaltext des 
Mushqf zu studieren 67 . 

Die Bedingungen bezüglich des Nichtmuslims: 

1 . Es darf nicht offensichtlich erkennbar sein, daß der Nichtmuslim 
ein Feind des Islams ist oder der Würdigung des Korans skeptisch ge- 
genübersteht. Es ist auch dann unzulässig, wenn berechtigte - auch nur 
leichte - Zweifel an der Aufrichtigkeit und Bereitschaft des Nichtmuslims 
bestehen, den Koran als solchen (das heißt als zu ehrende Schrift) zu 
würdigen. 

2. Er muß nach seiner eigenen Aussage - notfalls nach entsprechen- 
der Unterrichtung durch den Muslim - bereit sein, sich im Sinne der 
Takära zu reinigen. Es ist unzulässig, ihm den Mushaf auszuhändigen, 
wenn der Nichtmuslim sich dazu nicht oder nicht eindeutig einverstan- 
den erklärt, so daß beim Muslim berechtigte Zweifel entstehen, ob die- 
ser Nichtmuslim den Koran überhaupt mit Tahära anfassen will. 

3. Er muß genug Arabisch verstehen können, um Schrift und Wort- 
laut des Mushqf bzw. Korans verstehen zu können, weil der einzige und 
eigentliche Erlaubnis grund, ihm den Koran zu geben, der ist, daß er 
das grundsätzliche Recht hat, den Koran kennenzulernen. 

Wenn ein Muslim einen Mushaf bzw. Teile davon im Besitz bzw. 

konkret in der Hand eines Nichtmuslims bzw. einer Nichtmuslimin sieht 
In solchen Fällen kommt es darauf an, ob der Muslim die betreffende 
nichtmuslimische Person ansprechen kann und ob er weiß, ob diese 
Person den Koran - gemäß dem, was oben gesagt wurde - in Würdi- 
gung behandelt. Wenn der Muslim diese Person kennt und vielleicht 
auch ein gutes Verhältnis zu ihr hat, ist es relativ leicht, alles Nötige zur 



194 HANDBUCH ISLAM 

Einstellung und Tat der Person (wie oben dargestellt: Tahära usw.) zu 
erfahren und gegebenenfalls auf die Person gut einzuwirken, daß sie 
den Koran entsprechend behandelt, wenn der Mushaj 'ihr Eigentum ist. 
Es kommt auch — vor allem in Bibliotheken und Buchhandlungen, 
die von Nichtmuslimen geführt werden bzw. die im Besitz von Nicht - 
muslimen sind - oft vor, daß Nichtmuslime als Leser oder eventuell 
interessierte Käufer einen Mushaj, der dort vorhanden ist, in die Hand 
nehmen und auch erwerben möchten. In diesem Fall muß ein Muslim, 
der anwesend ist, abschätzen, ob er die nichtmuslimischen Personen 
ohne Gefahr für seine Würde und Sicherheit darauf hinweisen kann, 
was für das Berühren des Korans erforderlich ist. Sofern allerdings der 
Besitzer bzw. Verantwortliche einer solchen öffentlichen Buchhandlung 
resp. Bibliothek Muslim ist (und sei es nur dem Namen nach), ist der 
muslimische Beobachter unbedingt verpflichtet, zumindest zu versu- 
chen, den Nichtmuslim von den religiösen Erfordernissen hinsichtlich 
des Korans zu unterrichten und - wenn der Nichtmuslim sich unein- 
sichtig zeigt - den muslimischen Büchereibesitzer in der Sache anzu- 
sprechen. 



§ 34 

DIE VERPFLICHTENDEN DINGE BEIM WUDü' 

Allgemeines 
Aufgrund des Koranverses 

O ihr, die ihr glaubt, wenn ihr euch zum Gebet begebt (das heißt 
beten wollt), so wascht euer Gesicht und eure Hände (und Unterar- 
me) 68 bis zu den Ellenbogen 69 und streicht (mit Wasser) über euren 
Kopf und (wascht) 70 eure Füße bis zu den Knöcheln." (Sure al-Mä'ida 
[5], Vers 6) 

besteht Einigkeit bei allen Gelehrten, daß folgende Dinge beim Wudü' 
verpflichtend sind: 

1 . Das Waschen des Gesichts. 

2. Das Waschen der Hände und Unterarme bis zu den Ellenbogen (ein- 
schließlich). 

3. Das Bestreichen des Kopfes (bzw. Benetzen der Kopfhaare mit Was- 
ser) -je nach Meinung bezogen auf den gesamten Kopfhaarbereich 
oder einen Teil davon. 

4. Das Waschen der Füße bis zu den Knöcheln (einschließlich). 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 195 

Darüber hinaus werden - je nach Rechtsschule - auch noch weitere 
Dinge als Fardbzw. Rukn betrachtet; oft wird eine Sache, die bei einem 
Madhhab Fard ist, bei anderen als Sunna usw. betrachtet; über den (schon 
oben dargestellten) Gesamtablauf des Wudü 3 besteht überdies Einigkeit. 

Bei allen Ford-Teilen, in denen es um Waschung geht, gilt, daß zur 
Erfüllung der Mindestpflicht nur ein einmaliges Waschen Fard ist. 

Absicht (Niya) 

Die Absicht, den Wudü' zu vollziehen (Tawaddu), ist nach den Rechts- 
schulen außer der Hanqßya und Hanbaliya Fard, wobei die Vertreter der 
iwfl?-Ansicht sagen, daß für den Wudü 3 - wie auch jede andere Art von 
Ibäda (gottesdienstlicher Handlung) - eine Niya unverzichtbar ist. 

Hanqfiya: Die Niya gilt hier nicht als Fard, sondern als Sunna mu'akkada. 
Als Begründung wird von manchen Gelehrten angegeben, es handele 
sich beim Wudü 3 um eine so spezielle Handlung, daß eine indirekte 
Absicht immer vorhanden ist und eine speziell dazu gefaßte nicht nötig 
sei. Zum anderen wird das Fassen der Absicht bei den Befürwortern 
der Pflicht-Ansicht mit allgemein gehaltenen Hadithen begründet, nach 
denen die Taten von der jeweiligen Niya abhängig sind, weswegen bei 
manchen Handlungen strittig ist, ob es sich hinsichtlich der Verord- 
nung dieser Hadithe um eine Verpflichtung oder nur Empfehlung han- 
dele. 

Hanbaliya: Die Niya ist zwar nicht Fard, aber Bedingung zur Gültigkeit 
des Wudü 3 . Ohne Niya ist der Wudü 3 ungültig. 

Shäfi'iya und Mälikiya: Nach der Shäß'iya und Mälikiya muß die Niya späte- 
stens beim Beginn der Gesichtswaschung gefaßt werden, sonst ist sie 
nicht gültig; das darum, weil erst die Gesichtswaschung der erste Fard- 
Teil des Wudü 3 ist und spätestens dann die Niya gefaßt werden muß. 

Waschen des Gesichts 

Das Waschen des Gesichts ist übereinstimmend Fard. Dabei wird der zu 
waschende Bereich so beschrieben, daß das Gesicht eines normal ge- 
wachsenen Menschen als Ausgangspunkt genommen wird und von den 
Haarwurzeln bis zum Kinn (ohne Halsbereich) gewaschen wird. 

Wenn nun jemand eine sehr hohe Stirn hat (bzw. eine Stirn- oder 
vollständige Glatze), so gilt hier der zu waschende Bereich nach oben 
hin als durch den Haaransatz eines „normalen Gesichts" begrenzt. 

Wenn andererseits der Haaransatz extrem tief an die Augenbrauen 
heranreicht - die Stirn bei dem betreffenden Menschen also sehr schmal 



I96 HANDBUCH ISLAM 

ist -, so muß doch der (mit Haaren bewachsene) Stirnbereich in dem 
Maße gewaschen werden, wie eine normale Stirn breit und hoch ge- 
wachsen wäre. 

Wenn ein Mann einen Bart trägt, so gelten zusätzlich folgende Be- 
dingungen: 

a. Wenn er einen spärlichen oder doch zumindest nicht dichten Bart 
hat, so muß er die Barthaare und die darunterliegende Haut waschen. 

b. Hat er einen sehr dichten Bart oder einen Bart, der zumindest die 
darunterliegende Haut nicht mehr sehen läßt, also deckend ist, so 
gilt, daß Hautpartien, die entsprechend verdeckt sind, hier nicht mehr 
mitgewaschen werden müssen - eventuell nicht dichte Stellen aber 
doch. Bei den dichten Bartteilen genügt es zur Erfüllung der Pflicht, 
wenn der Sich-Waschende die oberen Barthaare wäscht. Hierzu setzt 
die Mälikiya noch eine Bedingung hinzu. 

Mälikiya: Es ist zwar nicht verpflichtend, den Bart - wenn er sehr 
dicht ist - zu waschen, aber man muß die Barthaare von außen be- 
wegen, damit das Wasser etwas in den Bart hineingerät. 

c. Ist der Bart sehr lang, so muß man den Bart nicht in seiner ganzen 
Länge waschen, sondern es genügt zur Pflichterfüllung, den Bartteil, 
der das Kinn bedeckt, zu waschen, wobei die oben genannten Bedin- 
gungen (ob der Bart dicht ist oder nicht) aber beachtet werden müssen). 

Die Shäfi'iya aber vertritt eine etwas abweichende Ansicht: 

Shäfi'iya: Der gesamte Bart, gleich, ob lang und über das Kinn hinaus- 
ragend oder nicht, muß gewaschen werden (gemäß den oben genann- 
ten Rahmenbedingungen). 

Die Rechtsschulen außer der Hanbaliya stimmen weiter darin überein, 
daß die Mundspülung [Madmada) und die Nasenreinigung (Istinshäq) nicht 
zur eigentlichen Gesichtswaschung zählen und Sunna sind. 

Hanbaliya: Die Mundspülung {Madmada) und die Nasenreinigung [Istin- 
shäq) gehören zur Gesichtswaschung dazu und sind daher Fard wie 
auch das Waschen des übrigen Gesichts. 

Waschen der Arme bis zum Ellenbogen 

Als i*fln/-Bereich der Arme gilt hier der gesamte Unterarm, von den 
Fingerspitzen bis zum Ellenbogen einschließlich. 

Bezüglich der Waschung dessen, was an Schmutz, Ton usw. unter 
den Fingernägeln ist, haben die Madhähib grundsätzlich die übereinstim- 
mende Meinung, daß eigentlicher Schmutz und Dreck spätestens bei 
dieser Waschung entfernt werden muß. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 197 

Hanafiya: Grundsätzlich muß bei langen und kurzen Fingernägeln glei- 
chermaßen Ton, Schmutz, Staub usw. entfernt werden, und das Was- 
ser muß bis zum Nagelgrund - soweit offen für das Wasser erreich- 
bar — hingelangen, sonst ist dieser Teil der Waschung - und damit 
auch der Wudü' - ungültig. 

Bei kurzen Fingernägeln eines Menschen, bei dem das völlige Entfer- 
nen von Ton und Staub usw. starke Beschwerden verursacht (wie etwa 
jemandem, der ständig oder berufsmäßig damit arbeiten muß), ist es 
zulässig, daß ein Rest an Ton usw. unter den Nägeln verbleibt. 

Mäliklya: Grundsätzlich besteht Übereinstimmung mit der Haltung 
der Hanafiya] zum Rest von Schmutz unter (kurzen) Fingernägeln wird 
gesagt, daß das, was nicht offen schmutzig und viel ist, beim Wudü' 
verbleiben kann, ohne daß der Wudü' ungültig wird. 

Shäfi'iya: Es besteht Übereinstimmung mit der Haltung der Hanafiya, 
nur wird im einzelnen gesagt: 

Es ist verpflichtend, daß der Fingernagelansatz frei von Schmutz 
oder irgendeinem Hindernis ist, welches das Wasser nicht an die Ver- 
bindungsstelle zwischen Fingerkuppe und Nagel gelangen läßt. 

Bei Arbeitern und Handwerkern wie Töpfern, Gartenarbeitern usw., 
bei denen arbeitsbedingt oft Ton-, Schmutz- bzw. Farbreste an den 
Fingerspitzen bleiben, gilt, daß es der Gültigkeit dieser Waschung 
und des ganzen Wudü' keinen Schaden zufügt, wenn die Fingerspit- 
zen (nicht stark) verschmutzt sind bzw. bleiben. 

Hanbaliya: Kleine Verunreinigungen unter kurzen Fingernägeln kön- 
nen vernachlässigt werden, alles andere nicht. 

Bestreichen (Mash) eines Teils des Kopfes 

Unter dem Bestreichen (Mash) des Kopfes ist gemeint, daß man die 
Hände stark anfeuchtet und -je nach Ansicht der jeweiligen Rechtsmei- 
nung - so über das Kopfhaar fährt, daß es angefeuchtet wird. Bezüg- 
lich des Mindestmaßes bei diesem Bestreichen sind die Rechtsschulen 
unterschiedlicher Meinung. 

Hanafiya: Das Pflichtmaß ist hier ein Viertel des Kopfhaares, was etwa 
einer Handfläche entspricht. Dabei ist es nicht Bedingung, daß man 
mit jeder Hand ein Viertel des Kopfes bestreicht, sondern insgesamt 
diese Fläche durch Bestreichen anfeuchtet. 

Wenn die Finger stark angefeuchtet sind, ist es grundsätzlich Bedin- 
gung, daß man mit je drei Fingern pro Hand über den Kopf streicht; 



ig8 



HANDBUCH ISLAM 



dies darum, weil so die verpflichtende Fläche gut mit Feuchtigkeit be- 
deckt werden kann. 

Wenn jemand andererseits nur - wie das einige Leute tun - zwei 
Finger benutzt und nur mit den Fingerspitzen das Bestreichen durch- 
führt, dabei aber viel Wasser mitschöpft, ist es möglich, ein Viertel des 
Kopfes zu befeuchten, und dann gilt auch das Bestreichen mit zwei 
Fingern; werden aber die Hände wie gewohnt nur sehr feucht gemacht, 
gilt der Mash nur, wenn er mit mindestens drei Fingern ausgeführt wird 
(wie oben beschrieben). 

Shäfi'iya: Es genügt zur Erfüllung der Pflicht, wenn auch nur der aller- 
geringste Haarteil befeuchtet wird, und sei es (im Extremfall) auch 
nur ein Haar. Es ist auch nicht verpflichtend, mit einer oder beiden 
Handflächen den Mash durchzuführen; es genügt, wenn man es mit 
den Fingerspitzen einer Hand ausführt. Dieses Bestreichen gilt aber, 
wenn jemand längeres Haar hat, nicht in seiner Pflicht als erfüllt, 
wenn der vom Kopf herabhängende, nicht der direkt in Kopfnähe 
wachsende Haarteil bestrichen wird. 

Mälikiya und Hanbaliya: Bei beiden Madhähib gilt das Bestreichen des 
gesamten Kopfhaarbereichs als Pflicht. 

Bei der Mälikiya gilt, daß das lange Haar, das frei herabhängt, eben- 
falls vollständig bestrichen werden muß, während bei der Hanbaliya ~ 
bei sehr langem Haar — gilt, daß nur der Teil des Haares, der (seitlich 
gesehen) neben dem Kopf ist, bestrichen werden muß, das übrige 
aber nicht. 

Die drei Madhähib außer der Hanbaliya sind der Ansicht, daß das Be- 
streichen der Ohren keine Pflicht (Fara) ist. 

Hanbaliya: Die Ohren gehören mit zum Kopfbereich und müssen da- 
her - wie auch das Kopfhaar - als Fard feucht bestrichen werden. 

Waschen der Füße bis zu den Knöcheln 

Diese Waschung reicht von den Knöcheln einschließlich bis zu den Zehen 
des Fußes, einschließlich der Zehenzwischenräume. In diesem Punkt 
gibt es keinerlei Unterschiede in den Rechtsschulauffassungen. Das 
Waschen muß ein vollständiges Waschen des gesamten Fußes einschließ- 
lich des Knöchels sein; auch der Bereich unter längeren Fußnägeln usw. 
ist zu waschen. 
Bei der Hanafiya gibt es eine Erleichterung bezüglich des Falles, daß 
ein Waschen der Zehenzwischenräume Beschwerden bereitet. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 199 

Hanafiya: Wenn ein regelrechtes Waschen der Zehenzwischenräume 
gesundheitliche Beschwerden bereitet, so ist es zur Erfüllung des Fard- 
Teils zulässig, den Fuß insgesamt schnell unter Wasser zu tauchen 
bzw. unter fließendes Wasser zu halten und anschließend die 
Zehenzwischenräume mit Wasser zu bestreichen (Mash). 

Die ununterbrochene Abfolge 
der Handlungen bei der Waschung (Muwälät) 

Mit der ununterbrochenen Abfolge der Handlungen (Muwälät) ist hier 
gemeint, daß das Wasser, das nach der Waschung auf dem Körperteil 
verbleibt, nicht wegtrocknet, bevor man den nächsten Teil der Wa- 
schung vornimmt. 

Die Muwälät ist nach der Mälikiya und Hanbaliya Fard im Wudü\ nach 
der Hanafiya und Shäfi'lya aber nur Sunna. 

Das Reiben der Körperteile während der Waschung 

Darunter versteht man, daß man, nachdem man das Wasser auf den 
betreffenden Körperteil gebracht hat, mit der Handfläche mehrmals 
darüber reibt. Dieses Reiben wird jedesmal nach einer Einzelwaschung 
vorgenommen; das heißt, wenn etwa das Gesicht oder ein Unterarm 
gewaschen wird, wird gewaschen, dann gerieben, dann wieder gewa- 
schen und gerieben, usw. (pro i<W-Handlung wird nur einmal gerie- 
ben, so wie ja auch nur ein einziges Mal pro Fard gewaschen wird). 

Dies ist nur nach der Mälikiya Fard im Wudü\ während es nach den 
anderen Madhähib Sunna ist. 

Nach der Mälikiya gilt weiterhin, daß auch das Durchfeuchten des 
(Bart)Haares sowie das Befeuchten der Finger- und Zehenzwischen- 
räume unter dieses Reiben zusammengefaßt wird und daher - bei 
i<W-Waschungen ebenfalls Fard ist. 

Die Einhaltung der Reihenfolge der Handlungen (Tartib) 

Gemeint ist die Einhaltung der Reihenfolge bei den Körperteilen, de- 
ren Waschung als Fard in der bekannten Reihenfolge im Koran ge- 
nannt wird. 

Dies ist nach der Shäfi'iya und Hanbaliya Fard im Wudü) wenn jemand 
diese Reihenfolge verändert - zum Beispiel zuerst den Kopf bestreicht, 
dann das Gesicht wäscht -, so ist der Wudü' dadurch ungültig. 

Die Hanafiya und Mälikiya jedoch betrachten die Reihenfolge ( Tartib) 
nur als Sunna im Wudü\ 



200 HANDBUCH ISLAM 

§ 35 

DIE DURCH DIE SUNNA WÜNSCHENSWERTEN 
UND EMPFOHLENEN DINGE BEIM WUDÜ' 

Über die im folgenden vorgestellten Sunan beim Wudü 3 sowie auch die 
vorgestellten Dinge, die beim Wudü 3 abzulehnen (makrüh) sind, besteht 
unter den Gelehrten Einigkeit 72 . 

Sprechen der Basmala vor Beginn des Wudü 3 

Es ist Sunna, vor Beginn der eigentlichen Waschung - bzw. nach oder 
bei Fassen der Absicht (Niyd) und vor dem Händewaschen- die Basmala 
zu sprechen. 

Dreimaliges Händewaschen vor dem Hauptteil des Wudü 3 

Das Händewaschen vor dem eigentlichen Wudü 3 - das heißt vor dem 
Ausspülen des Mundes - gilt als gute Sunna n und ist insofern immer zu 
empfehlen, damit eventuell vorhandene Unreinheiten (Najäsät) bzw. 
unangenehme Gerüche, Fette, Essensspuren usw. vor dem eigentlichen 
Wudü 3 beseitigt werden. 

Gebrauch des ^ahnputzholzes (Siwäk/ ' Miswäk) 

Es ist Sunna mu 3 akkada, vor, während oder direkt nach dem eigentlichen 
Wudü 3 Zähne und Zahnfleisch mit dem Miswäk zu reinigen. 

Wenn man keinen Miswäk zur Verfügung hat (bzw. nur noch einen 
unbenutzbaren Rest bzw. einen nicht mehr frischen, guten Miswäk), so 
kann man statt dessen eine übliche Zahnbürste oder zumindest, wenn 
das auch nicht machbar ist, den Finger (das heißt die Fingerkuppe) 
benutzen. 

Ausspülen des Mundes (Madmada) 
und der Nase (Istinshäq) 

Es ist Sunna, vor dem eigentlichen Pflichtteil des Wudü 3 den Mund aus- 
zuspülen, indem man mit der rechten Hand etwas Wasser schöpft, in 
den Mund nimmt, im Mund etwas durch Zunge und Backenbewegung 
hin- und herbewegt und dann wieder ausspuckt. 

Das ist insbesondere nach dem Essen zu beachten, um noch vorhan- 
dene Essensreste, die sich zwischen den Zähnen befinden, zu entfer- 
nen, denn wenn sich Essensreste so summieren, daß sich eine Masse im 
Maß einer Kichererbse (das heißt einem Kügelchen von etwa 0,8 cm 
Durchmesser) ergibt, und man diese Masse während des Gebets hinun- 
terschluckt, ergeben sich zwei Gefahren: 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 201 

i . Schluckt man diese Masse absichtlich herunter, so gilt das als es- 
sen, und essen während des Gebets macht das Gebet ungültig. 

2. Wenn man diese Masse während des Ramadän-Fastem (im Gebet 
oder nicht) herunterschluckt, gilt das als Fastenbrechen. 

Es ist weiterhin Sunna, nach der Mundspülung (Madmada) etwas Wasser 
in die rechte Hand zu schöpfen, das Wasser in die Nasenlöcher ein- 
zuführen und das Wasser anschließend wieder mit etwas Luftdruck 
hinauszublasen (die Nasenreinigung heißt Istinshäq). 

Unreinheiten, die dabei herauskommen, werden mit der linken Hand 
hinweggenommen und durch Abspülen der Hand beseitigt; auch im 
Naseninneren hartnäckig anhaftende Unreinheiten werden mit einem 
Finger der linken Hand aus dem Nasenloch beseitigt und durch Hand- 
abwaschen ganz beseitigt 74 . 

Durchfeuchten des Bartes (Takhlil) 

Das Durchfeuchten des dichten Vollbartes — als Zusatz zum oberfläch- 
lichen Waschen, das zum Pflichtbereich des Gesichtwaschens gehört - 
ist übereinstimmend Sunna. 

Bestreichen des ganzen Kopfes 

Es ist Sunna, den gesamten Bereich des Kopfhaares mit beiden stark 
feuchten Handflächen zu bestreichen, wobei die Handflächen von vorn 
(Stirnbereich) nach hinten (Nacken) geführt werden und dann wieder 
von hinten nach vorne. Dies gilt bei den Rechtsschulen, die nicht das 
Waschen des gesamten Kopfhaares bzw. des entsprechenden Bereiches 
als Fard vorschreiben. 

Zu dieser Sunna gehört es auch, den Nacken mit dem Handrücken zu 
befeuchten; dieses Bestreichen des Nackens findet nach den meisten 
Meinungen (bzw. Hadithen) nach dem Bestreichen der Ohren statt, 
kann aber nach manchen Meinungen (bzw. Hadithen) auch direkt beim 
Bestreichen des Kopfes (wenn die Hände nach hinten geführt werden), 
mit vorgenommen werden. 

Reinigen der Finger- und ^ehen Zwischenräume 

Es ist weiterhin Sunna, während der Hand- und Fußwaschungen mit 
den Fingerkuppen in die Zwischenräume zwischen den Fingern bzw. 
Zehen zu gehen und das Wasser dort leicht zu verreiben 75 . 

Bestreichen und Reinigung der Ohren 

Es ist Sunna, die Ohren - das heißt die Ohrmuscheln - durch Bestrei- 
chen mit feuchten Fingern zu reinigen 76 . 



202 HANDBUCH ISLAM 

Dreimaliges Vornehmen der einzelnen Handlungen beim Wudü' 

Abgesehen vom Bestreichen des Kopfes, dem Bestreichen des Nackens 
und dem Reinigen der Ohren, das (nach den anerkanntesten Meinun- 
gen bzw. Hadithen) jeweils nur einmal vorgenommen wird, gilt es über- 
einstimmend als Sunna, die übrigen Handlungen des Wudü' nach der 
Basmala jeweils dreimal hintereinander durchzuführen 77 . 

Rechts vor links 

Es gilt allgemein als Sunna, bei der Waschung von Armen und Füßen 
erst das rechte, dann das linke Körperteil zu waschen. 

Beim Händewaschen wird das insofern beachtet, als sich zunächst 
beide Hände gegeneinander reinigen und dann erst links, dann rechts 
die Fingerzwischenräume gewaschen werden (wie dies auch zusätzlich 
bei der Fußwaschung beachtet wird). 

Doch beim Bestreichen der Ohren werden beide Ohren gleichzeitig 
bestrichen, findet diese Sunna also keine Anwendung. 

Schnelles Abfolgenlassen der Einzelhandlungen 

Es ist Sunna, die Handlungen des Wudü' so schnell aufeinander abfolgen 
zu lassen, daß bei mäßiger Temperatur (weder bei Hitze, noch bei Käl- 
te) das zuerst gewaschene Körperteil nicht völlig trocken wird, bevor 
das nächste gewaschen wird 78 . 

Hinwenden in Qjbla- Richtung während des Wudü' 

Es ist übereinstimmend Sunna, sich während der Durchführung des Wudü' 
in die Q^/a-Richtung zu wenden. 

Sprechen der Shahäda-Formel und eines Du'as nach Ende des Wudü' 

Es ist Sunna, nach vollendeter Durchführung des Wudü' das Glaubens- 
bekenntnis (Shahäda) und ein Du'ä' zu sprechen, vorzugsweise in der 
folgenden Form: 

Ashhadu al-lä Haha illä llähu wahdahü la shanka Iah, 
wa ashhadu anna Muhammadan 'abduhü wa rasüluh. 
Allahümmafalnimina tawwäbina waj'alnimina l-mutattahhinn 

„Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, 

einzig ist er, keiner ist ihm beigesellt, 

und ich bezeuge, daß Muhammad Sein Diener und Sein Gesandter ist. 

O Gott, mache mich zu einem derer, die stetig bereuen, 

und zu einem derer, die sich reinigen und rein halten." 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 203 

§36 

WAS BEIM WUDÜ' ABZULEHNEN (mAKRÜh) IST 

Weglassen einer Sunna bzw. einer Sunna entgegenzuhandeln 

Generell gilt, daß im Maße der Empfehlung einer Sunna auch das Weg- 
lassen dieser Sunna makrüh ist, also daß 

• das Weglassen einer Sunna mu'akkada Makrüh tahriman ist, bzw. 

• das Weglassen einer Sunna ghair mu'akkada Makrüh tanzihan ist. 

Wasserverschwendung 

Das Verschwendung von Wasser ist absolut abzulehnen [makrüh), nach 
manchen Ansichten der Gelehrten Makrüh tahriman. 

Als Verschwendung ist es beispielsweise zu betrachten, wenn man 
den Wasserhahn unnötig weit aufdreht und viel Wasser in einem dik- 
ken Strahl ungenutzt herausfließt, ohne daß man mehr als nur wenige 
Handvoll davon nutzen kann. 

Abtrocknen ohne Entschuldigungsgrund [zum Beispiel Kälte) 

Nach der sicheren Überlieferung des Propheten ^g£ ist es Sunna, sich 
nicht nach dem Wudü' abzutrocknen; das setzt allerdings zweierlei vor- 
aus: 

1. Daß nicht starke Kälte herrscht, durch die der feuchte Körper 
unterkühlt werden könnte. 

2. Daß nicht aufgrund gesundheitlicher Beschwerden (zum Beispiel 
sehr trockener und zur Austrocknung neigender Haut) bei bleibender 
Feuchtigkeit auf der Haut befürchtet wird, daß die Haut platzt und 
(auch durch Austritt von Blut an den aufgeplatzten Stellen) die Ge- 
sundheit und/bzw. die Takära gefährdet werden. 

Wasser heftig ins Gesicht zu schleudern 

Es ist abzulehnen [makrüh), Wasser bei der Waschung heftig ins Gesicht 
zu schleudern, weil das Gesicht der am meisten zu würdigende Teil des 
Körpers ist und eine solche Art der Gesichtswaschung als entwürdigend 
gilt. 

Mehr als dreimal zu waschen bzw. zu bestreichen 

Es ist abzulehnen [makrüh), einen Handlungsteil des Wudü' mehr als drei- 
mal durchzuführen - es sei denn, man befürchtet, einmal die entspre- 
chende Handlung nicht korrekt durchgeführt zu haben 79 . 



204 HANDBUCH ISLAM 

Daß ein Fastender 
während des Fastens mit viel Wasser den Mund ausspült 

Es ist abzulehnen (makrüh), was zu Verbotenem hinführen kann; daher 
ist es abzulehnen, wenn ein Fastender während der Zeit seines Fastens 
die Mundwaschung (Madmada) mit viel Wasser durchführt, denn dann 
ist es leicht möglich, daß doch etwas Wasser in die Gurgel gerät und so 
das Fasten gebrochen wird. 

Sprechen während des Wudü 3 

Es ist nach übereinstimmender Ansicht der Gelehrten makrüh, während 
des Wudü' zu sprechen. 



§ 37 

WAS DEN WUDÜ' AUFHEBT (nAWÄQId) 

Die Dinge, die den Wudü 3 aufheben (nawäqid, Sg.: näqia) sind die folgen- 
den: 

Daß etwas aus einem der „beiden 
Körperausgänge" (Harnröhre, After) austritt 

Wenn etwas auf dem Weg der Harnröhre bzw. des Afters aus dem 
Körper austritt, sei es 
•Kot 

• Urin 

• Blähungen 

• Samenflüssigkeit (Maniy) 

• Erregungssekret ( Wady usw.) 
•Blut 

• Eiter, 

so gilt der Wudü' als zerstört, und die betreffende Person ist im Zustand 
des Hadath asghar. 

Tiefer bzw. fester Schlaf 

Ein tiefer und fester Schlaf macht den Wudü' zunichte, hebt ihn auf. 

Als tiefer Schlaf wird ein solcher Schlaf bezeichnet, bei dem sich der 
Betreffende der Länge nach auf den Boden legt oder fest an eine Säule 
anlehnt, schnarcht oder, wenn er auf dem Boden mit untergeschlagenen 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 205 

Füßen sitzt, klar schlafend in sich zusammengesunken ist. Wer sich 
aber im Halbschlaf hält, halbschlafend blinzelt oder zwischenzeitlich 
im Halbschlaf versinkt, dann aber immer wieder zwischendurch auf- 
wacht, gilt nicht in diesem Sinne (Verlust des Wudü') als Schlafender. 

Plötzlich eintretende Verstandesschwäche, 
Trunkenheit oder Verrücktheit 

Wer plötzlich Anfälle von Geistesabwesenheit (im Sinne echten Schwach- 
sinns oder Wahnsinns) bekommt, hat vom Moment des Eintretens die- 
ses Zustandes an keinen Wudü' mehr. Dasselbe gilt im Fall, daß jemand 
betrunken wird. 

Wer aber als Gesunder zwischendurch geistig abwesend ist, das heißt, 
intensiv an etwas denkt und währenddessen nicht ansprechbar ist, gilt 
nicht in diesem Sinne als verrückt oder geistig verwirrt. 

Körperliche Erregung 

Wer in den Zustand sexueller körperlicher Erregung gerät, so daß sich 
(beim Mann) das Geschlechtsglied klar aufrichtet und steif wird bzw. 
(bei Mann und Frau) bei dieser Erregung Samen oder Erregungsflüssig- 
keit ausgeschieden wird, hat den Wudü' verloren. 

Im Falle der Samenflüssigkeit gilt nach den meisten Ansichten zu- 
dem, daß, wenn der Samen oder Erregungsflüssigkeit in sexueller Erre- 
gung ausgestoßen wurde, die betreffende Person im Zustand der Janäba 



Berührung des Geschlechtsteils 

Nach überwiegender Rechtsmeinung gilt es als eine den Wudü' aufhe- 
bende Handlung, wenn man sein Geschlechtsteil direkt berührt, ohne 
daß eine Trennung in Form von Stoff usw. dazwischen ist. 

Nach vielen Rechtsmeinungen gilt dasselbe auch für das direkte Be- 
rühren des Afters. 



206 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL I I 
DIE GANZKÖRPERWASCHUNG (GHUSL) 

§38 

ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 

Wörtlich bedeutet „Ghusl" schlicht: „Waschung, bei der Wasser auf et- 
was aufgegossen wird". 

Im Recht bezeichnet man als Ghusl eine Ganzkörperwaschung, die 
vorgenommen wird, um den Zustand der vollen Reinheit ( Tahärd) nach 
Eintreten bestimmter Zustände, die die große Unreinheit [Hadath akbar) 
bewirken, wiederherzustellen. 

§ 39 

DIE AHKÄM DES GHUSL 

Es besteht Übereinstimmung der Rechts gelehrten (Ittißq) darüber, 

• daß es mustahabb ist, den Ghusl durchzuführen, wenn man den Körper 

reinhalten möchte, ohne daß aber ein direkter Anlaß dazu vorliegt. 

• daß es Pflicht ist, den Ghusl durchzuführen, wenn man selbst im Zu- 
stand des Hadath asghar (und was der rechtlichen Bestimmung des Ha- 
dath asghar entspricht) ist und rechtsgültige, korrekte gottesdienstliche 
Handlungen ('Ibädät) durchführen will/muß, die ja die volle Reinheit 
erfordern. 

Des weiteren gilt, daß man von Gott Lohn dafür erhält, wenn man sich 
durch den Ghusl reinigt, weil er zu den direkten gottesdienstlichen Hand- 
lungen ( 'Ibädät) zählt. 

In mehreren sicheren Hadithen (Ahädith sahiha) hat der Gesandte Got- 
tesJg£ gesagt: 

„Die Sauberkeit (JVa^äfd) ist die Hälfte 81 des Glaubens (Imän)." 

Auch hat er^p in richtigen Überlieferungen gesagt: 
„Gott ist rein und nimmt nur Reines 82 an." 

Es besteht auch uneingeschränkte Übereinstimmung der Rechtsmei- 
nungen (Ijmä) darüber, daß zur Verrichtung von Gebet, Tawäf, Koran- 
rezitation als direktem Gottesdienst und anderen 'Ibädät die volle rituel- 
le Reinheit {Tahärd) erforderlich ist. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 20*] 

Da andererseits die Verrichtung von Gebet (Saläh) und Hajj (zu dem 
ja der Tawäf gehört) zu den „fünf Säulen des Islams" zählt, ist auch die 
Verrichtung von Ghusl und Wudü } grundsätzlich notwendige 'Ibäda, da 
sie zur Sauberkeit (Na^äfa) und Reinheit (Tahära) des Muslims führen. 
So sind Ghusl und Wudü' Handlungen, die zur Aufrechterhaltung der 
Religion erforderlich sind. 

Außerdem ist es der Gesundheit förderlich, wenn sich der Mensch 
regelmäßig am ganzen Körper reinigt, und es bewirkt, daß sich der so 
gesäuberte Mensch besser fühlt und dadurch im täglichen Leben be- 
weglicher wird. 

Der Ghusl kann formalrechtlich zwei Ahkäm annehmen: 

• er kann Fard I Wäjib sein, und 

• er kann Mandüb sein. 



§ 40 

DER VERPFLICHTENDE GHUSL 

(ghusl mafrüd) UND DIE GRÜNDE, 

DIE IHN ERFORDERLICH MACHEN (ASBÄB MAFRÜDA) 

Mit den „Gründen" (Asbäb) des Ghusl sind die Dinge bzw. Ereignisse 
gemeint, die eine (korrekte) Durchführung gottesdienstlicher Handlun- 
gen im engeren Sinne nicht zulassen. Wenn diese Ereignisse eintreten, 
so muß man den Ghusl, nachdem sie ganz abgeschlossen sind, durch- 
führen. Diese Gründe sind vier: 

1 . Janäba (Zustand nach dem Hadath akbar) 

2. Menstruation (Haid) 

3. Blutungen bei der Geburt und Monatsfluß (Najas) 

4. Tod 8 *. 



§ 4 1 

DIE ARKÄN BZW. PFLICHTEN BEIM GHUSL 

Innerhalb der Rechtsschulen werden die Pflichtbereiche des Ghusl un- 
terschiedlich gesehen. So gelten Dinge, die bei einer Rechtsschule als 
Pflicht gesehen werden, bei einer zweiten als Sunna - mit wenigen Aus- 
nahmen. Daher hier eine Darstellung in Tabellenform: 



208 



HANDBUCH ISLAM 





Hanafiya 


Mälikiya 


Shäfi'iya 


Hanbaliya 


Niya 


Sunna 


Fard 


Fard 


Shar^ 


Waschung des ganzen 
Körpers (äußerlich) 85 


Fard 


Fard* 


Fard 


Fard 


Mundwaschung 
(Madmada) 


Fard 


Sunna 


Sunna 


Fard 


Nasenwaschung 
(Istinshäq) 


Fard 


Sunna 


Sunna 


Fard 


Waschen des 
(erreichbaren) Inneren 
aller Körper Öffnungen 
(außer Mund 
und Nase)* 7 


88 


Fard 




Fard 


Reiben der Haut 
und des Körperhaares 
während der Waschung 
{Takhill) 8 * 


Sunna 


Fard 


Sunna 


Sunna 


Ununterbrochene Ab- 
folge der Handlungen 

(Muwälät)* 


Sunna 


Fard 


Sunna 


Sunna 



§ 42 



DIE SUNAN DES GHUSL 



Die Sunan des Ghusl sind 

• die Dinge, die bei einigen Madhähib Fard, Shart usw. sind, bei anderen 
aber nur Sunna, 

• die Dinge, die übereinstimmend von allen Madhähib als (nur) Sunna 
(nicht Fard usw.) angesehen werden. 

Die erste Gruppe der Sunan ist bereits oben dargestellt worden; die zwei- 
te besteht aus den folgenden Sunan: 

Reinigen des Geschlechtsbereichs vor dem Ghusl 

Es ist Sunna, den Körper vor dem Ghusl (bzw. vor dem dazugehörigen 
Wudü 3 ) im Geschlechtsbereich (speziell das Geschlechtsorgan selbst) zu 
waschen und dabei eventuell anhaftende Körperflüssigkeiten abzurei- 
ben und abzuwaschen. 

Direkte Samenflüssigkeit aber gilt nach Meinung der Madhähib (abge- 
sehen von der Shäfi'iya) als mittlere Najäsa und muß daher vor dem Ghusl 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 200, 

bzw. Wudü 3 abgewaschen/entfernt werden; das heißt, nach Meinung 
dieser Madhähib handelt es sich beim Waschen des Geschlechtsbereichs 
in diesem Fall um etwas Verpflichtendes, nicht nur um eine (nicht- 
pflichtige) Sunna. Die Shäfi'iya aber betrachtet getrocknete Samenflüs- 
sigkeit als tähir (rein), lediglich frische Samenflüssigkeit als Najäsa mittle- 
rer Art. 

Vor der Reinigung des Geschlechtsteils gilt zudem das als empfoh- 
len, was allgemein auch vor dem Wudü 3 (im Rahmen von Istinjä 3 und 
Istibrä) als empfohlen gilt. 

Vor dem Ghusl den Wudü 3 zu verrichten 

Es ist Sunna, vor dem eigentlichen Ghusl den Wudü 3 zu verrichten. Dabei 

gilt aber folgendes: 

i . Sofern man beim später durchzuführenden Ghusl davon ausgehen 
muß, daß das beim Ghusl benutzte Wasser auf die Füße fließt, soll 
man den Wudü 3 - nicht aber die dazugehörige Fußwaschung - durch- 
führen und die Füße zum Schluß der GÄ&y /-Waschungen reinigen. 

Wenn aber - aufgrund der beim Waschen eingenommenen Kör- 
perhaltung oder weil man sich in einem größeren Wasserbecken usw. 
wäscht - nicht angenommen werden muß, daß die Füße während 
des Ghusl von benutztem Wasser benetzt werden, ist es Sunna, den 
vorherigen Wudü 3 ganz (das heißt mit Fußwaschung) durchzuführen. 

2. Wenn man zunächst den Wudü 3 vor dem Ghusl durchgeführt hat, 
dann aber während des Ghusl der Wudü 3 wieder aufgehoben wird (zum 
Beispiel durch Blähung, Berühren des Geschlechtsteils), so hat das 
zum einen keine Auswirkung auf die Gültigkeit oder Durchführung 
des Ghusl, und zum anderen wird der Wudü 3 auch nicht wiederholt: 
Das Durchführen des Wudü 3 zu Beginn der Waschungen gilt dabei als 
ausreichende Erfüllung der Sunna. 

Die Sunan des Wudü 3 

Die Sunan des Wudü 3 gelten auch beim Ghusl: 

i . Bei der Durchführung des (Sunna-) Wudü 3 vor dem Ghusl. 
2. Bezüglich der Durchführung des eigentlichen Ghusl. 

Rechts vor links zu waschen 
Es gilt beim Ghusl als Sunna, erst die rechte Körperseite, die rechte Hand 
usw. zu waschen, dann den entsprechenden linken Teil. (Das entspricht 
sinngemäß der Sunna des Wudü 3 , nur mit dem Unterschied, daß hier 
beim Ghusl mehr Körperbereiche erfaßt sind). 



210 HANDBUCH ISLAM 

Von oben nach unten zu waschen 
Es ist Sunna, beim Ghusl zuerst beim Kopfwaschen zu beginnen und mit 
dem Waschen der Füße abzuschließen. 9 ' 

Die Füße zuletzt zu waschen 
Es gilt als Sunna, die Füße ganz zuletzt zu waschen - es sei denn, man 
verrichtet den Ghusl durch Untertauchen in einem großen Wasserbek- 
ken, See und dergleichen. 



§ 43 

die durch die sunna empfohlenen anlässe 
(asbäb masnüna) 

Mit diesen Anlässen sind Ereignisse gemeint, vor, während bzw. nach 
denen es zwar nicht verpflichtend, aber durch die Sunna empfohlen ist, 
einen Ghusl zu vollziehen. 

Die Rechtsschulunterschiede hierzu sind letztlich unerheblich, wes- 
wegen hier eine Gesamtdarstellung der Sunan gegeben wird 92 . 

Vor bestimmten Gebeten 

i . Vor dem Jum e a~Gebet (Salät al-Jum ( a). 

2. Vor einem Festgebet (Salät al-ld). 

3. Vor dem Istisqä'- Gebet, dem Gebet um Regen (Salät al-Istisqä). 

4. Vor dem Gebet bei Sonnenfinsternis (Salät al-Kusüf) bzw. dem Gebet bei Mondfin- 
sternis (Salät al-Khusüfj. 

Bei bestimmten Zeitpunkten während des Hajj (bzw. der c Umra) 

5. Beim Ihräm. Dieser Ghusl dient zur Reinigung des Körpers zur Erlan- 
gung der Sauberkeit (Na^ä/a), nicht zur Erlangung der vollen rituellen 
Reinheit (Tahära); daher ist dieser Ghusl auch für eine gerade Menstru- 
ierende (Hä'ia) Sunna sowie auch für eine Frau, bei der der Monats- 
fluß nach einer Geburt (JVafsä) noch nicht ausgesetzt hat. 

6. Vor dem Betreten von Mekka. Gemeint ist, daß der Pilger den Ghusl vor- 
nimmt, bevor er zum Tawäf ' az-^iyäda Mekka betreten will. Dieser 
Ghusl dient im Zweifelsfall auch zur Erlangung der vollen Tahära (da 
zum Tawäf volle Tahära erforderlich ist), und darum wird dieser Ghusl 
nicht von einer Menstruierenden (Hä'id) bzw. einer Frau, die noch 
Monatsfluß hat (Nafsä), durchgeführt. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 211 

7. Vor dem Betreten von Medina (Madina). 

8. Vor dem Stehen von 'Arafat ( WuqüfArafit). 

9. Während des Aufenthalts in Muzdalifa. 

10. Vor dem Betreten von Minä. 

1 1 . Vor dem Aufenthalt ( Wuqüfj bei al-Mash'ar al-Haräm. 

12. Vor der Steinigung der drei Säulen (Jimär/Jamarät), die nicht beim Opfertag 
(Taum an-Nahr) stattfindet. 

Bei bestimmten Anlässen zu c Ibädät außer Gebet (Saläh) und Hajj 

13. In der Nacht nach der vollendeten ersten Hälfe des Monats Sha'bän. 

14. Anläßlich jeder Nacht des Monats Ramadan, Das heißt, es ist Sunna, (wenn 
das ohne Erschwernis und ohne daß Wasserknappheit gegeben ist,) 
in jeder Nacht des Ramadan (bzw. vor dem jeweiligen Imsäk eines Fasten- 
tages) einen Ghusl durchzuführen. 

15. Vor Durchführung eines Vtikäf. Gemeint ist, daß man vor Betreten der 
betreffenden Moschee - zuhause oder in einem öffentlichen Bad - 
einen Ghusl durchführt. 

Nach bestimmten außergewöhnlichen Ereignissen 

16. Nach dem Eintritt in den Islam. Gemeint ist, daß jemand, nachdem er 
zuvor Nichtmuslim war und dann in die Religion des Islam eingetre- 
ten ist, einen Ghusl verrichtet, um sich körperlich und in geistiger Hin- 
sicht zu reinigen. 

Wenn er aber zum Zeitpunkt seines konkreten Übertritts zum Is- 
lam der Tat nach Junub ist, so ist es für ihn verpflichtend (Fard), den 
Ghusl zu verrichten, nicht aber nur Sunna. 

17. Nach der Totenwaschung. Gemeint ist, daß derjenige, der gerade einen 
Toten (im Rahmen der Vorbereitung des Toten zum Begräbnis) ge- 
waschen hat, sich danach selbst durch Ghusl reinigt 93 . 

1 8. Nach dem Ende eines schweren Sturms bzw. nach Ende einer anhaltenden, plötz- 
lichen, ungewöhnlichen Dunkelheit. 

1 9. Nach dem Bereuen einer Sünde. 

%ur völligen Säuberung und 
Erlangung der rein körperlichen Sauberkeit (Na^äfa) 

20. Nach Ende der Istihäda (Scheinperiode). Dieser Ghusl dient dazu, sich von 
Blut und ähnlichem Ausfluß zu reinigen, ohne daß aber die betref- 
fende Frau, die die Istihäda hatte, durch die Istihäda im Zustand ohne 
Tahära gewesen wäre: Dieser Ghusl dient nur der körperlichen Reini- 
gung * 

2 1 . Bei (deutlich wahrnehmbarem) Schweiß, Schmutz usw. 

22. Wenn man beabsichtigt, sich in die Gesellschaß vieler Menschen zu begeben. 



212 HANDBUCH ISLAM 

Dieser der Sunna gemäß erwünschte Ghusl gilt vor allem dann als be- 
sonders erwünscht, wenn man sich in die Gesellschaft von sehr gu- 
ten, gläubigen Menschen und speziell in die Gesellschaft islamischer 
Gelehrter ('Ulamä\ Fuqahä) begibt. 

23. Anläßlich des Anziehens eines neuen Kleides. 

In bestimmten ^weifelsj allen 
oder Sonderfällen bezüglich der Reinheit (Tahära) 

24. Mach dem Erwachen aus einer Ohnmacht. 

25. Wenn man sich im Zweifel ist, ob Samenflüssigkeit (Maniy) - die Ghusl zwin- 
gend erfordert - oder eine andere Erregungsflüssigkeit (zum Beispiel Madhiy) - die 
Ghusl nicht erfordert - ausgetreten ist. 



KAPITEL 12 
DIE ERSATZWASGHUNG (TAYAMMUM) 

§ 44 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 

Der Tayammum, wörtl.: „das Sich-mit-Sand-Reinigen", ist eine besonde- 
re Ersatzwaschung, bei der anstelle einer Waschung mit Wasser Gesicht 
und Hände (mit den Unterarmen) durch die Hände bestrichen werden, 
nachdem man zuvor die Handflächen an Staub, Stein und Sand gerie- 
ben hatte. Daher wird der Tayammum auch manchmal „Sandwaschung" 
genannt. Diese Reinigung gilt als eine der „Ersatzwaschungen". Der 
Tayammum darf vorgenommen werden, wenn bestimmte Entschuldi- 
gungsgründe ein Verrichten des Wudü' oder Ghusl verhindern. 

§ 45 

DIE ARTEN DER ERSATZWASGHUNG (TAYAMMUM) 

Man unterscheidet bei allen Rechtsschulen 

• einen verpflichtenden Tayammum ( Tayammum mafrüa) 

• einen wünschenswerten Tayammum (Tayammum mandüb) 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 213 

Bei der Hanqfiya unterscheidet man zudem nach einem 

• Wäjib-Tayammum [Tayammum wäjib). 

Die Unterscheidung ist einfach: Wenn man für eine 7<W-Handlung 
die rituelle Reinheit (Tahära) nur durch Ersatzwaschung (Tayammum) 
wiederherstellen kann, muß man die Ersatzwaschung verrichten. Ist er 
für eine Wäjib-Ha.nd\ung (im hanafitischen Sinne) nötig, wird er auch 
selbst wäjib. Ist er für eine wünschenswerte Handlung nötig, wird er 
selbst erwünscht (mandüb). 



§46 

ZUM ANWENDUNGSBEREICH DES TAYAMMUM 

Wenn jemand im Zustand der Janäba (Hadath akbaf) ist, kann natürlich 
auch kein Wudü* angewandt werden. Daher muß dann, wenn ein Ghusl 
aus irgendwelchen Gründen nicht angewandt werden kann, der Tayam- 
mum - und nicht der Wudü 3 verrichtet werden. 

Andererseits kann ein einmalig vollzogener Tayammum sowohl den 
Hadath asghar allein als auch beide Hadath zugleich aufheben, insofern, 
als durch diesen Tayammum dann die Verrichtung von Gebeten und 
Dingen, die Tahära erfordern, erlaubt und gültig ist. 



§ 47 

DIE BEDINGUNGEN (SHURÜT) 
BEZÜGLICH DES TAYAMMUM 

Die folgenden Dinge sind Bedingung (bzw. hier: Voraussetzung) dafür, 
daß ein gültiger Tayammum verrichtet werden kann: 

1 . Das Wissen darum, daß die Z e ^fi r e ^ n (Fard-) Gebet bereits begonnen hat. Das 
heißt: Ein Tayammum, der vor dem Eintritt einer Gebetszeit vorge- 
nommen wurde, ist für dieses Gebet nicht gültig. Oder, anders ge- 
sagt: Ein Tayammum kann immer nur für das Gebet der gerade gelten- 
den Gebetszeit gelten bzw. muß mit einer speziellen Absicht vorge- 
nommen werden (etwa bei gelobten oder nachzuholenden Gebeten). 

2. Daß man sich bemüht, {geeignetes bzw. ausreichendes) Wasser zu finden, nachdem 
die Gebetszeit angebrochen war. Wenn etwa jemand in einem Waldgebiet, 
das erfahrungsgemäß über mehrere Quellen verfügt, sich nicht zu- 
mindest bemüht, geeignetes Wasser zu finden, kann er keinen gülti- 



214 HANDBUCH ISLAM 

gen Tayammum verrichten. Als Bemühung wird hier zunächst verstan- 
den, daß ein gesunder Mensch - im Zeitrahmen des Gebets - das 
Gebiet im Umfang einer Mindeststrecke von etwa 2,5 km zumindest 
mehrere Male durchschreitet, sofern die Umstände das zulassen. Als 
Entschuldigungsgrund gilt hier besonders ein Reisezustand, bei dem 
man mit Familie reist und Frauen und Kinder weder den Betreffen- 
den begleiten noch alleingelassen werden können. Andererseits kann 
in einem trockenen oder unbekannten Gebiet nicht verlangt werden, 
daß sich jemand durch eine solche Suche in wirkliche Gefahr begibt 
(zum Beispiel einem Moorgebiet). In solchen Fällen muß aber zumin- 
dest versucht werden, die Mindeststrecke zu erfüllen. 
3. Das Vorhandensein von sauberem Sand bzw. sauberen Steinen. Hier wird - 
neben unbedeutenden und nicht genau belegbaren Madhähib-Memun- 
gen - gesagt, daß folgende Stoffe zum Tayammum zulässig sind: sau- 
bere Erde (ohne JVajäsa), Stein, Staub, Sand. Nur nach der Shäfi'iya 
und Hanbaliya gilt zusätzlich, daß der Tayammum ungültig ist, wenn 
nicht auch bei Nicht-Staub-Stoffen (Stein etwa) etwas Staub darauf 
ist, der auf die Hände übertragen werden kann. Bei der Hanqßya und 
Mälikiya jedoch genügt auch ein Streichen über einen staublosen Stoff 
(dieser aufgeführten Stoffe). Ein Bestreichen von staubiger Farbe, Gips 
oder Mehl usw. ist aber übereinstimmend nicht gültig. 



§48 

WANN DER TAYAMMUM ANGEWENDET WIRD 

Bei folgenden Umständen wird ein Tayammum (als Tayammum mqfrüd) 
angewandt: 

1. Wenn kein Wasser bzw. nicht genug reines, zur Reinigung [Tahära) 
geeignetes Wasser zur Verfügung steht, aber Sand, Staub usw., und 
man im Zustand der Tahära sein muß. 

Das heißt, wenn etwa das vorhandene Wasser verunreinigt (mutanqjjis) 
ist oder wenn zu wenig reines Wasser vorhanden ist, um einen minima- 
len Wudü' bzw. Ghusl vorzunehmen (einmaliges Waschen der Pflicht- 
teile), und man zum Beispiel sofort beten muß, so muß man den 
Tayammum verrichten. 

2. Wenn zwar Wasser vorhanden ist, aber der Zugang dazu durch ei- 
nen Menschen, ein Tier oder ein Gerät usw. verwehrt wird. Hierzu 
wird auch der Fall gezählt, daß man beim Hingelangen zum Wasser 
befürchten muß, beleidigt bzw. verfolgt zu werden. In solchen Fällen 
gilt das Wasser dem Hukm nach als nicht vorhanden. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 215 

;. Wenn Wasser vorhanden, aber mehr als etwa 2,5 km bzw. so weit 
vom Betreffenden entfernt ist, daß er bis zum Ablauf der gerade 
geltenden Gebetszeit es nicht mehr erreichen kann. Das heißt: Ist man 
mehr als 2,5 km vom Wasser entfernt, muß man nicht dorthin ge- 
hen, um die Wasserwaschung zu vollziehen, sondern kann den Tayam- 
mum ausführen. Aber es besteht keine Verpflichtung dazu: Der Be- 
treffende kann - wenn er will - auch dorthin gehen und einen gülti- 
gen Wudü } verrichten. Es handelt sich hier also um eine Erlaubnis, 
wobei davon ausgegangen wird, daß die Wasserstelle zu Fuß erreicht 
wird, während ein Reiter oder Autofahrer sicherlich nicht unter diese 
Regelung fällt. - Wenn aber - gleich, weswegen - der Betreffende 
nach bestem Wissen und Gewissen absehen kann, daß er der Zeiten- 
ge wegen nicht mehr zum Wasser gelangen kann, so muß er den 
Ghusl verrichten, darf die Gebetszeit nicht verstreichen lassen. Das 
gilt speziell, wenn zum Beispiel jemand als Junub bzw. Junuba auf- 
wacht und feststellt, daß von der Gebetszeit nur noch zehn Minuten 
verbleiben und er/sie noch das betreffende Gebet verrichten muß: 
dann ist eine Reinigung durch Ghusl und Wudü 3 sowie das Verrichten 
des reinen Fard-Gebets erfahrungsgemäß nicht mehr zu schaffen, und 
die betroffene Person muß dann den Tayammum verrichten. 

r Wenn durch Witterungsumstände bei einer Waschung mit Wasser 
Krankheit (Erkältung, Lungenentzündung usw.) befürchtet werden 
muß, kann man den Tayammum anwenden. Hierzu gilt: Wenn etwa nur 
eiskaltes Wasser im Winter vorhanden ist und man sich in nicht-ge- 
heizten Räumen aufhalten oder sich sogar ins Freie (in die Kälte) bege- 
ben muß, gilt diese Einschränkung; wenn aber außerhalb des Hauses, 
nicht aber innerhalb Kälte besteht und der Betreffende nicht bereits 
krank ist, so kann diese Einschränkung hier nicht gelten. Auch muß 
jemand die Waschung ( Wudü\ Ghusl) verrichten, wenn das dazu benö- 
tigte Wasser, selbst gegen Bezahlung, erhitzt und erwärmt werden kann. 



§ 49 

DIE ARKÄN DES TAYAMMUM 

Die Niya [Absicht) 

Diese hat -je nach Sicht des Tayammum - verschiedene Formen bei den 
Rechtsschulen. 

Mälikiya: Der Tayammum hebt den Zustand körperlicher Unreinheit 
(Hadath) nicht eigentlich auf, sondern er macht nur für die Zeit seiner 



2l6 



HANDBUCH ISLAM 



Gültigkeit die Dinge erlaubt, die sonst Wndü'xmd völlige Reinheit (Tahära) 
erfordern. Eine eventuelle Verunreinigung (Najäsa) muß vorher entfernt 
werden 95 . Daher muß die Absicht (Myd) sein, das für sich durch den 
Tayammum erlaubt zu machen, was das Vorhandensein von Reinheit 
erfordert (etwa: „Ich beabsichtige den Tayammum für das Freitagsgebet"). 
Beabsichtigt man beim Tayammum die Aufhebung eines oder beider 
Zustände körperlicher Unreinheit (Hadath), ist der Tayammum ungültig. 
Der Tayammum ist immer nur für ein Fard-Gebzt gültig, auch wenn in 
Jam ( gebetet wird. Es ist zwar zulässig, außer einem Fard-Gtbct auch 
jVä/z/fl-Handlungen zu verrichten, aber der i*W-Teil muß vorangehen; 
wenn jemand daher erst ein JVäßla betet und dann ein Fard, ist das Näfüa 
gültig, das .FW-Gebet aber nicht. 

Hanafiya: Bei der Hanqfiya hebt der Tayammum - korrekt durchgeführt - 
die Zustände geringerer und größerer körperlicher Unreinheit (Hadath 
asghar und akbar) tatsächlich auf; daher muß die Absicht eine der drei 
folgenden Formen haben: 

i . Zu beabsichtigen, den Zustand körperlicher Unreinheit (Hadath) auf- 
zuheben, wobei es nicht nötig ist, den jeweiligen Hadath genau zu 
bezeichnen. Selbst wenn jemand Junub ist und nur die Aufhebung des 
kleineren Hadath beabsichtigt, wird er durch den Tayammum ganz rein 
(tähir). 

2. Zu beabsichtigen, daß für ihn ein Gebet erlaubt wird. 

3. Eine andere gottesdienstliche Handlung ( ( Ibäda) zu bezeichnen, die 
er verrichten will, zu der er rituell rein sein muß, wie etwa Sujüd at- 
Tiläwa (Niederwerfung bei der Rezitation). 

Wenn er aber nur den Tayammum - ohne Zusatz in der Absicht - 
beabsichtigt, gilt der Tayammum und das mit ihm Durchgeführte nicht. 
Wenn man den Tayammum anläßlich einer Handlung durchführt, die 
selbst die Tahära nicht zwingend erfordert, so ist dieser Tayammum für 
ein anschließendes Gebet usw. unzulässig. 
Najäsa aber muß vor dem Tayammum entfernt werden. 

Shäfi'iya: Der Tayammum hebt bei ihnen den Hadath nicht auf, und man 
muß beabsichtigen, daß man für sich die Handlung (Gebet), die Tahära 
erfordert, durchführen will. Dabei muß man entweder ein Fard-Gzbzt 
(bzw. /W-Handlung) beabsichtigen oder eine jVfl/z/fl-Handlung oder eine 
spezielle 'Ibäda wie Sujüd at-Tiläwa. 

Im ersten Fall darf man genau ein Fard-Gebet damit verrichten, und 
beliebig viele jVö/z/ö-Handlungen der zweiten und dritten Art. 

Wenn er die Absicht zu einer Handlung der zweiten Art faßt, so darf 
er alles verrichten, was in der zweiten und dritten Art umfaßt ist, und 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 217 

hat er nur eine Absicht zur dritten Art gefaßt, so kommt ihm nur das 
zu. 

Najäsa jedoch muß vor dem Tayammum entfernt werden, sonst gilt er 
nicht. 

Hanbaliya: Bei der Hanbaliya umfaßt die Absicht zum Tayammum, sich 
die Dinge erlaubt zu machen, die Tahära erfordern, wobei das auch 
dazu dienen kann, die Auswirkung von Najäsa auf dem Körper aufzu- 
heben. 

Das Bestreichen des Gesichtes 
und der Arme bis einschließlich der Ellenbogen 

Dabei muß zuerst mit den flachen Händen auf den Boden bzw. den 
Stoff geklopft werden (bzw. man muß den Reinigungs-Stoff mit den 
Handflächen bestreichen), dann werden Gesicht (gegebenenfalls ein- 
schließlich des ganzen Bartes) und, nach erneutem Aufklopfen in der 
beschriebenen Art, die Unterarme einschließlich der Ellenbogen bestri- 
chen. 

Hanaßya: Bezüglich der Stelle, die man beim Bart bestreichen muß, gilt 
dasselbe wie beim Wudü\ 

Mälikiya und Hanbaliya: Das Pflicht -Bestreichen bei den Armen umfaßt 
nur die Hände bis einschließlich der Handgelenke, während das Be- 
streichen des ganzen Unterarms Sunna ist. 

Trägt man einen Ring oder Armreif, so muß auch die Haut darunter 
bestrichen werden, und ein Bewegen des Ringes genügt hier nicht, im 
Gegensatz zum Wudü 3 . 



§ 5° 

WEITERE PFLICHTEN IN DEN REGHTSSGHULEN 

Mälikiya: Als weitere Pflichtbedingung besteht Muwälät (ununterbroche- 
ne Abfolge der Handlungen) wie beim Wudü 3 . 

Hanbaliya: Muwälät (ununterbrochene Abfolge) und Tartib (Einhaltung 
der Reihenfolge der Handlungen) sind Pflicht, wenn nur ein Hadath 
asghar oder leichte Najäsa am Körper vorliegt. Wenn man Junub ist, gel- 
ten diese Bedingungen nicht. 



2l8 



HANDBUCH ISLAM 



Shäfi'iya: Bedingungen zusätzlich zu den genannten sind Tartib und das 
Übertragen von Staub. 



§ 5 1 

WIE LANGE DER TAYAMMUM GÜLTIG 
SEIN KANN BZW. WAS DEN TAYAMMUM AUFHEBT 

i . Was auch den Wudü' aufhebt. 

2. Wenn der beim Betreffenden geltende Entschuldigungsgrund aufge- 
hoben ist, etwa wenn wieder Wasser in genügender Menge zur Ver- 
fügung steht. 

Hanbaliya: Zusätzlich wird hier der Fall genannt, daß die Zeit des betref- 
fenden Gebets, für das Tayammum gemacht wurde, vergangen ist: dann 
ist der zuvor gemachte Tayammum sofort automatisch ungültig. 



§ 52 

WENN MAN WEDER WUDÜ' 
NOCH TAYAMMUM VERRICHTEN KANN 

Wenn man weder einen gültigen Wudü' noch einen gültigen Tayammum 
verrichten kann, so muß man dennoch das Gebet verrichten, aber dazu 
gibt es spezielle Bedingungen. 

Hanafiya: In einem solchen Fall wird - kurz vor Ablauf der Gebetszeit - 
ein Gebet der Form nach verrichtet, wobei man den Gehorsam gegen- 
über Gott zum Ausdruck bringt; dabei wird aber weder rezitiert, noch 
ein Tasbih gemacht, noch ein Tashahhud, und man muß dieses „Form- 
Gebet" — obwohl es als solches angenommen wird - bei nächster Gele- 
genheit nachholen. 

Mälikiya: In diesem Fall wird nicht gebetet, selbst wenn die Gebetszeit 
verstreicht, solange man keinerlei Reinheit (weder durch Wudü' noch 
Tayammum) hat, weil dann kein Gebet gültig sein kann. 

Shäfi'ya: Wenn jemand in dieser Lage Muhdath durch Hadath asghar 
oder Hadath akbar ist, so verrichtet er ein voll gültiges, normales Gebet 
mit normaler Niya und normaler Rezitation (die allerdings bei Hadath 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 219 

akbar kurz sein soll), usw. Ein solches Gebet ist zwar im Moment voll 
gültig, muß aber später nach entsprechender Reinigung nachgeholt 
werden. 



KAPITEL 13 

ÜBER DAS BESTREICHEN DER SCHUHE 
(AL-MASH 'ALÄ L-KHUFFAIN) 



§ 53 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 

Mit dem Bestreichen der „Schuhe" [al-Mash 'alä l-Khiiffain) ist eine rituel- 
le Reinigung gemeint, bei der - als Ersatz für die Waschung der Füße 
- mit feuchter Hand über ein spezielles Schuhwerk gestrichen wird. 

Dabei müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, vor allem hin- 
sichtlich der Frage, was für eine Fußbekleidung ein „Khuff" 96 nun ei- 
gentlich ist. 97 Diese Ersatzreinigung wird vor allem bei Gründen wie 
Kälte usw. (wegen der Erkältungsgefahr, die gerade bei Fußwaschung 
mit kaltem Wasser besteht) angewandt, aber auch allgemein, weil diese 
Erleichterung von Gott kommt und durch die Quellen allgemein und 
sicher bestätigt wird. 



§ 54 

DIE BESTE, DER SUNNA 
GEMÄSSE DURCHFÜHRUNG DES MASH 

Das „Bestreichen der beiden Khuff 1 ' [al-Mash 'alä l-Khuffairi) findet in 
Übereinstimmung der Madhähib am besten so statt: 

Man vollzieht einen vollständigen Wudü 3 und zieht dann - im Zu- 
stand des Wudü y (bei außerdem vorhandener Reinheit von Hadath akbar/ 
Janäbd) die beiden Khiiffan; sobald dann ein Hadath asghar (der Wudü' 
erfordert) eintritt, vollzieht man alle Teile des Wudü' wie gehabt, zieht 
aber dann die Khuff riichi aus und wäscht auch nicht die Füße, sondern 
bestreicht, sobald man alle anderen Teile des Wudü } erfüllt hat, mit 



220 HANDBUCH ISLAM 

einer stark angefeuchteten Hand - am besten mit den Kuppen dreier 
oder vierer Finger - über die Oberfläche eines jeden Muff, das heißt 
über den Teil des Muff, der die Oberseite des Fußes - den Spann - 
bedeckt, von dem Vorderteil, der Spitze des Muff bis etwas über die 
Höhe des Knöchelansatzes. Dabei bestreicht man in der beschriebenen 
Weise zuerst den rechten Muff mit der rechten Hand, dann entspre- 
chend mit der linken Hand den linken Muff 



§ 55 

WAS EIN FÜR DIE REINIGUNG DER BESTREICHUNG 
GEEIGNETER „KHUFF" ÜBERHAUPT IST 

Allgemein gilt in Übereinstimmung der Madhähib außer der Mälikiya, 
daß ein „Muff" eine Fußbekleidung ist, die den ganzen Fuß mitsamt 
den Knöcheln umschließt und ihn bedeckt und aus Leder, Wolle, Haar 
bzw. Wollfellhaar oder Baumwolle gefertigt ist. 

Mälikiya: Ein Muff ist grundsätzlich in seinen Ober- und Unterteilen 
immer aus Leder gefertigt; die Seitenteile bestehen entweder auch aus 
Leder oder können aus Wolle oder Baumwolle sein. 

Eine nur aus Wolle gefertigte Fußbekleidung ist nur dann ein Muff, 
wenn drei Bedingungen erfüllt sind: 

i . Daß die Fußbekleidung wasserdicht ist. 

2 . Daß die Fußbekleidung keine Bänder und dergleichen und von sich 
aus am Fuß festen Halt hat. 

3. Daß diese Fußbekleidung sichtundurchlässig ist, das heißt: daß die 
Haut des Fußes nicht durch den MuffhinduTch sichtbar ist. 



§56 

DIE ALLGEMEINEN BEDINGUNGEN ZUR KORREKTEN 

DURCHFÜHRUNG DES MASH, 

DEM BESTREICHEN DER BEIDEN KHUFF 

Folgende Bedingungen müssen zwingend zur Gültigkeit des Bestreichens 
(Mash) des Muff beachtet werden: 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 221 

Material und Gestalt des Khuff 

Der Fuß muß durch den Khuff ganz bedeckt sein; dabei ist es der Gültig- 
keit des Mash nicht abträglich, wenn ein Teil (Oberseite, Seite usw.) 
geknüpft, geknöpft oder auch mit Reißverschluß geschlossen wird, nur 
muß der Khuff zum. Zeitpunkt des Mash geschlossen sein. 

Wenn Löcher und Risse im Khuff sind 

Ist ein Riß oder Loch im Khuff oder bedeckt der Khuff den Fuß nicht 
ganz von den Fußspitzen bis zu den Knöcheln, gilt der Mash nicht. 

Hanqßya: Der Mash gilt nicht, wenn bei einem Khuff bzw. bei beiden 
Khuff ein Loch/Löcher oder Risse sind, die alle zusammengenommen 
eine Fläche ausmachen, die dreimal der entsprechen, die vom kleinen 
Finger eines erwachsenen Mannes bedeckt wird. 

Mälikiya: Der Mash ist ungültig, wenn ein Drittel des Fußes (von den 
Spitzen bis zum Knöchel des Fußes) bei einem ÄÄ«/f freiliegt. 

Daß der Khuff festen Halt am Fuß hat 

Es ist Bedingung, daß man dauernd, fortwährend darin fest gehen kann; 
wenn der Ä%ü/f locker sitzt und man den Fuß größtenteils oder teilweise 
von oben her sehen kann, schadet das der Gültigkeit des Mash nicht. 

Mälikiya: Die Mälikiya stimmt grundsätzlich damit überein, setzt aber 
fest, daß der Mash ungültig ist, wenn der Fuß keinen festen Halt hat - 
selbst dann, wenn man in diesem nicht fest sitzenden Ji7t«/f andauernd 
gehen kann. 

Hanbaliya: Wenn ein solcher Teil des Fußes, dessen Waschung Pflicht 
ist, von oben gesehen werden kann, ist der Mash ungültig. 

Daß die Khuff rechtmäßig erworben wurden 

Ein Mash ist dann ungültig, wenn er auf solchen ÄÄw/f ausgeführt wur- 
de, die der Betreffende gestohlen, ohne Erlaubnis bzw. zu Unrecht ge- 
nommen/ausgeliehen hat. 

Hanqßya und Shäfi'iya: Ein so vorgenommener Mash ist zwar gültig, der 
Betreffende ist aber sündig geworden. 

Ob ein Mash auf einem mit Najas a versehenen Khuff gilt 

Der Khuff muß rein (tähir) sein. Bezüglich der Frage, ob bei Berührung 
eines Khuff mit Najäsa bzw. bei Anhaften von Najäsa der Mash noch gül- 
tig ist, sind die Madhähib unterschiedlicher Auffassung. 

Mälikiya: Es besteht der rechtlichen Bestimmung nach ein Unterschied 
zur Berührung des Körpers usw. mit Najäsa: Wenn ein Khuff von Najäsa 
berührt wird bzw. damit behaftet ist, so wird durch Ablösen oder Ent- 



222 HANDBUCH ISLAM 

fernen der Najäsa der Mash ungültig, gleich, um was für eine Najäsa es 
sich handelt und ob es sich um eine ansonsten zu vernachlässigende 
Najäsa handelt oder nicht. 

Shäfi'iya: Ist die betreffende Najäsa eine zu vernachlässigende, bleibt 
der Mash gültig. 

Hanafiya: Die Takära ist keine Bedingung zur Gültigkeit des Mash; wenn 
also eine Najäsa an einem oder beiden Khuff anhaftet, bleibt der Mash 
gültig, aber damit man in den Khuffbeten darf bzw. gültig beten kann, 
muß diese Najäsa entfernt werden - nur eine zu vernachlässigende Najäsa 
braucht - wie auch allgemein - vor einem Gebet nicht entfernt zu wer- 
den. 

Hanbaliya: Ein Mash auf einem Khuff, der mit Najäsa versehen ist, ist 
unter zwei Bedingungen gültig: 

i . Die Najäsa befindet sich an der Unterseite oder an der Innenseite 
des Khuff. 

2. Daß das Entfernen der Najäsa dem Khuff-Trägtr Schwierigkeiten 
bereitet; kann er aber den Khuff waschen bzw. die Najäsa entfernen, so 
muß er das tun. 

Der Mash bleibt aber auch mit dieser Najäsa unter diesen Bedingun- 
gen gültig, der Träger der Khuffkaim darin beten, usw. 

Zum Wudü', der vor dem Mash erfolgen muß 

Es ist Bedingung, daß der Khuff nach Erlangen voller Tahära angelegt 
wird (nach Wudü' bzw. Ghusl und Wudü)\ dabei werden zuerst die Füße 
normal beim Wudü' (zum Schluß) gewaschen, dann die ÄÄa^f angelegt; 
dann - nach einem weiteren Hadath asghar - kann beim zweiten Wudü ' 
der Mash durchgeführt werden. Ist man aber im Zustand des Hadath 
asghar, so kann man den Mash nicht sofort durchführen. 

Hanafiya: Es ist keine Bedingung, daß man vor dem ersten Mash be- 
reits einen vollständigen Wudü' vollzogen hat; werden nämlich die Füße 
— in der Art der Fußwaschung beim Wudü' - gewaschen und wurden 
die Khuff vor einem Hadath asghar angezogen, und wird dann der Wudü' 
normal (aber mit Mash) vollzogen, so gilt der Mash. 98 

Ob und wann ein Tayammum den Wudü' vor dem Mash ersetzen kann 

Der Mash gilt grundsätzlich nur nach einem Wudü', nicht aber nach 
einem Tayammum, gleich, weswegen der Tayammum vollzogen wurde. 

Shäfi'iya: Der Mash ist nach einem Tayammum doch gültig, unter der 
Bedingung, daß der Tayammum wegen einer Krankheit usw. - nicht aber 
wegen Wasserknappheit — vorgenommen wurde. Wenn aber jemand 
auf der Grundlage eines Tayammum wegen Wasserknappheit einen Mash 
vollzieht und dann Wasser findet, so kann er keinen Mash mehr ma- 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 22ß 

chen, sondern muß die Füße (im Rahmen eines normalen Wudü) wa- 
schen. 

Zur Waschung des Fußes vor Anlegen des Khuff 

Es ist Bedingung, daß kein Hindernis am Fuß ist, das das Wasser bei 
der Waschung vor Anlegen des Khuff hindert, bis an die Haut zu gelan- 
gen, wie etwa Ton, Teig, Knetmasse oder dergleichen. 

Die Mindeststrecke, die ein Khuff zurücklegen können muß 

Es ist Bedingung, daß der Träger der /^«^grundsätzlich eine bestimm- 
te Strecke mit den Khuff zu Fuß zurücklegen kann - in dem Sinne: Wenn 
ein Khuff vor dem Ablaufen der Strecke vom Fuß abfällt oder ein an- 
dauerndes, normales Gehen damit unmöglich ist, so ist der Mash darauf 
ungültig. Die Mindeststrecke zur Gültigkeit des Mash wird bei den 
Madhähib verschieden gesehen. 

Hanafiya: Die Mindeststrecke beträgt einen Farsach = 3 Meilen = etwa 
4,5 km. 

Shäfi'iya: Für einen Reisenden (Musäßr) gilt eine Mindeststrecke, die 
während dreier Tage und der dazugehörigen Nächte unter Berücksich- 
tigung von Pausen zurückgelegt wird. Für einen Ortsansässigen bzw. 
Nichtreisenden (Muqim) gilt eine Mindeststrecke, die entsprechend wäh- 
rend eines Tages und der dazugehörigen Nacht zurückgelegt wird. 

Mälikiya: Hier wird keine feste Strecke angegeben. Es ist lediglich ge- 
fordert, daß man in den Khuff m. der gewöhnlichen Art und Weise, fort- 
während, das heißt mit sicherem Schritt, gehen kann und die Khuff we- 
der so weit sind, daß sie keinen festen Halt haben, noch so eng, daß ein 
bequemes Gehen darin unmöglich ist. 

Hanbaliya: Es wird keine Mindeststrecke angegeben; nur muß norma- 
les, fortwährendes Gehen in den Khuff mö$\ch sein. 



§ 57 

WEITERE BEDINGUNGEN, GEORDNET 
NACH DEN EINZELNEN REGHTSSGHULEN 

Bei der Hanafiya 

1 . Es dürfen in den Khuff keine zu großen Löcher bzw. Risse sein (wie 
oben dargestellt). 

2. Daß von oben und zugleich von außen jeder Khuff so bestrichen wird, 
daß eine Fläche im Bedeckungsmaß von dreimal einem kleinen Fin- 
ger befeuchtet wird. 



224 HANDBUCH ISLAM 

3. Der Mash muß mit mindestens drei Fingern (bzw. Fingerkuppen) 
einer Hand - zugleich - durchgeführt werden; führt man den Mash mit 
nur einem Finger einmal aus, so ist er ungültig. Wenn man aber drei- 
mal hintereinander mit jeweils neu aufgenommenem Wasser mit ei- 
nem Finger über den Ausstreicht, so gilt der Mash auch. Es ist anderer- 
seits keine Bedingung, daß man selbst Wasser schöpft: Wenn bei genü- 
gend starkem Regenfall Wasser auf die Muffkommt und man so über 
die bereits feuchten/nassen Muff in der beschriebenen Weise streicht, 
so gilt der Mash ebenfalls. 

4. Der Mash muß bei einem größeren Khuff&vS. dem Teil durchgeführt 
werden, der den verpflichtend zu waschenden Fußteil bedeckt (also von 
den Knöcheln bis zu den Fußspitzen); wird etwa bei einem hohen Schaft- 
stiefel (das heißt einem, der als Ä^M^gelten kann) nur der Teil oberhalb 
der Knöchel bzw. nicht der gesamte Pflichtteil bis zu den Fußspitzen 
bestrichen, so gilt dieser so durchgeführte Mash nicht. 

5. Daß der Fuß bei dem, der den Mash ausführen will, vollständig 
vorhanden ist bzw. daß mindestens noch drei Zehen am Fuß vorhan- 
den sind"; ist der Fuß mehr verstümmelt bzw. sind größere Teile abge- 
trennt, so gilt der Mash eines Muff auf diesem Fuß nicht. 

Allerdings gilt hier die Ausnahme, daß, wenn der Fuß mitsamt dem 
Knöchel fehlt, der Mash auf einem Muff über diesem Fuß doch gültig 
ist 100 . 

Bei der Shäfi'iya 
Die Bedingungen der Hanafiya gelten auch bei der Shäfi ( iya\ darüber hin- 
aus werden noch folgende Bedingungen beschrieben: 

1. Daß ein Muff nicht über einer Jabira (einer Schiene, einem Ver- 
band) getragen wird; wenn nämlich schon über eine Jabira Mash (als 
Ersatz waschung) gemacht und dann noch über einen darüber angezo- 
genen Muff ein Mash gemacht wurde, so ist der Mash über diesen Muff 
ungültig. 

2. Daß der Fuß, der Socken usw. im Inneren des Muff 'rein (tähir) ist. 

3. Daß - außer an Nahtstellen - kein Wasser durch den Muff 'hin- 
durch an den Fuß gerät bzw. geraten kann, wenn Wasser auf den Muff 
aufgegossen wird. 

Bei der Mälikiya 

Die Bedingungen der Hanafiya gelten auch bei der Mälikiya] darüber hin- 
aus wird als zusätzliche Bedingung folgendes festgelegt: 

1 . Der gesamte Muff 'muß grundsätzlich aus Leder bestehen (wie oben 
schon genauer ausgeführt). 

2. Der MuffmuQ genäht sein. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 225 

3. Der Khuff darf nicht ausschließlich mit der Absicht getragen wer- 
den, als Schmuck bzw. Verschönerung der Kleidungsausstattung zu 
dienen; er muß aus dem Wunsch heraus getragen werden, der Sunna des 
Propheten MuhammadJgJ zu folgen. Weitere Gründe sind Kälte, Dor- 
nen usw. auf den zu beschreitenden Wegen oder sich vor Angriffen 
gefährlicher Tiere wie Schlangen oder Skorpionen zu schützen. 

Der Mash gilt aber nicht, wenn man die entsprechenden Khuff nur 
trägt, um sich vor lästigen, nicht gefährlichen Tieren zu schützen (wie 
harmlosen Hausmücken) oder sich erträgliche Bemühungen bei einer 
Fußwaschung (Rumpfbeugung, Hockstellung) zu ersparen. 

Bei der Hanballya 
Bei der Hanballya werden keinerlei Bedingungen zusätzlich zu denen 
aufgeführt, die in Übereinstimmung der Madhähib gelten. 



§58 

DIE FLÄCHE, DIE BEIM MASH 
VERPFLICHTEND FEUCHT BESTRICHEN WERDEN MUSS 

Bezüglich der Fläche, die man verpflichtend beim Mash über die Khuff 
bestreichen muß, sind die Rechtsschulen [Madhähib) unterschiedlicher 
Ansicht. 

Bei der Hanafiya 
Man muß die Oberseite eines jeden Khuff feucht bestreichen, im Län- 
genmaß eines kleinen Fingers, im Breitenmaß von dreimal der Breite 
eines kleinen Fingers. Dabei muß die Oberfläche des Khuff innerhalb 
des Bereich zwischen dem Knöchel und der Fußspitze bestrichen wer- 
den. 

Bei der Mälikiya 
Die gesamte Oberseite des Khuff, das heißt das Stück des Khuff, das auf 
dem Fußspann aufliegt, muß pflichtgemäß feucht bestrichen werden. 
Es ist außerdem mustahabb, auch die Unterfläche des Khuff feucht zu 
bestreichen. 

Bei der Shäfi'iya 
Es genügt zur Erfüllung der Pflicht, wenn irgendeine Stelle der Ober- 
seite des Khuff feucht bestrichen wird, selbst dann, wenn nur ein Finger 
feucht auf den Khuff gelegt wird 101 . Der Mash ist aber nicht gültig, wenn 



226 



HANDBUCH ISLAM 



er von den Hacken her, an den Seiten oder von unten her vollzogen 
wird. Auch ist es ungültig, wenn der Khuff aus Leder mit Fell besteht 
und das Wasser beim feuchten Bestreichen nur auf das Fell aufgetra- 
gen wird, nicht aber bis zum darunter befindlichen Leder vordringt. 
Andererseits ist es zur Erfüllung der Pflicht auch gültig, wenn man nur 
den Knöchelbereich des KhuffhesXxe'ichx. 

Bei der Hanbaliya 
Der größte Teil der Oberseite muß feucht bestrichen werden; die Un- 
terseite zu bestreichen ist mustahabb. 



§ 59 

DAS TRAGEN EINES KHUFF ÜBER EINEM ANDEREN KHUFF 



Hierzu bestehen bei den Rechtsschulen unterschiedliche Bedingungen 
und Ansichten. 

Bei der Hanafiya 
Der Mash auf einem Muff über einem anderen Khuff 'ist unter drei Bedin- 
gungen gültig: 

i . Der äußere Khuff 'muß grundsätzlich aus Leder sein. 
Ist er aus einem anderen Material, muß das Wasser durch diesen 
äußeren Khuff an den inneren Khuff gelangen; ist das aber auch nicht der 
Fall, so ist der so auf dem äußeren Muff durchgeführte Mash ungültig. 

2. Daß der äußere Khuff zum Gehen geeignet ist (wie schon weiter 
oben beschrieben). 

3. Daß beim Anziehen des ersten, inneren, Khuff Tahära bestand und 
beim Anziehen des zweiten, äußeren, Khuff ebenfalls. 

Bei der Shäfi'iya 

Grundsätzlich gilt bei der Shäfi'iya dasselbe, was auch bei der Hanafiya 
gilt; dabei gelten aber zusätzlich folgende Dinge: 

1 . Wenn beide Khuff (der innere und auch der äußere) zu schwach 
zum Gehen sind, gilt ein Mash auf dem äußeren nicht. 

2. Ist der untere Khuff zu schwach, der äußere aber stark und geeig- 
net, so gilt der Hukm (die verpflichtende Bestimmung) des oberen allein, 
und der untere gilt nicht als Khuff 102 . 

3. Ist der untere Khuff stark, der äußere aber nicht bzw. sind beide 
stark und jeder für sich genommen geeignet, so gilt der Mash, wenn 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 227 

sicher Wasser an den unteren Khuff gerät und man das auch beabsich- 
tigt. War aber nur die Absicht zum Befeuchten des äußeren Khuff vor- 
handen, so gilt hier der Mash nicht. 

Bei der Hanbaliya 

Hier gelten folgende Bedingungen: 

i. Wird ein Khuff über einen anderen Khuff angezogen und ist der 
Träger der beiden Khuff im Zustand der Tahära (bzw. hat sich noch kein 
Hadath ereignet), so ist nach dem Anziehen des äußeren Muff und nach 
einem dann erfolgten Hadath asghar auch der Mash auf dem äußeren 
Khuff gütig. 

2. Auch wenn einer oder beide ÄXz^zerrissen bzw. mit Löchern ver- 
sehen sind, aber zugleich beide zusammen den Fuß ganz bedecken, 
ohne daß die Haut bzw. ein Socken usw. durch die Muff hindurch zu 
sehen ist, gilt der Mash. Ebenso gilt der Mash auf einem beschädigten 
äußeren Khuff, wenn zwar die Hand beim Bestreichen auf einen Teil 
des unteren Khuff stößt (das heißt durch einen Riß, ein Loch hindurch), 
aber nicht auf die Haut des Fußes bzw. einen Socken. 

3. Wenn in einem solchen Fall (wenn beide oder zumindest einer der 
ÄX«/^ beschädigt ist) der äußere Khuff ausgezogen wird, muß auch der 
innere ausgezogen und der Fuß danach zur Wiederherstellung der Tahära 
ganz gewaschen werden. 

Bei der Mälikiya 

Die verpflichtende Bestimmung des äußeren Khuff gAt\ wird der obere 
ÄXw/^ausgezogen, muß sofort (zur Erhaltung der Gültigkeit des ursprüng- 
lichen Mash) ein Mash auf den unteren Khuff gemacht werden 103 . 



§60 

WIE LANGE EIN MASH 
ÜBER DIE KHUFF GÜLTIG SEIN KANN 

Ein Mash bleibt für einen Reisenden (Musäfir) für maximal drei Tage 
und die dazugehörigen Nächte (also 3 x 24 Stunden) gültig, für einen 
Nichtr eis enden bzw. Ortsansässigen (Muqim) gilt, daß der Mash nur für 
einen Tag und die dazugehörige Nacht (das heißt für 25 Stunden) gül- 
tig ist, wobei als Beginn der Zeitpunkt angesetzt wird, an dem der Mash 
zum ersten Mal angewandt wurde. 

Das heißt, wenn jemand einen ^«(/«'verrichtet und danach die Khuff 
anzieht, gilt der Zeitpunkt des Anziehens noch nicht als Beginn dieser 



228 



HANDBUCH ISLAM 



Zeitspanne; erst wenn derjenige, welcher Muhdath wird (durch Hadath 
asghar), zur Wiederherstellung der Tahära die Waschungen des Wudü' 
sowie ersatzweise den Mash über die Ä^w^verrichtet, gilt diese Zeitspan- 
ne als begonnen. 



§61 

WODURCH EIN MASH 
ÜBER DIE KHUFF UNGÜLTIG WIRD 

Ein Mash wird grundsätzlich durch folgende Dinge ungültig, bzw. durch 
folgende Dinge hat man nicht mehr die Erlaubnis, ohne vorherige Fuß- 
waschung und neues Anziehen der Khiiff den Mash zu verrichten: 
i . Das völlige bzw. größtenteils vorgenommene Ausziehen der Khuff. 

2 . Den Ablauf der Maximaldauer für einen Mash. 

3. Das Eintreten des Hadath akbar (Janäba). 



KAPITEL 14 

DAS BESTREICHEN 
EINER SCHIENE (JABIRA) 

§62 

ALLGEMEIN 

Wenn jemand bei Knochenbruch oder Krankheit eine Schiene, einen 
Verband oder eine dicke Creme-Schicht tragen muß und kein Wasser 
an den betreffenden Körperteil gelangen kann und dieser Körperteil 
normalerweise bei Wudü } bzw. Ghusl gewaschen werden muß, so be- 
streicht man diese ,Jabira" (worunter alles, von der Schiene bis zur 
Creme, verstanden wird) feucht. 

Ist auch das aus gesundheitlichen Gründen unmöglich, weil jede Feuch- 
tigkeit schadet, und wenn nur Creme usw. aufliegt, so muß man eine 
saubere Binde darumbinden und darauf das Bestreichen ausführen. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 229 

§63 

BEDINGUNGEN DES BESTREIGHENS AUF EINER JABIRA 

1 . Daß tatsächlich der betroffene Körperteil durch Wasser geschä- 
digt würde. 

2. Der gesamte betroffene Körperteil - soweit seine Waschung sonst 
Fard wäre - muß bestrichen werden; nur die Hanafiya meint, daß auch 
der größte Teil davon genügt. 



§64 

GÜLTIGKEIT EINES BESTREIGHENS AUF EINER 
JABIRA UND DER DAMIT VERRICHTETEN GEBETE 

Ein Bestreichen auf einer Schiene wird ungültig, wenn die Jabira ganz 
oder teilweise entfernt wird. 

Gebete, die mit einem gültigen Bestreichen einer Jabira verrichtet 
wurden, sind absolut gültig und werden nicht wiederholt; nur nach der 
Shäfi'iya muß das Gebet unter der Bedingung wiederholt werden, daß 
ein Körperteil, das beim Tayammum bestrichen werden muß, nun bestri- 
chen wird, oder daß mehr als notwendig die Jabira ausgedehnt wird. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 2ßl 

Anmerkungen 

i Wenn in Hadithen von der „Hälfte der Religion" die Rede ist, so wird damit ausge- 
drückt, daß es sich bei der betreffenden Sache um ein Angelegenheit von höchster 
Wichtigkeit handelt, eine Sache, von der die Wirklichkeit und Verwirklichung der 
Religion abhängt. 

2 Dies ist in Mitteleuropa - und speziell Deutschland - zwar nicht gegeben, aber zum 
Beispiel schon im Mittel- und Südspanien sowie vielen anderen Gegenden Europas. 
Aus dieser Bedingung geht bereits hervor, daß diese Art des Wassers in Deutschland 
nicht vorkommen kann; dennoch ist sie hier der Vollständigkeit halber aufgezählt, da 
ja der Mensch reist und viele deutsche Muslime und Musliminnen Ehepartner haben, 
die aus solchen Ländern - wie hier beschrieben - stammen. Von daher kann auch ein 
deutscher Muslim durchaus in eine Lage kommen, in der er über diese und ähnliche 
Bedingungen Bescheid wissen muß. 

3 Davon abgesehen, daß man kaum Wasser in Gold- oder Silbergefäßen aufbewahrt, 
soll diese Bedingung festlegen, daß eben bei Gold- und Silbergefäßen diese Bedingung 
nicht erfüllt ist, sondern in diesem Fall das Wasser grundsätzlich tähir mutahhir ist. 

4 Die Toten im Falle der Totenwaschung gelten hier wie lebende Menschen, da hier 
zwar keine Krankheiten mehr auftreten können, aber der Tote mit Respekt behan- 
delt werden muß, und es ist im Sinne der Shari'a respektlos und daher zumindest 
makrüh, wenn man zur Totenwaschung ein Wasser verwendet, was auch bei Leben- 
den zur Waschung makrüh ist. Die Respektlosigkeit muß hier so verstanden werden: 
Die Totenwaschung ist ja die Vorbereitung des Toten für die Zeit, die er im Grab 
verbringen muß, und den Toten nicht aufs beste für diesen Zeitraum vorzubereiten 
muß - außer bei 'Udhr (Entschuldigungsgrund) - als äußerst grobe Unterlassung, Re- 
spektlosigkeit und als Sünde gewertet werden. 

5 Eine offensichtliche Vermischung liegt vor, wenn das Wasser in einer der drei Eigen- 
schaften der Reinheit - Geschmack, Geruch und Farbe - die Beimischung einer JVajäsa 
erkennen läßt (zum Beispiel beim Urin). Eine Verunreinigung dem Hukm nach liegt 
dann vor, wenn man den drei Eigenschaften der Reinheit nach zwar nicht eine offen- 
sichtliche Vermischung mit einer Najäsa feststellen kann, aber sicher weiß, daß das 
Wasser mit einer Najäsa in entsprechenden Kontakt gekommen ist. 

6 Im islamischen Recht wird hier das Maß „ Qulla" verwendet, ein Hohlmaß für Flüssig- 
keiten, sowie das Maß des „Ratl" (Hohlmaß für alle Feststoffe) bzw. „Ratl Baghdädi" 
(das Ratl nach der klassischen Norm von Baghdäd); daraus ergeben sich folgende 
Entsprechungen: i Qulla = 250 Ratl Baghdädi; 2 Qulla = 500 Ratl Baghdädi '= 192,857 kg. 
Unter der Voraussetzung, daß Wasser bei 20 C ein Gewicht von 0,998 g/cm hat 
und ein Kubikdezimeter einem Liter entspricht, ergibt sich: 1000 cm = 1 dm ; 1 dm 
= 1 1. Daraus folgt: 2 Qulla = 193,243 1 = etwa 193 1. In Raummaß: ein Würfel von ca. 
58 cm Kantenlänge. 

7 Hierbei wird von der Mälikiya eine etwas andere Meinung vertreten: Mälikiya: Selbst 
wenn es eindeutig feststeht, daß eine Najäsa in ein Wasser im Maß von zwei oder 
mehr Qulla hineingeraten ist, so gilt dieses Wasser doch so lange als tähir mutahhir, bis 
eine klare Veränderung der drei Eigenschaften ~ Farbe, Geschmack, Geruch — fest- 
zustellen ist. 

8 In diesen Bereich kann eventuell auch die Aufgabe eines Spürhundes fallen, da das 
Aufspüren als Teilgebiet des Jagens betrachtet werden kann. Inwieweit jedoch der 
Einsatz eines Hundes als Blindenhund zulässig ist, muß davon abhängen, ob es keine 



232 HANDBUCH ISLAM 

gleichgute Möglichkeit ohne Hund für einen Blinden gibt, sich im Alltag bzw. auf 
den von ihm zu begehenden Wegen fortzubewegen: Wenn das der Fall ist, sollte der 
Blinde auf den Einsatz des Blindenhundes verzichten, da er sich sonst stetig der Ge- 
fahr aussetzt, sich mit Najäsa von Seiten des Hundes zu beschmutzen. 
9 Natürlich lag bei dieser Gruppe der Najäsät der Gedanke eines Tieres zugrunde, das 
ohne irgendeine Schlachtung, allein, verendete; doch der Rechtsbestimmung (dem 
Hukm) nach wird das Fleisch bzw. der Körper dieses Tieres dem Körper eines nicht 
korrekt geschlachteten Tieres gleichgesetzt, weil es in der Auswirkung und Rechts- 
betrachtung keinen wesentlichen Unterschied zwischen diesen Arten der Najäsät gibt. 

I o In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß nach Ansicht der islamischen Rechtsge- 

lehrten das, was von einem Drusen oder einem extremen Alawiten — der die Rechts- 
verbindlichkeit des Korans ablehnt, der den Kalifen 'Ali, möge Allah mit ihm zufrie- 
den sein, über den Propheten Muhammad ^^ stellt bzw. 'AH, möge Allah mit ihm 
zufrieden sein, einen quasi-göttlichen Stellenwert zuspricht, usw. — geschlachtet wur- 
de, wie das von einem Mushrik Geschlachtete zu bewerten ist und ein gläubiger Muslim 
davon nicht essen darf; siehe zum Problem der aus dem Ur-Islam hervorgegangenen 
Sekten usw. auch den ersten Teil des Buches. 

I I Dieser Fall ist zwar oft mit dem vorigen identisch, muß es aber nicht sein: etwa wenn 
ein Christ (theoretisch) beim Schlachten im Namen Jesu, der Friede sei auf ihm, schlach- 
ten würde oder wenn ein Freidenker zum Andenken an irgendeine Gottheit, eine Idee 
usw. schlachtet. 

1 2 Siehe dazu auch den entsprechenden Abschnitt über die Speisevorschriften des Islam. 

1 3 Hierzu eine wichtige Anmerkung: Der Muslim (bzw. auch ein Mensch, der allgemein 
nicht Mushrik ist) gilt sowohl in lebendigem als auch im Todeszustand als tähir (rein), 
also nicht als Najäsa; ein Mushrik gilt jedoch — in lebendigem Zustand — auf gewisse 
Weise und bezüglich bestimmter ritueller Dinge als Najäsa — insofern, als es etwa 
einem Mushrik verboten ist, eine Moschee zu betreten. Der Beleg dazu ist der Koran- 
vers: „In der Tat, die Mushrikün sind Najas (Unreines), und sie sollen daher nach diesem 
ihrem ( Schutzvertrags -}Jahr der Heiligen Moschee nicht nahekommen ..." (Sure at- 
Tauba [9], Vers 28). Damit ist aber keine Najäsa im obigen Sinne gemeint, da durch 
Berührung eines Mushriks - auf keine für die Najäsa gültige Weise - keine reine Sache 
verunreinigt wird (mutanajjis wird). 

14 Auch sind sie ohne Schlachtung für den Muslim eßbar bzw. sie zu essen ist ihm 
erlaubt; siehe dazu den entsprechenden Abschnitt zu den Speiseregeln. 

1 5 Diese Ausnahmeregel hat durchaus ihren Sinn, weil etwa bei einem Heuschrecken- 
überfall außer diesen Tieren kaum mehr etwas Eßbares in einer betroffenen Gegend 
verbleibt; diese Regel ist also eher eine Regel für Notfälle als für den Alltag — wenn- 
gleich diese Erlaubnis nicht nur auf Notfälle beschränkt ist, sondern allgemein gilt. 

16 Siehe dazu auch die Abschnitte über die Arten des Wassers. 

1 7 Hier stimmt auch die Hanafiya zu, da davon ausgegangen werden muß, daß während 
des Schwimmens aus dem Maul des Hundes auch Speichel austritt und der Hund 
eventuell auch noch Urin ins Wasser läßt; siehe zum Ikhüläj 'der Gelehrten beim Hund 
auch den Abschnitt zur Najäsa mughalla^a im Haupttext. 

18 Das heißt mit Wasser, das tähir mutahhir ist. 

19 Im modernen häuslichen Bereich wird zwar in der Regel immer Toilettenpapier 
vorhanden sein; aber man muß auch daran denken, was man tut, wenn man im 
Freien — etwa auf einer Reise - unterwegs ist und man weder eine geeignete Toilette 
noch Papier vorfindet. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 2ß3 

20 Etwa wenn jemand zwischen zwei Toiletten wählen muß und in einer nur Papier und 
kein Wasser vorhanden ist, während in der anderen Wasser (zum Beispiel durch ei- 
nen Wasserhahn und ein Gefäß), aber kein Papier vorhanden ist. 

2 1 In diesem Fall muß man wohl oder übel die Finger der linken Hand zum Ablösen 
von Kot oder auch Flüssigkeiten, die vorn außer Urin austreten, benutzen. Wenn 
man das tut, so soll man darauf achten, daß man beim Reinigen von Kot die Nqjäsa 
(den Kot also) mit den mittleren Fingergliedern ablöst (das ist auch der Sunna gemäß), 
und wenn das nicht zur völligen Befreiung vom Kot genügt, soll man die Fingerkup- 
pen benutzen. Im letzten Fall aber soll man zusätzlich — wenn möglich - vermeiden, 
daß Kot unter die Fingernägel gerät, weil diese Fingerstellen erfahrungsgemäß nach 
dem eigentlichen Ablösen (Istibrä) viel schwerer zu reinigen sind als die Haut der 
Fingerkuppen. 

22 Zum Beispiel wenn man gewaltsam festgehalten wird bzw. Angst hat, bei Gefahr 
irgendwelchen Feinden aufzufallen, seien es Menschen oder Tiere oder auch entspre- 
chende Maschinen usw. 

23 Knochen dürfen darum nicht zum Istinjä' genommen werden, weil nach sicheren 
Hadithen die Knochen Nahrung der Jinn sind und daher — als eine Art der Nahrung 
- nicht zum Istinjä' erlaubt sind. 

24 Obwohl dies eine Selbstverständlichkeit sein sollte, ist dies klar und deutlich im Recht 
festgelegt, damit die Sache klar geregelt ist und niemand sich - wenn er sich in dieser 
Hinsicht vergeht - freisprechen kann. 

25 Allerdings sollte man wenn möglich darauf verzichten, wenn Stein/Papier und/oder 
geeignetes Wasser vorhanden sind, weil diese Stoffe auch zu anderen Nutzungen 
geeignet sind. 

26 Sei es, daß sie sich schämen oder unangenehm berührt fühlen oder bezüglich der 
Verunreinigung des Ortes. 

27 In heißen Gegenden leben gerade in alten Mauern (wie auch zwischen und in Felsen) 
Skorpione, die bei einer Annäherung wie der hier beschriebenen den Menschen so- 
fort angreifen können, ohne daß er sich sonderlich schützen kann; in Mitteleuropa 
gibt es entsprechend bestimmte (auch größere) Spinnenarten, die dem Menschen auch 
sehr gefährlich werden können. Mit den Kleintieren, die der Mensch - wenn er sein 
Bedürfnis an einer Wand verrichtet - schädigen kann, sind hier keine Ungeziefer- 
arten gemeint (diese zu töten ist erlaubt), sondern Tiere wie Mäuse und ähnliche 
Kleintiere, die man nicht quälen darf. 

28 Siehe dazu im einzelnen den Abschnitt über die Arten des Wassers. 

29 Allgemein gilt, daß man Orte, die mit Dreck, Nqjäsa usw. verbunden sind, derart 
betreten soll (mit dem linken Fuß zuerst betreten, mit dem rechten verlassen), wäh- 
rend man zu ehrende Orte (speziell eine Moschee) der Sunna gemäß in umgekehrter 
Folge betreten bzw. verlassen soll (also mit dem rechten Fuß betreten, mit dem linken 
verlassen soll). 

30 In diesem Fall soll man auch keinen Gruß geben bzw. erwidern, der ja (meist) einen 
Gottesnamen enthält; besonders während des eigentlichen Bedürfnis -Verrichtens gilt 
es als ausgesprochen makrüh. Es ist entsprechend in mindestens einem sicheren Hadith 
überliefert, daß ein Mann den Propheten*»^- während dieser sein Bedürfnis [hinter 
einem Blickhindernis] verrichtete - grüßte, der Prophet aber - weil er gerade sein 
Bedürfnis verrichtete - nicht den Gruß erwiderte. Das ist insofern ein sehr starker 
Beleg dafür, daß das Sprechen in dieser Lage mindestens makrüh, wenn nicht sogar 
haräm ist, als ansonsten das Erwidern des Grußes Fard ist. 



234 HANDBUCH ISLAM 

3 1 Der Zusatz im eckigen Klammern kommt in manchen Überlieferungen vor; es ge- 
nügt zur Erfüllung der Sunna aber auch der erste Teil, wenn man in Eile ist, auch das 
Wort „Ghufränak" (auch dafür gibt es sichere Überlieferungen). 

32 Man kann aber aus den Hadithen - wie das manche Gelehrte betonen — ein allge- 
meines Verbot oder doch zumindest eine starke Ablehnung bezüglich des Einnehmens 
der Qib la-R.ichtung bzw. Gegen- Q^/fl-Richtung beim Verrichten des Bedürfnisses er- 
kennen, zumal in manchen Überlieferungen aus der Zeit der Gefährten deutlich be- 
tont wird, daß sie zum Beispiel in Syrien in Häusern fest gebaute Toilettenräume 
vorfanden, bei denen man sich von ihrer Anlage her nur in Qib la-R.ichtung bequem 
setzen konnte; in dieser Lage - so wird zum Beispiel bei Sahih Muslim überliefert — 
wählten die Gefährten die Lösung, sich nach rechts bzw. links (seitwärts) bezüglich 
der QÄ-Richtung hinzusetzen, obwohl diese Räume zweifellos zum Verrichten des 
Bedürfnisses errichtet und dazu eindeutig auch ausgestattet und gedacht waren. Das 
ist insofern für die Lage in Deutschland interessant und wichtig, weil auch hier - 
naturgemäß - in vielen Fällen schmale Toilettenräume nur eine bequeme Sitzrichtung 
zulassen, die manchmal mehr oder minder genau der Q*7>/fl-Richtung entspricht, und 
in diesem Fall ist es sicher der Sunna am besten entsprechend, wenn man sich etwas 
seitlich umgewendet - soweit möglich - während des Verrichtens des Bedürfnisses 
hinsetzt. Als weitere Folgerung ergibt sich - gerade in Deutschland -, daß man sich 
im Zweifelsfall rechtzeitig vorher klarmachen muß, wo die QÄ-Richtung ist, um 
diese Bedingung überhaupt erfüllen zu können. 

33 Dies ist vor allem bei den Männern der Fall, weil oft in der Harnröhre Reste be- 
stimmter Körperflüssigkeiten (wie der feste Anteil der Samenflüssigkeit) festsitzen, 
die beim Wasserlassen erst aus der Harnröhre herausgespült werden und dann oft an 
der Öffnung der Eichel anhaften; da es sich dabei ganz klar um eine Najäsa handelt 
und man diese mit etwas Festem abstreifen und dazu auch das Geschlechtsteil festge- 
halten werden muß, ist es unumgänglich, auf das Geschlechtsteil zu sehen und es fest 
anzufassen. Wenn man überdies merkt, daß etwas an fester und nichtfester Rest- 
flüssigkeit in der Harnröhre festsitzt (das gilt für Mann und Frau), so ist es besser, 
genau den Ausscheidungsort zu betrachten, um nicht nach dem bloßen Abwaschen 
bzw. einfachen Abstreifen Najäsa zurückzulassen, welche dann an die Kleidung gerät. 
Wenn man nur Wasser läßt und nur reiner Urin austritt, genügt ein gründliches Wa- 
schen des Ausscheidungsortes, im Gegensatz zum Fall, daß man Kot ausscheidet: 
Hier muß man - wie oben im Haupttext dargestellt - erst den Kot (die körperliche 
Najäsa) abstreifen und den Ausscheidungsort soweit wie möglich durch Abputzen säu- 
bern, dann erst mit Wasser sauberwaschen. 

34 Es muß deutlich betont werden, daß der Bereich von ritueller und körperlicher Rein- 
heit und Unreinheit - anders als im Christentum — zunächst gar nichts mit Sündhaf- 
tigkeit zu tun hat; es geht hierbei lediglich um die Beschreibung von Körperfunktionen 
und ihrer Bedeutung für die Erlaubnis, bestimmte (gottesdienstliche) Dinge verrichten 
zu können, wie Gebete usw. Dem liegt zugrunde, daß ohne volle Reinheit gottes dienstliche 
Handlungen von Gott nicht angenommen werden; das hat aber mit dem Sündenbegriff 
so wenig zu tun wie mit einer schmutzigen Frucht, die eben gewaschen werden muß, 
bevor man sie essen kann - ohne daß diese Frucht „sündhaft" usw. wäre. All dies hat 
seine W'urzel in der christlichen Körper- und Sexualfeindlichkeit und hat mit dem Is- 
lam und seiner positiven Haltung zum Körper und seiner Sexualität nichts zu tun. 

35 Beim Tayammum jedoch entfällt dieses Problem; siehe dazu den entsprechenden Ab- 
schnitt zum Tayammum. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 2ß5 

36 Diese Waschung kann nicht durch den Tayammum ersetzt werden; bei Nichtvorhan- 
densein von Wasser und ähnlichen Hinderungsgründen gelten besondere Bedingun- 
gen, die vom Tayammum unabhängig sind; siehe dazu den entsprechenden Abschnitt 
zum Thema Najäsät. 

37 Siehe dazu den entsprechenden Abschnitt über die Tahära. 

38 Durch Aufhebung der Janäba mit einem Ghusl ist aber die volle Tahära nicht wieder- 
hergestellt, sondern es ist noch ein Wudü' notwendig; im Falle des Tayammum genügt 
aber ein einziger Tayammum zur Wiederherstellung der vollen Tahära. Wenn anderer- 
seits das (zur Waschung und Reinigung geeignete) Wasser nur für einen Teil der 
GAzwZ-Waschungen ausreicht, aber zur Durchführung des Wudü' ganz ausreichen würde, 
so gilt, daß dennoch nur ein Tayammum ausgeführt wird, weil die Aufhebung des 
Hadath akbar (das heißt der Janäba) der Aufhebung des Hadaih asghar vorgehen muß 
und weil ohne Nicht-Vorhandensein der Janäba durch Ghusl ein Wudü\ der mit Wassser 
vorgenommen wurde, ohnehin nicht gilt. 

39 Also zum Beispiel, wenn die Dinge (Personen, ihre Bilder, ihre Geräusche usw.) nicht 
direkt bei der betreffenden Person anwesend sind, er aber die Auswirkungen (eben 
Geräusche, Gerüche usw.) wahrnehmen kann. 

40 Wenn etwa jemand Geräusche hört, die beim Geschlechtsverkehr von Menschen im 
Nachbarraum hervorgebracht werden. 

41 Dies ist der einzig erlaubte Geschlechtsverkehr, in dem Sinne, daß Geschlechtsver- 
kehr zwischen Männern bzw. der zwischen Frauen islamrechtlich verboten ist. Aber 
auch alle unerlaubten Arten des Geschlechtsverkehrs - diese und weiter unten in den 
Fußnoten geschilderte Arten - erfordern - neben entsprechender Reue - den Ghusl 
bei jedem Beteiligten. 

42 Jede Art des Geschlechtsverkehrs, die mit der Vereinigung der primären Geschlechts- 
organe (Penis und Scheide) stattfindet, ist islamrechtlich erlaubt. Andererseits ist jede 
Art des Geschlechtsverkehrs, bei der nicht nur diese primären Geschlechtsorgane ver- 
wendet werden, sondern auch Mund bzw. After, unerlaubt (das heißt Oralverkehr 
und Analverkehr). 

43 Dabei gelten die schon weiter oben beim Wudü' erwähnten Ahkäm zum Berühren des 
Mushqf (speziell auch in Extremsituationen). 

44 Siehe dazu auch die entsprechenden Abschnitte zur 'Idda, sowie die Abschnitte im 
Haupttext weiter unten. 

45 Mit Maximaldauer der Menstruation ist nicht gemeint, daß nach dieser Frist kein 
Blut mehr austreten kann, sondern daß das nach dieser Maximaldauer austretende 
Blut kein Menstruationsblut mehr ist, sondern zur sogenannten „Scheinperiode" (Istihäda) 
gehört. Entsprechend verhält es sich bei einer Minimaldauer: Wenn diese Minimal- 
dauer nicht erreicht wird, betrachtet man das ausgetretene Blut dem Hukm nach nicht 
als Menstruationsblut, sondern als irgendein anderes Blut, und die betreffende Frau gilt 
nicht als eine Frau, die gerade ihre Periode hinter sich hat: Sie braucht in diesem Fall 
auch keinen Ghusl zu verrichten und unterliegt nach Aufhören dieser (zu kurzen) Blu- 
tung auch keiner Einschränkung, die von einer Menstruierenden hzw.Junuba zu beach- 
ten sind. Siehe zu den Auswirkungen dieses Hukm auch den Abschnitt über Istihäda. 

46 Bzw. nach hanbalitischer Ansicht zwölf Tage oder weniger. 

47 Dies ist bei der Frage nach der 'Idda von großer Bedeutung. 

48 Siehe dazu das entsprechende Kapitel. 

49 Dies, weil es eine zu große Belastung darstellte, alle so entgangenen Gebete auf ein- 
mal nachzuholen. Das gilt übereinstimmend bei allen Gelehrten. Aber einzelne, in 



236 



HANDBUCH ISLAM 



JVadhr-Form gelobte Gebete (Salawät man^üra) müssen nachgeholt werden, da hier ein 
anderer Hukm gilt. 

50 Hierzu gilt: 1 . Fällt das Ende der Periode in die Zeit des Ramadän-F 'astens, so muß 
zunächst das ja gerade anstehende Fard-Fasten in Ada' verrichtet werden; ansonsten 
gelten die üblichen Bedingungen zum Nachholen {Qadä) des Ramadän-F astens - das 
heißt, es ist ihr auch erlaubt, das Nachfasten (im Extremfall) so bis vor den Beginn des 
nächsten Ramadan aufzuschieben, daß sie das von ihr in Qadä' Nachzuholende noch 
erfüllen kann. 2. Hat die Frau ein JVadhr-F asten - das zeitlich in die Zeit der Periode 
fiel - (in Qadä) nachzuholen, so muß das sofort nach Erreichen der Reinheit (Tuhr) 
von der Periode getan werden. 

5 1 Siehe dazu aber auch die weiter unten im Haupttext aufgeführten Fälle, wenn die 
Blutungen für bestimmte Tage aussetzen. 

52 Das heißt, bei der Hanafiya wird - nachdem Nafis einmal begonnen hat - die Zeitdau- 
er als geschlossener Abschnitt verstanden, unabhängig von dem tatsächlichen Austre- 
ten von Blut nach dem allerersten Nafis-Blut. Diese Definition unterscheidet sich dem- 
nach ganz entscheidend von der der anderen Madhähib, wo im Zweifelsfall der tat- 
sächliche Blutaustritt als Nafis gilt und die Maximaldauer von Nafis auch unter den 
entsprechenden Madhhab-Re&mgxingen deutlich unterschritten werden kann. 

53 Um sicher zu sein, muß die Maximaldauer eines halben Mondmonats (das heißt 15 
Tage) verstrichen sein. 

54 Gemeint ist, daß kein täglicher Wechsel zu beobachten ist bzw. zumindest je drei 
Tage (das wird unter „mehreren" verstanden) ununterbrochen aufeinander abfolgen. 

55 In diesem Sinne entspricht das Wort „Wudü'" dem Begriff „Tawaddu'"; jedoch ist 
„Tawaddu'" ausschließlich auf diese Bedeutung festgelegt, im Gegensatz zu „ Wudü'". 

56 In diesem Fall ist notwendig die Reinheit von der größeren rituellen Unreinheit (Hadath 
akbar) mit inbegriffen, den Wudü' in dem hier genannten Sinn kann man nur auf der 
Basis erlangen, daß man nicht im Zustand der großen Unreinheit ist — denn hier ist 
die vollständige Tahära gemeint. 

57 Bei dieser allgemeinen Beschreibung wird der bestmögliche Ablauf dargestellt, ohne 
daß dazu gesagt wird, ob die betreffende Einzelhandlung nun Fard, Sunna mu'akkada 
usw. ist oder nicht; aber die Dinge, die nach der Mehrheit der Gelehrten Pflicht sind, 
werden durch gesperrte Schrift hervorgehoben. Zu genaueren Beschreibungen der 
jeweiligen Ahkäm siehe weiter unten die Abschnitte im Haupttext. 

58 Sofern die Waschgelegenheit das zuläßt; wenn man nämlich mit hoch oder sehr 
ungünstig installierten Waschbecken auskommen muß, ist das nicht jedem Menschen 
möglich - vor allem dann, wenn er in seiner Bewegungsmöglichkeit und seinem Gleich- 
gewichtssinn eingeschränkt ist (das ist durchaus nicht selten). 

59 Davon ist allerdings abzusehen, wenn man bestimmte Fußpilzerkrankungen hat; 
erfahrungsgemäß ist es in nicht-heißen Ländern sehr wichtig, die Zwischenräume 
zwischen den Zehen gut abzutrocknen. Tut man das nicht oder nur unzureichend, 
entstehen oft Feuchtigkeitspilze (leichte Pilzerkrankungen), die auch leicht übertrag- 
bar sind. In Ländern mit heißem Klima - sowie auch in sehr heißen Sommern in 
Mitteleuropa — trocknet das Wasser sehr schnell und vollständig weg. 

60 Unter der Voraussetzung, daß nicht Hinderungsgründe vorhanden sind, die den 
Tayammum erfordern. 

61 Unter Beachtung dessen, daß nicht alle Imäme der Madhähib dazu den Wudü' für 
verpflichtend halten; siehe dazu den entsprechenden Abschnitt. 

62 Alle diese Fälle hat der Verfasser bereits real erlebt. 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 237 

63 Diese Aussage gilt für jeden, der einer Beleidigung des Koran und des Propheten|g£ 
offen zustimmt. 

64 Ein derart krasser Fall, daß eine konkrete Najäsa wie Kot oder Urin mit dem ehrwür- 
digen Koran (als Beleidigung seitens von Nichtmuslimen) in Kontakt gebracht wird, 
ist dem Verfasser - Gott sei dafür gepriesen - aus Deutschland nicht bekannt; es gibt 
aber in der (auch jüngeren) Geschichte Beispiele für derartiges gottloses Verhalten. 
Davon abgesehen handelt es sich um ein - wenn auch sehr unangenehmes - Thema 
des Rechts, von dem man leider annehmen muß, daß es sich auch ereignen kann. Der 
Verfasser hat selbst, mit eigenen Augen, mehr als ein Mal den Fall einer Entehrung 
des Mushaf durch schlechte Behandlung erlebt, von denen eine als Beispiel genannt 
werden soll: Es gibt großformatige Blätter, auf denen in Miniaturschrift der gesamte 
Korantext geschrieben steht und die heutzutage auch häufig gedruckt werden; von 
solchen Blättern hat der Verfasser einmal einige zerknittert, mit Staub und Erdflecken 
oder dergleichen verschmutzt, ungeordnet auf einem Tisch liegen sehen. Daraufhin 
hat der Verfasser diese Blätter zunächst glattgestrichen, soweit wie es ging gereinigt 
und dann an Muslime übergeben, die diese Blätter sicher aufbewahren sollten. 

65 Zur Frage, ob es überhaupt zulässig ist, einen Mushaf zu verkaufen - sei es an einen 
Muslim oder einen Nichtmuslim -, werden vor allem zwei Hauptmeinungen vertre- 
ten: 

Die Argumente ßir das Verbot Das Verkaufen eines AfasA^handgeschrieben, gedruckt, 
fotografiert, usw.) ist von manchen Gelehrten generell abgelehnt worden, mit der 
Begründung, daß es eine Pflicht (Fara) ist, den Koran - im Rahmen der Möglichkei- 
ten - kennenzulernen bzw. auf Anfrage seinen Inhalt zu vermitteln; da die schriftli- 
che Form als Träger des geoffenbarten Wortes gilt und mit dem geoffenbarten Wort 
die Pflicht zusammenhängt, wird (nach dieser Meinung) auch das, was mit dem schrift- 
lichen Wort Gottes zusammenhängt (der Mushafselbst, seine Verbreitung und Überga- 
be) zu einer Art des verpflichtenden Gottesdienstes, und für Gottesdienste darf man 
nach islamischem Recht kein Entgelt verlangen - also auch keinen Mushaf verkauf en. 
Dies gilt nach dieser Ansicht sowohl für den Verkauf an Muslime wie Nichtmuslime. 
Die Argumente ßir das Erlaubtsein: Die Gelehrten, die es für zulässig erachten, einen Mushaf 
zu verkaufen, begründen das damit, daß dann, wenn eine Anzahl von Masähif(P\. v. 
Mushaf) hergestellt wird, dies auch mit Ausgaben und Anstrengungen verbunden ist; 
sofern der Hersteller bzw. Verkäufer also nicht ausdrücklich die Absicht hat, seinen 
Besitz in dieser Art auszugeben, kann es ihm (nach dieser Ansicht) auch nicht zur 
Pflicht gemacht werden, seine Ausgaben nicht wieder einzunehmen. Andererseits sind 
auch nach dieser Ansicht bestimmte Bedingungen gefordert: 

a) Der Koran darf nicht als Mittel zur Erzielung wirtschaftlichen Gewinns betrach- 
tet werden; wer einen Mushaf für mehr als einen der Ausführung angemessenen Preis 
verkauft, handelt sicherlich nicht korrekt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Mushaf 
nun an einen Muslim oder einen Nichtmuslim verkauft wird. 

b) Bei Verkauf eines Mushaf s an einen Nichtmuslim müssen die oben im Haupttext 
genannten Bedingungen erfüllt sein. 

66 Gemeint ist: daß der Nichtmuslim dem Muslim einen hohen Preis bezahlen will, der 
die Gewissensbisse oder Bedenken des Muslims hinwegwischen soll. 

67 Etwa wenn dieser Nichtmuslim sich mit dem Koran auseinandersetzen, ihn kennen- 
lernen will; dies ist grundsätzlich auch sein Recht, da sich der Koran an alle Men- 
schen richtet, Muslime wie Nichtmuslime. Dies geht nach Ansicht der Sprachgelehr- 
ten, die sich mit dem Korantext befassen, aus den oft verwendeten Anredeformen 



2 3 8 



HANDBUCH ISLAM 



hervor, mit denen Gott sich direkt an die Nichtmuslime oder allgemein alle Menschen 
richtet (Bsp.: „O ihr Menschen, ...", „o ihr Leute der Schrift [das heißt Juden und 
Christen]"; das ist der Beginn vieler Ayät). Auch die sicheren (sahih) Hadithe zu diesem 
Thema bestätigen das; sie bestätigen aber auch - wie bei dem Bericht über den Ein- 
tritt des späteren Kalifen 'Uraar bin al-Khattäb, möge Allah mit ihm zufrieden sein, 
in den Islam — , daß es für alle Menschen, auch Nichtmuslime, verpflichtend ist, in 
solchen Fällen des Kennenlernens des Korans zuvor die Waschung zur Erlangung 
der Tahära vorzunehmen. 

68 Das Wort im arabischen Text („aidikum") ist der Plural des Wortes ,yad", welches 
sowohl die Hand als auch den gesamten Bereich von den Fingerspitzen bis zum Ellen- 
bogen bezeichnen kann; das hat sowohl in Rechtsfragen beim Wudü' Bedeutung als 
auch in den Hadithen zum Thema der Handhaltung während des Qvyäm im Gebet. 

69 Hier wird klar, daß im Koranvers die erweiterte Bedeutung von 91 yad u gemeint ist. 

70 Die Bedeutung, daß hier ein Waschen der Füße gemeint ist, ist grammatisch an 
dieser Stelle eindeutig, weswegen das Wort hier in der Übersetzung zum Verständnis 
im Deutschen eingefügt werden muß. 

7 1 Bezüglich der Niya wird in der Regel immer von einer Verpflichtung (Fard) bzw. zur 
Gültigkeit unverzichtbaren Bedingung ausgegangen; Ausnahmen gibt es jedoch, vor 
allem beim Vertrags- und Familienrecht, wo manchmal von der äußeren Form allein 
ausgegangen wird. 

72 Die dabei gesehenen Unterschiede sind so minimal, daß sie hier vernachlässigt wer- 
den können. 

73 Nach Ansicht der Hanbaliya gehört das Händewaschen als Bestandteil des Reinigens 
der Arme bereits zum Pflichtbereich des Wudü\ nicht zu den Sunan. 

74 Nach Ansicht der Hanbaliya gehören Madmada und Istinshäq als Bestandteile der Gesichts- 
reinigung zum Pflichtbereich des Wudü\ nicht zu seinen Sunan. 

75 Dies gilt, sofern nicht aufgrund von Krankheiten (Pilzen usw.), die manchmal zwi- 
schen den Zehen bestehen können, Schaden durch Erregerübertragung befürchtet 
werden muß. 

76 Nach der Hanbaliya gehören die Ohren zum Pflichtbereich des Kopfbestreichens dazu, 
und ihr Bestreichen ist daher nach ihrer Ansicht Fard, nicht Sunna. 

77 Der Pflichtanteil wird übereinstimmend erfüllt, wenn jede Handlung des Wudü' nur 
jeweils einmal durchgeführt wird. 

78 Diese direkte Abfolge (Muwäläi) einzuhalten ist nach der Mäliklya und Hanbaliya Pflicht, 
nicht Sunna. 

7g Wenn etwa jemand seinen Arm schon dreimal gewaschen hat, aber direkt nach dem 
dritten Waschen zweifelt, ob er beim Waschen auch den Ellenbogen korrekt mit- 
gewaschen hatte; in diesem Fall ist es nicht makrüh, einmal zusätzlich zu waschen, weil 
es Pflicht ist, sicherzustellen, daß die Pflichtwaschung korrekt durchgeführt wurde. 

80 Siehe dazu auch den entsprechenden Abschnitt über die Arten und Anlässe des Hadath. 

81 In den Hadithen bedeutet „Hälfte der Religion/des Glaubens": sehr großer, unver- 
zichtbarer Teil der Religion/des Glaubens. 

82 Mit „Reinem" sind hier - wie auch im weiteren Text der Überlieferungen - speziell 
die 'Ibädät von Saläh und Tawäf gemeint. 

83 Hier ist gemeint, daß der Tote durch Ghusl gewaschen werden muß - abgesehen von 
einem Märtyrer, denn ein Märtyrer wird nach Meinung der Madhähib außer der Hanafiya 
vor seinem Begräbnis nicht gewaschen. Siehe dazu auch den entsprechenden Ab- 
schnitt zum Begräbnis (Janäza). 



BUCH ÜBER DIE REINHEIT 239 

84 Da letztlich ein Shart zur Gültigkeit erfüllt sein muß, wird hier der Shart genauso wie 
ein Fard hervorgehoben. 

85 Mit „äußerlich" ist hier zunächst gemeint, daß das Wasser auf die Haut gebracht 
wird, ohne es in die Körperöffnungen hineinzubringen. Auch ist gemeint, daß dichtes 
Körperhaar, das den Zugang des Wassers zur darunterliegenden Haut der Tat nach 
ohne Reiben (Takhlit) nicht zuläßt, nur äußerlich gewaschen werden muß (so, wie dies 
dann der Fall ist, wenn jemand seinen Körper ohne sonstige Handlungen in einem 
Wasserbecken ganz untertaucht; das war und ist in traditionellen islamischen Bädern 
oft geübte Praxis). 

86 Die Mälikiya nennt als Ausnahme den Fall, daß eine Braut bereits geschmückt und 
zur Hochzeitsfeier (Kopfschmuck, Frisur für die Feier unter Frauen, Parfüm usw.) 
vorbereitet ist, dann aber in den Zustand der Janäba gerät und durch den Zeitmangel 
zu einer erneuten Vorbereitung des Kopfes keine Zeit mehr verbleibt: In diesem Fall 
ist es als außergewöhnliche und nicht übertragbare Ausnahme gestattet, daß die Braut 
auf die Kopfwaschung - im Maß des Notwendigen zum Erhalt der Verschönerung — 
verzichtet, den Körper vom Hals an aber wie sonst auch üblich waschen muß. 

87 Wenn ein Fastender außerhalb der Fastenzeit (also vor Imsäfc) Junub wurde, aber aus 
irgendwelchen Gründen bis zum Beginn des Fastentages (nach Imsäk) sich nicht reini- 
gen konnte und daher nun, vor den Fajr-Gebet (bzw. Subh-Gebet) den Ghusl verrichten 
muß, so muß er bei der Waschung von Mund, Nase und anderen Körperöffnungen 
vorsichtig sein, damit nicht Wasser in das eigentliche Körperinnere gerät, weil da- 
durch das Fasten gebrochen werden kann. 

88 Es ist weder bei der Hanafiya noch bei der Shäfi'iya überliefert, daß dies Sunna sei. 

89 Gemeint ist hier, daß die Haare durch Reiben so zur Seite bewegt werden, daß das 
Wasser an die Haut unter dem Haar gelangen kann. 

90 Hier gilt dasselbe wie schon beim Wudü\ 

91 Wenn aber durch das Antrocknen des Wassers, der Feuchtigkeit am Kopf, die wäh- 
rend des ganzen Ghusl ja. verbleiben würde, Schaden befürchtet wird (zum Beispiel 
Erkältung oder Verschlimmerung einer Erkältung), so wartet man, bis man vom Hals 
an bis zu den Fußknöcheln alles gewaschen hat und wäscht dann zunächst den Kopf, 
dann die Füße. 

92 Hier werden alle eigenständigen Anlässe genannt, die der Verfasser als belegt hat 
finden können. 

93 Der Verfasser kann aus eigener Erfahrung sagen, daß man sich - nachdem man 
einen Toten gewaschen hat, in eigenartiger Weise selbst etwas unangenehm bzw. 
irgendwie unsauber fühlt, und dies, obwohl der (nichtverweste) Körper eines toten 
Menschen islamrechtlich nickt als etwas rituell Unreines (Nojäsa) gilt. 

94 Zur Frage von Haid (Menstruation) und Istihäda (Scheinperiode) und deren Verhält- 
nis zur Tahära siehe den entsprechenden Abschnitt zu Haid. 

95 Das heißt: bei den Madhähib, die diese Meinung vertreten, kann man keinen gültigen 
Tayammum verrichten, wenn man mit Najäsa behaftet ist und sie nicht zuvor - soweit 
möglich - entfernt hat. 

96 Knuff, PI.: Akkßf, Zweizahl (in Arabischen bei zum Beispiel zwei Füßen usw. verwen- 
det): Khuffan. Wenn von einer Person mit (normalerweise) zwei Füßen die Rede ist, 
spricht man daher auch von dem Khuff'm Zweizahl - also Khuffan. 

97 Die Frage ist darum wichtig, weil ein „Khuff i eine alte Art der Fußbekleidung ist, die 
zur Prophetenzeit von den Bewohnern der Arabischen Halbinsel getragen wurde; als 
dann andere Fußbekleidungen - durch die Verbreitung des Islam und durch die zeit- 



24O HANDBUCH ISLAM 

liehe Entwicklung - entstanden bzw. vermehrt getragen wurden, leiteten die Gelehr- 
ten die notwendigen Merkmale eines „Khuff" ab, damit diese Art der Ersatzwaschung 
- gemäß der Shan'a — korrekt erhalten und auch auf andere passende Fußbekleidungen 
angewandt werden konnte. 

98 Das heißt: Es kommt nach dieser Ansicht darauf an, daß alle Pflichtteile des Wudü' 
erfüllt werden; wenn also zunächst die Füße gewaschen und die Khuffan in der be- 
schriebenen Weise angelegt worden sind, muß nicht sofort der Wudü' verrichtet wer- 
den: Diese einfache Fußwaschung genügt, um jeden späteren Wudü' mit Mash - mit 
oder ohne Hadath asghar — gültig sein zu lassen. 

99 Gemeint ist, daß von Geburt an oder durch einen Unfall, Kriegsverletzungen und 
dergleichen ein Fuß ganz oder teilweise (speziell die Zehen) verstümmelt worden ist. 

100 Das darum, weil in diesem Fall der gesamte, beim Wudü' aus Pflicht zu waschende 
Teil des Fußes fehlt. Hier liegt ein Rechtsprinzip zugrunde, nach dem dann, wenn ein 
Pflichtbereich (noch) teilweise, nicht aber mehr ganz erfüllt werden kann (hier die 
Fußwaschung des Wudü), spezielle Erleichterungen nicht/nicht mehr so gelten; doch 
wenn der gesamte Pflichtteil nicht mehr erfüllt werden kann, so ist kein Zweifelsfall 
mehr gegeben, weil hier ein Fall von großer Erschwernis vorliegt und Erleichterungen 
ohne weiteres gelten können. 

101 Im Qiyäs (Analogieschluß) zum Bestreichen (Mash) des Kopfes bzw. Kopfhaares. 

102 Das heißt, ein Mash auf dem äußeren ist gültig, und nur dieser Mash allein zählt, 
während der untere und ein darauf gemachter Mash nicht mehr als solche gewertet 
werden. Außerdem muß natürlich der Träger der beiden Khuff im Zustand der Tahära 
sein, wenn er den zweiten Khuff über den inneren ersten anzieht. 

103 Das heißt, hier gilt - im Qryäs zum Wudü' -, daß, wenn man etwas vergessen hat 
bzw. wenn man die Waschung vervollständigen muß, man die Vervollständigung 
sofort (in Muwälät, direkter Abfolge) verrichten muß. 



IL 

Buch 
über das Gebet 

Saläh 



243 



KAPITEL I 
WAS IST DAS GEBET IM ISLAM? 

§ i 

DIE BEDEUTUNG DES GEBETES IM ISLAM 

Das Gebet (Saläh): die Verbindung zwischen Gott und Mensch 

Das Wort „Saläh", das meist mit „Gebet" übersetzt wird, kommt ur- 
sprünglich von dem Grundwort „wasala" (arab.: „hingelangen zu") und 
heißt wörtlich „ Verbindung", „das Hingelangen". Das Gebet ist also 
die Verbindung zwischen Gott dem Erhabenen und Mensch, direkt 
und ohne Vermittler. 

Der Unterschied zwischen der Rolle des Gebets im Islam 
und im (heutigen) Christentum 

Im Christentum, wie es sich heute darstellt, gibt es zwar verschiedene 
Arten von Bittgebeten, Sonntagsgottesdiensten und sonstigen Fest- 
gebeten, doch eine Gebetsform wie das islamische Saläh gibt es dort 
nicht. 

Während im Christentum heutzutage keine Originalquelle mit ge- 
nauer Beschreibung eines Gebetes (das nicht Bittgebet ist) aus der Zeit 
des historischen Propheten Jesus ^U\ mehr existiert, ist im Islam in vie- 
len Koranversen durch Gott die Existenz und Grundform des Gebetes 
und durch authentische Hadithe vom Propheten Muhammad ^J die 
genaue Form des Gebetes - des Saläh - überliefert. 1 

Das Saläh ist eine Gebetsform, die jeder Muslim und jede Muslima 
durchführen kann und in der vom Propheten Muhammad^J vorgege- 
benen Form verrichten muß. Das Saläh unterscheidet sich daher vom 
formfreien Bittgebet - dem Du'ä'- und muß täglich fünfmal verrichtet 
werden. 2 

Das Gebet (Saläh): die zweite „Säule des Islam" 

Das tägliche Pflichtgebet ist nicht irgendeine Pflicht, sondern eine der 
wichtigsten Glaubensdinge: Es ist die zweite „Säule des Islam" (Rukn al- 
lstem) und bildet daher sowohl im Glaubensbereich als auch im islami- 



244 HANDBUCH ISLAM 

sehen Recht eine absolute Pflicht. Wer das Gebet nicht - oder nicht 
immer - verrichtet, aber daran glaubt, daß es Pflicht ist, ist nach über- 
wiegender Meinung der Gelehrten sündhaft, aber kein Ungläubiger 
(Käfir). Leugnet er aber, daß es Pflicht ist, so ist er ohne Zweifel ungläu- 
big - selbst, wenn er trotzdem betet, weil er das Gebet in diesem Mo- 
ment des Betens und allgemein nicht für verpflichtend hält. 3 

Das Gebet muß in der Form verrichtet werden, wie der ProphetgJ es 
verrichtet hat; dazu hat der Prophet.g£ gesagt: 

„Betet, wie ihr mich beten seht." 

Es kommt niemandem zu, an der so festgelegten Form etwas zu än- 
dern, weder für sich selbst noch für eine Gruppe von Muslimen, noch 
überhaupt. 

Das gilt für alle Einzelbereiche des Saläh: für 

die körperlichen Dinge: Bewegungen und Haltungen (Stehen, Beugen, 
Niederwerfung, Sitzen, Schlußgruß-Bewegung); 

die sprachlichen Dinge: benutzte Sprache (Arabisch in der klassischen 
Form), Koranrezitation (in vorgeschriebener Form), Bittgebete (wäh- 
rend der Verbeugung, der Niederwerfung, usw.). 



§2 

der unterschied zwischen saläh 
(gebet in fester form) und du'a' (bittgebet) 

Der grundsätzliche Unterschied 

Das Saläh ist das in der Form genau festgelegte Gebet, das Du'ä' jedoch 
ist frei in seiner Form. 

Wörtlich heißt Du'ä': „Anrufung", „Bitten"; es gibt zwar für verschie- 
dene Gelegenheiten und Anlässe in arabisch überlieferte Bittgebete des 
Propheten !?§£, und es gilt auch als gut, diese so zu verrichten, doch es 
ist auch möglich, in jeder beliebigen Sprache sein Bittgebet an Gott zu 
richten. Das Du'ä' ist das ganz persönliche Bittgebet des Muslims. 4 

Die jeweiligen Formen 
Die Formen des Saläh 
Das Saläh hat grundsätzlich immer die gleiche Form: Man beschreibt 
den Gebetsablauf in Einheiten von „Rak'a". Eine Rak'a besteht aus dem 
Stehen (mit Koranrezitation), dem Verbeugen, dem Aufrichten des 
Oberkörpers (in die aufrechte Anfangs haltung), der ersten Niederwer- 
fung, dem Aufrichten des Oberkörpers (mit anschließenden Sitzen), der 
zweiten Niederwerfung sowie dem darauffolgenden Aufstehen bzw. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



245 



Sitzen-Bleiben (und der Rezitation des Tashahhua). Diesen Ablauf nennt 
man „Rak'a" (sinngemäß etwa: Gebetseinheit), und dieser Ablauf än- 
dert sich in keinem Pflichtgebet und nicht in den meisten freiwilligen 
Formgebeten. Die Länge der Gebete wird in diesen Rak'as gemessen: So 
hat das Morgengebet (Salätu s-Subh) zwei Rata, das Mittagsgebet (Salätu 
Z-Zuhr) vier und das Dämmerungs gebet (Salät al-Maghrib) drei. 

Dazu eine Tabelle, die die Anzahl der Rak'a zu jeder Gebetszeit und 
den jeweiligen Verpflichtungsgrad angeben. 5 



Gebete 

(bzw. 
die ihnen 
zugehörigen 
Zeitspannen) 


Sunna Sunna 
ghair \ mu'akkada 
mu'akkada (vor dem 

(vor dem Pflichtteil) 

Pflichtteü) 


Fard 
(Pflicht) 


Sunna 

mu'akkada 

(nach d. 
PflichtteU) 


Sunna 

ghair 

mu'akkada 
(nach d. 
Pflichtteil) 


Fajr 




2 


2 






Duhä 6 




2-8 








Zuhf 


2 


2 


4 


2 


2 


'Asr* 


(2-) 4 




4 _ 






Maghrib 9 


(2) 




3 


2 


2-4 


'Ishä' 


2-4 




4 


2 


\Taraw1h] 10 








[8 bzw. 20] 




[Qiyäm 
al-Lail/ 
Tahajjud] 11 








2 


2-8 


Witt 12 








I-II 




insgesamt 


8-12 


6-12 


n 


9 _I 9 

[+8/+20] 


6-14 



Jedes Gebet beginnt mit dem „Takbirat al-Ihräm" 13 (dem ersten Ausspre- 
chen von „Allähu akbar" und der Absicht zum Gebet), was als Eintritt ins 
Gebet gilt. Jedes Gebet wird beendet durch den „Taslimat al-Ihläl" bzw. 
„Saläm" (Schlußgruß zum Beenden des Gebets in der Form „as-salamu 
( alaikum wa rahmatu lläh"). 



Die Formen des Du'ä' 
Es gibt mehrere Klassen/Arten von Du'ä': 

1. Solche, die nach dem Pflichtgebet oder bestimmten Gebeten in 
Form des Saläh verrichtet werden; diese sind in Form und Sprache ganz 
frei. 



246 



HANDBUCH ISLAM 



2. Solche, die nach speziellen festgelegten Gebeten (Saläh) zu bestimm- 
ten Anlässen gebetet werden; diese haben oft - nicht immer - eine 
feste, überlieferte Form, die eingehalten werden sollte, aber nicht muß. 

3. Du'ä\ die als solche freiwillig sind, aber so zu sprechen sind, wie 
der Prophet ^J sie gesprochen hat - im arabischen Original und zu 
bestimmten Gelegenheiten. 



§3 

welche arten von gebeten es gibt 
(kurzer Gesamtüberblick) 

Die täglichen Pflichtgebete (Saläh) 

Fajr/Subh (Frühgebet) 
Dieses Gebet (Subh) besteht aus zwei Rak'a, bei denen die Koranverse 
laut rezitiert werden, wobei auf die erste Sure des Korans, die Fätiha 
(die Eröffnende) noch etwas anderes aus dem Koran rezitiert wird. Beim 
Morgengebet wird - sofern die Zeit reicht - gern etwas länger rezitiert. 

Es gibt nur ein Sitzen am Schluß des Gebetes mit anschließendem 
Schlußgruß, die beiden Rak'a werden nicht zusätzlich durch ein Sitzen 
getrennt. 

Vor dem eigentlichen Pflichtgebet des Morgens, Subh, gibt es noch 
ein freiwilliges Gebet von zwei Rak'a, das als das wichtigste der freiwil- 
ligen Gebete angesehen wird. 14 Dieses Gebet hat - im Unterschied zu 
den anderen Rätiba-Gebeten (das heißt den freiwilligen Gebeten, die 
vor bzw. nach einem Pflichtgebet verrichtet werden) - einen eigenen 
Namen: Fajr. Dieser Name wird von den Muslimen aus Gewohnheit oft 
auch gleichbedeutend wie „Subh" verwendet, doch korrekt muß es so 
gebraucht werden, daß man „(Salät al-)Fajr" für das freiwillige Gebet 
vor dem Pflichtgebet am Morgen verwendet und „(Salätu s-)Subh" als 
Namen für das Morgenpflichtgebet benutzt. 

Zuhr (Mittagsgebet) 
Es besteht aus vier Rak'a, in denen die Koranverse leise rezitiert wer- 
den. In der ersten und zweiten Rak'a wird nach der Fätiha — wie im 
Morgengebet (Subh) - noch etwas aus anderen Koransuren bzw. ganze, 
meist kleinere Suren - rezitiert, in der dritten und vierten jedoch nur 
die Fätiha. 

Nach den ersten zwei Rak'a folgt das erste Sitzen, dann erhebt sich 
der Betende zu den nächsten zwei Rak'a, denen das sogenannte letzte 
Sitzen mit anschließendem Schlußgruß folgt. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 247 

Asr (Nachmittagsgebet) 
Dieses Gebet (Asr) ist in seiner Form genau wie das Mittagsgebet (£uhr): 
vier Rak'a, nach zwei Rak'a erfolgt das erste Sitzen, die Koranrezitation 
während des Stehens ist leise. Auch die Art und Weise der Rezitation 
ist genau wie beim Mittagsgebet. 

Maghrib (Dämmerungsgebet) 

Das Dämmerun gs gebet (Maghrib) besteht aus drei Rak'a; es ist das einzi- 
ge Pflichtgebet mit ungerader Rak'a-Anzahl. In der ersten und zweiten 
Rak'a wird - wie beim Morgengebet - die Fätiha laut rezitiert und noch 
etwas Zusätzliches an Koranversen, dann folgt das erste Sitzen, dann 
eine einzelne Rak'a mit leiser Rezitation der Fätiha. Darauf folgt das 
letzte Sitzen mit anschließendem Schlußgruß. 

'Ishä' (Nachtgebet) 

In seiner Form entspricht es dem Mittagsgebet (/[uhr) bzw. Nachmittags- 
gebet (Asr), nur mit dem Unterschied, daß in der ersten und zweiten 
Rak'a laut rezitiert wird. 



Andere Formen des Saläh 

Freitagsgebet (Salat al-Jum'a) 

Das Freitagsgebet (Salät al-Jum 'a) verläuft etwas anders als die üblichen 
täglichen Pflichtgebete. 

Es findet anstelle des Mittagsgebetes am Freitag statt. Wer das Frei- 
tagsgebet gebetet hat, kann nicht das Mittagsgebet verrichten 15 , und 
wer das Freitagsgebet nicht verrichtet hat - zum Beispiel weil er nicht 
rechtzeitig eine Moschee aufsuchen konnte, in der das Freitagsgebet 
verrichtet wird — , muß statt dessen das Mittagsgebet ganz wie üblich 
verrichten' 6 . 

Das Freitagsgebet hat die Form eines Gemeinschaftsgebetes (Salät al- 
Jamä'a) von zwei Rak'a, denen eine spezielle Predigt vorangeht. Die Mus- 
lime versammeln sich in der Moschee und sitzen, während der Imäm 
(der Vorbeter) predigt; zum Gebet stellen sie sich in Reihen auf und 
verrichten das Freitagsgebet. 

Die spezielle Freitagspredigt (Khutbat al-Jum'a) des Imäms, des Vorbe- 
ters, besteht aus zwei Teilen. Zunächst begrüßt er die Anwesenden, 
dann wird der Gebetsruf (Adhän) ausgerufen (der Imäm sitzt während 
dieser Zeit auf einem speziellen Stuhl auf erhöhtem Platz, Minbar ge- 
nannt). Dann, nach dem Adhän, erhebt er sich und predigt stehend. 
Darauf beendet er diesen Teil der Predigt und setzt sich wieder auf den 



248 



HANDBUCH ISLAM 



Stuhl des Minbar und verrichtet leise einige Bittgebete. Dann erhebt er 
sich wieder und predigt im zweiten Teil weiter (die zweite Predigt), 
wobei sich an diese zweite Predigt ein Bittgebet für die Unterdrückten, 
die Reisenden, die Menschen in Bedrängnis und die Muslime allge- 
mein anschließt. 17 Dann begibt sich der Imäm vor die Reihen der Anwe- 
senden und betet ihnen beim eigentlichen Freitagsgebet vor, das aus 
zwei Rak'a besteht, laut rezitiert wird und in seiner Form dem Morgen- 
gebet entspricht. 

Wie auch beim Mittagsgebet gibt es vor und nach dem Freitagsgebet 
freiwillige Gebete (Rätiba näfild), die in ihrer Anzahl und Form den Rätiba- 
Gebeten des Mittagsgebetes (Zuhr) entsprechen. 

Die beiden Festgebete (Salät al- ( Idain) 
Es gibt zwei verpflichtende Festtage im Islam: das Fest am Ende des 
Ramadan ( ( Id al-Fitr, „Fastenbrechenfest") und das Fest zum Zeitpunkt, 
da die Pilger des Hajj in Mekka zum Gedenken an den Propheten Ibrahim 
/fcj[ die Opfertiere schlachten ( ( Id al-Adhä, „Opferfest") 18 . 

An diesen Festtagen wird jeweils ein bestimmtes, spezielles Gebet ver- 
richtet, in der Regel früh morgens, etwas nach Sonnenaufgang. Es be- 
steht - wie auch das Freitagsgebet - aus einem Predigtteil und einem 
eigentlichen Gebetsteil, unterscheidet sich aber vom Freitagsgebet: 

Das Gebet besteht aus zwei Rak'a mit lauter Koranrezitation, die 
aber jeweils von mehr als einem Takbir eingeleitet werden und in ihrem 
Verlauf ebenfalls mehr als einen Takbir enthalten. 19 Die Predigt wird 
nach dem Gebet vorgetragen; sie wird mit mehrmaligem Takbir (der 
Aussage: „Allähu akbar") eingeleitet. Wenn möglich, soll das Festgebet 
nicht in der Moschee, sondern im Freien stattfinden - im Unterschied 
zum Freitagsgebet. 

Spezielle Formen 

Dies sind Gebete wie das „Gebet um Regen" (Salät al-Istisqä) oder das 
„Totengebet" (Salät al-Janäza), die zum Teil sehr stark von der gewohn- 
ten Form des Saläh abweichen; diese Gebete sollen aber später im ein- 
zelnen genau besprochen und vorgestellt werden. 

Die freiwilligen Gebete (Saläh) 

Mit einem Pflichtgebet verbundenes, freiwilliges Gebet (Rätiba) 

Dies sind freiwillige Gebete, die (bis auf wenige Ausnahmen) immer 
gradzahlig sind, also jeweils entweder aus zwei oder vier Rak'a bestehen 
und vor bzw. nach dem Pflichtgebet verrichtet werden. Diese freiwilli- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 249 

gen Gebete sind an die Pflichtgebete gebunden (daher „Rätiba" genannt, 
wörtl. etwa: „anhaftend"): Sie können nur in der Zeit vor bzw. nach 
dem jeweiligen Pflichtgebet gebetet werden, zu dem sie gehören. Sie 
können auch nicht nachgebetet werden, wenn die Zeit des betreffen- 
den i*W-Gebetes vergangen ist. 20 Diese Rätiba-Näfila-Gebtte können auch 
nicht nachgeholt werden, wenn man das zugehörige Pflichtgebet ver- 
säumt hat und es nun nachholt: Nur das reine Pflichtgebet wird nach- 
gebetet, die freiwilligen Gebete entfallen aber in diesem Falle. 

Nicht mit einem Pflichtgebet verbundenes, zeitgebundenes ^fieiwilliges Gebet 
(Näfila mauqütd) 
In dieser Gruppe gibt es mehrere besondere Gebete, vor allem: 

i . Salät ad-Duhä {das Duhä- Gebet): 

Es ist ein Einzelgebet mit leiser Rezitation, hat zwei, vier, sechs oder 
acht Rak'a und kann in der Zeit von Sonnenaufgang bis vor Beginn des 
Mittagsgebetes (%uhr) gebetet werden. Es kann mit nur einem Takbirat 
al-Ihräm und einem Taslimat al-Ihläl gebetet werden (das heißt ohne daß 
man es in Gruppen von mehreren Rak'as betet, mit jeweils neuem Schluß- 
gruß und neuer Absicht und neuem Eintritt ins Gebet). 

Es kann aber auch in Gruppen von jeweils zwei bzw. vier Rak'a gebe- 
tet werden; dabei muß man - wenn man in Vierergruppen von Rak'as 
betet - nach je zwei Rak'a das erste Mal sitzen und den Tashahhud rezi- 
tieren, wie beim Mittags- bzw. Nachmittags- und Nachtgebet. 21 

2. Salät al-Witr [das Witr-Gebet): 

Es ist ein Einzelgebet mit leiser Rezitation (außer im Ramadan, wo es 
auch als laut rezitiertes Gemeinschafts gebet verrichtet werden kann) 
und besteht aus einer bis elf Rak'a , wobei die beste Zahl drei Rak'a ist. 
Es wird nach dem Nachtgebet ('Ishä) gebetet. 

3. Salät at~ Tahajjud (das Tahajjud- Gebet): 

Dieses Gebet ist ein freiwilliges Nachtgebet, das als Einzelgebet leise 
verrichtet wird. Dabei legt man sich nach dem Salät al- 'Ishä' (dem Pflicht- 
gebet der Nacht) schlafen und steht dann vor der ersten Dämmerung - 
also noch in der Nacht - wieder zum Tahajjud auf. Dieses Gebet wird 
nach dem 'Isha "Gebet und vor Witr verrichtet und hat immer eine gera- 
de Anzahl von Rak'as (mindestens zwei). Eine Höchstzahl von Rak'as 
gibt es zwar nicht, doch empfohlen wird eine Anzahl von acht. Dabei 
wird immer nach zwei Rak'a der Schlußgruß gegeben, und so wird der 
Tahajjud immer in Gruppen von zwei Rak'a gebetet. 



250 HANDBUCH ISLAM 

4. Salät at-Taräwih (Taräwih- Gebet): 

Das Taräwih-Gebet wird nur in den Nächten des Ramadan gebetet. Es wird 
laut rezitiert und besteht aus acht (bzw. zwanzig) Rak'a und wird von 
einer deutlichen Pause (arab. „ TarwiU\ Ausruhen) in der Mitte des Gesamt- 
gebetes unterbrochen. Es setzt sich aus Gruppen von je zwei bzw. vier 
Rak'a zusammen, die jeweils durch einen Schlußgruß beendet werden. 

An einen besonderen Anlaß gebundenes, 
freiwilliges Gebet [Näfila musabbabd) 

Hier sind besonders die folgenden Gebete wichtig: 

1 . Tahiyat al-Masjid (Begrüßung der Moschee): 

Dieses Gebet ist eine empfohlene Sunna (Sunna mu'akkaddf 2 ] es besteht 
aus zwei Rak'a 23 und wird mit leiser Rezitation direkt nach dem Betreten 
der Moschee gebetet. Für dieses Gebet gibt es besondere Bedingungen: 

(1) Daß man die Moschee nicht zu einer Zeit betreten hat, in der das 
Beten untersagt ist. 24 

(2) Es ist keine Bedingung, daß man ausdrücklich beabsichtigt, in der 
Moschee zu verbleiben: Auch für den ist das Verrichten dieses Ge- 
betes empfohlen, der nur durch die Moschee hindurchgehen will. 25 

(3) Daß man die Moschee im Zustand des Wudü' betritt; ist das nicht 
der Fall, wird Tahiyat al-Masjid nicht gebetet. 26 

(4) Daß man die Moschee nicht in dem Moment betritt, da der Iqäma- 
Ruf das Gemeinschaftsgebet [Salät al-Jamä'a) ankündigt oder schon 
ein Imäm anderen im Gemeinschaftsgebet vorbetet: In diesem Fall 
soll man sich den Betenden anschließen und Tahiyat al-Masjid nicht 
beten. 27 

(5) Daß der Imäm für das Freitagsgebet noch nicht zur Freitagspredigt 
erschienen ist. 28 

(6) Beim Betreten der Masjid al-Haräm in Mekka gelten besondere Be- 
dingungen bezüglich des Tahiyat al-Masjid (siehe dazu das Kapitel 
über den Hajj). 

2. Salät ash-Shukr (Gebet zum Dank): 

Dieses Gebet besteht aus zwei leise rezitierten Rak'a, die gebetet werden, 
wenn ein Muslim beabsichtigt, für etwas Besonderes, was sich ereignet 
hat, Gott zu danken, indem er/sie eben dieses Gebet verrichtet. 

3. Salät al- Wudü' (Gebet nach der kleinen rituellen Waschung): 
Dieses Gebet gilt als Sunna mu'akkada, wird direkt nach der kleinen ritu- 
ellen Waschung verrichtet und besteht aus zwei leise rezitierten Rak'a. 

4. Salät al-Khurüj li s-Safar wa l-Qudüm minhu (Gebet vor dem Aufbruch zu 
einer Reise und bei der Rückkehr von einer Reise): 



BUCH ÜBER DAS GEBET 25I 

Dieses Gebet ist Sunna mu'akkada und wird vor bzw. nach der Reise mit 
zwei Rak'a verrichtet; speziell bei der Rückkehr ist es nach authenti- 
schen Hadithen empfohlen, das Gebet in der Moschee zu verrichten. 

5. Salät at-Tauba (Gebet zur Reue): 

Dieses Gebet wird in zwei leise rezitierten Rak'a verrichtet, wenn man 
etwas vor Gott besonders bereut, ohne daß dafür aber eine spezielle 
Kaffära (Sühnehandlung) notwendig ist. 29 Es wird nur bei kleinen Sün- 
den verrichtet. 

Absolutes, nicht zeit- oder anlaßgebundenes, 
freiwilliges Gebet (näfila mutlaqa) 

Dieses Gebet besteht immer aus zwei Rah'a mit leiser Rezitation, die 
grundsätzlich immer gebetet werden können - mit Ausnahme der „ver- 
botenen Zeiten", in denen grundsätzlich nicht gebetet werden darf. 30 



KAPITEL 2 
DIE GEBETSZEITEN 

§4 

DIE GEBETE UND IHRE ZEITEN 

Die Pflichtgebete und ihre Reiten 

Die Gebetszeiten: bestimmte Zeiträume 

Die Gebetszeiten sind Zeiträume, die durch den Sonnenstand bzw. den 
Schatten und das Dämmerungslicht bestimmt werden. Ein Gebet kann 
von Anfang dieses Zeitraumes an bis kurz vor Ende dieses Zeitraumes 
verrichtet werden. 
Die Gebetszeiten werden durch fünf Dinge bestimmt: 
1 . Durch astronomische Berechnung der Stunden unter Zugrundelegung der 
Maßstäbe der islamrechtlichen Bestimmung der Gebetszeiten. Diese Me- 
thode wird heute sehr häufig angewandt, vor allem in Form von Tabel- 
len und speziellen Kalendern, in denen die Gebetszeiten für jedes Ge- 
bet während des ganzen Jahres verzeichnet sind. 



252 HANDBUCH ISLAM 

2. Durch das Sinken der Sonne während des lichten Tages und damit 
durch den Schatten; durch den Schatten wird die Zeit des Mittags- (Zukr) 
und Nachmittagsgebetes ( c Asr) festgelegt. 

3. Durch den Sonnenuntergang; durch ihn wird das Dämmerungsgebet 
(Maghrib) in seinem Beginn festgelegt. 

4. Durch die „rote" bzw. „weiße Dämmerung"; durch sie wird der Beginn 
des Nachtgebetes {'Ishä) bezeichnet. 

5. Durch das Erscheinen des ersten, „weißen Frühlichts"; dadurch wird der 
Beginn des Morgengebets {Subh) bestimmt. 

Die Z e ü von Fajr/Subh {Frühgebet) 
Die Zeit des Morgengebets (Subh) beginnt mit der „wahren Morgen- 
dämmerung" und endet mit dem Beginn des Sonnenaufgangs (das heißt 
mit dem Zeitpunkt, zu dem die Oberkante der Sonnenscheibe sichtbar 
wird). Die „wahre Morgendämmerung" 31 ist das Licht, das sich am 
Horizontgebiet des Sonnenaufgangs so ausbreitet, daß es sich über die 
ganze Horizontlinie ausbreitet und dabei in Himmelsrichtung aufsteigt. 

Die sogenannte „lügnerische/falsche Morgendämmerung" 32 ist da- 
gegen ein Licht, was sich nur als schmaler Lichtstreifen gegen den Him- 
mel hin gerichtet ausbreitet, wobei zu beiden Seiten dieses Lichtes am 
Horizont noch Dunkelheit herrscht. Dieser Dämmerungsart kommt kei- 
nerlei rechtliche Bedeutung zu, nach ihr richtet sich keine Gebetszeit. 

Die Z e ü von Z u ^ r {Mittagsgebet) 
Die Zeit für das Mittagsgebet {Z u hr) beginnt unmittelbar nach dem er- 
sten Sinken der Sonne während des lichten Tages, wenn sie sich aus 
dem Zenit (der genauen Mittelstellung am Himmel) herabsenkt. 

Die Zeit des Mittagsgebets dauert an, bis der Schatten eines schatten- 
werfenden Dinges so lang geworden ist wie die Länge des Dinges selbst; 
dabei wird aber der Schatten, den das Objekt zum Zeitpunkt des Zenits 
der Sonne schon geworfen hat, nicht mitberechnet. 
Beispiel: Ein Stab wirft zum Zeitpunkt des Zenits einen Schatten von 
einem Zentimeter und ist selbst zehn Zentimeter lang; dann beginnt 
die Zeit des Mittagsgebets, wenn der zusätzliche Schatten deutlich als 
der geringste mögliche Schatten zu erkennen ist (im Beispiel etwa ein 
Zentimeter), und endet, wenn der Schatten auf elf Zentimeter ange- 
wachsen ist (also 10 cm = Zuwachsschatten + 1 cm Minimalschatten). 

Die Z e ü von 'Asr {Nachmittagsgebet) 
Die Zeit des Nachmittagsgebetes ( s Asr) beginnt, sobald der Schatten ei- 
nes schattenwerfenden Dinges länger wird als das Ding und sein Schat- 
ten, den es beim Zenit der Sonne warf (wie oben erläutert). Die Zeit für 



BUCH ÜBER DAS GEBET 253 

das Nachmittagsgebet endet mit Beginn der Abenddämmerung (das 
heißt spätestens, wenn der Unterrand der Sonnenscheibe den Horizont 
berührt). 
Beispiel: Der oben genannte Stab von zehn Zentimetern wirft einen 
Schatten von elf Zentimetern: die Zeit des Nachmittagsgebetes be- 
ginnt. Sie endet - wie oben gesagt - spätestens, wenn der Unterrand 
der Sonne den Horizont berührt (zu diesem Zeitpunkt wächst der 
Schatten so sehr an, daß er nicht mehr meßbar wird, weswegen der 
Schatten für die Bestimmung des Endes dieser Gebetszeit unbrauch- 
bar ist). 
Nach Ansicht der Hanafiya endet die Zeit, in der das ^r-Gebet gültig 
verrichtet werden kann, in dem Moment, wenn der Schatten doppelt 
so lang ist wie der Schatten zu Beginn der Asr-Zeit zuzüglich des Zenit- 
schattens. 
Beispiel: Im Zenit wirft die Sonne über einen einen Meter langen 
schattenwerfenden Stab einen Schatten von zehn Zentimetern. Zu 
Beginn der Asr-Zeit ist der Gesamtschatten also i m + i o cm lang. 
Das „hanafitische zweite Asr" (wie das Ende der ^r-Gebetszeit nach 
hanafitischer Auffassung auch genannt wird) ist also erreicht, wenn 
der Schatten 2 x i m + i o cm lang ist. 

Die £eit von Maghrib {Dämmerungsgebet) 

Die Zeit des Dämmerungsgebetes beginnt, sobald die Sonnenscheibe 
ganz untergegangen ist, und endet, sobald die „rote Dämmerung" en- 
det. 33 Nach manchen Meinungen ist es aber auch zulässig, bis zum Be- 
ginn der { Ishä 3 -Zeit das Maghrib-Gebet zu verrichten. 

Die £eit von ( Ishä } {Nachtgebet) 

Die Zeit des Nachtgebetes {'Isha) beginnt mit dem Ende der Dämme- 
rung und endet mit dem Erscheinen der „wahren Dämmerung". 

Die Reiten der eigenständigen, zeitgebundenen, freiwilligen Gebete 

Das Duhä-Gebet {Salätu d-Duha) 

Das Duhä-GebeX ist ein freiwilliges Gebet, das als Sunna empfohlen ist; 
seine Zeit beginnt, nachdem die Sonne aufgegangen und sich schon 
deutlich über den Horizont erhoben hat 34 ; sie endet zu dem Zeitpunkt, 
da sich die Sonne aus dem Zenit herausbewegt und schon zu sinken 
beginnt (also mit Beginn des ^«Ar-Gebets). Als beste Zeit, das Duhä-Ge- 
bet zu verrichten, gilt die Zeit nach dem ersten Viertel des lichten Ta- 
ges. 



254 HANDBUCH ISLAM 

Das Witr-Gebet(Salätal-Witr) 
Es ist in der Zeit des Nachtgebets, nach dem '.Mä'-Gebet zu beten. Es 
ist das letzte Gebet des Tages, und zwischen dem Witr- und dem Mor- 
gengebet darf grundsätzlich kein anderes Gebet verrichtet werden. 35 

Das freiwillige Nachtgebet (Qjyäm al-lail) 
Dieses Gebet (immer in Zweiergruppen von Rak'as) wird zwischen dem 
Rätiba-Näfila-Gebet nach dem 'Ishä '-Gebet einerseits und dem Witr ande- 
rerseits verrichtet. 

Das Tahajjud-Gebet (Salätu t-Tahajjud) 
Dieses Gebet wird zur gleichen Zeit wie Qjyäm al-Lail verrichtet (denn 
Tahajjüd ist das gleiche wie Qiyäm al-Lail, nur mit dem Unterschied, daß 
man sich vor Tahajjüd schlafen legt, Qiyäm al-Lail jedoch ohne Unterbre- 
chung durch Schlaf an das Nachtgebet ('Ishä') anschließt. 



§5 

DIE ZEITEN, ZU DENEN ES VERBOTEN 
BZW. MAKRÜH IST ZU BETEN 

Bestimmte, feste Tageszeiten 

Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, J?enit 
Bei drei Zeiträumen, die durch den Sonnenstand festgelegt sind, ist das 
Beten überhaupt makrüh bzw. untersagt (je nach Rechtsmeinung): 
i . Von dem Moment an, da der Sonnenaufgang beginnt (also die Sonnenscheibe 

hinter der Horizontlinie sichtbar wird und aufsteigt; dies ist zugleich 

auch das Ende des »SWÄ-Gebetes) bis zum Ende des Sonnenaufgangs (da die 

gesamte Sonnenscheibe sichtbar geworden ist). 

2. Von dem Moment an, wo die Sonne untergeht (das heißt die Sonnenscheibe 
mit ihrem Unterrand den Horizont berührt) bis zum völligen Untergang 
der Sonne (da die gesamte Sonnenscheibe hinter der Horizontlinie 
versunken ist; dies ist auch zugleich der Beginn des Maghrib-Gebetes). 

3. Von dem Zeitpunkt, wo die Sonne genau im Zenit steht, bis zu dem Zeitpunkt, da 
die Sonne sich (meßbar am Schatten) deutlich aus dieser Himmelsstellung her- 
abgesenkt hat (dies ist zugleich der Beginn des £wÄr-Gebetes). 



BUCH ÜBER DAS GEBET 255 

Zeiträume vor bzw. nach Verrichtung von anderen Gebeten 36 

^wischen dem Subh-Gebet und Sonnenaufgang 

Wenn das Morgengebet [Subh) verrichtet worden ist, darf bis zum Son- 
nenaufgang kein Gebet mehr verrichtet werden. Dies gilt für absolute, 
freiwillige Gebete; was aber anlaßgebundene JVäfila-Gebete angeht, so 
gibt es bei einigen von diesen Gebeten bei manchen Gelehrten und 
Rechtsschulen auch die Meinung, daß man sie verrichten dürfe (diese 
Punkte sollen an den entsprechenden Stellen behandelt werden). 

^wischen dem ( Asr-Gebet und Sonnenuntergang 
Zwischen dem verrichteten ^5r-Gebet und dem Sonnenuntergang darf 
ebenfalls kein Gebet verrichtet werden; zu den Ausnahmen gilt dassel- 
be wie schon oben beim Sonnenaufgang erwähnt. 

^wischen dem Witr-Gebet und dem Fajr- bzw. Subh-Gebet 

Zwischen dem Witr-Gebet und dem Morgengebet (Subh) darf ebenfalls 
kein Gebet mehr verrichtet werden; nur nach der Meinung der Madhähib^ 
die ein Aufschieben des Tahajjud gestatten sowie bei den oben schon 
erwähnten Ausnahmen der freiwilligen Gebete ist es möglich, noch zu- 
sätzlich Gebete zwischen Witr und Subh einzuschieben. 



KAPITEL 3 

DAS VERBINDEN (JAM') VON 
ZWEI GEBETEN IN EINER GEBETSZEIT 

§6 

WAS DAS VERBINDEN (jAM') EIGENTLICH IST 

Unter Verbinden kann hier grundsätzlich zweierlei verstanden werden: 
Das „angrenzende Verbinden" (Jam ( süri) 

Dies ist kein eigentlich echtes Verbinden. Darunter versteht man, daß 
der Betende jedes Gebet genau in seiner Zeit verrichtet, aber dabei das 
vorausgehende Gebet soweit wie nur möglich bis an die abschließende 



256 HANDBUCH ISLAM 

Zeitgrenze der betreffenden Gebetszeit verschiebt (es also gewisserma- 
ßen im letzten Moment noch verrichtet) und dann direkt - bei Eintritt 
der zweiten Gebetszeit - das zweite, nachfolgende, Gebet verrichtet. 

Beispiel: Jemand, der das ^wAr-Gebet verrichten muß, wartet mit der 
Absicht, das „angrenzende Verbinden" durchzuführen, ab, bis die für 
das ^Ar-Gebet vorgesehene Gebetszeit so weit verstrichen ist, bis nur 
noch für das ^Är-Pflichtgebet Zeit verbleibt, und verrichtet schnell das 
Zuhr, sobald er dann sicher ist, daß die Gebetszeit für das 'Asr begonnen 
hat, verrichtet der Betende direkt das Pflichtgebet von Asr, ohne mehr 
als gegebenenfalls den Iqäma-Kuf dazwischen abzuwarten. 

Dieses Jörn "kann grundsätzlich bei allen aneinander angrenzenden Fard- 
Gebeten vorgenommen werden; zwischen diesen je zwei Fard-Gebeten 
liegende Nawäfil (freiwillige Gebete) - gleich welcher Art - müssen da- 
bei wegfallen. 

Das „tatsächliche Verbinden " (Jam ' haqiqi) 

Dies ist das, was mit ,Jam'" in der Regel gemeint ist. 

Es besteht darin, daß beide Gebete, das grundsätzlich vorausgehende 
und das grundsätzlich nachfolgende Gebet in einer einzigen Gebetszeit 
verrichtet werden: entweder werden also beide Gebete in der Zeit des 
ersten oder in der des zweiten Gebetes verrichtet. 

Werden beide Gebete verbunden in der Zeit des vorausgehenden 
Gebets verrichtet, nennt man dieses Verbinden „Verbinden mit zeitli- 
cher Vorwegnahme" (Jam' at-Taqdim) 37 ; werden beide in der zweiten 
Gebetszeit verrichtet, nennt man dieses Verbinden „Verbinden mit zeit- 
licher Zurückstellung" (Jam 1 at-Ta'khir). 

Das , Jam' haqiqi" - gleich ob Jam e at- Taqdim oder Jam ' at- Ta'khir" - kann 
nur mit folgenden Gebeten durchgeführt werden: 

• guhr und 'Asr 

• Maghrib und 'Ishä\ 

Alle anderen theoretisch denkbaren Verbindungen zwischen den Fard- 
Gebeten sind als Jam 'haqiqi unzulässig, und so verrichtete Gebet sind in 
völliger Übereinstimmung aller Gelehrten aller Madhähib ungültig. Das 
heißt, es ist ungültig, 

- das Subh-Gtbet irgendwie zu verbinden, sei es mit dem 'Ishä\ sei es 
mit dem <wAr 38 , 

- das f ^r-Gebet mit dem Maghrib-Gebet zu verbinden. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 257 

§7 

DIE FRAGE, OB DAS VERBINDEN ZULÄSSIG, 
EMPFOHLEN, VERPFLICHTEND USW. IST 

Die Haltung der Hanafiya 

Nach Ansicht der Hanafiya ist ein echtes Jam' haqiqi unzulässig 39 - bis 
auf einen bestimmte Zeitraum während der Pilgerfahrt, wo das Ver- 
binden des Maghrib- und 7jÄÄ J -Gebetes zulässig und sogar als der Sunna 
gemäß empfohlen wird 40 . 

Ein Jam ' süri aber gilt als grundsätzlich zulässig, wenngleich es in der 
Regel als makrüh gilt. 

Die Haltung der übrigen Rechtsschulen 

Bei den drei Rechtsschulen außer der Hanafiya- also der Mälikiya, Shäfi'iya 
und Hanbaliya - gelten alle Arten des Jam' als grundsätzlich zulässig, 
wenngleich jede Art mit bestimmten Bedingungen verknüpft ist. 

Unter den entsprechenden Voraussetzungen gilt ein Jam ' haqiqi bei 
diesen Madhähib sogar als stark empfohlen [Sunna mu'akkada); sind diese 
Voraussetzungen aber nicht gegeben, so gilt es als makrüh bis haräm. 

Bei dem Jam" at-Taqdim sind manche Gelehrten dieser drei Rechts- 
schulen im Zweifel, ob es zulässig ist, es immer bzw. ohne zusätzliche 
Einschränkungen zu tun, während sie beim Jam c at-Ta } khir übereinstim- 
men, daß es unter den entsprechenden Umständen absolut zulässig ist. 



§8 

IN WELCHEN FÄLLEN DAS ECHTE VERBINDEN 
(JAM' HAQIQI) ÜBERHAUPT MÖGLICH IST 

Die Mälikiya, Shäji'iya und Hanbaliya sind sich einig, daß ein echtes Ver- 
binden (Jam ' haqiqi) nur unter bestimmten Umständen und darin nur 
unter bestimmten Bedingungen zulässig ist. Die wichtigsten Anlässe für 
dieses Jam' sind: 

• Reise 

• Krankheit 

• heftige Kälte bzw. Regen 

• bei Furcht und in Erwartung eines Kampfes 



258 HANDBUCH ISLAM 

Auf der Reise 

Wenn sich jemand zu einer Reise aufmacht, die eine bestimmte Min- 
destentfernung hat, so ist es nach Ansicht der drei Madhähib zulässig 
und sogar mandüb (bzw. Sunna mu'akkada), die entsprechenden Gebete zu 
verbinden. (Das ist ein Teil des Reisegebets, Salät as-Sqfar; zum Salät as- 
Safar gehört zusätzlich noch das Verkürzen (Qasr) der vier-Rak'a-Gtbe- 
te.) 

Bei Krankheit 

Wenn jemand so krank ist, daß es ihm äußerst schwerfällt, überhaupt 
zu beten (aufgrund von Schmerzen, die es ihm unmöglich machen, sich 
zu konzentrieren, oder wenn er des öfteren ohnmächtig wird), so ist es 
nach vielen Gelehrten zulässig, hier in der oben beschriebenen Form zu 
verbinden. (Dies ist aber von dem sogenannten „Gebet des Kranken", 
Salät al-Mand, zu unterscheiden.) 

Bei heftiger Kälte bzw. Regen 

Bei anhaltendem Regen bzw. heftiger Kälte ist es, wenn sich der Beten- 
de dieser Witterung ausgesetzt sieht, zulässig, in einer bestimmten Art 
und Weise zu verbinden (unter Beachtung der oben genannten allgemei- 
nen Regeln). 

Bei Furcht bzw. in Erwartung eines Kampfes 

Fürchtet man sich vor einem Feind, von dem man erwarten muß, daß 
er einen körperlich und so stark angreift, daß man ihn zur eigenen 
Rettung heftig abwehren muß, während man betet, so ist es zulässig, in 
der oben beschriebenen Weise zu verbinden (Jam' haqlqi). (Das sogenannte 
„Gebet bei der Furcht", Salät al-Khauf ist eine Sonderform davon). 
Weitere Einzelheiten werden im Kapitel über das Reisegebet behan- 
delt. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 

KAPITEL 4 
DER GEBETSRUF (ADHÄN) 



259 



§9 



BESCHREIBUNG DES ADHAN 



Der Wortlaut des Adhän und seine Bedeutung 
Der Adhän hat folgenden Wortlaut: 



Allähu akbar, allähu akbar! 

Allähu akbar, allähu akbar! 

Ashhadu al-lä iläha illä lläh! 42 

Ashhadu al-lä iläha illä llä hl 

Ashhadu anna 
Muhammadar rasülu lläh!* 3 

Ashhadu anna 

Muhammadar rasülu lläh! 
Hayya ( alä s-saläh! 
Hayya ( alä s-saläh! 
Hayya c alä l-faläh! 
Hayya 'alä l-faläh! 
Allähu akbar, allähu akbar! 

La iläha illä lläh! 



Gott ist der Allergrößte 41 , 

Gott ist der Allergrößte! 

Gott ist der Allergrößte, 

Gott ist der Allergrößte! 

Ich bezeuge, 

daß es keine Gottheit gibt außer Gott! 

Ich bezeuge, 

daß es keine Gottheit gibt außer Gott! 

Ich bezeuge, daß 

Muhammad der Gesandte Gottes ist! 

Ich bezeuge, daß 

Muhammad der Gesandte Gottes ist! 

Auf zum Gebet! 

Auf zum Gebet! 

Auf zum Erfolg! 44 

Auf zum Erfolg! 

Gott ist der Allergrößte, 

Gott ist der Allergrößte! 

Es gibt keine Gottheit außer Gott! 



Wörtlich bedeutet „Adhän": „das, was zu Ohren gebracht wird", „An- 
kündigung". Im islamischen Recht bezeichnet das Wort den Gebets- 
ruf, der den Beginn der Gebetszeit ankündigt. 

Die rechtliche Bedeutung des Adhän 

Die Gelehrten und Rechtsschulen stimmen darin überein, daß der Adhän 
Sunna mu'akkada ist; nur die Hanbaliya meint, daß er Fard kifäya ist, wäh- 
rend die Mälikiya der Ansicht ist, daß der Adhän dann, wenn er inner- 



2Ö0 



HANDBUCH ISLAM 



halb der Moschee zu den Gebetsanfangszeiten verrichtet werden kann, 
Fard ist, ansonsten aber Sunna mu'akkada. Dies alles gilt, sofern überhaupt 
in einem Land bzw. einer bestimmten Gegend der Adhän laut ausgeru- 
fen wird. Ist das aber nicht der Fall, so muß beachtet werden, daß der 
Adhän auch zu den besonderen Kennzeichen des Islam zählt (den soge- 
nannten Sha'ä'ir): Wenn ein solches besonderes Element des Islam im 
Land vernachlässigt wird bzw. nicht offen erkennbar ist - etwa wenn 
er außerhalb der Moschee nicht hörbar ist bzw. es gar keine Moscheen 
in der Gegend gibt -, wird seine individuelle Verrichtung nach vielen 
Meinungen der Gelehrten zur Pflicht für den einzelnen, so gut er den 
Adhän eben in seinem privaten Rahmen verrichten kann. 



§ io 

VERPFLICHTENDE BEDINGUNGEN 
BEI DER DURCHFÜHRUNG DES ADHÄN 

Die Absicht {Niya) 

Nach Ansicht der Hanafiya und der Shäfi'iya ist das Fassen einer Absicht 
[Niya) keine verpflichtende Bedingung zur Gültigkeit des Adhän] nach 
Meinung der Mälikiya und Hanbaliya jedoch ist er ohne Niya ungültig. 

Reihenfolge der Worte 

Die Reihenfolge der Sätze des Adhän muß gewahrt sein, während der 
Mu'adhdhin (Gebetsausrufer) den Adhän ausruft. Wenn er etwa einen 
Fehler macht und „Hayya c alä l-faläh" vor „Hayya { alä s-saläh" ausruft, 
muß er die beiden miteinander vertauschten Sätze wiederholen, indem 
er (je zweimal) „Hayya 'alä s-saläh", „Hayya { alä l-faläh" ausruft. Wenn er 
dann diese Sätze nicht in der richtigen Reihenfolge ausruft, wird sein 
Adhän nach Meinung der Rechtsschulen außer der Hanafiya ungültig; 
die Hanafiya jedoch betrachtet ein solches Vertauschen in jedem Fall als 
nur makrüh, wobei der Adhän durch korrektes Wiederholen des fehlen- 
den Ausdrucks in der richtigen Reihenfolge gültig bleibt. 

Daß die Worte untereinander verbunden sind 
und keine zeitliche Lücke auftritt 

Damit ist gemeint, daß keine lange Pause oder nicht dazugehörende 
Worte zwischen den Einzelsätzen des Adhän vorkommen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



26l 



Lautes Ausrufen 

Er muß — besonders von den Moscheen aus - laut und deutlich ausge- 
rufen werden, da es ja der Hauptzweck des Adhän ist, zum Gebet aufzu- 
rufen. 

Daß er in arabischer Sprache ausgerufen wird 
Allgemein gilt, daß er in arabischer Sprache ausgerufen werden muß. 45 

Eintritt der entsprechenden Gebetszeit 

Erst nach Eintritt der Gebetszeit kann der Adhän für das betreffende 
Gebet ausgerufen werden. Dabei gilt in Übereinstimmung der Rechts- 
schulen, daß er in seinem gesamten Wortlaut erst nach Eintritt der 
Gebetszeit ausgerufen werden kann, soweit es das Mittags-, Nachmit- 
tags-, Dämmerungs- und Nachtgebet angeht. 

Beim Morgengebet (Salätu s-Subh) aber kann nach manchen Meinun- 
gen schon vor Eintritt der Gebetszeit des Morgengebets ein Adhän aus- 
gerufen werden (im letzten Teil der Nacht), um die Leute rechtzeitig 
aufzuwecken, wobei nach Ansicht der Hanafiya ein solcher Adhän nur als 
reiner Weckruf, nicht als eigentlicher Adhän gilt. Sie stimmt insofern 
mit der Shäfi'iya überein, als in diesem Falle zwei Adhäne ausgerufen 
werden: einer in einem Teil der Nacht (nach Ansicht der Shäfi'iya ein 
Adhän, nach der Hanafiya ein reiner Weckruf) und nach Eintritt der Ge- 
betszeit von Subh der zweite (bzw. eigentliche) Adhän. 

§ 11 

verpflichtende bedingungen des 
mu'adhdhin (des gebetsausrufers) 

Zugehörigkeit zum Islam 

Der Gebets aus ruf er muß dem Islam angehören, da sonst seiner Hand- 
lung - die Muslime zum muslimischen Gebet aufzurufen - nicht ver- 
traut werden kann und darf. Diesbezüglich besteht absolute Einigkeit 
unter den Rechtsschulen. 46 

Unterscheidungsfähigkeit ( Tamyiz) 

Es ist nicht notwendig, daß der Mu'adhdhin die volle körperliche und 
geistige Reife (Bulügh) erreicht hat; auch der Adhän eines Kindes mit 
Unterscheidungsfähigkeit (Tamyiz!) ist gültig. 47 



262 



HANDBUCH ISLAM 



Verstand 



Das Vorhandensein des vollen Verstandes und gesunden Bewußtseins 
ist notwendig zur Gültigkeit des Adhän; der Adhän eines Verrückten, ei- 
nes Betrunkenen oder eines Fast-Ohnmachtigen usw. ist ungültig 48 . 

Daß derjenige, der den Adhän ausruft, ein Mann ist 

Diese Bedingung ist zur Gültigkeit bei den Rechtsschulen außer der 
Hanafiya notwendig 49 . 

§ 12 

EIGENSCHAFTEN UND SUNNA BEIM ADHÄN 

Daß man in Richtung der Qibla blickt 

Dies ist grundsätzlich erwünscht, wenngleich es auch zulässig ist, daß 
sich der Mu'adhdhin während des Adhän rundherum wendet, um alle Leute 
den Adhän hören zu lassen 50 . 

Daß man nicht im zustand der großen 
oder kleinen rituellen Unreinheit (Hadath) ist 

Es ist übereinstimmend die Meinung der Rechtsschulen, daß es Sunna 
mu'akkada für den Mu'adhdhin ist, in völliger ritueller Reinheit den Adhän 
auszurufen; ist dies nicht der Fall, ist aber der Adhän gültig. 

Daß man den Adhän stehend ausruft 

Es besteht darin Einigkeit unter den Madhähib, daß der Mu'adhdhin den 
Adhän stehend ausrufen soll, sofern er nicht durch Krankheit oder et- 
was derartiges (allgemein: körperliche Hinderung) davon abgehalten 
wird. 

Daß der Mu'adhdhin an einem erhöhten Platz steht 
Dies kann das Dach der Moschee, ein Minarett oder ähnliches sein 51 . 

Daß man sich bei dem Teil „Hayya 'alä s-saläh" mit dem 
Kopf nach rechts und bei „Hayya ( alä l-faläh" nach links wendet 

Hierzu gibt es verschiedene Meinungen: Nach allen ist es Sunna, zumin- 
dest den Kopf bei Hayya ( alä s-Saläh" nach rechts und bei „Hayya e alä l- 
Faläh" nach links zu wenden; nach manchen Meinungen müsse dabei 
auch der restliche Körper in Richtung Qibla ausgerichtet sein, und nach 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



263 



anderen Meinungen ist es erforderlich, sich zumindest mit dem Ober- 
körper bzw. dem ganzen Körper nach rechts bzw. links umzuwenden 52 . 

Daß man die Worte 
langsam und deutlich ausspricht 

Dies gilt für den Adhän als Sunna, im Unterschied zur Iqäma, die man 
zwar auch laut und deutlich, aber schnell ausrufen soll. 

Daß man die beiden Shahäda- Formeln 
zuerst leise und dann laut spricht (Tarjih) 

Nach Meinung der Mälikiya und Shäfi'iya (im Unterschied zur Meinung 
der Hanafiya und Hanbaliya) ist es Sunna für den Mu'adhdhin, die Einzel- 
sätze des Adhän leise für sich zu sprechen, bevor er sie für die Leute laut 
ausruft. 

Daß man im Morgengebet nach „Hayya e alä l-faläh" ausruft: 
„As-salätu khairun mina n-naum" (Tathwib) 

Dieser Einzelsatz wird beim Adhän zum Morgengebet (Salätu s-Subh) nach 
dem Satz „Hayya c alä l-Faläh" zweimal ausgerufen; wenn er weggelassen 
wird, gilt das übereinstimmend als makrüh. 

Daß der Mu'adhdhin über eine 
kräftige, schone, eindrucksvolle Stimme verfügt 

Diese Bedingung ist zwar nicht verpflichtend, doch wenn man die Wahl 
zwischen zwei oder mehreren Ausrufern hat, von denen einer über die- 
se Bedingungen verfügt und die anderen nicht, so soll man demjenigen 
mit der schöneren Stimme den Vorzug geben. 

Daß der Mu'adhdhin 
als guter und aufrichtiger Mensch bekannt ist 

Diese Bedingung wird nicht als verpflichtend, aber dringend empfoh- 
len betrachtet; zumindest soll der Mu'adhdhin kein sündhafter Mensch 
sein, da das Ausrufen des Adhän eine verantwortungsvolle und ehrende 
Aufgabe ist, und beides kommt einem schlechten bzw. dauerhaft sünd- 
haften Menschen (das heißt jemandem, der größere Sünden begeht, so 
daß auch seine Zeugenaussage unannehmbar wird) nicht zu. 

Daß der Adhän nicht gesungen wird 

Ein Ausrufen mit verschönernder Rezitation ist erwünscht, aber ein 
regelrechtes Singen gilt als makrüh™. 



264 



HANDBUCH ISLAM 



Daß in einer Moschee 
zwei Männer den Adhänfür Salät as-Subh ausrufen 

Es ist Sunna, daß einer der beiden den ersten Adhän für (die Vorberei- 
tung auf) Fajr (zum Aufwecken der Leute, im letzten Teil der Nacht) 
und der zweite den zweiten (für das Gebet, nach Eintritt der Zeit) aus- 
ruft 54 . 

Daß derjenige, der dem Adhän 
Zuhört, die jeweiligen Worte für sich wiederholt 

Es ist Sunna für jemanden, der einem Adhän zuhört, die jeweiligen Worte 
des Adhän still für sich nachzusprechen. Also sagt der Zuhörer in der 
Sprechpause des Mu'adhdhin nach „Allahu akbar" ebenfalls „Allahu akbar". 
Nur bei den Sätzen „Hayya ( alä s-saläh" und „Hayya 'alä l-faläh" soll man 
nicht nachsprechen, sondern sagen: „La haula wa lä quwwata illä bi lläh". 

Nach dem Adhän 
das Du'ä' und den Segen für den Propheten zu sprechen 

Es ist Sunna, nach dem Adhän ein bestimmtes Du ( ä } zu sprechen und 
danach den Segen für den Propheten Muhammad ^J zu rezitieren. 
Dazu gibt es verschiedene Formen und Wortlaute, von denen hier einer 
ausgewählt wurde: 

Allähumma rabba hädhihi d-da'wati t-tämmati wa s-saläti l-qä'ima 
äti Muhammadani l-wasilata wa r-rqfi e ata 
wa d-darajäta l- 'äliya 

wa b 'athhu maqämam-mahmüdani lladhi wa l adtah 
wa r-zuqnä shafä'atah 
yauma l-qiyämah 
innaka lä tukhlifu 1-mVäd 

„O Gott, Herr dieses vollkommenen Aufrufes und des zu verrichten- 
den Gebetes, 

gib Muhammad das Recht, unsere Bitten [Dir] vorzutragen, und die 
hohe Wertstellung und die hohe Stufe 

und verleihe ihm einen lobenswerten Ort [das heißt das Paradies], den 
Du ihm versprochen hast 

und gib uns seine Fürsprache als Versorgung 
am Jüngsten Tag. 

Wahrlich, Du brichst Dein Versprechen nicht." 



BUCH ÜBER DAS GEBET 265 

KAPITEL 5 
DER DIREKTE AUFRUF ZUM GEBET (IQÄMA) 

§ 13 

BESCHREIBUNG DES IQÄMA-RUFES 

„Iqäma" bedeutet wortwörtlich unter anderem: „das Aufstehen", „das 
Verrichten". Im Recht bezeichnet es hier einen Gebetsruf, der direkt 
vor dem Verrichten eines Pflichtgebets ausgerufen wird und dazu dient, 
den Anwesenden anzukündigen, daß nun der Pflichtteil eines Gebets 
verrichtet wird; nach dem Ausrufen der Iqäma ist es nämlich unzuläs- 
sig, noch Sunna Rätiba-Gtbete vor dem Fard-T eil zu verrichten, und wer 
gerade ein Näfila Rätiba-Gcbet verrichtet, muß sich beeilen, es zu Ende 
zu beten, um sich dann so schnell wie möglich dem Fard-Gebet anzu- 
schließen. 

Der Iqäma-Kuf hat denselben Wortlaut wie der Adhän und zusätzlich 
nach dem Teil „Hayya 'alä l-faläh" noch den Einschub 

„ Qad qämati s-saläh" 

„ Qad qämati s-saläh" 

(wörtlich: „das Gebet hat sich erhoben, hat begonnen", oder etwas 
freier: „man hat sich schon zum Gebet erhoben"). 

Nach richtigen (sahih) Hadithen soll die Iqäma bezüglich ihrer Einzel- 
teile in „ungerader" Anzahl rezitiert werden; dieser Hadith wird von 
der Hanaßya nicht als rechtskräftig beachtet, während die anderen Ma~ 
dhähib das tun. Wie das genau verstanden wird und wie die Form der 
Iqäma dementsprechend aussehen kann, wird nun dargestellt. 

Hanaßya 
Die Iqäma hat bezüglich der Anzahl ihrer Einzelteile dieselbe Form wie 
der Adhän; nur der Iqäma-Zmatz unterscheidet Iqäma- und Adhän-Yorm. 
Daher lautet die Iqäma wie folgt: 

Allähu akbar, allähu akbar! 
Allähu akbar, allähu akbar! 
Ashhadu al-lä iläha illä lläh! 
Ashhadu al-lä iläha illä lläh! 
Ashhadu anna Muhammadar rasülu lläh! 
Ashhadu anna Muhammadar rasülu lläh! 
Hayya 'alä s-saläh! 



2Ö6 HANDBUCH ISLAM 

Hayya 'alä s-saläh! 
Hayya 'alä l-faläh! 
Hayya ( alä l-faläh! 
Qad qämati s-saläh. 
Qad qämati s-saläh. 
Allähu akbar, allähu akbar! 
La iläha illä lläh! 



Shäfi'iya und Hanbaliya 

Alle im Adhän zweimalig genannten Formeln werden in der Iqäma um 
eine Nennung gekürzt; der Zusatz der Iqäma wird jedoch zweimal hin- 
tereinander genannt. Die Iqäma lautet also wie folgt: 

Allähu akbar, allähu akbar! 

Ashhadu al-lä iläha illä lläh! 

Ashhadu anna Muhammadar rasülu lläh! 

Hayya ( alä s-saläh! 

Hayya ( alä l-faläh! 

Qad qämati s-saläh. 

Qad qämati s-saläh. 

Allähu akbar, allähu akbar! 

La iläha illä lläh! 



Mälikiya 

Die Mälikiya vertritt dieselbe Auffassung wie die Shäfi'iya und Hanbaliya, 
dehnt aber die Wirkkraft des Hadithes über das Rezitieren der Texttei- 
le in ungerader Anzahl auch auf den Iqäma-Zusatz aus; daher stellt sich 
nach der Mälikiya die Iqäma so dar: 

Allähu akbar, allähu akbar! 

Allähu akbar! 

Ashhadu al-lä iläha illä lläh! 

Ashhadu anna Muhammadar rasülu lläh! 

Hayya 'alä s-saläh! 

Hayya ( alä l-faläh! 

Qad qämati s-saläh. 

Allähu akbar! 

La iläha illä lläh! 



BUCH ÜBER DAS GEBET 267 

§ 14 

VERPFLICHTENDE BEDINGUNGEN ZUR 

DURCHFÜHRUNG DES I^AMA-RUFES: 

EIGENSCHAFTEN UND SUNAN 

Grundsätzlich alle Sunan wie beim Adhän 

Grundsätzlich gelten alle Sunan, die beim Adhän gelten, auch für die 
Iqäma — mit Ausnahme der Sunan, die sich auf das Ausrufen von einem 
Minarett aus (oder von außerhalb des inneren Gebetssaales aus) bezie- 
hen, denn die Iqäma wird nicht öffentlich ausgerufen wie der Adhän, 
sondern nur im Inneren der Moschee bzw. in direkter Anwesenheit der 
Betenden, im eigentlichen, zum Gebet benutzten Raum. 

Daß die Iqäma schnell ausgerufen wird 

Ein weiterer Unterschied zwischen Iqäma und Adhän ist, daß es der Sunna 
gemäß vorzuziehen ist, den Adhän langsam und getragen auszurufen, 
während die Iqäma in normalschneller bis schneller Form ausgerufen 
werden soll. 

Daß der Ausrufer des Adhän der Mu'adhdhin ist 

Eine zusätzliche Sunna bezüglich der Iqäma ist, daß derjenige, der (gege- 
benenfalls) schon den Adhän ausgerufen hat, nun auch die Iqäma aus- 
ruft. 



KAPITEL 6 

DIE BEDINGUNGEN 

DER VERPFLICHTUNG ZUM GEBET 

(SHURÜT AL-WUJÜB) 



Hier sind diejenigen Dinge gemeint, die einen Menschen zum Gebet 
(Saläh) verpflichten. 



268 HANDBUCH ISLAM 

ZUGEHÖRIGKEIT ZUM ISLAM 

Wenn ein Mensch Muslim ist oder Muslim geworden ist, obliegt ihm 
die Plicht, die fünf täglichen Pflichtgebete zu verrichten: das Morgen- 
gebet (Subh/Fajr), das Mittagsgebet (Z u hr), das Nachmittagsgebet ('Asr), 
das Abendgebet (Maghrib) und das Nachtgebet ( ( Ishä). Nur diese fünf 
Gebete sind Plicht (Fard). Das ebenfalls verpflichtende Freitagsgebet (Salät 
al-Jum'a) tritt am Freitag an die Stelle des Mittagsgebetes, so daß man 
sagen kann: Nur fünf Gebete sind dem Muslim pro Tag absolut ver- 
pflichtend. 



§ 16 

ERREICHEN DER ALTER SMÄSSI GEN , 
KÖRPERLICHEN REIFE (BULÜGH) 

Gemäß der Überlieferung des ProphetenJ^p gilt: Sobald ein männlicher 
Muslim die körperliche, sexuelle Reife erreicht (speziell, den ersten Sa- 
menerguß hat) bzw. ein weiblicher Muslim die erste Periodenblutung 
hat, muß der jeweilige Muslim das tägliche Pflichtgebet verrichten. 



§ 17 

VORHANDENSEIN DES VERSTANDES 

Wenn ein Muslim - Mann oder Frau - nicht bei Verstand ist, entfällt 
für den Zeitraum seines Verrücktseins die Verpflichtung zum Gebet. 
Wenn ein Muslim oder eine Muslimin also gerade die körperliche Reife 
(Bulügh) erreicht hat, aber geistig auf dem Stand eines Kleinkindes ist 
und Sinn, Aufbau und Praxis des Gebets nicht begreifen kann, ist die- 
ser Mensch nicht zum Gebet verpflichtet. 

Allerdings gilt auch: Wenn ein Muslim oder eine Muslimin sich be- 
rauscht (mit Alkohol, Drogen usw.) und de facto nicht mehr bei Ver- 
stand ist, entfällt die Pflicht, die täglichen Gebete zu verrichten, nicht. 
Wer durch solche Umstände sein Gebet versäumt, muß es sofort nach- 
holen, sobald er wieder bei Verstand ist, und dies unabhängig davon, 
ob der Rauschzustand auf verbotene Weise zustande kam (durch sünd- 
haften Alkoholkonsum etwa) oder auf erlaubte Weise (etwa hervorge- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



269 



rufen durch zeitweise Verstandesvernebelung durch notwendige Medi- 
kamente). 



§ 18 

EINTRETEN DER GEBETSZEIT 

Neben der allgemeinen Verpflichtung zum Gebet gilt: Erst mit Beginn 
einer Gebetszeit wird ein bestimmtes Gebet auch zur Pflicht. Das heißt: 
Erst wenn die Sonne sich aus dem Zenit herabneigt und die Gebetszeit 
des ,(MÄr-Gebets beginnt, wird an diesem konkreten Tag auch die Ver- 
pflichtung zum /(«Ar-Gebet aktiv. 

§ J 9 

KEIN HINDERUNGSGRUND (HAID, NAFÄs) 

Das zuvor Gesagte zur Verpflichtung zum Gebet wird bei einer Muslimin 
dann ausgesetzt, wenn sie sich im Zustand der Monatsblutung (Haia) 
oder der Zeit der Nachblutung nach einer Geburt befindet (JVqfäs): in 
beiden Fällen kann bzw. darf die muslimische Frau keine Gebetshand- 
lung verrichten, weder ein Pflichtgebet (Saläh, Fard) noch ein freiwilli- 
ges Gebet (Näfila), noch ein Gott speziell gelobtes Gebet (Saläh man^üra). 
Pflichtgebete, die in der Zeit der Periode oder der Zeit der Geburts- 
nachblutung angefallen sind, werden nicht wiederholt und sind für die 
muslimische Frau auch im nachhinein keine Pflicht mehr; besonders 
gelobte Gebete hingegen müssen von der Muslimin aber nach Ablauf 
von Periode bzw. Monatsfluß nachträglich verrichtet werden. 



KAPITEL 7 

BEDINGUNGEN DER GÜLTIGKEIT DES GEBETS 
(SHURÜT AS-SIHHA) 

Hier sind die Bedingungen gemeint, die erfüllt sein müssen, damit ein 
Mensch ein gültiges Gebet im islamischen Sinne erfüllen kann. 



270 HANDBUCH ISLAM 

§ 20 
ZUGEHÖRIGKEIT ZUM ISLAM 

Ein islamisches Gebet (gleich, ob Pflicht-, freiwilliges oder gelobtes Ge- 
bet) kann ein Mensch erst dann gültig ausführen, wenn er sich klar und 
ehrlich zum Islam bekennt. Dazu gehört das Glaubensbekenntnis vor 
Gott und der konkrete Eintritt in die islamische Religion. 

Bei muslimischen Kindern, die in das Verpflichtungs alter hineinwach- 
sen, besteht die Verpflichtung, wenn sie über ihre Religion das Wesent- 
liche beigebracht bekommen haben. Übereinstimmend wird seitens der 
Gelehrten gesagt: Wer etwa außerhalb eines islamischen Gemeinwe- 
sens aufwuchs und weder durch Eltern, Nachbarn, Freunde oder sonst 
jemanden, der vertrauenswürdig war, über Reinigung, Gebet im Islam 
usw. unterrichtet wurde und in Wirklichkeit wie ein Nichtmuslim auf- 
wuchs, der auch keine Möglichkeit hatte, über den Islam und speziell 
das Gebet etwas zu erfahren, dem obliegt das Gebet für diesen Zeit- 
raum nicht. 

Wer aber als Muslim vom Gebet und der Verpflichtung wußte und 
sich auch informieren konnte, dann aber nicht gebetet hat, der hat die 
Verpflichtung, alle ihm entgangenen Pflichtgebete nachzuholen. 

Wenn ein Muslim jahrelang nicht betete, dann bereut und täglich 
betet, aber die nachzuholenden Gebete sehr viel sind, so meinen man- 
che Gelehrte dazu: Er muß anstelle der freiwilligen Gebete vor bzw. 
nach den eigentlichen, aktuellen Pflichtgebeten beabsichtigen, ein frü- 
heres Pflichtgebet nachzuholen. In diesem Fall gibt es für einen solchen 
Muslim/eine solche Muslimin also kein übliches freiwilliges Gebet, so- 
lange bis er/sie sicher ist, das Entgangene nachgeholt zu haben. 



2 1 



VERRICHTEN DES GEBETES IN SEINER GEBETSZEIT 

Grundsätzlich gilt: Erst wenn die Gebetszeit eines bestimmten Gebetes 
eingetreten ist, kann man dieses betreffende Gebet gültig verrichten. 
Sobald also der Zenit von der Sonne überschritten wurde, begann die 
zulässige Zeit des Mittagsgebetes (£uhr), von diesem Moment an kann 
man es gültig verrichten. 

Eine Ausnahme zu dieser Grundsatzregel findet man, wenn zwei Ge- 
bete zusammengefaßt werden: In diesem Fall kann man die beiden 
Gebete gültig von Beginn der Gesamtzeit an verrichten. Wer etwa auf 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



271 



der Reise Mittags- und Nachmittagsgebet zusammenfaßt, für den be- 
ginnt die zulässige Zeit mit Beginn der Mittagszeit [Z u ^ r ) un d endet mit 
dem Ende der Nachmittagszeit ( ( Asr). 55 



§ 22 

REINHEIT (TAHÄRA) 

Die vollständige rituelle und körperliche Reinheit des Körpers des Be- 
tenden, seiner Kleidung und des Platzes, auf welchem er betet, ist Vor- 
aussetzung zur Gültigkeit des Gebets. 

Der Mensch muß daher noch vor dem Gebet von der Janäba frei sein, 
der großen rituellen Unreinheit (zum Beispiel nach Geschlechtsverkehr) 
und von der kleinen rituellen Unreinheit (geschehen durch Wasserlassen, 
Blähung usw.). Dazu nimmt der Muslim die entsprechende Waschung 
vor (Vollwaschung/ Ghusl bzw. Teilwaschung/ Wudü\ Außerdem müs- 
sen Körper, Kleidung und Gebetsplatz im engeren Sinne von rituell 
verunreinigenden Dingen (JVajäsa) frei sein. 56 



§ 23 



DAS SIGH-AUSRIGHTEN AUF DIE QIBLA 



Was die Qibla {Gebetsrichtung) genau ist 

Unter der Qibla, wörtl. etwa: „Richtung, in die man sich hinwendet", 
versteht man die Richtung nach Mekka hin bzw. die Ausrichtung nach 
der Ka ( ba in Mekka. In Deutschland ist die Qz^/ö-Ausrichtung grund- 
sätzlich in Südsüdost-Richtung (in Mitteldeutschland, zum Beispiel Köln, 
etwa 1 2 7 Abweichung, von Nord nach Südost betrachtet, in Ostdeutsch- 
land, zum Beispiel Dresden, etwa 130 ). 




ca. 12 7 (SSO) 



272 HANDBUCH ISLAM 

Diese Richtung muß man grundsätzlich im Gebet einnehmen, damit es 
gültig ist. 

Nach der Auffassung der Madhähib außer der Shäfi'iya genügt es, wenn 
man, je nach Möglichkeit, sich ungefähr in Q^/ö-Richtung ausrichtet. 
Die Shäfi'iya jedoch ist der Auffassung, daß bereits eine geringe Abwen- 
dung von der genauen Ausrichtung auf die Ka { ba - wenn sie sich belegen 
oder nachweisen läßt - ein Gebet, das so unter nur ungefährer Ausrich- 
tung auf die Qjto-Richtung verrichtet wurde, ungültig werden läßt. 57 

Wie man die Qibla praktisch erkennen bzw. bestimmen kann 

Durch Vorhandensein eines Mihräb (Gebetsnische) in einer Moschee: 

Wenn man sich in einer Moschee befindet, so kann man die Qibla 
einfach dadurch erkennen, wie die Gebetsnische [Mihräb) ausgerichtet 
ist bzw. Markierungen für Gebetsreihen liegen. 

Bei Moscheen in Deutschland muß man allerdings insofern aufpas- 
sen, als die Gebäude, in denen die Moscheen errichtet wurden, meist 
nicht speziell für die Nutzung als Moschee angelegt wurden, weswegen 
der Mihräb oft - der Qibla folgend - etwas schräg versetzt zu der Wand 
steht, in der er eingepaßt werden mußte. Meist sind aber auch dünne 
Schnüre oder aufgezeichnete Linien auf dem Boden bzw. dem Tep- 
pichboden als Ausrichtungshilfe vorhanden; wenn richtige Teppiche 
oder Kunstteppiche ausgelegt sind, sind sie meist so ausgerichtet, daß 
ihre Ränder der Qz£/ö-Ausrichtung folgen. 

Durch Aussage eines vertrauenswürdigen und kundigen Muslims 
Wenn man sich an einem Platz befindet (sei es ein festes Gebäude oder 
ein Ort im Freien, ein öffentlicher Platz, Garten usw.), an dem man die 
Qibla nicht durch eigene Erfahrung kennt und an dem man derzeit 
auch keine Möglichkeit hat, die Qibla selbst festzustellen 58 , so bietet sich 
an, einen vertrauenswürdigen Muslim 59 nach der Qibla zu fragen. 

Einige Beispiele dafür: 

1 . In seinem Haus kennt der Hausherr/die Hausherrin am besten die 
Qibla, und es ist gute Sitte, als Hausherr einem Gast, der zum ersten 
Mal zu Besuch ist, vor dem Gebet die Qib la-Kichtung zu zeigen. 

2. Wenn man auf offener Straße oder in öffentlichen Gebäuden anson- 
sten Unbekannte, die als Muslime zu erkennen sind oder sich als sol- 
che zu erkennen geben, nach der Qibla fragt, muß man natürlich im 
Rahmen der Bedingungen zur Zeugenaussage prüfen, wie vertrau- 
enswürdig die betreffende Person formalrechtlich sein kann. 

Wenn etwa eine nichtverschleierte - nominelle - Muslimin, die ganz 
offensichtlich einen Freund hat, den sie gerade küßt, etwas über die 



BUCH ÜBER DAS GEBET 273 

Qibla sagt, so ist ihre Aussage grundsätzlich nicht vertrauenswürdig, 
weil sie öffentlich unerlaubte Handlungen tut und sie daher islamrecht- 
lich für religiös wichtige Dinge als Zeugin unzulässig ist. 

Wenn aber eine Frau, mit korrektem Hijäb bedeckt, eine Aussage zur 
Qibla macht, muß man grundsätzlich ihre Aussage annehmen, sofern 
es nicht Anzeichen gibt, daß ihre Aussage sachlich fehlerhaft bzw. falsch 
sein muß - etwa, wenn sie eindeutig in westliche Richtung zeigt. 

Durch Ausrichtung nach dem Sonnenstand 
Auf der nördlichen Hälfte der Erde geht die Sonne im Osten auf, er- 
reicht die echte Mittagslinie (mit ihrem Zenit, dem Höchststand) im 
Süden und geht im Westen unter; auf der Südhalbkugel wandert sie 
von Süden aus über den Norden (!) nach Westen. 

Wenn man also in Deutschland (was auf der Nordhälfte der Erde 
liegt) die Qibla grob nach dem Sonnenstand erkennen will, so muß man 
zwei grundverschiedene, praktische Fälle unterscheiden: 
i . Man hat keinerlei Hilfsmittel und beobachtet an einem Ort die Son- 
ne, wenn sie eindeutig steigt oder fällt, und schätzt je nach Erfahrung 
und Beobachtungsmöglichkeit die QzMö-Richtung (nach etwa SSO 
ausgerichtet). 
2. Man hat irgendeinen einfachen schattenwerfenden Gegenstand (Stab, 
Flachkoffer und dergleichen) bzw. blickt auf einen festen Gegenstand 
(Säule, freistehender Baum usw.) und vergleicht Schatten und schatten- 
werfendes Objekt; danach kann man feststellen, ob und wie stark die 
Sonne (bei einem aufrechten Gegenstand) sich geneigt hat bzw. ob 
sie fällt oder steigt. Daraus leitet man dann ab, ob die Sonne noch 
Östlich oder schon westlich von der Mittagslinie steht, und kann dann 
(in etwa) die Südrichtung und daraus die QzWö-Richtung erkennen. 

Durch Ausrichtung nach dem Polarstern 
Es gibt mehrere Möglichkeiten, sich bei Nacht zu orientieren und die 
Qibla - sowie auch die Himmelsrichtungen - zu erkennen. Hier die 
einfachste Methode 60 : 



die beiden „Achsensterne" 



-v— v-T 



Polarstern \ ^JJ 



274 HANDBUCH ISLAM 

Man sucht das Sternbild des „Großen Bären" bzw. „Großen Wagens"; 
von den beiden hinteren „Achsensternen" ausgehend kann man den 
Polarstern finden, der die Drehachse des Himmels ist und vom Betrachter 
aus genau in Nordrichtung liegt 61 . 

Dabei verlängert man die gedachte Verbindungslinie der beiden hin- 
teren „Achsensterne" so lange, bis man nach etwa fünffacher Verlän- 
gerung auf einen sehr hellen Stern stößt, der deutlich aus den Sternen 
um ihn herum hervorragt: Dies ist der Polarstern. Mit dem Polarstern 
hat man dann die Nordausrichtung und kann sich so die Qibla-Rich- 
tung erschließen. 

Durch Verwendung eines Kompasses 

Bezüglich der f^/ö-Bestimmung muß man zwei Grundarten des Kom- 
passes unterscheiden: 

• den „normalen Kompaß" (ohne besondere Vorrichtungen und Mar- 
kierungen) und 

• den speziellen Gebetskompaß. 

Ein „normaler Kompaß" muß so eingerichtet werden, daß man zu- 
erst die Nordrichtung und daraus dann die Abweichung bestimmt. 

Bei einem Gebetskompaß sind rings um die Buchse (Kompaßhülse) 
Markierungen (Zahlen oder Buchstaben, manchmal auch Städtenamen) 
angebracht; durch Ausrichtung der Kompaßnadel auf die entsprechen- 
de Zahl und Beachtung des Nordanzeigers usw. kann man dann die 
Qibla-Kichtung der entsprechenden Stadt feststellen. (Meist sind kleine 
Tabellen und Listen mit Aufschlüsselung der Randmarkierungen bei- 
gefügt.) 



§ 24 

DAS BEDECKEN DER 'AURA 

Allgemeine Beschreibung und Rolle der 'Aura 

Unter der „ 'Aura" eines Menschen versteht man den Bereich seines Kör- 
pers, der vor anderen Menschen bzw. allgemein bedeckt werden muß. 
Grundsätzlich muß die Aura eines Menschen immer bedeckt sein, 
wenn er mit anderen Menschen zusammen ist bzw. wenn er im Gebet 
(oder beim Tawäf und ähnlichen gottesdienstlichen Handlungen) vor 
Gott dem Erhabenen steht. Als Grundlage zum Verständnis der Aura- 
Bedeckung muß hier das Schamgefühl dienen: das Sich-Entkleiden über 
das zulässige Maß hinaus ruft bei einem Menschen Schamgefühl her- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 275 

vor. Nur die Grenze, von der an das Schamgefühl ausgelöst wird, ist 
durch Erziehung und Rollen festgelegt. 

Hier nun setzt der Islam klare Maßstäbe: Ein bestimmtes Schamge- 
fühl wird von dem Muslim und der Muslimin gefordert, und daher 
muß auf Bewahrung bzw. Erziehung zum Bewußtsein dieses islami- 
schen Schamgefühls hingewirkt werden. 

Wenn nun ein Muslim/eine Muslimin schon vor anderen Menschen 
(in bestimmten Grenzen) Scham empfinden soll, so muß das erst recht 
vor dem erhabenen Gott gelten - was könnte sündhafter sein, als vor 
Allah ta'älä schamlos zu sein! Von daher hat Gott dem Muslim und der 
Muslimin vorgeschrieben, wie und wie sehr auf das Schamgefühl zu 
achten ist: vor Ihm, dem Erhabenen, und vor den Menschen. 

Die 'Aura im Gebet 

Im Gebet steht der Mensch direkt vor Allah ta'älä: In diesem Fall muß 
der Muslim/die Muslimin aus Respekt das Bedecken einer bestimmten 
Aura beachten. 

Die Auren bei Mann und Frau im Gebet sind verschieden; beim Mann 
unterscheidet man zwischen der Mindest- Aura 62 (Aura mughalla^a) und 
der zusätzlichen Aura 63 (Aura mukhaffqfa), bei der Frau gibt es im Gebet 
nur eine Aura. 

Beim Mann 

Die Mindest- Aura beim Mann - die Aura mughalla^a und die Aura mu- 
khaffqfa im engeren Sinn - besteht im Gebet darin, daß er vom Nabel bis 
zum Knie (von vorne betrachtet) bedeckt ist 64 . 

Die nächstbessere Bedeckung - unter Beachtung der Aura mughalla^a 
und Aura mukhaffqfa im weiteren Sinn - besteht darin, daß der Oberkör- 
per (das heißt der Brustbereich) und die Beine bedeckt sind. 

Das beste ist (über die eigentliche Aura hinausgehend), wenn auch 
Arme und - im Gebet - der Oberteil des Kopfes (durch eine Kappe 
bzw. einen Turban) bedeckt sind 65 . 

Bei der Frau 
Bei einer Frau ist die Aura im Gebet der gesamte Körper außer dem 
Gesicht und den Händen; nach manchen Gelehrten kann auch der Fuß 
— unterhalb des Knöchels - davon ausgenommen werden, wenn es 
schwer ist, ihn zu bedecken. Ferner gelten alle Kopfhaare als Aura, 
auch dünne Haarsträhnen, die von oberhalb der Ohren bzw. von vor 
den Ohren her wachsen und des öfteren aus dem Kopfschleier heraus- 
rutschen. Und auch die Ohren, der Hals und der Nacken gelten als 
Aura und müssen bedeckt werden 66 . 



276 HANDBUCH ISLAM 

Die 'Aura außerhalb des Gebets 
Beim Mann 

Beim Mann gilt, daß seine Mindest- c Aura im Gebet vor anderen Män- 
nern auch als Alltags- 'Aura gilt. Wenn aber ihm fremde Frauen anwe- 
send sind, gelten bestimmte Bedingungen. 

Hanafiya und Hanbaliya 

In Anwesenheit von Frauen gilt, daß er sich in der Mindest- Aura zei- 
gen darf, sofern dadurch keine Versuchung entsteht (etwa wenn der 
Mann sehr attraktiv ist). 

Mälikiya 

In Anwesenheit ihm fremder Frauen besteht die zu bedeckende Aura 
des Mannes in seinem ganzen Körper, abgesehen von Kopf, Hals 
und Nacken, Armen und Beinen. 

Shäfi'iya 

In Anwesenheit ihm fremder Frauen besteht die zu bedeckende Aura 
des Mannes in seinem ganzen Körper; das heißt, er muß sich zumin- 
dest vom unteren Halsansatz bis zu den Füßen vollständig bekleiden 
(bei Beschwernis mit Ausnahme der Füße). 

Bei der Frau 

Die Frage der Bedeckung der Frau ist ein ständiges Diskussionsthema; 
daher soll hier näher auf die damit zusammenhängenden Fragen einge- 
gangen werden. 

Das, was bei der Frau der Bedeckung ihres Körpers - genauer: der 
Bedeckung ihrer Aura - dient, wird als „Hijäb" bezeichnet 67 . Der Frau 
sind -je nach dem, in wessen Anwesenheit sie sich befindet - verschie- 
dene Mindestformen der Bedeckung vorgeschrieben. 

Der teilweise Hijäb (der nicht dem Hijäb der Frau im Gebet entspricht) 
ist für die Zeit außerhalb des Gebets vorgeschrieben in Anwesenheit 

1 . eines Verwandten (sei er männlich oder weiblich), der zum „Mahram 
mu'abbad" gehört, 

2. einer fremden muslimischen Frau, die nicht sündhaft bzw. die ver- 
trauenswürdig ist 68 , 

3. einer weiblichen Verwandten, die nicht zum „Mahram mu'abbad" 
gehört und nicht sündhaft bzw. die vertrauenswürdig ist, 

4. einer muslimischen Frau, von der man nicht weiß, ob sie sündhaft 
ist oder nicht bzw. vertrauenswürdig ist oder nicht 69 . 



BUCH ÜBER DAS GEBET 277 

Der vollständige Hijäb (der dem Hijäb der Frau im Gebet entspricht) ist 
für die Zeit außerhalb des Gebets vorgeschrieben in Anwesenheit 

i. eines männlichen Verwandten, der nicht zum „Mahram mu'abbad" 
gehört, 

2. eines fremden nicht mit ihr verwandten Mannes, 

3. einer fremden muslimischen Frau, die aber sündhaft bzw. nicht 
vertrauenswürdig ist, 

4. einer nichtmuslimischen Frau, von der man nicht weiß, ob sie sünd- 
haft ist oder nicht bzw. vertrauenswürdig ist oder nicht 

5. einer nichtmuslimischen Frau, die sündhaft bzw. die nicht vertrau- 
enswürdig ist. 

Es besteht ein Zweifelsfall bei 

1 . einer nichtmuslimischen Frau, die nicht sündhaft bzw. vertrauens- 
würdig ist, 70 

2. bei Männern, die zwar zum Mahram mu'abbad gehören, aber sünd- 
haft bzw. nicht vertrauenswürdig sind. 

In diesen beiden Fällen gilt, daß dann, wenn der Zweifel eher zuungun- 
sten der betreffenden Person ausfällt, der vollständige Hijäb zu tragen 
ist. 

Die Bedeutung von „Hijäb " 

Mit dem Begriff „Hijäb" ist nicht - wie oft fälschlicherweise behauptet 
- ein bloßes Kopftuch gemeint, sondern eine völlige Bedeckung des 
Körpers, die es unmöglich macht, die Körperform bzw. -färbe zu er- 
kennen und die nicht durch auffällige Tricks auf den Körper hinweist. 
Der Hijäb dient also dem Schutz der Frau vor Nachstellungen und da- 
vor, bei Männern (und auch manchen entsprechend veranlagten Frau- 
en) Begierde hervorzurufen. 

Des weiteren zeigt die Muslimin mit der korrekten //^-Kleidung, 
daß sie als anständige und gläubige Frau erkannt werden will, und sie 
muß - sofern sie den Hijäb nicht aus offenkundiger Heuchelei trägt - 
auch entsprechend mehr geachtet werden als Frauen, die sich um kor- 
rekte Bekleidung nicht kümmern bzw. sich ihr offen entgegenstellen. 

Mit „Ihtijäb" ist das Sich-Bedecken mit einem Hijäb gemeint (das heißt, 
daß sich die Frau so bedeckt, daß die Bedingungen des „Hijäb" erfüllt 
sind). 

Die wichtigsten Bedingungen des „Hijäb" 
1 . Daß der gesamte Körper der Frau bedeckt ist, außer dem, was von 
der Bedeckungspflicht ausgenommen ist. 71 



278 



HANDBUCH ISLAM 



2. Daß die zur Bedeckung benutzten Kleidungsstücke aus undurchsich- 
tigem Stoff bestehen, so daß weder Haut noch (Kopf)Haare von au- 
ßen durch den Stoff hindurch erkennbar sind. 

3. Daß die benutzten Kleidungsstücke weit geschnitten sind, also nicht 
eng am Körper anliegen - geschweige denn die Körperumrisse und - 
formen nachzeichnen bzw. betonen. 

4. Daß die Kleidung, die die Frau trägt, nicht die Aufmerksamkeit der 
Männer auf sich zieht (durch allzu extravagante Aufmachung, zu 
viel auffällige Verzierungen usw.). 72 

5. Daß die Kleidung der Frau nicht durch Zurschaustellung wertvoller 
Schmuckverzierung, wertvoller Stoffe usw. Frauen demütigt, die sich 
derartige wertvolle Dinge nicht leisten können; das gilt nämlich als 
Hochmut und wird daher von Gott dem Erhabenen als Hijäb nicht 
angenommen. 73 

6. Daß die Kleidungsstücke nicht solchen Kleidungsstücken gleichen, 
die speziell (bzw. in der Regel nur) von Männern getragen werden. 74 

Vor Verwandten, die dem „ewigen Mahram" 
[Mahram mu'abbad 75 ) angehören 

Zum Mahram mu'abbad (zu den Verwandten, mit denen man keine Ehe 
eingehen darf) zählen beispielsweise Vater und Mutter, Bruder und 
Schwester, Tochter und Sohn. Hier gilt, daß die Frau den teilweisen 
Hijäb tragen darf, dessen genaue Begrenzung aber bezüglich der Anwe- 
senheit von Männern bzw. Frauen sowie je nach Madhhab etwas unter- 
schiedlich ist. 

Wenn eine Frau allein in einem abgeschlossenen Raum ist 76 oder sich 
in einer reinen Frauengesellschaft (das heißt wenn nur muslimische Frau- 
en zusammen sind) oder in Anwesenheit von ausschließlich Mahram- 
mu'abbad-Frauen befindet, so gilt, daß ihre Minimal-' Aura vom Nabel- 
bereich bis zum Knie reicht. 

Sind Männer aus dem Mahram mu'abbad der Frau in ihrer Gegenwart, 
so gibt es nach den Rechtsschulen verschiedene Ansichten. 

Hanafiya und Shäfi'lya 

Hier ist für die betreffende Frau nur der Bereich zwischen Nabel und 

Knie verpflichtend zu bedecken. 

Mälikiya 

Der zu bedeckende ^wra-Bereich der Frau ist in diesem Fall der ge- 
samte Körper außer Kopf, Hals und Nacken, Armen und Händen 
sowie den Füßen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 279 

Hanbaliya 

Der zu bedeckende f ^4wra-Bereich der Frau erstreckt sich in diesem 
Fall über den gesamten Körper außer Kopf, Hals und Nacken, Ar- 
men und Händen sowie Beinen, Knien und Füßen. 

In Anwesenheit einer nichtmuslimischen Frau oder fremden Männern 
muß die Frau aber den vollständigen Hijäb anlegen, das heißt, hier ist 
ihre 'Aura wie die im Gebet. 

Hanbaliya 

Nach Ansicht der Hanbaliya besteht hier kein Unterschied zwischen 
Musliminnen und Nichtmusliminnen: In beiden Fällen gilt nach die- 
ser Meinung, was auch bei den anderen Madhähib bei einer reinen 
Musliminnengruppe gilt. 

Vor anderen als den Verwandten, 

die dem „ewigen Mahr am" (Mahr am mu'abbad) angehören 
Hier gilt, daß der vollständige Hijäb anzulegen ist, wenn männliche 
Mahram-Angehörige anwesend sind, die nicht dem Mahram mu'abb ad an- 
gehören (wenn es sich also um solche Verwandte handelt, mit denen 
die betreffende Frau - unter bestimmten Voraussetzungen - eine Ehe 
eingehen kann). 

Als Paradebeispiel können hier der Bruder des Ehemannes sowie der 
direkte Cousin der Frau (das heißt Sohn eines Onkels der Frau) sowie 
auch weiter entfernte Cousins (wie der Cousin, der mit der Frau über 
einen Großonkel verwandt ist) dienen: Diese können nach islamischem 
Recht von der betreffenden Frau (unter bestimmten Umständen gehei- 
ratet werden. 

Die 'Aura-Bedeckung in Extremsituationen 

Bei unabsichtlicher Entblößung der Aura: 

Wenn jemand seine Aura während des Gebetes absichtlich entblößt, 
so besteht volle Übereinstimmung unter den Rechtsschulen und allen 
Gelehrten, daß das Gebet dadurch sofort ungültig wird. 

Doch bezüglich des Falles, daß jemandes Aura unabsichtlich - durch 
einen Windstoß und dergleichen - ganz oder teilweise während des 
Gebetes entblößt wird, werden verschiedene Ansichten vertreten. Dazu 
nun die Darstellung der Meinungen nach den Rechtsschulen. 

Hanbaliya 

Wenn einer der folgenden Fälle gegeben ist, wird das Gebet nicht 

ungültig: 



280 



HANDBUCH ISLAM 



♦ wenn ein kleiner Teil der 'Aura ohne Absicht entblößt wird 

• wenn ein Teil der 'Aura - ob nun mehr oder weniger ausgedehnt - 
oder sogar die ganze Aura ohne Absicht (etwa durch einen Windstoß) 
freigelegt wird und die Entblößung nicht längere Zeit (das heißt nur 
einen Augenblick) andauert und der entblößte Teil sofort wieder be- 
deckt wird. 

Wenn aber die Aura absichtlich entblößt wird oder wenn die Ent- 
blößung - dem Brauch ( 'Urfi nach - längere Zeit andauert, so ist das 
Gebet ungültig. 

Hanqßya 

Wenn ein Teil der Aura mughalla^a im Maß eines Viertels entblößt 
wird 77 oder das Viertel eines Körperteils der Aura mukhqffafa 78 wäh- 
rend der Zeit entblößt wird, in der ein Rukn des Gebets verrichtet 
wird, so ist, auch wenn das nicht absichtlich geschieht (etwa durch 
einen Windstoß), das Gebet doch ungültig. 

Geschieht aber irgendeine Entblößung absichtlich, so wird das Gebet 
augenblicklich ungültig. 

Mälikiya 

Wird auf irgendeine Weise die Aura mughalla^a entblößt, ist das Gebet 

sofort ungültig. 

Shäfi'iya 

Wenn die Aura des Betenden/der Betenden unabsichtlich durch ei- 
nen Windstoß oder derartige Natureinflüsse entblößt wird, wobei er 
in der Lage ist, sich wieder zu bedecken, und er das auch augenblick- 
lich tut, ist das Gebet weiterhin gültig. 

Ebenso verhält es sich, wenn man sich im Gebet versehentlich im 
^wra-Bereich entblößt, sich aber augenblicklich wieder bedeckt: auch 
dann gilt das Gebet noch. 

Wenn aber etwas außer einem Windstoß und derartigen Naturein- 
flüssen das Entblößen der Aura bewirkt - etwa, wenn ein Tier wie 
eine Katze usw. einen Schleier wegzerrt oder wenn ein Kleinkind 
ohne Tamyiz ein Kleidungsstück hochzerrt -, so wird das Gebet un- 
gültig. 

Bei Anhaften von Najäsa und Seidenkleidung 
Sofern man nicht gerade beten muß, gilt, daß auch mit einer Najäsa 
verunreinigte Kleidung anbehalten werden muß, sofern man keine rei- 
ne (oder zumindest reinere) bzw. erlaubte Kleidung (für Männer nicht 
aus Seide) 79 als Ersatz finden kann. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 28l 

Kann man aber reine oder reinere Kleidung finden und hat man die 
Möglichkeit, die verschmutzte Kleidung abzulegen, ohne seine entspre- 
chende 'Aura vor solchen Menschen entblößen zu müssen, vor denen 
man das nicht darf, so muß man das so bald wie möglich tun. 

Findet man aber entsprechende Möglichkeiten dazu nicht (zum Bei- 
spiel weil es keine geschlossenen Räume gibt, in die man sich zurück- 
ziehen könnte) oder findet man solche, kann aber nicht sicher sein, ob 
nicht jemand unvermutet hereinkommt 80 , vor dem man die 'Aura nicht 
entblößen darf, so muß man diese verunreinigte bzw. grundsätzlich 
unerlaubte Kleidung (abgesehen von den Gebeten) so lange anbehal- 
ten, bis sich eine passende Gelegenheit zum Wechseln ergibt. 

Ist aber ein Gebet nicht mehr aufzuschieben, weil die betreffende 
Gebetszeit schon fast abgelaufen ist, und findet man nur verunreinigte 
(mutanajjis) Kleidung bzw. (bei einem Mann) nur ein Seidengewand, so 
gelten nach den Rechtsschulen unterschiedliche Ansichten. 

Shäfi'iya 
und Hanqßya 

Ist im Fall eines Mannes ein Seidengewand und zu stark verunreinig- 
te Kleidung vorhanden oder auch nur ein Seidengewand allein, so 
gilt, daß er aufgrund der Notlage in dem Seidengewand beten muß, 
denn in stark verunreinigter {mutanajjis) Kleidung darf man nicht be- 
ten; das in dem Seidengewand so verrichtete Gebet ist gültig und 
wird auch später nicht wiederholt. 

Eine Frau darf Seide im Gebet tragen, doch keine mit Najäsa verun- 
reinigte Kleidung; findet sie nur mit Najäsa verunreinigte Kleidung 
vor, so gilt sie wie jemand, der gar keine Kleidung vorfindet. 

Mälikiya 

Man muß auch in einem stark mit Najäsa verunreinigten oder aus 
Najäsa bestehenden Kleidungsstück (etwa aus Schweineleder) beten; 
ein so verrichtetes Gebet muß auch später nicht verpflichtend wie- 
derholt werden, wenngleich es mandüb ist, ein solches Gebet zu wie- 
derholen. 

Hanbaliya 

Man muß in einer solchen Lage auch in Kleidung mit Najäsa beten, 
muß das Gebet aber später - in reiner Kleidung - wiederholen. Bei 
Kleidung, die aus Najäsa besteht, gilt aber, daß sie nicht beim Gebet 
getragen werden darf: Der Betende muß dann nackt beten, und das 
so verrichtete Gebet wird später auch nicht wiederholt. 



282 



HANDBUCH ISLAM 



Bei Nichtvorhandensein von Kleidung usw. 

Hat man in einer Notlage gar keine Kleidung bzw. nichts oder nicht 

genug, um die Mindest- 'Aura zu bedecken, so sind grundsätzlich zwei 

Fälle zu unterscheiden: 

i . Es ist zwar etwas Kleidung /etwas zur teilweisen Bedeckung der l Aura 
vorhanden. 

2. Es ist überhaupt nichts zur Bedeckung der Aura vorhanden, die be- 
treffende Person ist völlig nackt. 81 

In beiden Fällen kommt es zusätzlich darauf an, 

• ob es Nacht bzw. dunkel ist, 

• ob noch andere Personen anwesend sind, 

• ob die betreffende Person sich außerhalb eines für Blicke zugängli- 
chen Raumes befindet oder nicht. 

Dazu nun Darstellungen der Rechtsschulen: 

Es gilt in Übereinstimmung, daß, wenn etwas Reines in zu geringem 
Maß zur Bedeckung vorhanden ist, man zunächst den Geschlechtsbe- 
reich und den After bedecken muß, dann den Bereich darum herum, 
dann das, was den Aura-Regeln entsprechend mehr, dann das, was we- 
niger verpflichtend bedeckt werden muß. 

Wenn allerdings Dunkelheit herrscht und man nur unzureichende 
Bedeckungsmöglichkeit hat, ist es nach Ansicht der Madhähib außer der 
Mälikiya nicht verpflichtend, sich damit zu bedecken - das heißt, man 
kann dann auf diese unzureichende Bedeckung ganz verzichten. 

Mälikiya 

Nach der Mälikiya gilt die Dunkelheit nicht als Entschuldigungsgrund, 
das heißt, man muß sich auch dann soweit wie möglich bedecken. 
Tut man das aber in dieser Lage nicht, so hat man eine Sünde began- 
gen, das Gebet gilt aber doch. In solchen Fällen ist es dann mandüb, 
das Gebet zu wiederholen, nicht aber verpflichtend. 

Ist überhaupt gar nichts vorhanden, womit man sich bedecken kann, 
so soll man bis zum Ende der Gebetszeit abwarten, ob sich nicht doch 
noch eine Bedeckungsmöglichkeit ergibt; dieses Abwarten ist nach An- 
sicht der Shäfi'iya verpflichtend, nach den anderen Rechtsschulen mandüb. 
Weil es verpflichtend ist, daß die Bedeckung weder von oben noch 
von der Seite einen Blick auf Aura-Teile zuläßt, weder für den Beten- 
den selbst noch für andere, ist es auch nicht ausreichend, wenn man ein 
zerfetztes oder zerrissenes Gewand trägt, das Blicke auf Aura-Teile er- 
laubt: ein so verrichtetes Gebet ist selbst dann für den Betenden ungül- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



283 



tig, wenn weder er seine 'Aura während des Gebetes gesehen hat noch 
andere. Das ist die Ansicht der Shäfi'iya und Hanbaliya. 

Hanqfiya und Mälikiya 

Für den Betenden selbst ist es in dieser Lage nicht verpflichtend, daß 
seine 'Aura vor ihm selbst verborgen bleibt: wenn etwa der oder die 
Betende von oben her während des Gebetes auf etwas, was Aura ist, 
blickt, so ist das zwar makrüh, aber das Gebet ist doch gültig. 

Alle Rechtsschulen stimmen aber darin überein, daß es nicht verpflich- 
tend ist, die Aura von unten bzw. von unter dem Gewand, der Klei- 
dung, zu bedecken. 



§ 25 

DIE GEBETSPLATZBEGRENZUNG (SUTRA) 

Die Sutra (wörtl. etwa: „Verdeckung", „Abtrennung", als Fachbegriff: 
„Gebetsplatzbegrenzung") dient dazu, den Betenden und anderen ei- 
nen Platz klar anzuzeigen, der zum Beten benötigt wird. Da es grund- 
sätzlich unzulässig ist, vor einem Betenden herzugehen 82 (bzw. durch 
seinen Gebetsplatz zu gehen), legt bzw. stellt der Betende etwas vor sich 
als Abtrennung und Begrenzung hin bzw. stellt sich vor ein Hindernis 
(Wand, Säule usw.). Grundsätzlich kann als Sutra alles dienen, was den 
Durchgang anderer durch den Gebetsbereich verhindert - in bestimm- 
ten Fällen auch der Körper eines vor dem Betenden sitzenden Men- 
schen. Dies ist die Haltung der Schulen außer der Shäfi'iya. 

Shäfi'iya 

Es werden vier Arten der Sutra unterschieden, die in fester Reihenfol- 
ge aufeinander abfolgen: Erst wenn die beste Art nicht oder nur schwer 
zu erfüllen ist, kann man die nächste Art nehmen. 

1 . Feste, reine (tähir) Dinge wie zum Beispiel Wände oder Säulen. 

2. Nicht feste, aber standfeste (auf stellbare), aufrechte Dinge wie zum 
Beispiel ein Stab oder Möbel (Stühle usw.). 

3. Ein Gebetsteppich bzw. eine entsprechend dem Gebet dienende 
Decke, ein Mantel usw. (nicht aber ständig ausgelegte Teppiche 
oder Teppichböden in Moscheen). 

4. Eine Linie auf dem Boden (gezeichnet, in den Sand gezogen usw.), 
sei sie längs oder quer verlaufend. 



284 HANDBUCH ISLAM 

Als Bedingung zur Verwendung der ersten und zweiten Art gilt, daß 
die Gegenstände bzw. Dinge eine Mindesthöhe von drei Ellen (etwa 86 
bis 90 Zentimeter) und eine Mindestentfernung von drei Ellen vom 
Betenden haben müssen (genauer: von seinen Fingerspitzen 83 bzw. sei- 
nen Knien 84 ). 

Als Bedingung zur Verwendung der dritten und vierten Art gilt, daß 
die Sutra mindestens drei Ellen lang sein muß; zur Entfernung vom Be- 
tenden gilt dasselbe wie bei der ersten und zweiten Art. 

Eine Sutra zu nehmen ist mandüb. 

Auf öffentlichen Wegen eine Sutra zu nehmen ist aber für einen Imäm 
oder Munfarid notwendig (läzim), denn würde der Gebetsplatz von ei- 
nem Menschen durchschritten, wird der Betende sündig 85 . 

Bezüglich der Bedingungen für die Dinge, die als Sutra verwendet 
werden, nun die Darstellung der Rechts schulen. 

Hanafiya 

Am besten nimmt man etwas aufrecht Stehendes von einer Elle (Dhirä') 
Länge (etwa 28 bis 30 Zentimeter); dabei kann der Gegenstand belie- 
big dünn oder dick sein. Wenn das nicht möglich ist, so soll man 
einen Gegenstand vor sich hinlegen bzw. sich beim Beten hinter dem 
Rücken bzw. Körper eines vor einem Betenden hinstellen. Wenn auch 
das unmöglich ist, zeichnet man eine Linie auf den Boden, die besser 
quer als längs verlaufen soll. Hinter einer Frau oder einem Ungläubi- 
gen (Käfir) als Sutra zu beten ist ungültig (bätü). 

Shäfi'iya 

Die Länge eines als Sutra genommenen Gegenstandes soll mindestens 
drei Ellen (etwa 86 bis 90 Zentimeter) lang sein, die Dicke des Gegen- 
standes ist dabei egal. Es ist (im Unterschied zur hanafitischen An- 
sicht) absolut zulässig, hinter irgendwelchen Menschen bzw. Beten- 
den als Sutra zu beten. Ansonsten gilt, was auch bei der Hanafiya unter 
Beachtung der weiter oben schon genannten Hierarchie der Shäfi'iya 
in der Bewertung möglicher SWrö-Gegenstände gilt. 

Mälikiya 

Es ist verpflichtend, daß zum Betenden (das heißt seinen Fingerspit- 
zen bzw. Knien) genügend Raum sein muß, daß ein Schaf - oder, 
nach anderen Meinungen, eine Katze - durch den Zwischenraum 
hindurchgelangen kann; das entspricht etwa einer Spanne von etwas 
mehr als Armeslänge bis hin zu einer Handflächenlänge. Ebenfalls 
im Unterschied zu den anderen Schulen meint die Mälikiya, daß nur 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



285 



etwas aufrecht Stehendes, nicht aber etwas Flaches als Sutra geeignet 
ist. Außerdem muß dieser Gegenstand mindestens eine Elle (= etwa 
28 bis 30 Zentimeter) lang sein und die Dicke (= Durchmesser des 
Schaftes) einer Lanze haben (das heißt mindestens drei Zentimeter 
dick sein). In der Frage, wie man einen Menschen als Sutra nehmen 
kann, stimmt die Mälikiya mit der Hanafiya überein. 
Im Unterschied zu den anderen Rechtsschulen meint die Mälikiya, 
daß ein unreiner Gegenstand (JVajäsa) nicht als Sutra genommen wer- 
den kann, weil die Sutra dann ungültig (bätil) wird. 

Hanbaliya 

Der Gegenstand, der als Sutra genommen wird, muß mindestens eine 
Elle lang sein; die Dicke ist egal. Der Abstand zwischen dem Beten- 
den und seinem Swtaz-Gegenstand muß mindestens drei Ellen betra- 
gen. 

Es ist zulässig, einen vor einem sitzenden/betenden Menschen als 
Sutra zu nehmen - selbst dann, wenn einem diese Person das Gesicht 
zuwendet (das ist so bei den anderen Madhähib nicht zulässig). 

Vor einem Betenden herzugehen 

Vor einem Betenden herzugehen ist - je nach Rechtsschulansicht und 
Umständen - verboten (haräm) oder makruh? 6 . Dazu die Meinungen der 
Rechtsschulen: 

Hanafiya und Mälikiya 

Es ist verboten (haräm), vor einem Betenden herzugehen bzw. vor ihm 
vorüberzugehen, selbst wenn dieser Betende (unentschuldigt) keine 
&tfra-Begrenzung genommen hat. Dabei lädt der Vorübergehende aber 
erst Sünde auf sich, wenn es für ihn eine Ausweichmöglichkeit gege- 
ben hätte. Es ist andererseits einem Betenden verboten (haräm), so den 
Gebetsplatz auszusuchen, daß die Leute gezwungen sind, an ihm vor- 
überzugehen (etwa bei einem öffentlichen Weg). Dabei lädt ein sol- 
cherart Betender erst dann Sünde auf sich, wenn jemand in der Tat 
seinen Gebetsplatz kreuzt, nicht aber durch das bloße Weglassen ei- 
ner Sutra -Begrenzung. 

Shäfi'iya 

Das Vorübergehen an einem Betenden ist nur dann verboten, wenn 
dieser sich den Umständen und Möglichkeiten entsprechend eine Sutra- 
Begrenzung genommen hat und der Vorübergehende durch diese Sutra 
gehen würde. Andererseits ist es in jedem Falle besser, nicht vor ei- 



286 



HANDBUCH ISLAM 



nem Betenden herzugehen. 87 Wenn jemand auf einem Durchgangs- 
weg oder dergleichen betet, keine Sutra genommen hat und jemand 
an ihm vorübergeht, so ist das für den Betenden makrüh, aber keiner 
der beiden hat dabei eine Sünde begangen. 

Hanbaliya 

Einen Durchgangsweg als Betender zu versperren ist makrüh, ob nun 
jemand in der Tat an diesem Betenden vorübergeht oder nicht (das 
in Übereinstimmung mit der Shäfi'iyd). Dabei ist es in erster Linie für 
den Betenden makrüh, für den Vorübergehenden aber erst dann, wenn 
er einen anderen Weg, eine Ausweichmöglichkeit hätte finden kön- 



KAPITEL 8 

PFLICHTEN, EMPFOHLENES 
UND UNTERSAGTES IM GEBET 

§26 

DIE ERSTE PFLICHT: DIE ABSICHT (NIYA) 

Damit hängen verschiedene Fragen/Dinge zusammen: 

• Die Bedeutung der Absicht 

• Ihre Rechtskraft (Hukm) im Gebet (Saläh) 

• Ihre Art und Weise im Pflichtgebet 

• Ihre Art und Weise im Nicht-Pflichtgebet 

• Wann sie gefaßt werden muß 

• Daß man sich bereits in einem Teil des Gebetes befindet und die 
damit verbundenen Bedingungen beim beabsichtigten Gebet 

• Die Absicht, die der Nachbeter (Ma'müm) fassen muß, um einem 
Imäm im Gebet nachzufolgen, und die Absicht des Vorbeters (Imäm) 
hinsichtlich seiner Rolle als Vorbeter. 

Die Bedeutung der Absicht 

Mit „Bedeutung" ist hier die innerliche Absicht gemeint: daß jemand 
ein Gebet für die Annäherung zu Gott und für Gott allein beabsichtigt. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



287 



Wenn jemand nur mit seiner Zunge die Absicht zum Gebet faßt, nicht 
aber in seinem Herz, dann ist er kein Betender. Ebenso verhält es sich, 
wenn er nur betet, damit ihn die Leute loben, und er das Beten unter- 
lassen würde, wenn sie es nicht täten: dann ist sein so verrichtetes Gebet 
ungültig. 

Ebenso ist es ungültig, wenn er nur betet, um seinen Besitz oder seine 
gesellschaftliche Stellung herauszukehren und zur Schau zu stellen, oder 
wenn er das Gebet nur verrichtet, um irgendeine Begierde besser befrie- 
digen zu können (wenn er etwa nur zur Moschee zum Gebet geht, um 
dabei etwas anderes an einem benachbarten Ort tun zu können). 

Tatsächlich ist es sehr wichtig, daß man diese Dinge gut versteht. 
Insbesondere muß man sich bei der Absicht zum Gebet von allen Ge- 
danken, die nichts mit dem Gebet an sich zu tun haben, lösen (soweit 
das irgend möglich ist), weil sonst das Gebet ungültig wird. 

Die rechtliche Bedeutung (Hukm) 

Was die rechtliche Bedeutung der Niya im Pflichtgebet angeht, so stim- 
men die vier Imame der Rechtsschulen darin überein, daß das Gebet 
ohne Niya nicht gültig ist. Zwar meinten einige: die Niya ist Rukn, ande- 
re: die Niya ist Shart, doch ob nun das Ergebnis (im ersten Fall) ist, daß 
ein völlig nichtiges Gebet gebetet wurde, oder (wie im zweiten Fall) ein 
ungültiges Gebet verrichtet wurde - im Endergebnis macht das keinen 
Unterschied. 

Die Art und Weise, wie die Absicht (Niya) zufassen ist 

Bei der Niya wird vor allem danach unterschieden, ob es sich um folgen- 
de Gebetsformen handelt: 

• ein grundsätzliches Pflichtgebet, dessen Verrichtung Fard ( ain ist 
(wie die fünf täglichen Pflichtgebete) 

• ein Gebet, dessen Verrichtung Fard kißya ist (wie etwa das Toten- 
gebet/ Salät al-Janäzd) 

• ein Gott versprochenes gelobtes Gebet (Saläh man^üra) 

• ein freiwilliges Gebet (Näfila) 

Diesbezüglich unterscheiden sich die Rechtsschulen in ihrer Meinung. 

Die Hanafiya 

1 . Die Bedeutung der Niya: 

Es ist für jeden, dem das Gebet als Pflicht grundsätzlich auferlegt ist, 
verpflichtend, anzuerkennen, daß Gott der Allmächtige ihm die Ver- 



288 



HANDBUCH ISLAM 



pflichtung der fünf täglichen Gebete auferlegt hat. Wenn er die Pflichtge- 
bete als solche nicht (er)kennt, sind sie für ihn nämlich ungültig, selbst 
wenn er sie in den vorgesehenen Zeiten verrichtet - außer wenn er sie 
mit einem Vorbeter (Imäm) betet und dabei die Absicht des Vorbeters 
beabsichtigt. 

Wenn er weiß, daß ihm das Pflichtgebet obliegt, aber er beim Gebet 
nicht zwischen Grundpflicht (Fard), Pflicht ( Wäjib) und Sunna unterschei- 
det/unterscheiden kann und alles mit der Absicht zum Pflichtgebet 
betet, ist sein Gebet gültig. Denn tatsächlich verhält es sich bei sehr 
vielen Leuten so, daß sie diese Unterschiede nicht machen bzw. kennen 
und auf ebendiese Art und Weise ihr Gebet verrichten. 

2 . Die Art und Weise der Mya: 

Im Pflichtgebet soll der Betende wissen, um welches Gebet es sich 
handelt, das er betet: ob es das Subh-, %uhr-, Asr-, Maghrib- oder 'Ishä'- 
Gebet ist. 

Wenn er sich in der für das Gebet festgesetzten Zeitspanne befindet 
und das Gebet dieser Zeitspanne (zum Beispiel das ^«Är-Gebet in der 
Zeit, die dafür bestimmt ist) verrichten will, so ist das Gebet gültig, 
auch wenn er weiter nichts Genaueres beabsichtigt. Wenn also jemand 
unter diesen Bedingungen die Absicht in seinem Inneren zu einem 
Pflichtgebet faßt, zum Beispiel: „Ich beabsichtige das £uhr-Gebtt" , ohne 
beispielsweise hinzuzufügen: „das £uhr-Gebet von heute" oder „dieser 
^wÄr-Zeit", ist sein so beabsichtigtes Gebet gültig. 

Wenn er aber noch ein in der gleichen Zeit liegendes Gebet von ande- 
ren Tagen nachzubeten hat, so muß er seine Absicht (innerlich) zum 
Beispiel so ausdrücken: „Ich beabsichtige das guhr-Gtbet von heute" 
oder „das £ühr-Gebet dieser Gebetszeit"; bzw. beim nachzuholenden 
Gebet: „Ich beabsichtige das ^Ar-Gebet von gestern" oder „das nach- 
zuholende £uhr-Gtbet". 

Befindet sich jemand außerhalb der Gebetszeit des Gebetes, das er 
verrichten will, und zugleich in der Gebetszeit eines anderen Tagesge- 
betes (zum Beispiel wenn er das gukr-Gtbet [Mittagsgebet] in der Zeit 
des f ^r-Gebetes [Nachmittagsgebetes]) nachholen will), so genügt es, 
das £uhr-Gtbet zu beabsichtigen. Manche Gelehrte jedoch meinen: Wenn 
der Betende sicher weiß, daß er sich schon außerhalb der Gebets zeit für 
sein Gebet befindet, muß er das Gebet des Tages von heute usw. beab- 
sichtigen (zum Beispiel in der Asr-Ztit „das £wÄr-Gebet von heute"). 
Dies gilt besonders dann, wenn mehrere Gebete gleicher Art von ver- 
schiedenen Tagen nachgeholt werden müssen. 

Zusammenfassend gesagt genügt es, wenn die Absicht zum Gebet als 
solchem (£ukr, Asr usw.) gefaßt wird, sofern der Betende sich noch in 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



289 



der zugehörigen Gebetszeit befindet. Befindet er sich nicht mehr in der 
entsprechenden Gebetszeit und weiß nicht (oder nicht sicher), ob die 
Gebetszeit vergangen ist, genügt ebenfalls die bloße Absicht des Beten- 
den zu diesem Gebet. Weiß aber der Betende genau, daß das Gebet, 
das er verrichten will, schon außerhalb seiner Zeit liegt, muß er nach 
manchen Gelehrten genauer formulieren, ob es das Gebet desselben 
Tages ist oder nicht. Hat er noch mehrere Gebete der gleichen Art 
nachzuholen, muß er ganz genau bestimmen, was er nachbetet. 

Nur ein Pflichtgebet zu beabsichtigen (zum Beispiel in der 'Asr-Zeit 
(innerlich) zu beabsichtigen: „Ich beabsichtige das Pflichtgebet"), ohne 
hinzuzufügen: „dieser Gebetszeit", genügt aber nicht, und ein so beab- 
sichtigtes Gebet ist ungültig. 

3. Die Niyafur das Totengebet (Salät al-Janäzd): 

Hier ist sowohl die Niya für das Totengebet als auch die für ein Wäjib- 
Gebet allgemein gemeint. Auch bei solchen Gebeten ist die Absicht not- 
wendig zur Gültigkeit des Gebetes. Beim Totengebet (Salät al-Janäza) 
genügt es aber, das Totengebet selbst zu beabsichtigen; die (wünschens- 
werte,) vollständige Form ist: „Ich beabsichtige das Totengebet (Salät 
al-Janäza) und das Bittgebet (Du'ä') für den Toten" (wie dies noch im 
Kapitel über „Salät al-Janäza" genauer vorgestellt werden soll). 

DieMya beim Freitagsgebet: Beim Freitagsgebet genügt es, „das Freitagsge- 
bet (Salät al-Jum'a) zu beabsichtigen. 

Bei den Wäjib- Gebeten wie dem Witr-Gtbet oder dem Zwei-Rak'a-Gebet 
beim Tawäf ist es ebenfalls nötig und zugleich ausreichend, als Mya 
„das Witr-Gebet" bzw. „die zwei Rak'a beim Tawäf" zu beabsichtigen. 

Bei freiwilligen Gebeten (Näfila- Gebeten), die zunächst als freiwillige Gebete 
(allgemein innerlich) beabsichtigt wurden und die dann aus irgendei- 
nem Grunde nicht korrekt bzw. gültig waren, gilt, daß sie wiederholt 
werden müssen und daß man dabei die Mya (für dieses konkrete Gebet 
von zum Beispiel zwei Rak ( a) genau fassen muß, weil ein solches Gebet 
- einmal beabsichtigt und wiederholt, beim zweiten Mal Wäjib wird 
(und bei Wäjib-Gtbtttn eine Absicht gefaßt werden muß). 

Das gleiche gilt bei Gebeten, die man Göttfreiwillig gelobt hat (Salät manzüra): 
diese müssen mit der entsprechenden Absicht gebetet werden. 

Zusammenfassen läßt sich das Ganze so: 

Bei Pflichtgebeten (gleich, ob Fard ( ain oder Fard kißyd), Wäjib-Gebeten 
und Gott gelobten Gebeten muß eine klare Absicht zum entsprechen- 



29O HANDBUCH ISLAM 

den Gebet gefaßt werden, damit es gültig ist, bei ganz freiwilligen Ge- 
beten aber nicht. 

Die Mälikiya: 
Bei Pflichtgebeten muß eine genaue Absicht gefaßt werden, indem man 
ein Pflichtgebet und zudem die genaue Bezeichnung (Mittagsgebet, 
Nachmittagsgebet usw.) beabsichtigt, da sonst das Gebet ungültig wird. 

Zu freiwilligen Gebeten siehe weiter unten. 

Die Shäfi'iya: 
Zur Gültigkeit eines Gebetes müssen grundsätzlich drei Bedingungen 
erfüllt sein: 

1 . Die Mya muß für ein Pflichtgebet oder für ein freiwilliges Gebet gefaßt 
werden. 

2 . Die Niya muß bei Pflichtgebeten angeben, ob zum Beispiel das £uhr-, 'Asr- 
Gebet usw. gemeint ist. 

Bei fieiwilligen Gebeten, die dem Pflichtgebet vorangehen oder folgen (Rätiba), 
muß beabsichtigt werden, ein dem Pflichtgebet vorangehendes oder 
nachfolgendes Näfila-Gzbet (Rätiba) zu verrichten. 

Bei speziellen Gebeten wie dem Witr-Gebet muß eine entsprechende Ab- 
sicht (eben das Witr-Gebet zu beten) gefaßt werden. 

Bei absoluten freiwilligen Gebeten (Näfila mutlaqd) genügt die Absicht zum 
Gebet als solchem ohne spezielle Absicht. 

3. Der Betende muß sich bereits im ersten Teil - dem Eintritt in das Gebet, dem 
„ Takbirat al-Ihräm ", befinden: Während eines Teils des Takbirat al-Ihräms 
muß dann die Mya des Gebetes gefaßt werden. 

Das heißt, daß jemand zum Beispiel beim Pflicht-Mittagsgebet (£«Ar) 
während des ersten Takbir die Absicht fassen muß: „Ich beabsichtige das 
Pflichtgebet von ^jihr als Einzelbetender" bzw., wenn er es als Vorbeter 
im Gemeinschafts gebet betet, „das Pflichtgebet von £uhr als Vorbeter" 
bzw., wenn er Nachbeter ist, „das Pflichtgebet von ^uhr als Nachbeter". 

Diese Bedingungen müssen erfüllt werden, damit das Gebet gültig 
ist; insbesondere darum, weil bei der Shäfi'iya die Mya nicht nur Bedin- 
gung (Shart), sondern absolute Pflicht in jedem Fall (Rukn) ist. 

Wenn jemand als Einzelner ein Pflichtgebet betet und es später in 
einem Gemeinschaftsgebet (Salät al-Jamä'a) wiederholen will, muß er 
dazu - wie vorher erläutert - die genaue Absicht fassen 

Die Hanbaliya: 
Bei der Mya zu einem Pflichtgebet - wie dem Mittagsgebet oder dem 
Freitagsgebet - genügt es, das „^w/tr-Gebet" zu beabsichtigen, und ein 
Zusatz ist hier nicht nötig. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 2C)I 

Das Aussprechen der Mya - zu welcher £eit? 

Die Hanafiya, Mälikiya und Hanbaliya stimmen darin überein, daß die 
Mya zum Gebet dem Takbirat al-Ihräm um eine kleine Zeitspanne vorher- 
gehen darf. Nur die Shäfi'iya vertritt eine andere Haltung und sagt: Die 
Mya muß fest mit dem Takbirat al-Ihräm verbunden sein, und wenn man 
während der Zeitspanne des Takbirat al-Ihräm die Mya nicht faßt, wird 
das Gebet ungültig. 
Dazu die Rechtsschulen im einzelnen: 

Die Hanafiya: 

Es ist korrekt, wenn die Niya dem Takbirat al-Ihräm um eine kleine Zeit- 
spanne vorausgeht, und zwar unter der Voraussetzung, daß zwischen 
ihm und dem Gebet nicht etwas Trennendes eintritt, was mit dem Ge- 
bet nichts zu tun hat (wie etwa Essen, Trinken oder das Sprechen von 
Worten, durch die ein Gebet ungültig wird). 

Wenn aber die Zeit zwischen Absicht und Takbirat al-Ihräm mit etwas 
überbrückt wird, was mit dem Gebet zu tun hat, wie etwa dem Gehen 
zum Ort des Betens, dem Wudü\ so tut das der Gültigkeit der Mya kei- 
nen Abbruch. 

Wenn zum Beispiel jemand die Absicht für das £uhr-Gebet faßt, dann 
den Wudü' vornimmt, dann zur Moschee geht und das Gebet beginnt, 
ohne nochmals eine Mya beim Eintritt ins Gebet zu fassen, so ist das 
gültig. 

Tritt zwischen Mya und Gebetsbeginn eine Handlung ein, die dem 
Gebet zwar nicht wesensfremd ist (wie oben erklärt), aber längere Zeit 
andauert, so ist zwar die Mya bei Gebetseintritt gültig, aber er bekommt 
für diese Zwischenzeitspanne keinen Lohn bei Gott - im Gegensatz zu 
dem Fall, daß die Zwischenzeit nur kurz andauert. 

Was ist nun, wenn jemand die Mya zu einem Gebet bereits vor dem 
Beginn der entsprechenden Gebetszeit faßt? Nach Meinung von Abu 
Hanifa selbst ist eine solche Mya ungültig; doch einige Gelehrten der 
Hanafiya meinten, sie sei doch gültig, weil sie ein Shart (eine Bedingung) 
zur Gültigkeit ist und eine Bedingung dem, worauf sie sich bezieht, 
vorhergeht: das sei bei der Mya soundso selbstverständlich (das heißt 
daß die Mya zum Gebet dem Gebet selbst vorausgehen müsse). 

Andererseits stimmen die Gelehrten der Hanafiya auch darin überein, 
daß es das Beste ist, wenn die Mya mit dem Takbirat al-Ihräm - ohne 
Zwischenzeitraum - verbunden ist. Dies auch darum, weil dadurch der 
Unterschied zwischen den Rechtsschulen vermieden wird. 



292 HANDBUCH ISLAM 

Die Hanbaliya: 

Wenn die Mya dem Takbirat al-Ihräm um eine kleine Zeitspanne voraus- 
geht und nicht vor Eintritt der entsprechenden Gebetszeit gefaßt wur- 
de, ist sie gültig; wird sie aber vor der Gebetszeit gefaßt, ist sie ungültig. 
(Dies darum, weil bei der Hanbaliya die Mya Rukn/abso\ute Pflicht, nicht 
nur Shart/Be dingung ist). Wenn aber Worte, die nicht zum Wesen des 
Gebets gehören, in einer Zwischenzeit zwischen Mya und Gebetsbeginn 
gesprochen werden, ist die Mya nach Meinung der Hanbaliya trotzdem 
noch gültig. Wie auch bei der Hanaßya gilt bei der Hanbaliya, daß am 
besten die Mya mit dem Takbirat al-Ihräm verbunden werden soll. 

Die Mälikiya: 

Nach einigen malikitischen Gelehrten gilt, daß eine leichte Zwischen- 
zeit - wenn man etwa die Absicht in unmittelbarer Nähe der Moschee 
faßt und dann zum Gebet dorthingeht - zulässig ist. Dies ist die meist- 
vertretene Meinung. Einige Malikiten aber meinten, daß die Mya unbe- 
dingt mit dem Takbirat al-Ihräm verbunden sein müsse. Auch gilt, daß 
eine Zwischenzeit ohne Notwendigkeit bzw. Entschuldigungsgrund (wie 
Vergessen und ähnliches) nicht zulässig ist. Tritt aber eine lange Zwi- 
schenzeit ein, so ist in Übereinstimmung innerhalb der Mälikiya die Mya 
ungültig. 

Die Shäfi'iya: 

Wie schon in dem Abschnitt „Die Art und Weise der Mya" erklärt, ist 
eine Mya nur dann gültig, wenn sie direkt mit dem Takbirat al-Ihräm 
verbunden ist, nicht aber, wenn eine Zwischenzeit eintritt, gleich ob 
kurz oder lang. 

Die Mya eines Vorbeters (Imäm) und eines Nachbeters (Ma'müm) 

Zur Gültigkeit des Gebets ist es notwendig, daß der Nachbeter zu Be- 
ginn des Gebetes die Absicht faßt, dem Vorbeter nachzufolgen. 

Wenn jemand zunächst als Einzelbetender in das Gebet eintritt, dann 
aber einen Vorbeter findet und dann beabsichtigt, diesem als Nachbe- 
ter im Gebet nachzufolgen, so ist das Gebet dieses Nachbeters bei der 
Hanaßya und Mälikiya ungültig. 

Zu Shäfi ( iya und Hanbaliya nun genauer: 

Die Shäß ( iya: 

Wenn jemand als Einzelbetender ins Gebet eintritt und dann - im nach- 
hinein - sich mit seiner Absicht einem Vorbeter anschließt, indem er 



BUCH ÜBER DAS GEBET 293 

die Absicht eines Nachbeters faßt, so ist sein Gebet gültig - außer beim 
Freitagsgebet, und auch nicht bei einem Gebet, das in J am c at-Taqdim 
wegen Regen mit einem anderen Gebet verbunden wird: dort ist es 
verpflichtend, schon zu Beginn des Gebetes zu beabsichtigen, Nachbe- 
ter zu sein. Wenn man in diesen Fällen die Nachbeter-Absicht nicht zu 
Gebetsbeginn faßt, ist dieses Gebet ungültig. 

Ein Vorbeter (Imärri) andererseits muß beabsichtigen, Vorbeter zu sein, 
außer in den im folgenden bei den Rechtsschulen einzeln erklärten Fäl- 
len: 

Hanbaliya: 

Ein Imäm muß die Absicht, Vorbeter zu sein, unter den oben beschrie- 
benen Einschränkungen der Mya zu Beginn des Gebetes fassen. 

Mälikiya: 

Die Niya, Vorbeter zu sein, muß bei jedem Gebet gefaßt werden, das als 

Gruppengebet {Salät al-Jamä'a) gebetet werden muß: 

i . Beim Freitagsgebet {Salät al-Jum'a). Unterläßt es der Imam beim Frei- 
tagsgebet, die Absicht des Vorbeters zu fassen, wird sein Gebet und 
das eines jeden Nachbeters ungültig. 

2. Bei dem Maghrib- und M^T-Gebet, wenn sie bei Regen in Jam' at- 
Taqdim zusammengefaßt werden. Unterläßt er diese Absicht bei den 
zusammengefaßten Gebeten von Maghrib und 'Ishä'bei Regen, so wird 
das zweite Gebet ungültig. 

3. Beim Gebet in Furcht {Salät al-Khauf). Unterläßt ein Vorbeter seine 
Vorbeter-Absicht beim Gebet in der Furcht {Salät al-Khauf), so wird 
nur das Gebet der ersten Gruppe der Nachbeter ungültig, bei dem 
Gebet der zweiten Gruppe aber ist es gültig für Vorbeter und Nach- 
beter. 

4. Beim Gebet mit dem Khalifa des Imams {Salät al-Istikhläf). Wenn der 
Khalifa im Gemeinschaftsgebet die Absicht des Vorbeters faßt, ist das 
Gebet für alle, die ihm nachfolgen, gültig; unterläßt er aber diese 
Absicht, dann ist das Gebet für ihn gültig, für alle Nachbeter aber 
ungültig. 

Hanafiya: 
Die Niya, Vorbeter zu sein, ist nur in einem Falle absolut notwendig: 
Wenn ein Mann Frauen als Imam vorbetet; unterläßt er in diesem Fall 
die Niya des Vorbeters, ist das Gebet der nachbetenden Frauen ungül- 

tig- 



294 HANDBUCH ISLAM 

Shäfi'iya: 

In vier Fällen ist es notwendig, daß ein Vorbeter die Absicht, Vorbeter 
zu sein, faßt: 

i . Beim Freitags gebet. 

2. Bei einem Gebet, das wegen Regen m Jam e at-Taqdim mit einem 
anderen Gebet verbunden wird (wie zum Beispiel £uhr- und ( Asr- 
Gebet); in diesem Fall muß er nur im jeweils zweiten Gebet die 
Vorbeter-Absicht fassen, denn das erste Gebet liegt ja in seiner nor- 
malen Zeit. 

3. Beim wiederholten i^rrf-Gebet innerhalb der Zeit, als Gemeinschafts- 
gebet. 

4. Bei einem Gebet, das er als Imam im Gemeinschaftsgebet zu ver- 
richten gelobt hat; faßt er die Absicht vorzubeten darin nicht, gilt 
zwar sein Gebet, aber er hat damit eine Sünde auf sich genommen. 
(Erst wenn er danach dieses gelobte Gebet korrekt mit der Vorbeter- 
Absicht erfüllt, kann er sich von dieser Unterlassungssünde befreien.) 



§ 27 

die zweite pflicht: der eröffnende takbir 
(takbIrat al-ihräm) 

Die Form des Takbirat al-Ihräm 

Die drei Madhähib außer der Hanafiya sind der Ansicht, daß der Takbirat 
al-Ihräm 8B grundsätzlich mit der speziellen Form „Allähu akbar" durchge- 
führt werden muß, damit er und das Gebet gültig (sahih) ist. 

Die Hanafiya läßt aber - statt der Form „akbar" - auch andere Gottes- 
namen zu, wenngleich die Grundform mit „akbar" als die beste gilt. 

Die Bedingungen zum Takbirat al-Ihräm 

Innerhalb eines jeden Madhhab gibt es besondere Bedingungen, wie der 
Takbirat al-Ihräm durchgeführt werden muß bzw. was man dabei unbe- 
dingt vermeiden muß. 

Shäfi'iya 

Es gibt vierzehn Bedingungen zur Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm) wenn 
auch nur eine davon nicht erfüllt ist, ist das Gebet ungültig. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 295 

1 . Daß er in arabisch gesprochen wird („Allähu akbar"), wenn man dazu 
in der Lage ist; ist der Betende jedoch außerstande, den Wortlaut des 
Takbir zu erlernen, so ist es gültig, wenn er in einer Sprache vorge- 
nommen wird, die der Betende beherrscht. 89 

2. Daß der Takbirat al-Ihräm durchgeführt wird, während man steht, 
sofern es sich um ein Pflichtgebet handelt und der ins Gebet Eintre- 
tende zum Stehen in der Lage ist. 

Handelt es sich aber um ein Wö/ü/ö-Gebet, so ist es auch gültig (wenn 
auch nicht gut), den Takbirat al-Ihräm im Sitzen durchzuführen (so wie 
auch ein Näfila formalrechtlich ohne Stehen ausgeführt gültig ist). 
Wenn aber jemand in ein Pflichtgebet eintritt, indem er krumm nach 
vorn oder zu einer Seite schräg hingeneigt steht, so kommt es darauf 
an, wie stark geneigt er steht: Kommt seine Haltung einem korrek- 
ten, geraden Stehen näher, so ist sein Takbirat al-Ihräm gültig; wenn 
seine Haltung aber eher dem Rukü ( entspricht, so ist der Takbirat al- 
Ihräm nicht gültig. 

Diese Meinung wird auch von der Hanafiya und Hanbaliya geteilt, nicht 
jedoch von der Mälikiya, die sagt: 

Nur in einem einzigen Fall ist der Takbirat al-Ihräm bei einer so stark 
geneigten Haltung gültig - nämlich dann, wenn der betreffende Be- 
tende einem Imäm nachfolgt (also Ma'müm ist) und sich zudem verspä- 
tet an das Gebet dieses Imäms angeschlossen hat (also auch zugleich 
Masbüq ist). 

Die Shäfi'iya jedoch hält es zur Gültigkeit von Takbirat al-Ihräm und 
Gebet nicht für notwendig (läzim), daß der Masbüq sich in einem sol- 
chen Fall dem Imäm dann anschließt, während sich dieser im Rukü t 
befindet. Wenn der Masbüq sich zunächst dem Imäm im Gebet an- 
schließt, während dieser sich schon im Rukü' befindet, sich dann mit 
dem Imäm wieder aufrichtet und, nachdem er den Takbirat al-Ihräm 
ausgesprochen hat (mit voller Miya)^ allein (nochmals) den Rukü ( aus- 
führt, so ist das rechtsgültig (wie noch verdeutlicht werden soll). 

3. Daß der Takbirat al-Ihräm in der Form des Gottesnamens 90 (Allähu) 
und dem Wort „akbar" ausgesprochen wird. 

4. Daß man das erste „A" in „Allähu" nicht lang spricht; denn in der 
Form „Allähu akbar" wird die Aussage „Gott ist größer" zum Frage- 
satz „Ist Gott größer?", und Gott und seine Einzigkeit in Frage zu 
stellen ist zweifellos verboten. - Wenn jemand diesen Fehler unab- 
sichtlich, aus Unachtsamkeit, begeht, führt das unbedingt zur Ungül- 
tigkeit des Gebets. 9 ' Wer das jedoch bewußt tut, dessen Gebet wird 
nicht nur ungültig - er wird darüber hinaus sofort ungläubig. 



2g6 HANDBUCH ISLAM 

5. Daß das „B" im Wort „akbar" nicht verlängert wird, indem man sagt: 
„Allähu ak-bar" oder gar „ak(a)bbar", weil dann die korrekte Bedeutung 
zunichte wird (in diesem Fall wird das Wort aufgetrennt in zwei Einzel- 
silben „ak" und „bar": diese Silben haben im Arabischen aber in die- 
sem Zusammenhang keine Bedeutung). 

Auch ist der Takbirat al-Ihräm ungültig, wenn das zweite „A" in 
„akbar" verlängert wird (also das Wort zu „akbär" wird); in diesem Fall 
nämlich bedeutet es - als Plural - „große Trommeln"; wenn man 
„Ikbär" spricht, kann das Wort unter anderem „Menstruation" hei- 
ßen. 

In all diesen Fällen gilt: Wer das ohne Absicht so ausspricht, dessen 
Gebet ist ungültig; wer dies jedoch absichtlich tut, der beleidigt Gott 
und wird sofort Murtadd (jemand, der den Islam verlassen hat). 

6. Daß das „B" im Wort „akbar" nicht verdoppelt wird, indem man 
sagt: „Allähu ak(a)bbar", weil man dann das Wort als Frage verstehen 
kann, ob Gott den Takbir durchführe. Wer den Takbirat al-Ihräm so 
ausspricht, dessen Gebet ist ungültig. 

7. Daß kein „W" in den Ausdruck des Takbirat al-Ihräm eingefügt wird, 
sei es als langes Ü oder „wa "(arab.: „und"). Wer also ausspricht: „Allähu 
akbar" (aus Allähu-u akbar, ohne korrekte Bedeutung, mit Verfälschung 
des Gottesnamens) oder „Allähu wa akbar" (etwa: „Gott und [er ist] 
größer"), dessen Gebet ist ungültig. 

8. Daß der Betende im Takbirat al-Ihräm kein „wa " (arab.: „und") vor 
den Ausdruck setzt, indem er sagt „Wa llähu akbar" ^^ sonst ist das 
Gebet ungültig. 

9. Daß weder eine lange noch kurze Pause zwischen den beiden Wor- 
ten des Gesamtwortlautes des Takbirat al-Ihräm gemacht wird. Wenn 
also jemand beim Takbirat al-Ihräm zuerst „Alläh(u)" sagt, dann ein 
wenig schweigt und darauf „akbar" sagt, ist sein Gebet ungültig. Ent- 
sprechend muß diese Regel erst recht bei einer langen Sprechpause 
gelten. 

Wenn hingegen jemand im Ausdruck den bestimmten Artikel „al-" 
zum Wort „akbar" hinzufügt, also sagt: „Allähu l-akbar" (Gott ist der 
Größte"), so schadet das der Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm nicht - er 
ist also auch dann voll gültig (sahih). Ebenso verhält es sich, wenn 
innerhalb des Ausdruck ein weiterer Gottesname eingefügt wird. Wenn 
zum Beispiel jemand sagt: „Allähu l-'a^imu akbar" („Gott der Allgewal- 
tige ist größer") oder: „Allähu r-rahmänu r-rahimu akbar" („Gott, der 
Allerbarmer, der Barmherzige ist größer"), so ist das gültig. 

Allerdings wird der Takbirat al-Ihräm ungültig, wenn mehr als zwei 
weitere Gottesnamen in den ursprünglichen Ausdruck eingefügt wer- 
den - wenn also jemand im Takbirat al-Ihräm sagt: „Allähu l-'a^imu r- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 20,7 

rahmänu r-rahimu akbar" („Gott, der Allgewaltige, der Allerbarmer, der 
Barmherzige ist größer"), so ist das Gebet ungültig. 

Der Takbirat al-Ihräm wird auch ungültig, wenn zwischen dem Gottes- 
namen („Allähu") und dem Wort „akbar" als Trennung ein Pronomen 
oder eine Silbe mit weiterem Gottesnamen zur Anrede eingefügt wird. 
Wenn also jemand sagt: „Allähu huwa akbar" („Gott, er ist größer") 
oder: „Allähu yä rahmänu akbar" („Gott - o Allerbarmer - ist größer"), 
so sind der Takbirat al-Ihräm und das Gebet ungültig, 
i o. Daß der, der in das Gebet eintritt, sich beim Aussprechen des Takbirat 
al-Ihräm selbst hören kann. 93 Wenn man sie im stillen - nur innerlich 
- rezitiert, ohne sich selbst dabei die Laute aussprechen zu hören, so 
ist das Gebet ungültig. Dies gilt aber nicht bei einem Tauben bzw. 
Stummen oder bei jemandem in der Nähe von starkem Lärm oder 
Getöse: in einer solchen Lage entfällt diese Bedingung. Bei einem 
Tauben jedoch gilt, daß er sich im Rahmen seiner körperlichen Mög- 
lichkeiten bemühen muß, den Takbirat al-Ihräm auszusprechen, indem 
er zum Beispiel Zunge und Lippen wie beim Aussprechen des Takbirat 
al-Ihräm-bewegt. 

1 1 . Daß die für das Gebet - auf das sich der Takbirat al-Ihräm bezieht - 
vorgesehene Zeit eingetreten ist: bei einem Pflichtgebet, einer zeitge- 
bundenen Näfila [Näfila mu'aqqata) oder einer anlaßgebundenen Näfila 
[Näfila musabbaba) — wie oben vorgestellt. 

12. Daß man sich während des Takbirat al-Ihräm in Richtung der Qibla 
wendet - sofern die Bedingung, sich in Qibla-Kichtung zu wenden, 
nicht aus bestimmten Gründen entfällt. 94 

1 3. Daß man als Nachbeter seinen Takbirat al-Ihräm zeitlich etwas nach 
dem des Imäm durchführt. 

1 4. Daß der Takbirat al-Ihräm nur an einer solchen Stelle (im Gebet) durch- 
geführt wird, an der Koranrezitation gültig sein kann. 

Hanqfiya 
Folgende Bedingungen müssen zur Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm er- 
füllt sein: 

1 . Das Eintreten der Zeit, die für das Gebet vorgeschrieben ist, auf das 
sich der Takbirat al-Ihräm bezieht; verrichtet man den Takbirat al-Ihräm 
vor dieser Zeit, ist er ungültig. 

2. Daß sich der Betende ganz sicher ist, daß die Zeit für sein Gebet 
bereits begonnen hat. 

3. Daß die Aura bedeckt ist. Wenn nun jemand den Takbir (für den 
Takbirat al-Ihräm) macht, wobei seine Aura entblößt ist, und er dann 
anschließend seine Aura korrekt bedeckt, ist sein Takbirat al-Ihräm un- 
gültig. 



2g8 HANDBUCH ISLAM 

4. Daß man weder im Zustand des Hadath asghar noch des Hadath akbar 
ist sowie rein von Najäsa - und sich dessen auch sicher ist. Daher gilt 
weder Takbirat al-Ihräm noch Gebet, wenn Körper, Kleidung und/ 
oder Ort des Betenden mit einer solchen Najäsa beschmutzt sind, die 
nicht vernachlässigt werden darf. Wenn nun jemand den Takbirat al- 
Ihräm durchführt und dabei zum Beispiel vermutet, daß an seinem 
Körper eine solche Najäsa ist, ist er ungültig - selbst dann, wenn sich 
im nachhinein herausstellt, daß er voll und ganz im Zustand der Tahära 
war. 

5. Daß der Takbirat al-Ihräm im Stehen durchgeführt wird, wenn ein 
Gebet verrichtet werden soll, was Fard, Wäjib oder die Sunna von Fajr 
ist. Bei den übrigen jViz/i/<2-Gebeten aber ist es das Stehen keine Bedin- 
gung: bei diesen Gebeten kann man den Takbirat al-Ihräm auch im 
Sitzen durchführen. 

Wenn man den Takbirat al-Ihräm schräg (nach vorn) geneigt durch- 
führt, die Haltung aber dem Stehen (das heißt Qiyäm) ähnlicher ist als 
dem Rukü\ so schadet das der Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm nicht. 
Wenn die Haltung aber mehr dem Rukü s ähnelt, so ist der Takbirat al- 
Ihräm also ungültig. All dies gilt natürlich für den Normalfall, daß der 
betreffende Betende zum aufrechten Stehen in der Lage ist. 

Wenn nun jemand sich einem bereits begonnenen Gebet und dem 
Imäm dieses Gebets anschließt, wenn dieser Imäm bereits im Rukü' ist, 
so soll der Masbüq den Takbirat al-Ihräm hinter diesem Imäm verrichten. 
Wenn er ihn stehend verrichtet, so sind er und sein Gebet gültig. 
Wenn er aber nur steht, während er das Wort „Allähu" spricht, aber - 
während er sich im Rukü'beugt - „akbar" spricht, so ist der Takbirat al- 
Ihräm des Masbüq ungültig. 

Wenn man sich als Nachbeter (Ma'müm) vom Anfang des Gebets 
an einem Imäm anschließt, aber das Wort „Allähu" beim Takbirat al- 
Ihräm ausspricht, bevor der Imäm das seinerseits bei seinem Takbirat al- 
Ihräm getan hat, so ist der Takbirat al-Ihräm des Ma'müm ungültig. 

6. Daß man beim Takbirat al-Ihräm auch das Gebet als solches (zum 
Beispiel als Fard-Gebet) beabsichtigt. 

7. Daß man zum Takbirat al-Ihräm vor einem Fard-Gebet die Absicht 
genau faßt, indem man zum Beispiel die Niya zum Fard des Zjihr^ des 
Asr usw. faßt. Wenn nun jemand in so einem Fall den Takbirat al- 
Ihräm ohne genaue NTya-Form durchführt, ist er ungültig. 

8. Daß man vor einem Wäjib-Gebet in der Niya die Art des Gebets genau 
faßt: etwa indem man zwei Rak c a des Tawäf, das Festgebet ( c Id al-Fitr), 
das Mfr-Gebet, ein gelobtes Gebet (Salät man^üra) oder das Nachholen 
(Qadä) eines bestimmten Näfila, das ungültig oder verpaßt wurde, 
beabsichtigt. All diese Arten des W%'i£-Gebetes müssen beim Takbirat 



BUCH ÜBER DAS GEBET 29Q 

al-Ihräm genau bezeichnet werden. Bei den übrigen Nawäfil jedoch ist 
diese genaue Nennung zur Form und Art des Gebetes nicht verpflich- 
tend. 95 

9. Daß man sich - beim Aussprechen/Formulieren des Wortlauts des 
Takbirat al-Ihräm - die Worte selbst sprechen hört. Wenn man nun 
flüstert, (so daß auch für einen selbst kein Wort klar hörbar ist), oder 
man die Worte nur im Herzen formuliert, so ist der Takbirat al-Ihräm 
ungültig. Genauso verhält es sich auch bei jeder anderen Formulie- 
rung während des Gebets (Lobpreisung Gottes, Ta'awwudh, Basmala, 
Rezitation (Qirä'a), Tasbih, Segen für den Propheten^J: 96 all das gilt 
bei der Hanafiya nur dann, wenn es zumindest für einen selbst hörbar 
ausgesprochen wurde. Wurde es nur (undeutlich) geflüstert oder rein 
innerlich (also unhörbar) formuliert, gilt es — ganz allgemein in allen 
diesbezüglichen Rechtsfragen - nicht. 

10. Daß der Wortlaut des Takbirat al-Ihräm ein Dhikr sein muß, in der 
(auch besten) Grundform „Allähü akbar" oder in einer sonst zulässigen 
Form - wie zuvor schon vorgestellt. 

1 1 . Daß sich die Formulierung des Takbirat al-Ihräm ausschließlich auf 
Gott bezieht. Wenn sich diese Formulierung auch auf ein Bedürfnis 
des Betenden bezieht - wie im Fall des Istighßr oder dergleichen 97 -, 
so ist der Takbirat al-Ihräm ungültig - wie schon vorgestellt. 

1 2. Daß man nicht die Basmala als Dhikr des Takbirat al-Ihräm nimmt; in 
diesem Fall ist der Takbirat al-Ihräm ungültig. 

13. Das das „//(«)" im Gottesnamen „Allähu" nicht bei der Formulie- 
rung wegfällt (also „Allähu''' zu „Atta" wird 98 ) - sonst wird der Takbirat 
al-Ihräm ungültig. 

14. Daß das zweite, verdoppelte, „L" in „Allah" deutlich verdoppelt ge- 
sprochen wird 99 . Für den Fall, daß das nicht geschieht, herrschen un- 
terschiedliche Meinungen innerhalb der Hanafiya, ob der Takbirat al- 
Ihräm 100 gültig ist. Aus einer gewissen Vorsichtshaltung heraus wird es 
als besser vertreten, wenn man die Länge deutlich ausspricht. 

15. Daß man das erste, anlautende „A" in „Allähu" nicht verlängert, in- 
dem man „Allähu akbar" sagt. Wenn das geschieht, gilt neben dem Takbirat 
al-Ihräm auch das ganze Gebet nicht (!), weil ein Infragestellen der abso- 
luten Größe Gottes zur sofortigen Ungültigkeit des Gebetes führt. Wer 
das absichtlich tut, wird ungläubig, wer das aus Unachtsamkeit, aber 
ohne Absicht tut, begeht einen gefährlichen, verwerflichen Fehler. In 
diesem Punkt stimmt die Hanafiya mit der Shäfi'iya völlig überein. 

16. Daß das zweite „A" in „akbar" nicht verlängert wird. Wer sagt: „Allähu 
akbär" (oder auch: Ikbär), dessen Takbirat al-Ihräm und Gebet (!) sind in 
jedem Falle ungültig, weil das Wort „Akbär" „Große Trommeln" be- 
deutet {Ikbär bedeutet unter anderem „Menstruation"). Sagt er das 



300 HANDBUCH ISLAM 

mit Absicht, wird er ungläubig; auch hier stimmen Hanafiya und Shä- 
fi'iya überein. 

17. Daß zwischen der Niya und dem Takbirat al-Ihräm keine Trennung 
durch etwas dem Gebet „Fremdes" 101 eintritt. Wenn jemand etwa die 
Absicht zum Gebet faßt, dann aber eine Handlung vornimmt, die 
außerhalb des Gebets liegt, wie Essen 102 usw., Trinken oder (freies, 
alltägliches) Sprechen oder- ohne 'Udhr- sich zu räuspern/Hm-Lau- 
te von sich zu geben, und dann den Takbirat al-Ihräm ohne erneute 
Niya vornimmt, dessen Gebet ist ungültig. 

Dahingegen macht eine Trennung zwischen Niya und Takbirat al- 
Ihräm wie das Gehen zur Moschee, ohne zu sprechen oder etwas Kon- 
kretes anderes (als eben das Gehen) zu tun, den Takbirat al-Ihräm nicht 
ungültig, und das Gebet ist dann voll gültig. 103 

18. Daß der Takbirat al-Ihräm der Niya nicht vorausgeht. Wenn jemand 
den Takbirat al-Ihräm zuerst durchführt und dann erst die Niya zum 
Gebet faßt, so ist der Takbirat al-Ihräm ungültig. 

19. Es ist (nach Ansicht der Hanafiya) keine zwingende Bedingung zur 
Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm, daß er in arabisch gesprochen wird, 
doch gilt es als makrüh tahriman, wenn dies jemand tut, der des Arabi- 
schen ausreichend mächtig ist. 104 

Mälikiya 
Die folgenden Bedingungen müssen beim Takbirat al-Ihräm erfüllt sein: 

1 . Daß der Takbirat al-Ihräm in arabisch gesprochen wird, sofern der 
Betende dazu in der Lage ist. 

2. Daß der Takbirat al-Ihräm stehend durchgeführt wird, sofern der Be- 
tende dazu körperlich in der Lage ist. Wenn nun jemand gebeugt den 
Takbirat al-Ihräm verrichtet, ohne daß ein Entschuldigungsgrund vor- 
handen ist, so ist der Takbirat al-Ihräm ungültig, gleich, wie stark der 
Betende gebeugt ist. 

Wenn man andererseits als Masbüq sich einem Imäm anschließen 
will, der sich bereits in den Rukü ( gebeugt hat, und ihm noch rechtzei- 
tig nachfolgen will und darum den Takbirat al-Ihräm etwas gebeugt 
verrichtet, so sind der Takbirat al-Ihräm und das Gebet doch gültig. 
Andererseits gilt diese Rak'a für ihn dann als nicht mehr erreicht, und 
er muß sie nach dem Saläm des Imäm nachholen. 

3. Die Reihenfolge der Worte „Allähu" und „akbar" muß gewahrt blei- 
ben. Wenn man sie vertauscht und sagt „Akbaru lläh" 105 , so ist der 
Takbirat al-Ihräm ungültig. 

4. Daß das anlautende A in „Allähu" nicht verlängert wird (weil damit 
eine Frage ausgedrückt wird). Tut man es aber unabsichtlich, so scha- 
det es der Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm bei der Mälikiya nicht. 106 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3 01 

5. Daß nach dem B in „Akbar" kein langes A gesprochen wird. Tut man 
das absichtlich, wird der Takbirat al-Ihräm ungültig, tut man es aber 
unabsichtlich, so bleibt der Takbirat al-Ihräm doch gültig. 107 

6. Daß die Länge des zweiten A in „Allähu" auch deutlich lang gespro- 
chen wird, wie das dem Wort - korrekt gesprochen - entspricht. 108 

7. Daß man das „-h(u) il in „Allähu" nicht wegfallen läßt (was der dialekt- 
arabischen Aussprache entspricht), daß man also nicht „Allä akbar" 
sagt, denn im klassischen Arabisch wird das als „daß/damit er nicht 
größer ist" verstanden. 

Hierüber besteht bei allen Gelehrten und Madhähib Einigkeit. 
Wenn aber das U in „Allähu'' sehr lang - also das Wort als „Allähu' - 
gesprochen wird, so schadet das der Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm 
bei der Mälikiya nicht. 109 

8. Daß keine (dem Brauch, c Urf) gemäß längere Sprechpause zwischen 
den beiden Ausdrücken des Takbirat al-Ihräm eintritt, weil sonst der 
Takbirat al-Ihräm ungültig wird. Eine kürzere Pause aber schadet der 
Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm nicht. 110 

9. Daß zwischen den beiden Worten des Takbirat al-Ihräm keine Tren- 
nung durch einen Einschub entsteht, indem man etwa sagt: „Allähu l- 
akbar" oder „Allähu huwa l~akbar" (Gott, er ist der Größte). 111 

1 o. Daß der Betende beim Eintritt in das Gebet, während des Sprechens 
des Takbirat al-Ihräm, seine Zunge bewegt. Dabei gilt, daß ein lautes 
Aussprechen des Wortlautes des Takbirat al-Ihräm bei der Mälikiya kei- 
ne Bedingung ist. Wird aber die Zunge beim Takbirat al-Ihräm nicht 
bewegt, ist der Takbirat al-Ihräm ungültig - es sei denn, der Betende ist 
stumm oder taubstumm: In diesem Fall genügt es ihm, den Takbirat 
al-Ihräm mit der bloßen Mya, ohne Zungenbewegung, zu verrichten. 112 

1 1 . Alles, was beim Gebet allgemein Bedingung zu dessen Gültigkeit ist, 
wie Einnehmen der Q^/ö-Richtung und Bedecken der Aura, Reinheit 
(Tahära) usw., ist auch Bedingung zur Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm. 

Hanbaliya 
Folgende Bedingungen müssen beim Takbirat al-Ihräm erfüllt sein: 

1 . Der Wortlaut des Takbirat al-Ihräm muß unbedingt „Allähu akbar" sein. 
Jede Einfügung oder Verwendung anderer Gottesnamen usw. macht 
den Takbirat al-Ihräm ungültig, und auch die Einhaltung der Reihen- 
folge dieser beiden Worte ist verpflichtend zur Gültigkeit. 

Wenn andererseits ein weiterer indirekter Gottesname zusäzlich an- 
gehängt wird, etwa in der Form: „Allähu akbar wa 'a^am" (Gott ist grö- 
ßer und gewaltiger), so ist das zwar gültig, aber makrüh. 

2. Daß man den Takbirat al-Ihräm - wenn körperlich möglich - stehend 
verrichtet. Wenn man dabei leicht gebeugt steht, aber so, daß die 



3°2 HANDBUCH ISLAM 

Haltung dem Qiyäm näher ist als dem Rukü', so ist der Takbirat al-Ihräm 
noch gültig. 

3. Daß das anlautende A in „Allähu" nicht gelängt wird. 

4. Daß das zweite A in „akbar" nicht verlängert wird. 

5. Daß der Takbirat al-Ihräm in arabisch verrichtet wird. 

6. Daß das U in „Allähu" nicht so lang gesprochen wird; tut man das, 
wird der Takbirat al-Ihräm damit ungültig. 

7. Daß man weder sagt: „Allä akbar" noch: „Alläü- akbar". 113 

8. Daß zwischen den korrekt gesprochenen beiden Worten des Takbirat 
al-Ihräm kein „wa" („und") eingefügt wird (Allähu wa akbar); ansonsten 
wird der Takbirat al-Ihräm ungültig. 

9. Daß keine Sprechpause zwischen den beiden Worten des Takbirat 
al-Ihräm eintritt, die so ausgedehnt ist, daß sie zum Sprechen eines 
auch nur kleinen anderen Wortes ausreichen würde. 
10. Alle Bedingungen des Gebets, wie Einnehmen der Qibla, Reinheit 
usw., sind auch Bedingung zur Gültigkeit des Takbirat al-Ihräm. 



§28 

DIE DRITTE PFLICHT: DAS STEHEN (QIYÄM) 

Die Rechtsschulen stimmen überein, daß der Qiyäm in jeder Rak ( a eines 
Fard-Gtbetes ebenfalls Pari ist - unter der Bedingung, daß der Betende 
dazu körperlich in der Lage ist. Wenn er das nicht ist - aufgrund einer 
Krankheit und dergleichen -, so entfällt diese Pflicht für ihn, und er 
muß in der Haltung beten, die er einnehmen kann. 114 

Aber in Gebeten, die Sunna (= Sunnaghair mu'akkada), mandüb usw. (also 
Nicht-Pflicht) sind, ist der Qiyäm nicht verpflichtend, sondern es ist auch 
zulässig, ihn im Sitzen auszuführen 115 - selbst wenn der Betende zum 
Qiyäm in der Lage ist. 

Dieser Hukm gilt übereinstimmend. Allerdings gibt es in der Hanafiya 
diesbezüglich eine Unterscheidung bei den Nicht-Pflichtgebeten. 

Hanafiya 

Außer in den Fard-Geheten gilt der Qiyäm auch beim Witr, bei gelobten 
Gebeten (Salawät man^üra) und bei den zwei Rak ( a des Fajr Pflicht, und 
ein Sitzen anstelle des Qiyäm - ohne Entschuldigungsgrund, 'Udhr - ist 
ungültig. 

Der Qiyäm gilt während des Gebetes so lange als Fard, wie der Betende 
aus dem Koran rezitiert - sei es die verpflichtende Rezitation (Qirä'a 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3°3 

mqfrüda), die der Sunna {ghair mu'akkada) nach empfohlene [Qirä'a masnüna) 
oder die, die mandüb ist [Qirä'a mandüba). 

Das Maß dessen, in dem der Qjyäm verpflichtend (Fard) ist, wird von 
den Madhähib unterschiedlich gesehen: 

Bei der Shäfi'iya und Hanbaliya erstreckt sich die Pflicht lediglich auf den 
Bereich des Gebets, in dem Pflicht-Rezitation [Qirä'a mafrüdd) vorgetra- 
gen wird, während alles andere freiwillig ist. 

Die Hanafiya und Mälikiya jedoch haben dazu -je nach Umstand - spe- 
zielle Ansichten: 

Hanafiya 
Das verpflichtende Maß des Qjyäm erstreckt sich über die Zeit, in der 
die Pflicht-Rezitation [Qirä'a mqfrüda) durchgeführt wird, welche sich 
auf eine längere bzw. drei kurze Ayät bezieht. 

Was aber darüber hinausgeht, ist als Qjyäm entweder wäjib oder mandüb: 
wäjib, wenn etwas währenddessen rezitiert wird, was wäjib ist - die Fätiha 
etwa, und entsprechend mandüb, wenn etwas, was mandüb ist, während- 
dessen rezitiert wird (zum Beispiel weitere Ayät in den jeweils ersten 
zwei Rak'a eines Pflichtgebets). 

Dabei gilt aber, daß dieser Hukm vor dem eigentlichen Eintritt der 
Sache besteht 116 : Wenn nun jemand seine Rezitation über den reinen 
Pflichtteil hinaus ausdeht, so wird währenddessen der Qjyäm allerdings 
zu Fard, im Ausmaß der Verlängerung 117 . Das geht soweit, daß jeman- 
des Gebet ungültig ist, wenn er im Extremfall den Text etwa eines 
Dreißigstels des Korans rezitiert, aber nur am Anfang steht (im Maß 
einer längeren Aya usw.) und sich dann setzt und so im Sitzen die Rezi- 
tation im Gebet vollendet. 

Mälikiya 

Der Qjyäm ist verpflichtend [Fard) während des Pflichtgebets vom Mo- 
ment des Takbirat al-Ihräm an sowie während der Rezitation der Fätiha 
und während des Moments, in dem sich der Betende gerade in den 
Rukü c senkt. 

Was aber den Zeitraum während der Rezitation einer weiteren Sura 
- oder einzelner Ayät davon - angeht, so ist der Qjyäm währenddessen 
Sunna (also Nicht -Pflicht). Wenn sich zum Beispiel ein Betender wäh- 
rend dieses Zeitraumes aus dem Qjyäm heraus auf etwas stützt 118 — und 
selbst wenn dieser Stützgegenstand umfällt, verschwindet usw. und der 
Betende dadurch hinfällt -, so wird das Gebet dadurch nicht ungültig. 
Wenn er sich aber während der Rezitation der Fätiha bzw. während er 



304 HANDBUCH ISLAM 

sich aus dem Qvyäm in den Rukü c beugt, so aufstützt, so ist das Gebet für 
ihn ungültig. 

Ansonsten stimmen die Madhähib darin überein, daß ein eigentliches 
Hinsetzen und Sitzen (Julüs) während der Rezitation einer (weiteren) 
Sure das Gebet ungültig macht, auch wenn der entsprechende Qvyäm 
nicht von sich aus Fard ist: weil nämlich ein solches Verhalten die Form 
des Gebetes verändert. 119 



§ 29 

die vierte pflicht: das rezitieren der fätiha 
(qirä'at al-fätiha) 

Bei diesem Thema ergibt sich zunächst eine wichtige Frage: Ob die 
Rezitation der Fätiha (Qirä'at al-Fätiha) 120 in allen Rak'as eines jeden Ge- 
bets Fard ist, gleich ob das Gebet selbst Farrf-Gebet oder Näfila-Gebet ist. 
In dieser Frage stimmen die drei Rechtsschulen außer der Hanqfiya in- 
sofern überein, als die Rezitation der Fätiha (Qirä'at al-Fätiha) in jeder 
Rak'a eines jeden Gebets Fard ist. 

Wenn nun nach dieser Ansicht der Betende im Gebet auch nur in 
einer Rak'a vorsätzlich die Fätiha wegläßt - nicht rezitiert -, so ist sein 
Gebet ungültig. Dabei besteht kein Unterschied zwischen Fard-Gebeten 
und solchen, die nicht FW sind. Wenn aber jemand die Fätiha aus Ver- 
sehen, Vergeßlichkeit nicht rezitiert, so muß er die Rak'a, in der er sie 
weggelassen hatte, wiederholen, in der Art und Weise, wie es im Ab- 
schnitt über „Sujüd li s-Sahuw" beschrieben wird. 

Die Hanafiya hingegen vertritt diesbezüglich die Meinung, daß die 
Rezitation der Fätiha im Gebet nicht Fard ist, sondern Wäjib, oder an- 
ders ausgedrückt: Sunna mu'akkada 121 . Wenn also nach dieser Meinung 
jemand die Rezitation der Fätiha vorsätzlich unterläßt, so wird sein Gebet 
nicht ungültig. Dazu im einzelnen die Darstellung der Hanqfiya. 

Hanqfiya 

Das Verpflichtende ist die Rezitation (Qirä'd) als solche, nicht aber 
die Rezitation der Fätiha (Qirä'at al-Fätiha) im besonderen; dies gemäß 
dem Wort Gottes: „... Also rezitiert, was euch vom Koran [zu rezitie- 
ren] leichtfällt" (Sure al-Muzzammil [73], Vers 20) sowie dem, was in 
den beiden Sahih-Hadith-Werken von al-Bukhär! und Muslim vom 
Propheten^J überliefert wird: 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3°5 

„Wenn du dich zum Gebet begeben willst, so führe zunächst den 
Wudü' aus, dann wende dich in Richtung Qibla, dann [beginne das 
Gebet und] rezitiere [im Gebet], was dir vom Koran [zu rezitieren] 
leichtfällt". 

Was dazu noch die Aussage des Gesandten Gottes.gj£ angeht: „[Es 
gibt] kein Gebet außer dem mit der Fätiha" 122 , so ist mit all dem insge- 
samt gemeint, daß es sich um das Rezitieren [von Koranversen] in 
zwei Rak'a des i<W-Gebetes handelt und es zugleich Wäjib ist, daß 
dies in den ersten beiden Rak'a des Gebets geschieht, und daß es Wäjib 
ist, daß die Fätiha dabei rezitiert wird. Wenn nun nach dieser Ansicht 
jemand in den ersten beiden Rak ( a eines Vier-ifa£ f 0-Gebets nicht rezi- 
tiert, so muß er in den verbleibenden Rak'a rezitieren - dann ist sein 
Gebet gültig. Jedoch hat er in diesem Fall ein Wäjib unterlassen, und 
daher - wenn er dies aus Versehen tat - muß er am Ende des Gebets 
den Sujüd li s-Sahuw verrichten; falls er den Sujüd li s-Sahuw nicht ver- 
richtet, muß er das Gebet wiederholen. Ebenso muß er das Gebet 
wiederholen, wenn er das Wäjib absichtlich unterlassen hat. Wieder- 
holt der Betende aber in diesen Fällen sein Gebet nicht, so ist es for- 
malrechtlich zwar gültig, jedoch hat der Betende dann Sünde auf 
sich geladen. 123 In den übrigen Rak c as des Fard-Gebets gilt die Rezita- 
tion der Fätiha jedoch bei der Hanafiya als Sunna. 12 * 

In den Näfila-Gebeten jedoch ist das Rezitieren der Fätiha in allen 
Rak'as Wäjib, weil (formalrechtlich) je zwei Rak c a der Nawäfil als 
eigenständiges Gebet betrachtet werden können - selbst dann, wenn 
man zwei Zweiergruppen von Rak'a zu einem Vier-/fo£ f fl-Gebet zu- 
sammenfaßt (also die vier Rak'as mit einem einzigen Takbirat al-Ihräm 
beginnt und - ohne Trennung oder Unterbrechung - erst am Ende 
der vierten Rak'a das Ganze mit dem Saläm beschließt). 

Entsprechend wird auch beim Witr- das hier in dieser Frage als ein 
Näfila dieser Art gilt - die Fätiha in allen Rak'a des Gebetes als Wäjib 
betrachtet. Als Maß der verpflichtenden Rezitation (Qirä'a mafiüda) 
gelten in der Hanafiya - abgesehen von der Fätiha — drei kurze Ayät 
bzw. eine längere Aya. 

Die Rechtsschulen außer der Hanafiya - die Mälikiya, Shäfi'iya und 
Hanbaliya- nehmen einen bei al -Bug häri und Muslim überlieferten 
Hadith vom Propheten^gp als Beleg, daß das Rezitieren der Fätiha Fard 
ist. Der Hadith lautet: „Es gibt kein Gebet für jemanden, der nicht die 
Fätiha des Buches [Gottes des Erhabenen] rezitiert." 

Zur Frage, ob das Rezitieren der Fätiha im Gemeinschaftsgebet (Salät 
al-Jamä'a) sowohl für den Imäm als auch für Ma'müm Fard ist, haben die 
Madhähib unterschiedliche Meinungen. 



30Ö HANDBUCH ISLAM 

Shäfi'iya 

Das Rezitieren der Fätiha ist für den Ma'müm hinter dem Imäm ver- 
pflichtend (Fard), außer wenn er sich als Masbüq erst später dem Imäm 
anschließt und ihm so die Rezitation der ganzen Fätiha oder ein Teil 
davon entgangen ist. 

Sofern der Imäm nicht offensichtlich Muhdath ist bzw. sofern er nicht 
gerade eine zusätzliche Rak'a betet, übernimmt er in diesem Fall für 
den Masbüq die Verpflichtung der Rezitation - das heißt, in diesem 
Fall genügt die Rezitation des Imäm. 

Hanaßya 

Das Rezitieren des Ma'müm hinter dem Imäm ist makrüh tahriman, so- 
wohl bei einem Gebet mit offener Rezitation (Salät jahriyd) als auch 
bei einem stiller Rezitation [Salät sirriya), gemäß dem Hadith des Ge- 
sandten Gottes^J: „Wer [im Gebet] einen Imäm hat, für den ist die 
Rezitation des Imäms seine Rezitation." 125 

Mälikiya 

Die Rezitation hinter dem Imäm ist in leisen Gebeten für den Ma'müm 
mandüb, in laut rezitierten makrüh 126 - außer im Fall, daß man Mei- 
nungsverschiedenheiten (zwischen Anhängern verschiedener Auffas- 
sungen) vermeiden will: dann ist es - mit dieser Mya - ebenfalls mandüb. 

Hanbaliya 

Es ist für den Ma'müm bei leisen Gebeten mustahabb, hinter dem Imäm 
zu rezitieren, sowie auch in den Rezitationspausen 127 des Imäms bei laut 
vorgetragenen Gebeten. Wenn der Imäm bei laut vorgetragenen Gebe- 
ten rezitiert, ist es allerdings makrüh, als Nachbeter zu rezitieren. 128 

Des weiteren stellt sich die Frage, wie sich jemand verhalten soll, der 
des Arabischen nicht mächtig ist und die Fätiha nicht rezitieren kann. 

Shäfi'iya und Hanbaliya 

Wer nicht in der Lage ist, die Fätiha im Gebet zu rezitieren, aber Ayät 
des Korans beherrscht im Maß der Fätiha ~ in dem Sinne, daß die 
Anzahl der Buchstaben, Silben und Ayät übereinstimmt -, so muß er 
diese anstelle der Fätiha rezitieren. 129 

Wer nur eine Äya - oder einige wenige Ayät, in jedem Fall aber 
weniger als das Maß der Fätiha - beherrscht, der muß das, was er 
auswendig kann, anstelle der Fätiha so oft wiederholen, bis das so 
Vorgetragene dem Maß der Fätiha entspricht. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 307 

Wer überhaupt nichts vom Korantext auswendig beherrscht bzw. 
im Gebet rezitieren kann, muß ein Dhikr bezüglich Gottes rezitieren, 
indem er etwa im Mindestfall den Gottesnamen „Allah" spricht, im 
Maß der Fätiha. 

Wer auch dazu außerstande ist' 30 , der muß zwischen dem Takbirat 
al-Ihräm und dem Rukü' im Zeitmaß der Fätiha schweigend im Qjyäm 
stehen; wenn er das nicht tut, so ist sein Gebet ungültig. 
Bei beiden Rechtsschulen gilt außerdem, daß es unzulässig ist, die 
Fätiha anders als in arabisch zu rezitieren. 

Hanafiya 

Wer außerstande ist, Arabisch zu sprechen, kann ersatzweise in einer 
anderen Sprache rezitieren, wobei sein Gebet dann gültig ist. 131 

Mälikiya 

Wer die Fätiha nicht gut und schön rezitieren kann, dem obliegt es 
verpflichtend, dies zu erlernen, wenn ihm das möglich ist; ist es ihm 
aber nicht möglich, ist es für ihn verpflichtend, im Gebet jemandem 
nachzufolgen, der die Fätiha gut rezitieren kann. 

Wenn er niemanden findet, auf den das zutrifft, so muß er zwi- 
schen dem Takbirat al-Ihräm und dem Rukü' eine Trennung (zumin- 
dest in Form von Schweigen) vornehmen 132 . Es ist mandüb, in dieser 
Trennungszeit ein Dhikr zu rezitieren. 

Es ist darüber hinaus nur für denjenigen verpflichtend, sich einem 
anderen als Ma'müm anzuschließen, der nicht stumm ist. Einem Stum- 
men aber obliegt das nicht, und er kann in der beschriebenen Form 
auch als Einzelbetender das Gebet verrichten, muß nicht nach einem 
anderen suchen, der als Imäm geeignet ist. 

Drei der Rechts schulen - die Hanafiya, Shafi'iya und Hanbaliya - stim- 
men darin überein, daß, wenn sich jemand bei der Rezitation nicht 
selbst hört, er nicht als ein Rezitierender gilt; nur die Mälikiya vertritt 
hier eine andere Ansicht. 

Mälikiya 

Es ist nicht verpflichtend, daß sich ein Rezitierender selbst hört; es 
genügt, wenn er seine Zunge bewegt. Dennoch ist es vorzuziehen, 
daß er sich selbst hört, um Uneinigkeiten bei unterschiedlichen Rechts- 
meinungen vorzubeugen. 



308 HANDBUCH ISLAM 

§ 3° 
DIE FÜNFTE PFLICHT! DAS SIGH-VERBEUGEN (RUKÜ') 

Der Rukü ( (die Verbeugung) ist in jedem Gebet für jeden Pflicht, der 
dazu in der Lage ist. Es besteht keinerlei Zweifel, daß der Rukü' als sol- 
cher Fard ist. Jedoch bestehen bei den Rechtsschulen unterschiedliche 
Ansichten über das Maß, in dem der Rukü' durchgeführt werden muß. 

Hanafiya 

Der Rukü' ist als solcher (in seinem Minimalpflichtbereich) erfüllt, 
wenn der Betende seinen Kopf so stark herabneigt, bis der Zustand 
des Betenden dem einer vollständigen Verbeugung näher ist als ei- 
nem aufrechten Stehen; falls der Betende so den Rukü' vollzieht, ist 
sein Gebet gültig. 

In seiner vollendeten, besten Form jedoch besteht der Rukü ( darin, 
daß man sich in der Hüfte so herabbeugt, daß der Kopf auf gleicher 
Höhe ist wie das Hinterteil (wobei man sich mit den Händen, mit 
denen man die Kniegelenke umfaßt, abstützt). 

Dies ist die Form, in der ein Stehender den Rukü' ausführt; bei je- 
mandem, der den Rukü' aus dem Sitzen heraus ausführt, besteht er 
aus einem Neigen des Kopfes bei starker Neigung des Rückens; in 
diesem Fall ist der Rukü' erst dann erfüllt, wenn die Stirn (senkrecht 
gesehen) auf der Höhe des Platzes vor den Knien ist. 

Hanbaliya 

Der Rukü' eines stehend Betenden besteht darin, daß er seinen Rük- 
ken so beugt, daß er mit seinen Händen seine Knie umfassen kann - 
sofern er von seiner naturgegebenen Gestalt her normallange Arme 
hat, weder extrem lange noch außergewöhnlich kurze. Wenn jemand 
nicht normallange Arme hat, so soll er den Rukü' mit einer solchen 
Beugung des Rückens verrichten, als ob er normal mittellange Arme 
hätte. 

Die vollständige, beste Form des Rukü' ist, daß der Rücken ganz 
gerade und gestreckt gehalten wird und der Kopf gerade in Richtung 
des Rückens gehalten wird (das heißt, daß der Kopf weder höher 
noch niedriger als der Rücken ist, von der Seite her betrachtet). 

Bei einem Betenden, der sitzend betet, gilt, daß er sein Gesicht beim 
Rukü' so weit vorbeugen muß, bis es (senkrecht gesehen) auf der Höhe 
des Platzes vor seinen Knien ist, wobei er sich soweit wie möglich 
dem Boden zuneigen soll. So ist der Rukü' in diesem Falle auf das 
Vollständigste durchgeführt. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3O9 

Shäfi'iya 

Die mindeste Form des Rukü' ist bei einem stehend Betenden, daß er 
sich so beugt, daß er mit seinen Händen - wenn er seiner Gestalt 
nach normallange Gliedmaßen hat - die Knie umfaßt, ohne zu einer 
Seite, rechts oder links, hinzuneigen 133 , wobei als Bedingung gilt, daß 
er den Rukü' beabsichtigen muß. 

Die vollständige Form des Rukü' ist beim Stehenden, daß Rücken 
und Nacken gerade sind und (seitlich betrachtet) eine Linie bilden, 
auf gleicher Höhe sind. 

Beim Sitzenden besteht die Mindestform des Rukü ( darin, daß er 
sich so weit verbeugt und nach vorne beugt, bis seine Stirn (senkrecht 
betrachtet) vor seinen Knien ist. Die vollständige Form des Rukü' beim 
Sitzenden ist, daß das ganze Gesicht (senkrecht betrachtet) vor seinen 
Knien ist. 

Mälikiya 

Die verpflichtende Mindestform des Rukü' besteht darin, daß der Be- 
tende sich so beugt, daß er sich mit seinen Händen - wenn seine 
Arme mittellang bzw. normallang sind - auf den Oberschenkeln ab- 
stützt, und zwar in der direkten Nähe der Kniegelenke bzw. am Ende 
der Oberschenkel, wo sie in die Kniegelenke übergehen. 

Es ist andererseits mandüb, die Hände beim Rukü' auf die Kniegelen- 
ke selbst zu legen und die Knie mit den Handflächen zu umfassen 
sowie den Rücken gerade zu machen. 



§ 3 1 

DIE SECHSTE PFLICHT! DIE NIEDERWERFUNG 

(sujüd) 

Der Sujüd (die Niederwerfung) ist in völliger Übereinstimmung der Ge- 
lehrten Fard. Dabei ist es für alle Betenden Fard, daß sie den Sujüd zwei- 
mal in jeder Rak'a ausführen; lediglich in der Art und Weise, wie das zu 
geschehen hat - das heißt bezüglich bestimmter Einzelheiten - beste- 
hen bei den Rechtsschulen unterschiedliche Ansichten. 

Mälikiya 

Es ist verpflichtend, daß der Sujüd auf dem geringsten Teil der Stirn 

ausgeführt wird. Wenn aber jemand den Sujüd auf einer der beiden 



310 HANDBUCH ISLAM 

Schläfen ausführt, so ist das als Sujüd ungültig. Es ist mandüb, daß der 
Sujüd- neben der Stirn - zugleich auch auf der Nase ausgeführt wird. 
Wenn man andererseits den Sujüd nur auf der Nase, nicht aber auch 
zugleich auf einem Teil der Stirn ausführt, so ist das zu einem gülti- 
gen Sujüd nicht ausreichend. 

Wer zum Sujüd - in der beschriebenen Art und Weise - außerstan- 
de ist, muß zumindest durch ein Hinweisen, ein leichtes Neigen usw. 
(im Maß seines Vermögens) auf den Sujüd hinweisen. Es ist Sunna (das 
heißt nicht Fard), den Sujüd auf den beiden Händen, Knien und Fuß- 
spitzen auszuführen 134 , und es ist mandüb, die gesamte Stirn auf den 
Boden aufzulegen und dort fest anzuschmiegen. 

Wer den Sujüd nicht im Gebet verrichtet, muß das Gebet wiederho- 
len. 

Hanafiya 

Der Fard-Tei\ des Sujüd besteht darin, daß man einen Teil der Stirn - 
selbst, wenn es nur ein sehr kleiner Teil ist - auf den Untergrund/ 
Boden legt, auf dem man gültig einen Sujüd ausführen kann. Nur 
einen Teil der Nase beim Sujüd- ohne Stirn - auf den Boden aufzule- 
gen, genügt hingegen nur dann, wenn es bei Vorhandensein eines 
Entschuldigungsgrundes ( { Udhr) geschieht. Allerdings genügt es zur 
Erfüllung der Pflicht in keiner Weise, Wange oder Kinn (bzw. den 
unteren Gesichtsteil) auf den Boden als Sujüd aufzulegen, weder mit 
noch ohne Entschuldigungsgrund. 

Auch muß bei jemandem, der den Sujüd ausführt, mindestens eine 
Hand, ein Knie sowie ein Teil der (Zehen-) Spitzen eines Fußes wäh- 
renddessen auf dem Boden aufliegen; dabei ist die Pflicht erfüllt, wenn 
mindestens ein Zeh noch den Boden berührt. 

Andererseits ist es wäjib, den größeren Teil der Stirn beim Sujüd auf 
den Untergrund aufzulegen. 

Shäfi'iya und Hanbaliya 

Der Pflichtteil des Sujüd besteht darin, daß jeweils ein Teil eines jeden 
der sieben überlieferten Körperteile auf den Untergrund aufgelegt 
wird 135 . Nach Ansicht der Shäfi'iya muß dabei je der Innenflächen- 
bereich der Hände bzw. Fußzehen auf dem Boden aufliegen. 

Die Hanbaliya sagt darüber hinaus, daß auch die Nase verpflichtend 
während des Sujüd auf den Boden aufgelegt werden muß. 

Es ist zur Gültigkeit des Sujüd Bedingung, daß er auf etwas Trockenem, 
Festem ausgeführt wird, auf dem die Stirn fest aufliegen kann, wie 
etwa Steinboden oder Teppichen - im Gegensatz etwa zu gekrempelter 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3 I I 

Baumwolle (die ja flockig, dick in ihrer Ausdehnung und nicht fest ist) 136 , 
auf welcher die Stirn nicht fest aufliegen kann: In solchen Fällen gilt 
der Sujüd nicht. Ebenso gilt der Sujüd nicht, wenn er auf Stroh, Reis, 
Mais und dergleichen' 37 ausgeführt wird - also auf einem Untergrund, 
auf dem der Kopf nicht fest aufliegen kann. 

Es ist weiter Bedingung, daß beim Sujüd die Stirn nicht auf den Hän- 
den aufliegt; wenn das geschieht, ist das Gebet nach den Madhähib au- 
ßer der Hanafiya ungültig (bätil). 

Hanafiya 

Wenn jemand beim Sujüd die Stirn auf die Hände legt, so ist das für 
die Gültigkeit des Sujüd nicht schädlich, sondern ist lediglich makrüh. 

Es schadet der Gültigkeit des Sujüd nicht, wenn die Stirn während des 
Sujüd auf ein Kleidungsstück (bzw. ein Stück davon) gelegt wird 138 oder 
auf etwas, was der Betende trägt und sich durch seine Bewegung so vor 
ihn gelegt hat 139 ; allerdings gilt das nach den Rechtsschulen außer der 
Shäfi'iya als makrüh. 

Shäfi'iya 

Es ist Bedingung, daß die Stirn beim Sujüd nicht auf einem Stoff stück 
wie oben beschrieben aufliegt. Damit ist gemeint, daß das Gebet un- 
gültig ist, wenn während des Sujüd ein Stoff stück vor der Stirn ist, das 
sich nicht selbst - durch die Bewegung des Betenden - mitbewegt. 
Wenn das Stoffstück aber lang ist und sich so auch mitbewegt, ist die 
Gültigkeit des Sujüd nicht beeinträchtigt. Genauso verhält es sich etwa, 
wenn jemand beim Gebet und Sujüd ein Taschentuch in der Hand 
hält 140 , weil ein solches Tuch als nicht mit dem Körper bzw. der Klei- 
dung des Betenden verbunden gilt.' 4 ' 

Es schadet nicht, wenn der Sujüd auf einem (zur Umwicklung des Tur- 
bans gehörenden) Stoff teil eines Turbans gemacht wird' 42 . Wenn (zum 
anderen) etwa jemand einen Turban anlegt, der mit einem langen Schal- 
stück versehen ist 143 , dieses freie Stoff stück einen Teil der Stirn bedeckt 
und der Betende dann darauf den Sujüd ausführt, so ist das Gebet dieser 
Person nach Meinung der Madhähib außer der Shäfi'iya gültig. 

Shäfi'iya 

Es schadet der Gültigkeit des Sujüd, wenn er auf einen (zur Umwindung 
gehörenden) Stoffstück des Turbans - das vor der Stirn aufliegt - 
ausgeführt wird. Ebenso verhält es sich grundsätzlich bei einem Ver- 
band, der - ohne Notwendigkeit - das gesamte Gesicht bedeckt. Wenn 



312 HANDBUCH ISLAM 

nun jemand mit voller Absicht und im Wissen um diese Angelegen- 
heit und ohne Entschuldigungsgrund ('Udhr) den Sujüd nicht auf dem 
von Stoff freien Gesicht ausführt, so ist sein Sujüd und Gebet ungültig 
(bätil). 

Als Entschuldigungsgrund ( c Udhr) gilt hier beispielsweise eine Ver- 
wundung, wobei man fürchtet, daß das Ablösen des Verbandes ernst- 
haften Schaden zufügen könnte: In diesem Fall ist der Sujüd mit vol- 
lem Gesichtsverband gültig (sahih). 

Es ist weiter Bedingung, daß der Platz, auf dem die Stirn während des 
Sujüd aufliegt, nicht höher ist als der Platz der Knie im Sujüd. In der Frage, 
bei welcher Höhe bzw. bei welchem Unterschied in der Höhe der Sujüd 
ungültig wird, gibt es bei den Madhähib unterschiedliche Ansichten. 

Hanafiya 

Ein Höhenunterschied, der in dieser Lage der Gültigkeit schadet, liegt 
bei einer halben Dhirä' (etwa 14 cm). Hier wird eine Ausnahme ge- 
macht: wenn man aus der Notwendigkeit heraus, bei sehr großer Enge, 
keinen Platz vor sich zum Sujüd findet 144 , ist es unter drei Bedingungen 
gültig, den Sujüd auf dem Rücken des Betenden vor einem durchzufüh- 
ren: 

1 . Daß man wirklich keinen freien Platz vor sich findet, um die Stirn 
auf den Boden zu legen. 

2. Daß beide Sujüd derart innerhalb eines einzigen Gebets ausgeführt 
werden. 

3. Daß während des Sujüd die beiden Knie auf dem Boden sind. 
Wenn eine dieser drei Bedingungen nicht erfüllt sind, ist der Sujüd 

und das Gebet ungültig. 

Hanbaliya 

Die zusätzliche Erhöhung bzw. der Höhenunterschied, der das Gebet 
ungültig macht, ist der, bei dem sich der Betende in seinem Gebet 
ganz aus dem Rahmen der Form des Gebets herausbegibt. 145 

Shäfi'iya 

Wenn der Platz der Stirn im Sujüd höher liegt als der, auf dem die 
Knie aufliegen, sind der Sujüd und das Gebet ungültig - außer wenn 
Hinterteil und der das Hinterteil umgebende hintere Körperbereich 
des Betenden (seitlich betrachtet) höher ist als sein Kopf und seine 
Knie: in diesem Fall ist das Gebet gültig. 

Der Gesichtspunkt bei der Shäfi'iya ist, daß beim Sujüd die Körper- 
teile, die normalerweise am höchsten sind, am niedrigsten liegen, und 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3 I 3 

umgekehrt die, die am niedrigsten sind, am höchsten sind. Dies gilt, 
sofern kein Entschuldigungsgrund vorhanden ist; wo das aber gege- 
ben ist - wie im Fall einer Schwangeren, die durch eine solche Kör- 
perhaltung Schaden für sich und/oder das Kind befürchtet -, gilt 
das nicht als Bedingung und obliegt dementsprechend auch nicht zur 
Gültigkeit des Sujüd. 

Mälikiya 

Wenn die Erhöhung bzw. der Höhenunterschied bezüglich des Bo- 
dens/des Untergrundes sehr groß ist, so ist der darauf ausgeführte 
Sujüd ungültig. Wenn er hingegen nur gering ist - wie im Fall, daß 
man den Sujüd auf einem Schlüssel, einer Schutzhülle usw. ausführt, 
so ist der Sujüd - darauf ausgeführt - gültig, wenngleich dies nicht 
das Beste/Vorzuziehende ist. 



§ 32 

DIE SIEBTE PFLICHT! DAS SIGH-AUFRIGHTEN 

NACH DER VERBEUGUNG (AR-RAF' MIN AR-RUKÜ') 

DIE ACHTE PFLICHT! DAS SICH-AUFRICHTEN 

NACH DER NIEDERWERFUNG (AR-RAF' MIN AS-SUJÜD) 

DIE NEUNTE PFLICHT: DAS SICH-GERADE-MACHEN 

BEIM AUFRICHTEN (i'TIDÄL) 

DIE ZEHNTE PFLICHT: DAS INNEHALTEN 

UND VÖLLIGE RUHIGWERDEN DER KÖRPERGLIEDER 

NACH DER NIEDERWERFUNG USW. (TAMÄNlNA) 

Diese vier Pflichten sind miteinander verbunden. Dabei stimmen die 
drei Rechtsschulen außer der Hanafiya darin überein, daß alle vier Fard 
sind. 
Die Hanafiya hingegen meint, daß 

• das Sich-Aufrichten nach der Verbeugung (ar-Rqf min ar-Rukü), 

• das Sich-Gerade-Machen beim Aufrichten (Ftidäl) sowie 

• das Innehalten und völlige Ruhigwerden der Körperglieder nach 
der Niederwerfung usw. ( Tamänina) 

Wäjibät des Gebets, nicht Furüd sind; in dem Sinn, daß, wenn man 
diese Dinge unterläßt, das Gebet nicht automatisch ungültig wird, son- 
dern damit eine kleine Sünde begeht. Bezüglich des Sich-Aufrichtens 
nach der Niederwerfung (ar-Rqf min as-Sujüd) jedoch meint auch die 
Hanafiya, daß es Fard ist. 

Dazu die Meinungen der Madhähib im einzelnen: 



314 HANDBUCH ISLAM 

Hanafiya 

Das Sich-Aufrichten nach der Verbeugung (ar-Raf min ar-Rukü), das 
Sich-Gerade-Machen beim Aufrichten (I'tidäl) sowie das Innehalten 
und völlige Ruhigwerden der Körperglieder nach der Niederwerfung 
usw. (Tamänina) sind Wäjibät des Gebets, nicht aber Fard-T eile davon. 

Allerdings wird in der Hanafiya doch bei diesen Dingen ein Unter- 
schied in manchen Aspekten gemacht: Unter der Tamänina wird das 
Innehalten und völlige Entspannen der Körperglieder verstanden, 
wobei alle Körperglieder mindestens für die Dauer einer Tasbiha. 1 ^ an 
ihrem Platz ruhig verharren. 

Die Tamänina ist Wäjib während des Rukü ( und des Sujüd, und ebenso 
in jedem Rukn, der in sich eigenständig ist. 

Beim Erheben aus dem Rukü ( bzw. aus dem Sujüd ist das verpflich- 
tende Maß des Sich-Gerade-Machens (Ftidäl), daß die Haltung dem 
Aufrechtsein beim Sitzen bzw. Stehen näher ist als dem Gebeugtsein. 
Daß man sich völlig in eine gerade Haltung begibt, gilt dabei als 
Sunna. 

Shäfi'iya 

Wenn sich der Betende zum Beispiel nicht so aufrichtet - sei es aus 
dem Sujüd oder aus dem Rukü\ daß er sich ganz gerade aufrichtet und 
so lange verharrt, bis seine Körperglieder sich ganz entspannt haben 
und auf ihrem Platz bleiben - und sei es auch nur für einen Moment 
-, so gilt das nicht als Erfüllung der Tamänina, und das Gebet ist 
ungültig, selbst dann, wenn seine Haltung dem Sitzen bzw. Stehen 
näher ist als das Gebeugtsein. 

Das heißt, das verpflichtende Maß beim I'tidäl ist das völlige Sich- 
Gerade-Machen. Weiter ist beim Ftidäl Bedingung, daß diese Hal- 
tung nicht zu lange andauert. Verbleibt man so lange im Ftidäl-Zu- 
stand, daß die so verstrichene Zeit ausreichen würde, die Fätiha zu 
rezitieren oder ein überliefertes (mittellanges) Dhikr bzw. den gering- 
sten Teil des Tashahhud zu rezitieren, so ist das Gebet ungültig. 

Beim Erheben aus dem Rukü c bzw. dem Sujüd ist es weiter Bedin- 
gung, daß man dabei diese Handlung und nichts anderes beabsich- 
tigt. Wenn man sich aus diesen gebeugten Haltungen etwa nur er- 
hebt, weil man gerade vor etwas bzw. jemandem Angst hat, so ge- 
nügt das zur Gültigkeit nicht. In diesem Fall muß der Betende in den 
Zustand des Sujüd bzw. Rukü ( zurückkehren, also diese Handlung noch 
einmal mit richtiger Absicht ausführen, und ebenso obliegt dem Be- 
tenden das, wenn er den Sujüd bzw. Rukü ( ohne Tamänina ausgeführt 
hat. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 315 

Mälikiya 

Das verpflichtende Maß beim Sich-Auf richten aus dem Rukü' ist, daß 
der Rücken aus der gebeugten Haltung in eine klar aufgerichtete 
Haltung übergeht, bei vollständigem Ptidäl Beim Sich-Auf richten aus 
dem Sujüd allerdings genügt es, wenn der Betende die Stirn vom Boden 
erhebt - selbst wenn dabei seine Hände noch auf dem Boden bzw. 
Untergrund bleiben. Der Ptidäl- gemeint: daß man vollständig in seine 
(aufgerichtete, gerade) Ausgangshaltung zurückkehrt - ist ein Rukn und 
verpflichtend nach dem Rukü\ dem Sujüd, während des Saläm am Ende 
des Gebets und auch zu Beginn, beim Takbirat al-Ihräm. 

Die Tamänina ist ein Rukn, der unbedingt während aller Arkän des 
Gebets ausgeführt werden bzw. gewährleistet sein muß. Das Pflicht- 
maß dabei ist, daß man nach dem Ptidäl bzw. vor einem Beugen län- 
ger verharrt, als zur Durchführung dieser Arkän selbst nötig ist. 

Hanbaliya 

Das verpflichtende Maß beim Sich-Erheben aus dem Rukü' ist, daß 
man sich so aus der Rukü '-Haltung erhebt, daß die Hände nicht mehr 
auf den Knien liegen. Der Ptidäl meint allerdings ein völliges Sich- 
Gerade-Machen, bis jedes Körperglied in die (aufrechte) Anfangshal- 
tung (vor dem Rukü ( bzw. Sujüd) zurückgekehrt ist. 

Beim Sich-Erheben aus den Sujüd ist der verpflichtende Teil, daß 
man die Stirn vom Boden erhebt. Der nachfolgende Ptidäl allerdings 
macht ein völliges, aufrechtes Sitzen bzw. Aufrichten notwendig. 

Im übrigen stimmt die Hanbaliya mit der Mälikiya und Shäfi'iya über- 
ein, daß alle vier hier behandelten Dinge (ar-Rqf min ar-Rukü\ ar-Raf 
min as-Sujüd, Ptidäl und Tamänina) Fard und Rukn im Gebet sind. 



§ 33 

die elfte pflicht; das letzte sitzen 
(al-qu'üd al-'akhir) 

Alle Madhähib stimmen darin überein, das das letzte Sitzen (al-Qu'üd al- 
'akhir) eine Pflicht (Fard) im Gebet ist. Nur im Maß dieses Sitzens beste- 
hen Meinungsunterschiede. 

Hanafiya 

Das verpflichtende Maß, das beim letzten Sitzen erfüllt sein muß, ist 

die Dauer der Rezitation des Tashahhud. 



3 I 6 HANDBUCH ISLAM 

Mälikiya 

Das Sitzen ist verpflichtend im Zeitmaß des Saläm (des Schlußgrußes) 
gemeinsam mit der für den Ptidäl benötigten Zeit, während das Er- 
weitern dieser Zeitdauer im Maß des Tashahhud Sunna und im Maß 
des Segens für den Propheten^^ mandüb ist, so wie auch das Erwei- 
tern im Maß eines Du'ä's mandüb ist, wenn das Du'ä' selbst mandüb ist. 
Ein Erweitern des letzten Sitzens im Maß eines Du'ä's, das selbst makrüh 
ist, ist auch entsprechend makrüh - wie etwa das zusätzliche, eigene 
Du'ä' eines Ma'müm nach dem Saläm des Imäm. 

Shäfi'iya 

Das Sitzen während des Tashahhud, des Segens für den ProphetenJgjJ 
und des ersten Saläms (nach rechts) ist Fard, weil es während Fard- 
Teilen stattfindet. Hierbei verhält es sich wie im Fall des Stehens 
während der Fätiha-Rezitation, welches im Maß eben dieser Rezitati- 
on Fard ist, weil die Rezitation Fard ist und beide untrennbar mitein- 
ander verbunden sind. Wenn das Sitzen um das Zeitmaß erweitert 
wird, in dem ein Du'ä' bzw. der zweite Saläm (Schlußgruß nach links) 
durchgeführt wird, so ist das mandüb. 

Hanbaliya 

Das verpflichtende Zeitmaß für das letzte Sitzen ist das Maß des 
Tashahhud und der beiden Saläm (des Schlußgrußes nach rechts sowie 
nach links). 



§ 34 

DIE ZWÖLFTE PFLICHT! DER LETZTE TASHAHHUD 

Der letzte Tashahhud ist bei der Shäfi'iya und Hanbaliya Fard. 

Bei der Hanafiya und Mälikiya aber ist die Meinung dazu anders: Für 
die Hanafiya ist der letzte Tashahhud Wäjib, nicht Fard, während die Mälikiya 
ihn für Sunna hält. 

Des weiteren gibt es verschiedene, gleichermaßen belegte Formen des 
Tashahhud, wobei bestimmte Formen von bestimmten Madhähib bevor- 
zugt werden und daher von ihnen jeweils ausgewählt wurden - wenn- 
gleich es auch als zulässig und der Sunna entsprechend betrachtet wird, 
eine der anderen überlieferten Formen zu wählen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3 I 7 

Hanafiya 
Die (in der Hanafiya bevorzugte) Form des Tashahhud ist: 

at-tahiyätu li-llähi wa s-salawätu wa t-taiyibät 

as-salämu 'alaika aiyuha n-nabiyu wa rahmatu llähi wa barakätuh 

as-salämu 'alainä wa c alä 'ibädi llähi s-sälihin 

ashhadu al-lä iläha illä lläh H1 

wa ashhadu anna Muhammadan 'abduhü wa rasüluh 

„Die Begrüßungen, Gebete und guten Taten sind für Gott. 

Friede sei mit dir, Prophet Gottes, und die Barmherzigkeit und Se- 
gen Gottes! 

Friede sei mit uns und den aufrichtigen Dienern Gottes! 

Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, 
und ich bezeuge, daß Muhammad sein Diener und Gesandter ist." 

Mälikiya 
Die in der Mälikiya bevorzugte Form ist: 

at-tahiyätu li-lläh az-zäkiyätu li-lläh at-taiyyibätu s-salawätu li-lläh 
as-salämu 'alaika aiyuha n-nabiyu wa rahmatu llähi wa barakätuh 
as-salämu 'alainä wa 'alä 'ibädi llähi s-sälihin 
ashhadu al-lä iläha illä llähu wahdahü lä sharika Iah 
wa ashhadu anna Muhammadan 'abduhü wa rasüluh 

„Die Begrüßungen, die reinen Taten, die guten Taten und Gebete 
sind für Gott. 

Friede sei mit dir, Prophet Gottes, und die Barmherzigkeit und Se- 
gen Gottes! 

Friede sei mit uns und den aufrichtigen Dienern Gottes! 

Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, er ist ein Einzi- 
ger, niemand ist ihm beigesellt, 
und ich bezeuge, daß Muhammad sein Diener und Gesandter ist." 

Diese Form zu nehmen ist mandüb. Wenn der Betende den Tashahhud 
nicht rezitiert, ist dennnoch das Gebet gültig, aber das zu tun ist makrüh. 

Shäfi'iya 
Die in der Shäfi'iya bevorzugte Form lautet: 



318 HANDBUCH ISLAM 

at-tahiyätu l-mubärakätu s-salawätu t-taiyibätu li-lläh 

as-salämu 'alaika aiyuha n-nabiyu wa rahmatu llähi wa barakätuh 

as-salämu 'alainä wa ( alä Hbädi llähi s-sälihin 

ashhadu al-lä iläha illä lläh 

wa ashhadu anna Muhammada r-rasülu lläh 1 * 8 

„Die Begrüßungen, gesegneten Taten, Gebete und guten Taten sind 

für Gott. 
Friede sei mit dir, Prophet Gottes, und die Barmherzigkeit und Segen 

Gottes! 
Friede sei mit uns und den aufrichtigen Dienern Gottes! 
Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, 
und ich bezeuge, daß Muhammad der Gesandte Gottes ist." 

Der Fard-Tei\ des Tashahhud ist dabei erfüllt, wenn der Tas ha hhud minde- 
stens 1 * 9 die Worte umfaßt: 

at-tahiyätu li-lläh 

salämun 'alaika aiyuha n-nabiyu wa rahmatu llähi wa barakätuh 

salämun 'alainä wa c alä Hbädi llähi s-sälihin 

ashhadu al-lä iläha illä lläh 

wa ashhadu anna Muhammadar rasülu lläh 150 

„Die Begrüßungen sind für Gott. 

Friede sei mit dir, Prophet Gottes, und die Barmherzigkeit und Segen 

Gottes! 
Friede sei mit uns und den aufrichtigen Dienern Gottes! 
Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, 
und ich bezeuge, daß Muhammad sein Diener und Gesandter ist." 

Zur Gültigkeit des Tashahhud als Fard ist es notwendig, 

• daß er in arabisch rezitiert wird, wenn der Betende dazu in der Lage ist; 

• daß der Betende keine Unterbrechung/Pause zwischen den Worten 
eintreten läßt (Muwälat); 

• daß der Betende - wenn kein Hindernis diesbezüglich besteht - sich 
selbst während der Tashahhud-Rezit&tion hören kann; 

• daß die Worte in der richtigen Reihenfolge rezitiert werden. Wenn 
die Worte absichtlich verwechselt werden und dadurch der Sinn ver- 
ändert wird, ist das Gebet ungültig, wenn nicht, dann nicht. 

Außerdem ist der Segen für den Propheten ^g£ nach dem letzten 
Tashahhud ein Rukn in der Mindestform: 



BUCH ÜBER DAS GEBET 319 

Allähumma salli 'alä Muhammad 
„O Gott, segne Muhammad!" 
oder 
Allähumma salli e alä n-nabiyy 
„O Gott, segne den Propheten!" 

Hanbaliya 
Der von der Hanbaliya bevorzugte Wortlaut ist: 

at-tahiyätu li-lläh wa salawätu wa t-taiyibät 

as-salämu 'alaika aiyuha n-nabiyu wa rahmatu llähi wa barakätuh 

as-salämu 'alainä wa 'alä 'ibädi llähi s-sälihin 

ashhadu al-lä iläha illä llähu wahdahü lä sharika Iah 

wa ashhadu anna Muhammadan ( abduhü wa rasüluh 

„Die Begrüßungen, Gebete und guten Taten sind für Gott. 

Friede sei mit dir, Prophet Gottes, und die Barmherzigkeit und Segen 

Gottes! 
Friede sei mit uns und den aufrichtigen Dienern Gottes! 
Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, er ist ein Einziger, 

niemand ist ihm beigesellt, 
und ich bezeuge, daß Muhammad sein Diener und Gesandter ist." 

Danach muß noch der Segen für den ProphetenJgJ genannt werden, in 
der Mindestform 

Allähumma salli e alä Muhammad 
„O Gott, segne Muhammad!" 

Das verpflichtende Mindestmaß des Tashahhud (einschließlich des Se- 
gens für den Propheten^gQ ist: 

at-tahiyätu li-lläh 

salämun 'alaika aiyuha n-nabiyu wa rahmatu llähi wa barakätuh 

salämun ( alainä wa ( alä ( ibädi llähi s-sälihin 

ashhadu al-lä iläha illä lläh 

wa ashhadu anna Muhammada r-rasülu lläh 

Allähumma salli ( alä Muhammad 

„Die Begrüßungen sind für Gott. 

Friede sei mit dir, Prophet Gottes, und die Barmherzigkeit und Segen 
Gottes! 



320 HANDBUCH ISLAM 

Friede sei mit uns und den aufrichtigen Dienern Gottes! 
Ich bezeuge, daß es keine Gottheit gibt außer Gott, 
und ich bezeuge, daß Muhammad sein Gesandter ist." 

Es ist andererseits auch zulässig, eine andere eindeutige und in sich 
zulässige und korrekte Segensformel für den Propheten ^J zur Erfül- 
lung dieser Pflicht zu benutzen - ähnlich, wie es auch die Shäfi'iya sieht. 



§ 35 

DIE DREIZEHNTE PFLICHT! DER SGHLUSSGRUSS (SALÄM) 

Die Rechts schulen außer der Hanafiya stimmen darin überein, daß man 
nach Vollendung des Gebets nur mit dem Begriff „as-salämu ['alaikum 
wa rahmatu lläh]" aus dem Gebet austreten kann - wenn das nicht ge- 
schieht, wird das Gebet nach dieser Ansicht ungültig. 

Hierin ist die Hanafiya insofern anderer Ansicht, als sie sagt, daß man 
durch jede Handlung (zwangsläufig) aus dem Gebet austritt, die dem 
Gebet entgegengesetzt ist bzw. es unmöglich macht, selbst wenn es sich 
dabei um das Ungültigwerden des Wudü' handelt. Andererseits ist es 
nach dieser Meinung Wäjib (wenn auch nicht Fard), mit dem Begriff 
„as-salämu ["alaikum wa rahmatu lläh] 151 " aus dem Gebet auszutreten. 

Über die unbedingt nötige Formel des Saläm (das heißt des Schluß- 
grußes des Gebets) gibt es unterschiedliche Meinungen: 

Hanafiya 

Mit der Saläm-Yovm aus dem Gebet auszutreten, ist Wäjib, nicht Fard. 
7my Erfüllung des Wäjib genügt es, wenn der Betende nur das Wort 
„as- saläm" sagt, ohne den Teil „ 'alaikum"; wenn der Betende ohne den 
Saläm zu geben aus dem Gebet austritt, nachdem er am Ende der 
Pflichtteile und deren Erfüllung angelangt ist, ist sein Gebet dennoch 
gültig (selbst dann, wenn er in dieser Lage durch Hadath austritt), 
aber in diesem Fall hat der Betende eine Sünde begangen (weil er das 
Wäjib des Saläm nicht erfüllt hat), und es obliegt ihm als Wäjib, das 
Gebet zu wiederholen. Tut er das nicht, ist sein voriges Gebet formal 
gültig, doch hat er durch die Nichtwiederholung eine Sünde began- 
gen. 

Hanbaliya 

Es ist Fard, daß der Betende durch zweimaliges (!) Saläm-Geben - das 
heißt Sprechen der Saläm-Formel — aus dem Gebet austritt. Dabei 



BUCH ÜBER DAS GEBET 32 1 

muß er den Wortlaut „as-salämu 'alaikum wa rahmatu lläh" in dieser 
Wortreihenfolge verwenden. Tut er das nicht, ist das Gebet ungültig. 

Shäfi'iya 

Der Betende muß mit dem einmaligen Saläm-Gthtri (mit »as-salämu 
'alaikum" als Farrf-Mindestform) aus dem Gebet austreten. Dabei ist 
die Wortreihenfolge aber keine zwingende Bedingung: 
Wenn er etwa sagt: „ 'alaikumu s-saläm", ist das gültig, allerdings auch 

makrüh. 

Malikiya 

Es ist unbedingt als Fard nötig, daß der Betende mit dem einmaligen 
Saläm in der Mindestform und Wortreihenfolge »as-salämu 'alaikum" 
aus dem Gebet austritt. 



§36 

DIE VIERZEHNTE PFLICHT: DIE REIHENFOLGE 
DER ABSOLUTEN PFLICHTEN (TARTIB AL-ARKÄn) 

Damit ist gemeint, daß der Betende die Arkän des Gebets in der richti- 
gen, vorgeschriebenen Reihenfolge erfüllt: den Qjyäm vor dem Rukü', 
den Ruku ( vor dem Sigüd, usw. 

Die Einhaltung dieser Reihenfolge (Tartib al-Arkän) ist für den Beten- 
den unbedingt notwendig (läzim): Wenn er die Reihenfolge irgendwie 
vertauscht, wird sein Gebet ungültig (bätil). 

Die Hanafiya sagt dazu: Diese Reihenfolge ist nicht Rukn, sondern Shart 
(Bedingung) zur Gültigkeit des Gebets; daher gilt das Gebet bei Nichter- 
füllung des Tartib als bäül, in manchen Fällen aber gelten noch andere 
spezielle Regeln. 

Hanafiya 

Auch wenn nach Ansicht der Hanafiya der Tartib al-Arkän Shart zur 
Gültigkeit, nicht aber Fard ist, so muß doch der Tartib unbedingt ein- 
gehalten werden. 

Allerdings gilt dazu: Wenn jemand den Rukü' vor dem Qjyäm ver- 
richtet, danach den Sujüd verrichtet und dann wieder zum Qjyäm auf- 
steht, so gilt sein Rukü' als nicht getan. Wenn er in dieser Lage, wo ja 
der erste Rukü' nicht galt, nach dem nun korrekt verrichteten Qjyäm 
den Rukü' und den Sujüd (wieder) verrichtet, so gilt diese Rak'a, aber er 
muß anschließend den Sujüd li s-Sahuw verrichten. Dies gilt unter der 



322 HANDBUCH ISLAM 

Bedingung, daß der Betende diesen Fehler aus Vergeßlichkeit tat; wenn 
er das aber absichtlich tat, so ist sein Gebet ungültig. 

Wenn der Betende jedoch in einem Qiyäm (im Pflichtgebet) nicht 
rezitiert (Fätiha und/oder die weiteren Ayät), dann den Rukü' verrich- 
tet usw., so ist sein Gebet doch gültig, weil das Rezitieren nicht in 
allen Rak'as (des Pflichtgebets) Fard ist, sondern nur in zweien. Aller- 
dings muß der Betende in diesem Fall als Fard die Rezitation in den 
zwei anderen Rak'as verrichten und anschließend den Sujüd li s-Sahuw 
verrichten.' 52 



§ 37 

die fünfzehnte pflicht! das sitzen 

zwischen den beiden niederwerfungen 

(al-julüs baina s-s-sajdatain) 

Die drei Madhähib außer der Hanafiya stimmen darin überein, daß das 
Sitzen zwischen den beiden Niederwerfungen (al-Julüs baina-s-Sajdatain 153 ) 
Fard ist, und zwar zwischen allen Zweiergruppen des Sujüd im Gebet. 

Wenn nun jemand einmal den Sujüd (in Form einer Sajda) ausführt, 
dann nur den Kopf erhebt, sich dann aber nicht setzt (im Julüs) und 
wieder eine Sajda ausführt, so ist sein Gebet nicht gültig. 

Die Hanafiya jedoch vertritt eine andere Ansicht. 

Hanafiya 

Das Sitzen zwischen den beiden Niederwerfungen ist nach Meinung 
der gesamten Hanafiya nicht Fard. Des weiteren herrschen aber inner- 
halb der Hanafiya zwei Meinungsgruppen bezüglich des Julüs: man- 
che sagen, er sei Wäjib (dies ist die stärkere Meinung), andere meinen, 
es handele sich dabei lediglich um eine Sunna ghair mu'akkada. 



§ 38 

bedingte pflichten (wäjibät) 
und sunan mu'akkada im gebet 



Die Wäjib at 

Wie schon an mehreren Stellen erwähnt, betrachten die Shäfi'iya und 
Hanbaliya übereinstimmend die Begriffe und Ahkäm von „Fard" und 



BUCH ÜBER DAS GEBET 32ß 

„Wäjib" - außerhalb der Bereiche des Hajj 154 - als bedeutungsgleich, 
das heißt als „absolute Verpflichtung". Von daher gibt es nach Ansicht 
dieser beiden Rechtsschulen keine Wäjibät im Gebet; doch gibt es solche 
Wäjib ät des Gebets bei der Hanafiya und Hanbaliya. 

Hanafiya 

Wenn etwas, was im Gebet Wäjib ist, nicht vom Betenden erfüllt wird, 
so wird das Gebet dadurch nicht ungültig, aber der Betende muß in 
diesem Fall den Sujüd li s-Sahuw verrichten. Dies gilt, wenn der Fehler 
versehentlich geschah. Tut ein Betender aber das Gegenteil eines Wäjib 
vorsätzlich, so ist sein Gebet ungültig. 

Diese Wäjibät sind: 
i . Das Rezitieren der Fätiha. Dabei gilt, daß man den Sujüd li s-Sahuw 
verrichten muß, wenn man im Pflichtteil in den ersten beiden Rak'as 
bzw. beim Näfila in irgendeiner der Rak ( a die Rezitation vergißt. Au- 
ßerdem muß man den Sujüd li s-Sahuw verrichten, wenn man die Fätiha 
nach der Rezitation der sonstigen Ayät rezitiert. 

2. Das Rezitieren einer Sure (dreier Ayät) nach der Fätiha in der ersten 
und zweiten Rak'a des i<W-Gebets, in allen Rak'as der Näfila-Gcbete 
sowie beim Witr. Dabei genügt zur Erfüllung des Wäjib eine sehr kur- 
ze vollständige Sure oder drei kurze Ayät, oder eine längere Aya. Als 
drei kurze Ayät können die drei folgenden Ayät dienen (Sure al-Mudaththir 
[74], Vers 21-23): 

Thumma na^ar 

thumma 'abasa wa basar 

thumma adbara wa stakbar 

Dies sind zehn Wörter bzw. dreißig Buchstaben, wobei verdoppelte 
Konsonanten als jeweils zwei Buchstaben gezählt werden. Auch das 
Rezitieren einer längeren Aya bzw. eines Stücks einer langen Aya, was 
diesem Maß entspricht, genügt zur Erfüllung des Wäjib bei jeder ent- 
sprechenden Rak ( a. So genügt beispielsweise der erste Teil des „Thron- 
verses" (Ayat al-kursi, Sure al-Baqara [2] Vers 255): 

Allähu lä iläha illä huwa l-hayyu l-qayyüm 

lä ta'khudhuhü sinatun wa lä naum 

3. Daß man die Anzahl der jeweiligen Handlungen einer Art (zum Bei- 
spiel die der Sajdas während des Sujüd) nicht erhöht. Verrichtet man 
doch mehr als vorgeschrieben, so ist das zusätzlich Verrichtete ohne 
Bedeutung und der Betende muß den Sujüd li s-Sahuw verrichten. 

4. Das völlige Ruhigwerden der Körperglieder (Tamänina) in den grund- 
sätzlichen absoluten Pflichten (Furüa), wie Rukü ( und Sujüd. 

5. Das erste Sitzen (al-Qu c üd al-awwal) in jedem Gebet, auch einem Näfila. 



324 HANDBUCH ISLAM 

6. Das Rezitieren des Tashahhud-W ortlautes. Auch ist es Wäjib, sofort 
nach Ende des eigentlichen Tashahhud-Textes während des ersten Sit- 
zens beim vier bzw. drei Rak'a-Gtbet zur dritten Rak'a - zum Qiyäm - 
aufzustehen. Wenn man nach diesem ersten Tashahhud (in einem Ge- 
bet mit zwei Tashahhud) versehentlich noch den Segen für den Pro- 
pheten^^ hinzufügt, muß man den Sujüd li s-Sahuw verrichten, wenn 
man das aber vorsätzlich tut, muß man das Gebet wiederholen. 

7. Das zweimalige Aussprechen des Schlußgrußes (Saläm) am Ende des 
Gebetes. 

8. Das Rezitieren des Qunüt (das nicht das Qunüt an-Näzüa ist) nach der 
Fätiha und einer nach ihr rezitierten Sure in der dritten (letzten) Rak'a 
des H^r-Gebetes. 

9. Die Takbire bei den beiden Festgebeten (Takbirät al- 'idain). Dies sind 
drei Takbirät - außer dem Takbirät al-Ihräm. 

10. Das laute Rezitieren (Jahr) des Vorbeters (Imäm) beim Fajr, den bei- 
den Festgebeten, dem Freitagsgebet (Jum'a), dem Taräwih- und Witr- 
Gebet im Ramadan sowie in den jeweils ersten beiden Rak'a von Maghrib 
und 'Ishä\ 

Der Einzelbetende kann auswählen, ob er die Gebetsteile, in denen 
beim Gemeinschaftsgebet (Salät al-Jamä'a) laut rezitiert wird, nun selbst 
laut (in Jahr-Form) oder leise (in Isrär-Form) rezitiert. Dies gilt für alle 
derartigen laut zu rezitierenden Gebete. Andererseits ist es besser, 
wenn der Einzelbetende laut rezitiert. Der Imäm allerdings muß - als 
Wäjib - in solchen Gebeten an den Gebetsstellen in JöÄr-Form, also 
laut, rezitieren, wo dies vorgeschrieben ist, und entsprechend auch 
da leise (in Isrär-Form), wo dies vorgeschrieben ist. 

1 1 . Das leise Rezitieren (Isrär) des Vorbeters (Imäm) und Einzelbeters 
(Munfarid) bei Näfila-Gebeten am Tag, beim guhr und 'Asr, bei der 
dritten Rak'a von Maghrib und den beiden letzten Rak'a von 'Ishä\ bei 
dem Gebet anläßlich von Sonnen- und Mondfinsternis (Salät al-Kusüf 
und Salat al-Khusüj) sowie beim Gebet um Regen (Istisqä'). 

1 2. Daß ein Nachbeter (Ma'müm), während der Vorbeter (Imäm) im Qvyäm 
rezitiert, nichts rezitiert. 

13. Den Bereich, der zwischen Nase und Stirn liegt, im Sujüd fest auf 
den Boden aufzulegen. 

14. Das Gebet mit der speziellen Form des Takbirät al-Ihräm „Allähu akbar" 
zu eröffnen 155 . 

15. Der Takbir des Rukü' in der zweiten Rak'a des Festgebetes, weil dieser 
Takbir mit den Wäjib-Takbirät des 'Id verbunden ist und so auch selbst 
Wäjib wird. 

16. Dem, was der Imam tut, bezüglich der Dinge zu folgen, bei denen 
es zulässig und gültig ist. 156 



BUCH ÜBER DAS GEBET 325 

17. Das Erheben aus dem Rukü e und das Sich-Gerade-Machen bei den 
entsprechenden Pflichthandlungen, wie bereits vorgestellt. 

Hanbaliya 

Die Wäjibät im Gebet stehen unterhalb der Furüd. Allerdings gilt, daß, 
wenn man ein Wäjib vorsätzlich unterläßt, das Gebet dadurch ungül- 
tig (bätil) wird. Es wird nicht ungültig, wenn ein Wäjib durch Verges- 
sen oder Unwissenheit nicht erfüllt wurde. In diesem Fall muß man 
den Sujüd li s-Sahuw verrichten. 
Es gibt acht Wäjibät 

1 . Alle Takbirät des Gebets, außer dem Takbirat al-Ihräm (der Fard ist), 
und außer dem Takbir eines Masbüq, der sich dem Gebet eines Imäm 
im Rukü e anschließt (dieser Takbir ist Sunna). 

2. „Sami'a llähu li man hamidah" zu sagen, für dem Imäm und für den 
Einzelbetenden (TasmV genannt). 

3. „Rabbanä wa laka l-hamd" zu sagen, für jeden Betenden. 

4. Einmal während des Rukü e zu sagen: „Subhäna rabbiya l-'a^im" . 

5. Einmal während des Sujüd zu sagen: „Subhäna rabbiya l-a c lä". 

6. Der erste Tashahhud (at-Tashahhud al-awwal). 

7. Den Tashahhud-W ordaut - wie beim letzten Tashahhud- zu rezitie- 
ren, abgesehen vom Segen für den Propheten ^£, der im ersten 
Tashahhud nicht rezitiert wird. 

8. Das Sitzen (Julüs) während dieses Tashahhud. 



Die Sunan mu'akkada 

Die Rolle, die die Wäjibät des Gebets bei Hanqfiya und Hanbaliya einneh- 
men, haben die Sunan mu'akkada im Gebet bei Shäfi'iya und Mälikiya inne. 

Shäfi'iya 

Die Sunan bei der Shäfi'iya werden in zwei Teile eingeteilt: die Sunan 
mu'akkada, Ab'äd genannt (Sg.: Ba'd, etwa: Teilbereich), und die Sunan 
ghair mu'akkada, Hai'ät genannt (Sg.: Hai% hier: wünschenswerte Form). 
Die Ab 3 äd erfordern bei Nichterfüllung den Sujüd li s-Sahuw, die HaVät 
nicht. Die Ab'äd sind: 

1 . Der erste Tashahhud [at-Tashahhud al-awwal). 

2. Der Segen für den Propheten^jp nach dem ersten Tashahhud. (Hier 
darf der Segen für die Familie des Propheten nicht genannnt wer- 
den, sonst muß man anschließend den Sujüd li s-Sahuw verrichten). 

3. Das erste Sitzen (al-Julüs al-awwal) während des ersten Tashahhud 
und des Segens für den Propheten^^- 



32Ö HANDBUCH ISLAM 

4. Der Segen für die Familie des Propheten Jg£ nach dem letzten 
Tashahhud und dem Segen für den Propheten selbst. (Dabei ist der 
letzte Tashahhud und der Segen für den ProphetenJg£ selbst Rukn). 

5. a) Das Verichten des Qunüt (das nicht das Qunüt an-Mzüa ist) nach 
dem Sich-Auf richten aus dem Rukü { im Fajr-Gebtt bzw. (in der zwei- 
ten Hälfte des Ramadan) in der letzten Rak ( a des Witr. 

b) Das Qunüt an-Mäzila, nach dem Sich-Erheben aus dem letzten 
Rukü ( irgendeines (Fard-) Gebetes. 

Mälikiya 

Die Sunan mu'akkada im Gebet (bei der Mälikiya nur Sunna genannt) 

sind folgende: 

1 . Das Lesen von etwas Zusätzlichem aus dem Koran, zusätzlich zur 
Fätiha in der ersten und zweiten Rak ( a eines i^W-Gebetes, sofern 
dazu die notwendige Zeit bleibt. 

2. Das Stehen (Qjyäm) währenddessen. 

3. Jahr im Gebet, wo Jahr vorgesehen, und Isrär, wo Isrär vorgesehen ist. 

4. Alle Takbirät außer dem Takbirat al-Ihräm (denn dieser ist Fard). 

5. Jeder TasmV. 

6. Jeder Tashahhud. 

7. Jedes Sitzen (Julüs) während jedes Tashahhud. 

8. Der Segen für den Propheten!^ nach dem letzten Tashahhud. 

9. Den Sujüd auf den Fußspitzen, den Knien und den Handknöcheln 
(und Handflächen) gestützt auszuführen. 

1 o. Daß der Ma'müm den Saläm (Schlußgruß) des Imäms erwidert sowie 
eines jeden, der neben ihm sitzt. 

1 1 . Den (ersten) Saläm nach rechts bzw. die erste Taslima in Jahr zu 
verrichten. 

1 2. Daß der Ma'müm bei JaAr-Rezitation des Imäms schweigt. 

13. Daß man die Tama'nina über das Pflichtmaß hinaus ausdehnt. 

Über das Qunüt 

Es werden zwei Arten von Qunüt (wörtl.: „Frömmigkeit"; eine Art von 
Du'ä) unterschieden: 

1. Das „einfache Qunüt". 

Dieses Qunüt wird - je nach Rechtsmeinung - in der letzten Rak'a 
des Witr oder in der letzten Rak ( a des Subh-Fard-Gebetes verrichtet. 
Dabei wird das Qunüt entweder nach dem Sich- Auf richten aus dem 
Rukü { oder direkt nach der Rezitation im Qiyäm gesprochen. 

2. Das sogenannte »Qunüt an-Näzila" (etwa: „das Qunüt [zur Bitte um] 
Herabsendung [von Hilfe seitens Gottes])". 



BUCH ÜBER DAS GEBET 327 

Dieses Qunüt kann in seinem Text mit dem ersten Qunüt identisch 
sein, kann aber auch erweitert werden. Dieses Qunüt wird nach dem 
Sich-Erheben aus dem Rukü' in der letzten Rak'a in irgendeinem Fard- 
Gebet verrichtet. Es wird nur in Notlagen, bei Heimsuchungen oder 
bei Katastrophen gesprochen. 

Es gibt mehrere überlieferte Qunüt-Texte; der unter anderem von der 
Hanafiya bevorzugte lautet: 

Allähumma innä nasta'inuka wa nastaghfiruk[a) lb1 

wa nastahdika wa nu'minu bik(a) 

wa natübu ilaika wa natawakkalu e alaik(a) 

wa nuthni 'alaika l-khairu kullah(ü) 

nashkuruka wa lä nakfuruk{d) 

wa nakhWu wa natruku manyqßuruk 

Allähumma tyäka na'budu wa laka nusalliwa nasjud(u) 

wa ilaika nas'a wa nahßd(u) 

narjü rahmataka wa nakhshä 'adhäbak{a) 

inna 'adhäbaka bi l-kuffari mulhiq. 

„O Gott, Dich flehen wir um Hilfe an, 

und Dich bitten wir um Vergebung, 
Dich bitten wir um Rechtleitung und an Dich glauben wir. 
Dir wenden wir uns in Reue zu und auf Dich allein vertrauen wir, 
Dir allein verdanken wir alle Gute, 

Dir danken wir, und wir leugnen Dich nicht in Unglaube. 
Wir ziehen uns von dem zurück und lassen den allein, 

der gegen Dich sündigt. 
O Gott, Dich allein beten wir an und für Dich beten wir 

und werfen uns nieder, 
zu Dir eilen wir hin und folgen Dir, 

wir erbitten Deine Barmherzigkeit und fürchten Deine Strafe, 
wahrlich, Deine Strafe wird sicherlich 

gegen die Ungläubigen ergehen." 

Der unter anderem von der Shäfi'iya bevorzugte Text lautet: 

Allähumma hdinifi-man hadait(a) 
wa 'äfinifi-man e äfait(a) 
wa tawallanifi-man tawallait(a) 
wa bärik lifi-mä a c tait(a) 
wa qini sharra mä qadait(a) 
fainnaka taqdiwa läyuqdä c alaik(a) 



328 HANDBUCH ISLAM 

wa innaka lä tudhillu man wälait[a) 

wa lä tu'izzu man c ädait(a) 

tabärakta llähumma wa ta'älait(a) 

wa salli llähu ( ala n-nabiyi Muhammad(in wa 'alä älihiwa sahbihiwa sallim) 

„O Gott, lasse mich zu denen gehören, die Du rechtleitest, 

und zu denen, die Du gesund machst, 

und zu denen, denen Du Würde verleihst, 

und segne mich in dem, was Du [mir] gibst, 

und bewahre mich vor dem Übel, das Du [mir] bestimmt hast, 

denn Du entscheidest schließlich, und über Dich 

wird nicht entschieden. 
Du erniedrigst nicht den, den Du mit Würde ausstattest, 
und Du erhebst nicht den, der sich Dir widersetzt. 
Gesegnet bist Du, o Gott, und hoch erhaben. 
Und segne den Propheten Muhammad (und seine Familie 

und seine Gefährten) und schenke ihnen Frieden." 

Es gilt als besser (wenn auch nicht als verpflichtend), in dieser Qunüt- 
Form die Einzahlformen (mir, mich usw.) durch Mehrzahl (wir, uns, 
usw.) zu ersetzen, wenn der Imäm dieses Du'ä' vorträgt: 

Allähumma hdinäß-man hadait(a) 
wa e äfinäfi-man 3 äfait(a) 
wa tawallanäfi-man tawallait(a) 
wa bärik lanäfi-mä a'fait(a) 
wa qinä sharra mä qadait(a) 
fa innaka taqdi wa läyuqdä ( alaik(a) 
wa innaka lä tudhillu man wälaiia) 
wa lä tu'izzu Tnan c ädait(a) 
tabärakta llähumma wa ta'älait(a) 
wa salli llähu l alä n-nabiyi Muhammad(in wa 'alä älihi wa sahbihi wa sallim) 

„O Gott, lasse uns zu denen gehören, die Du rechtleitest, 

und zu denen, die Du gesund machst, 

und zu denen, denen Du Würde verleihst, 

und segne uns in dem, was Du [uns] gibst, 

und bewahre uns vor dem Übel, was Du [uns] bestimmt hast, 

denn Du entscheidest schließlich, und über Dich 

wird nicht entschieden. 
Du erniedrigst nicht den, den Du mit Würde ausstattest, 
und Du erhebst nicht den, der sich Dir widersetzt. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3 2 9 

Gesegnet bist Du, o Gott, und hoch erhaben. 
Und segne den Propheten Muhammad (und seine Familie 
und seine Gefährten) und schenke ihnen Frieden." 



KAPITEL 9 

EINZELVORSTELLUNGEN 
DER WICHTIGSTEN SUNAN 



§ 39 

DAS ERHEBEN DER HÄNDE 
BEIM TAKBIRAT AL-IHRÄM 

Es ist übereinstimmend Sunna für den Betenden, beim Eintritt in das 
Gebet - das heißt beim Takbirat al-Ihräm - die Hände zu erheben. Dar- 
über, dies bei anderen Positionen des Gebets zu tun, herrschen aber 
unterschiedliche Ansichten. 

Hanafiya 

Der Mann erhebt beim Takbirat al-Ihräm seine Hände so, daß sie auf 
der Höhe seiner Ohren sind und die Finger etwas gespreizt sind. Die 
Frau erhebt beim Takbirat al-Ihräm ihre Hände bis auf Schulterhöhe. 
Wie auch beim Takbirat al-Ihräm werden die Hände erhoben bei den 
Takbirat der beiden Festgebete und beim Qunüt, sonst aber nicht. 

Shäfi'lya 

Die Hände werden so erhoben, daß die Fingerspitzen auf Höhe der 
Oberränder der Ohren sind und die Daumenspitzen an die Ohrläpp- 
chen heranreichen. Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. 
Am besten werden die Hände erhoben beim Takbirat al-Ihräm, beim 
Rukü\ dem Erheben aus dem Rukü' sowie beim Sich-Erheben aus dem 
ersten Tashahhud in den Qiyäm. 

Mälikiya 

Die Hände werden (bei Mann und Frau) so erhoben, daß sie bis auf 
die Schulterhöhe reichen und - nach der verbreitetsten Aussage in- 
nerhalb der Mälikiya - der Handrücken etwas zum Himmel hin ge- 



33° HANDBUCH ISLAM 

neigt ist, das Innere der Hand aber zur Erde hin. Es ist mandüb, die 
Hände beim Takbirat al-Ihräm zu erheben. Die Hände ansonsten zu 
erheben ist aber makrüh. 

Hanbaliya 

Es ist für Mann und Frau Sunna, die Hände beim Takbirat al-Ihräm, 
beim Rukü' und dem Sich-Erheben aus dem Rukü ( auf Schulterhöhe 
zu erheben. 



§ 40 
der ta'min („amin" zu sagen) 

Es ist Sunna, daß der Betende - ob nun Munfarid, Imäm oder Ma'müm - 
nach Ende der Fäft'Aö-Rezitation „Amin" spricht. Es herrscht aber Mei- 
nungsverschiedenheit bei den Rechtsschulen, wann und ob dieses Wort 
„Amin" laut gesprochen wird. 

Shäfi'iya und Hanbaliya 

In den Rak'ät mit JöAr-Rezitation wird der Ta'min vom Imäm, Ma'müm 

und Munfarid in Jahr durchgeführt, ansonsten in Isrär. 

Hanafiya 

Der Ta'min wird immer nur leise gesprochen, gleich ob von Imäm, 
Munfarid oder Ma'müm. 

Mälikiya 

Der Ta'min ist mandüb, nicht nur Sunna {ghair mu'akkadd). In den Rak'ät 
mit JflAr-Rezitation wird der Ta'min vom Ma'müm und Munfarid in Jahr 
durchgeführt, vom Imäm aber in Isrär. 



9 4 1 

die rechte hand 158 

(bzw. den rechten unterarm) auf die linke hand 

(bzw. den linken unterarm) zu legen 

Hanafiya 

Beim Mann gilt: Die rechte Hand wird auf die linke Hand gelegt, wo- 
bei beide Hände unterhalb des Nabelbereichs gehalten werden. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 33 I 

Bei der Frau wird die rechte auf die linke Hand gelegt, wobei aber die 
Hände auf den Brustbereich gelegt und die Arme nicht vom Körper 
abgespreizt werden. 

Es gilt beim Mann, daß der Daumen der rechten Hand auf dem 
linken Armgelenk liegt und der rechte kleine Finger die untere linke 
Handkante umschließt. 

Bei der Frau jedoch ist es Sunna, mit keinem Finger der rechten Hand 
die linke Hand zu umfassen, sondern die rechte Hand nur flach auf die 
linke zu legen. 

Shäfi'iya 

Es ist für Mann und Frau Sunna, die rechte Hand und den rechten 
Unterarm auf die linke Hand und den linken Unterarm zu legen, und 
zwar oberhalb des Nabelbereichs und unterhalb des Brustbereichs. 

Es ist innerhalb des Madhhab möglich, diese Sunna in zwei Formen 
durchzuführen: entweder indem man die rechte Hand und den rechten 
Unterarm ganz deckend auf die linke Hand und den linken Unterarm 
auflegt oder indem man die rechte Hand nur so auf den linken Unter- 
arm auflegt, daß die Finger der rechten Hand etwa die Mitte des linken 
Unterarmes umfassen und etwas unterhalb der Herzgegend gehalten 
werden. 

Mälikiya 

Es ist mandüb (nicht nur Sunna ghair mu'akkada), daß Mann und Frau die 
rechte Hand und den rechten Unterarm auf die linke Hand und den 
linken Unterarm legen 159 . Das ist im .FW-Gebet aber nur dann mandüb, 
wenn der Betende damit beabsichtigt, der Sunna zu folgen - wenn er 
das aber nur zur Abstützung der Arme oder ohne diese Sunna-Ab sieht 
tut, ist es makrüh. 

In jVö^/ö-Gebeten aber ist das Legen der Hände und Unterarme auf- 
einander auch ohne spezielle Absicht mandüb. 

Auch gibt es die anerkannte Tradition, die Hände ganz glatt an den 
Seiten herabhängen zu lassen. 

Hanbaliya 

Es ist Sunna für Mann und Frau, unterhalb des Nabelbereichs die rechte 
Handfläche auf die linke zu legen. 



332 HANDBUCH ISLAM 

§ 42 
DER TAHMID („RABBANÄ WA LAKA LHAMD" 

ZU sagen) UND DER tasmT 

(„SAMl'A LLÄHU LI MAN HAMIDAH" ZU SAGEN) 

Es gilt in Übereinstimmung, daß es nach dem Erheben aus dem Rukü' 
eine Sunna ist zu sagen: SamVa llähu li man hamidah - „Gott möge den 
erhören, der Ihm preist" [TasmV). Dann, während des Stehens vor dem 
ersten Sujüd, ist es Sunna zu sagen: Rabbanä wa laka l-hamd- „Unser Herr, 
Dir gebührt der Lobpreis" [Tahmid). 

Wenn man Einzelbetender (Munfarid) ist, spricht man TasmV und 
Tahmid selbst. Ist man Imäm, spricht man nur den TasmV allein, nicht 
aber der Ma'müm, während der Tahmid von Imäm und Ma'müm gespro- 
chenwird. Dabei wird der TasmV im Gemeinschaftsgebet [Salät al-Jamä ( a) 
immer vom Imäm laut (in Jahr) gesprochen und der Tahmid immer leise 
(in Isrär), unabhängig davon, ob die betreffende Rah'a von ihm anson- 
sten in laut oder leise rezitiert wird. 



§ 43 

DASS DER IMÄM TAKBIR, TASMl' UND SALÄM 
(SGHLUSSGRUSS) LAUT (iN JAHR-FORM) AUSSPRICHT 

Der Imäm spricht in jedem Gebet, ob er nun leise (in Isrär) oder laut (in 
Jahr) rezitiert, jeden Takbir einschließlich des Takbirat al-Ihräm, TasmV 
und Saläm (Schlußgruß) laut - das heißt in Jahr. Das ist für den Imäm 
eine sehr starke Sunna [mandüb bzw. Sunna mu'akkada). 

Der Nachbeter [Ma'müm) spricht jedoch Takbir, TasmV und Salämleise, 
in lauten Gebeten spricht er den TasmV laut. 

Der Munfarid kann in leisen Gebeten wählen, ob er Takbir, TasmV und 
Saläm leise (in Isrär) oder laut (in Jahr) rezitiert. 



§ 44 

WANN DER NACHBETER 
DIE WORTE DES IMÄM LAUT NACHSPRICHT 

Tabligh eines Nachbeters (Ma'mum) bedeutet, daß der Nachbeter bestimm- 
te Formeln im Gebet laut ausspricht, um andere weiter vom Imäm ent- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 333 

fernt stehende Nachbeter über den Beginn neuer Gebetsteile zu unter- 
richten, wenn nämlich der Imäm von diesen nicht gehört wird; Wenn 
die Menge der Nachbeter so groß ist, daß manche Nachbeter die Stim- 
me des Imäm nicht hören können (sie also den jeweiligen Teil des Gebets 
nicht dadurch erkennen können), so ist es Sunna, daß -je nach Umstän- 
den - ein oder mehrere Nachbeter, die in Hörweite des Imäm stehen, 
alle Takbirät, den Tahmid (nicht aber den Tasmi°) und den Saläm laut 
wiederholen. 

Üblicherweise wird der betreffende Nachbeter, der diese Verdeutli- 
chung (hier: Tabligh) ausführt, „Muballigh" genannt (hier: „Verdeutli- 
cher") und schon vor dem Beginn des Gebetes bestimmt; er stellt sich 
dann - entsprechend seiner Aufgabe - an passender Stelle auf und 
verändert seine Stellung auch nicht, wenn sich die Reihen der Beten- 
den bilden bzw. auffüllen. 



§ 45 
DIE TAKBIRÄT DES GEBETS, DIE SUNNA SIND 

Die Takbirät bzw. das Aussprechen derselben - beim Rukü\ vor dem 
ersten Sujüd, dem Aufrichten aus dem ersten Sujüd, vor dem zweiten 
Sujüd und dem Aufrichten daraus (bzw. Aufrichten in den Qiyäm) - 
außer dem Takbirät al-Ihräm sind nach Ansicht von Shäfi'iya und Mälikiya 
Sunna. 

Hanafiya 

Die Hanafiya stimmt mit der Shäfi'iya und Mälikiya überein, daß alle 
Takbirät außer dem Takbirät al-Ihräm eine Sunna sind - außer dem Takbir 
des Rukü' in der zweiten Rak ( a des Festgebetes, der Wäjib ist. 

Hanbaliya 

Grundsätzlich ist jeder Takbir außer dem Takbir des Masbüq ein Wäjib. 
Beim Masbüq gilt, daß sein Gebet auch gültig ist, wenn der Imäm be- 
reits im Rukü' ist und er selbst nur den Takbirät al-Ihräm macht, bevor 
er sich auch in den Rukü ( beugt, er also gegebenenfalls sonstige Takbirät 
ersatzlos fortläßt. 



334 HANDBUCH ISLAM 

§46 

DAS REZITIEREN EINER SURE USW. 
NACH DER REZITATION DER FÄTIHA 

Nach den Rechtsschulen außer der Hanafiya ist es Sunna ghair mu 3 akkada, 
grundsätzlich nach der Fätiha eine weitere Sure bzw. weitere Ayät zu 
rezitieren. 

Hanafiya 

Wie schon beim Wäjib im Gebet vorgestellt, ist es nach Ansicht der 
Hanafiya ein Wäjib, drei kürzere oder eine längere Aya nach der Fätiha 
zu rezitieren. 

Dabei wird in Übereinstimmung in Fard-Qzhtttn nur nach der Fätiha 
der ersten beiden Rak'a Zusätzliches aus dem Koran rezitiert, während 
in jVo/^a-Gebeten nach jeder Fätiha, in jeder Rak ( a, als Sunna weitere Ver- 
se rezitiert werden. 

Hanafiya 

Bei jVä/z/a-Gebeten ist das zusätzlich Rezitierte in jeder Rak ( a ein Wäjib. 

Dies gilt für den Munfarid und den Imäm; für einen Ma'mum aber beste- 
hen unterschiedliche Ansichten. 

Hanafiya 

Es ist für einen Ma'müm ein Makrüh tahriman, hinter dem Imäm aus dem 
Koran zu rezitieren. 

Mälikiya 

In lauten Gebeten {Jahr) ist es makrüh für den Ma'müm, hinter dem 
Imäm zu rezitieren, gleich, ob er den Imäm hört oder nicht oder der 
Imäm gerade schweigt. 

Shäfi'iya und Hanbaliya 

Hier gilt generell, daß es für Nachbeter [Ma'müm) im Fard-Gebet Sunna 
ist, hinter dem Imäm Zusätzliches zu rezitieren, sofern sie den Imäm 
nicht hören (können) - also vor allem in leisen Gebeten (Isrär) und 
wenn sie sehr weit vom Imäm entfernt stehen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 335 

§ 47 

DAS DU'Ä' DER ERÖFFNUNG (du'ä' AL-ISTIFTÄh) 

Hier ist ein spezielles Du'ä 3 gemeint, das nach dem Takbirat al-Ihräm und 
vor dem Ta'awwudh gesprochen wird. 

Außer der Mälikiya, die in ihrer Hauptmeinung ein Du'ä' zur Eröff- 
nung des Gebets für makrüh, nach anderen Gelehrten aber auch für 
mandüb hält, ist es nach Ansicht der anderen Madhähib übereinstimmend 
Sunna. 

Es gibt vor allem zwei berühmte Formen dieses Eröffnungs-Du'ä's, 
die auch grundsätzlich von allen akzeptiert werden. 

Das „Subhanaka-Du'ä*": 
Subhänaka llähumma wa bi hamdika wa tabäraka smuka wa lä iläha ghairuk. 
„Gepriesen bist Du, o Gott, Dein Lobpreis (spreche ich), gesegnet ist 
Dein Name, und es gibt keine Gottheit außer Dir." 

Das,, Tawajjuh-Du 'ä*': 

Wajjahtu wajhi li llädhifatara s-samäwäti wa l-arda hanifan muslimä 

wa mä ana mina l-mushrikin 

inna salätiwa nusukiwa mahyäyä wa mamätili llähi rabbi l-'älamin 

lä shanka Iah 

wa bi-dhälika umirtu wa ana mina l-muslimin. 

„Ich wende mein Angesicht aufrichtig und als Muslim Dem zu, 

der die Himmel und die Erde erschaffen hat, 
und ich bin kein Götzendiener. 
Wahrlich mein Gebet, mein Opfer, mein Leben und Sterben 

sind für Gott, den Herrn der Welten. 
Er hat keinen Teilhaber [in Seiner Göttlichkeit], 
das ist mir befohlen, und ich bin einer der Muslime 

(der Gottergebenen)." 

Nach der Hanafiya wird das Subhänaka bei Fard-Gebeten als eigentliches 
Ifiitäh-Du'ä' rezitiert, während das Tawajjuh bei Z<W-Gebeten vor der J\fiya 
zum Gebet bzw. nach der Mya und vor dem Takbirat al-Ihräm rezitiert 
wird. In Näfila-Gthtten aber kann auch das Tawajjuh als regelrechtes 
Iflitäh-Du'ä' genommen werden. 

Nach der Shäfi'iya wird als Iftitäh-Du'ä' das Tawajjuh bevorzugt, unab- 
hängig von Fard- oder Näfila-Gchtttn. 

Nach der Hanbaliya werden beide Du c ä '-Formen gleichermaßen verwen- 
det. 



33 6 



HANDBUCH ISLAM 



Nach denjenigen Gelehrten der Mälikiya, die ein Ißitäh-Du 'ä 3 überhaupt 
für mandüb halten, wird vorzugsweise zuerst das Subhänaka, dann das 
Tawajjuh rezitiert. 



§48 

DER TA'AWWUDH (zu SAGEN: 

„a'üdhu bi llähi mina sh-shaitäni r-rajim") 

Es ist Sunna, vor der Rezitation der Fätiha (bzw. der der Basmala) den 
Ta'awwudh zu rezitieren, in der Form: 

A'üdhu bi llähi mina sh-shaitäni r-rajim 

„Ich nehme meine Zuflucht bei Gott vor dem verfluchten Teufel". 

Nach der Hanbaliya wird die folgende Form bevorzugt: 
A'üdhu bi llähi s-sami'i l-'alimi mina sh-shaitäni r-rajim 
„Ich nehme meine Zuflucht bei Gott, dem Allhörenden, Allwissen- 
den, vor dem verfluchten Teufel". 

Nach der Hanafiya wird der Ta'awwudh nur in der ersten Rak'a eines 
Gebetes, nach dem Iftitäh-Du'ä\ gesprochen. 

Nach der Shäfi'iya ist es Sunna, den Ta'awwudh in jeder Rak'a, vor der 
Fätiha, zu rezitieren. 

Nach der Mälikiya ist es in einem Fard-Gebet makrüh, den Ta'awwudh zu 
sprechen, gleich ob es ein lautes [Jahr) oder leises (Isrär) Gebet ist. In 
einem JVäfila-Gebet jedoch ist es - in Isrär-Form gesprochen - zulässig, 
den Ta'awwudh zu sprechen. 

Nach der Hanbaliya ist der Ta'awwudh in der oben genannten Form in 
der ersten Rak'a Sunna. 



§ 49 

DAS SPRECHEN DER BASMALA IM GEBET 

Das Sprechen der Basmala bei der i^zAa-Rezitation ist grundsätzlich 
nach der Hanafiya und Hanbaliya Sunna, nach der Shäfi'iya Fard, nach der 
Mälikiya Makrüh. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 337 

Nach der Shäfi'iya gehört die Basmala zur eigentlichen Fätiha fest dazu, 
nach den anderen Madhähib nicht. 
Ansonsten gelten verschiedene Bedingungen und Ansichten. 

Hanafiya 

Imäm und Munfarid rezitieren die Basmala in jeder Rak'a leise (in Isrär), 
gleich, ob das Gebet selbst leise (in Isrär) oder laut {Jahr) rezitiert wird. 
Der Ma'mum jedoch rezitiert gar nicht und also auch nicht die Basmala. 
Wenn nun Imäm oder Einzelbetender (Munfarid) die Basmala sprechen, 
dann aber feststellen, daß sie den Ta'awwudh vergessen haben, so wird 
der Ta'awwudh gesprochen und dann die Basmala wiederholt. Wenn 
sie aber die Basmala nicht gesprochen haben und schon mit der Rezi- 
tation der Fätiha begonnen wurde, so macht man mit der Fätiha-Rezi- 
tation weiter und läßt in diesem Fall die Basmala. 

Wenn man die Basmala nach dem Ta'min und der zusätzlichen Sure 
usw. rezitiert, so ist das nicht mahrüh, aber die bessere Möglichkeit ist 
hier doch, die Basmala nicht zu sprechen. 

Das gilt unabhängig davon, ob das betreffende Gebet laut oder 
leise rezitiert wird. 

Mälikiya 

In einem Fard-Gtbet ist das Sprechen bzw. Rezitieren der Basmala 
mahrüh, sowohl bei lauten (Jahr) als auch bei leisen Gebeten (Isrär) - es 
sei denn, man möchte die unterschiedlichen Meinungen der Rechts- 
schulen respektieren, wenn Nachbeter anderer Rechtsschulen mitbeten 
und dergleichen: In diesem Fall ist es nur bei Isrär-Fard-Gebtttn mandüb, 
die Basmala vor der Fätiha zu rezitieren, ansonsten auch weiterhin 
mahrüh. 

In Näfila-Gebeten aber ist es zulässig (jä'iz), vor der Fätiha die Basmala 
zu rezitieren. 

Shäfi'iya 

Weil die Basmala als fester Bestandteil der Fätiha betrachtet wird, ist 
ihre Rezitation Fard und unterliegt denselben Bedingungen wie auch 
die Rezitation der sonstigen Fätiha-Verse im Gebet. 

Hanbaliya 

Es ist Sunna, daß die Basmala bei jeder Fätiha rezitiert wird. Wird vor 
ihrem Rezitieren der Ta'awwudh nicht gesprochen, so muß der Ta'aw- 
wudh wegfallen und wird nicht wiederholt. Entsprechend gilt auch 
bei der Basmala, daß sie nicht wiederholt wird, wenn man bereits mit 
der Rezitation der Fätiha begonnen hat. 



338 HANDBUCH ISLAM 

§ 5° 

DIE STELLUNG DER FÜSSE UND DER BETENDEN 
ZUEINANDER ALLGEMEIN WÄHREND DES QIYÄM 

Es besteht Einigkeit darüber, daß sich die Betenden beim Gemeinschafts- 
gebet eng zusammenstellen und in gerade Reihen ausrichten sollen, so 
daß sich die (Ober)Arme in Schulterhöhe berühren. 

Hierzu besteht insofern Meinungsverschiedenheit, als manche Ge- 
lehrte diejenigen Hadithe für verpflichtend halten, nach denen sich nicht 
nur die Schultern, sondern auch die Füße berühren sollen. 

Manche halten diese Überlieferungen bezüglich des Berührens der 
Füße (an den Knöcheln) für verpflichtend; andere setzen als gewünsch- 
te (Mindest)Entfernung der Füße voneinander - sowohl im Gemein- 
schaftsgebet als auch allgemein - die Breite einer Hand fest. 



§ 5 1 

DER TASBIH WÄHREND DES RUKÜ' UND SUJÜD 

(zu sagen: „subhäna rabbiya l-'azIm" 

BZW. „SUBHÄNA RABBIYA L-a'lÄ") 

Es gilt übereinstimmend bei allen Rechtsschulen als Sunna, während 
des Rukü' mindestens dreimal „Subhäna rabbiya l- c a£im" (Gepriesen sei mein 
gewaltiger Herr!) zu sprechen und im Sujüd mindestens dreimal „Subhäna 
rabbiya l-a'lä" (Gepriesen sei mein allerhöchster Herr!) zu sprechen. 

Hanqfiya 

Wenn man nicht mindestens dreimal die entsprechende Formel nennt, 

ist die Sunna nicht erfüllt. 

Hanbaliya 

Mindestens einmal die entsprechende Formel zu sagen ist Wäjib, was 
darüber hinausgeht, ist Sunna. 

Shäfi'iya 

Der Sunna nach genügt irgendeine Formel, wobei die oben gegebene 

die beste ist. 

Dabei ist eine Wiederholung der Formel bis zu elf Mal noch im 
Rahmen der Sunna gut. Wenn ein Imäm jedoch mehr als elf Mal die 
entsprechende Formel rezitieren will (und entsprechend Rukü' bzw. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 339 

Sujüd ausdehnt), ist zur Sunna erforderlich, daß die Nachbeter damit 
zufrieden sind. 

Mälikiya 

Es gibt keine festgelegte Form oder genau bestimmte Zahl der For- 
meln, aber es ist gut, die oben genannten Formeln zu nennen und sie 
mindestens dreimal zu wiederholen. 



§ 52 

DIE HALTUNG DER HÄNDE WÄHREND DES RUKÜ* 

Hier gilt es übereinstimmend als der Sunna nach am besten, wenn die 
Hände auf die Knie gelegt werden und die Finger dabei gespreizt sind. 
Der Mann soll dabei die Arme etwas von seinen Körperseiten ab- 
spreizen, die Frau aber nicht. 



§ 53 

DASS DER BETENDE IM RUKÜ* 
NAGKEN UND RÜGKEN GERADE HÄLT 

Es ist übereinstimmend Sunna, daß der Betende während des Rukü' den 
Kopf weder tief senkt noch steil erhebt, damit Kopf- und Nackenlinie 
mit dem Rücken insgesamt eine gerade Linie ergeben (seitlich gese- 
hen). 



§ 54 

WIE MAN IN DEN SUJÜD GEHT 
BZW. SICH DARAUS WIEDER ERHEBT 

Am besten ist es der Sunna nach, wenn man beim Sujüd zuerst mit den 
Knien den Boden berührt, dann mit den Händen, dann mit der Stirn; 
beim Erheben soll dann am besten die umgekehrte Reihenfolge einge- 
halten werden, indem zuerst Stirn, dann Hände und schließlich Knie 
erhoben werden. 



34° HANDBUCH ISLAM 

Shäfi'iya 

Es ist Sunna, die Knie beim Sujüd vor den Händen zu erheben, unab- 
hängig davon, ob der Betende ein Mann oder eine Frau ist oder ob er 
stark oder schwach ist. 

Mälikiya 

Es ist mandüb, wenn man sich in den Sujüd begibt, zuerst die Hände, 
dann die Knie auf den Boden zu setzen, und beim Sich-Erheben aus 
dem Sujüd die Knie etwas auf dem Boden zu lassen (also kurz im 
Sitzen zu verweilen), ehe man sich wieder ganz zum Stehen erhebt. 



§ 55 

DIE HALTUNG DER HÄNDE 
WÄHREND DES SITZENS (jULÜs) 

Es ist übereinstimmend Sunna, daß die Hände des Betenden während 
des Sitzens (Julüs) nicht zwischen die Oberschenkel, sondern flach aus- 
gestreckt auf die Oberschenkel gelegt werden, wobei die Fingerspitzen 
an den Kniebereich heranreichen und die Daumen nach vorn gerichtet 
sind. 



§56 

DIE HANDSTELLUNG WÄHREND DES SUJÜD 

Es ist Sunna, daß während des Sujüd (von oben gesehen) die Handflä- 
chen auf Schulterhöhe sind, die Finger zusammengehalten, nicht ge- 
spreizt sind und die Fingerspitzen in Qib la-Kichtung gerichtet sind. Das 
ist die Haltung der Shäfi'iya und Hanbaliya. 

Hanqfiya 

Die Sunna ist bereits erfüllt, wenn die Hände (von oben gesehen) auf 
Schulterhöhe sind, doch am besten ist es, wenn sie neben dem Ge- 
sicht auf dem Boden aufgelegt sind. 

Mälikiya 

Es ist mandüb, die Hände beim Sujüd (von oben betrachtet) in Ohren- 
höhe auf den Boden aufzulegen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 341 

§ 57 

DIE KÖRPERHALTUNG IM SUJÜD 

Der Mann soll der Sunna gemäß den Sujüd so ausführen, daß er dabei 
den Bauch von den Oberschenkeln entfernt hält, die Arme etwas von 
den Körperseiten abgespreizt hält und seineUnterarme vom Boden ent- 
fernt hält. Dabei darf er die Arme und Ellenbogen aber nur dann von 
den Körperseiten abgespreizt halten, wenn er damit nicht seinen Mit- 
beter neben ihm belästigt. 

Die Frau aber soll ihren Bauch eng an die Oberschenkel halten und 
die Arme nicht von den Körperseiten abspreizen, um ihre Verschleie- 
rung und Bedeckung besser zu gewährleisten. 



§58 

LAUTES REZITIEREN (jAHR) UND 
LEISES REZITIEREN (iSRÄR) IM GEBET 

Das Jahr -Rezitieren allgemein 

In Jahr zu rezitieren wird von den Madhähib außer der Mälikiya als Sunna 
betrachtet, von der Mälikiya als mandüb. In Jahr wird von einem Imäm an 
besonderen Stellen bestimmter Gebete rezitiert: 

1. In der ersten und zweiten Rak'a des Fajr-, des Maghrib- und 'Ishä'- 
Gebetes. 

2. Die beiden Rak { a des Freitagsgebetes und der beiden Festgebete. 

3. Alle Rak'ät des Taräwih-Gtbetes während des Ramadan. 

Bei den jVö/s/ö-Gebeten bestehen, im Gesamtüberblick, zur JöÄr-Rezi- 
tation unterschiedliche Ansichten. 

Hanqfiya 

Jahr ist Wäjib für den Imäm in jeder Rak { a des Wfr-Gebets des Ramadan, 
bei den beiden Festgebeten, beim Taräwih. Isrär ist Wäjib für Imäm und 
Munfarid beim Kusüf, Istisqä' und den Nawäfil des lichten Tages. Bei 
den NsLcht-JVawäßl kann man jedoch zwischen Jahr und Isrär wählen. 

Mälikiya 

Bei allen in der Nacht verrichteten Nawäfil ist Jahr mandüb, bei allen 
am Tag verrichteten ist Isrär mandüb. Auch ist Jahr bei allen Gebeten 
mandüb, die eine Predigt (Khutba) aufweisen: Jum'a, Istisqä\ Festgebete. 



342 HANDBUCH ISLAM 

Hanbaliya 

Jahr ist Sunna beim Festgebet, Istisqä 3 , Kusüf, Taräwih, Witr im Ramadan 

(wenn es sofort nach dem Taräwih verrichtet wird). Sonst ist Isrär Sunna. 

Shäfi'iya 

Jahr ist Sunna bei den beiden Festgebeten, bei Kusüf und Istisqä', Taräwih, 
Witr im Ramadan, den zwei Rak ( a anläßlich des Tawäf nachts oder zur 
Subh-Ztit. Bei den reinen Nawäfil der Nacht soll man die Mitte zwi- 
schen lautem Jahr und Isrär halten. Ansonsten ist Isrär Sunna. 

Des weiteren gilt folgendes: Ein hinter einem Imäm Betender (Ma'müm) 
rezitiert nicht laut (in Jahr); ein Einzelbetender (Munfarid) aber kann 
wählen, ob er gegebenenfalls laut oder leise rezitiert. Es ist aber für den 
Munfarid Sunna, in gemäßigtem Jahr zu rezitieren. 

Wie bzw. wie laut Jahr- und Isrär- Rezitation sein sollen 

Allgemein gilt, daß die Beschreibungen unter dem Rahmen betrachtet 
werden müssen, daß weder Lärm noch Schallschutz usw. als Hörhin- 
dernisse vorhanden sind. Die Beschreibungen der Rechtsschulen sind 
darin übereinstimmend, daß mindestens ein Nachbar im Gebet beim 
Jahr den so Rezitierenden hören können muß. 

Hanafiya 

Die geringste Form des Jahr ist, daß man von jemandem gehört wer- 
den kann, der nicht in direktester Nähe steht. Dabei genügt es nicht, 
wenn nur ein oder zwei Personen aus der ersten Reihe etwa den Imäm 
hören können. Es gibt andererseits keine Obergrenze für Jahr. 

Die geringste Form des Isrär ist, daß man sich selbst hören kann, 
bzw. ein oder zwei Personen in unmittelbarer Nähe. Ein Bewegen der 
Zunge und leichtes Ausformen der Laute genügt jedoch bei Isrär nicht. 
Grundsätzlich besteht auch kein Unterschied zwischen Mann und 
Frau bei Jahr - unter der Bedingung, daß sie in ihrer Stimmgebung 
sich nicht betont begehrenswert oder begierdeerweckend gibt (hin- 
sichtlich dessen, was die so gestaltete Stimme an Begierde bei Män- 
nern hervorruft). Wenn dem nämlich so ist, darf sie nicht in Jahr 
rezitieren, sonst ist ihr Gebet ungültig. 

Shäfi'iya 

Die niedrigste Form des Jahr ist, daß der Nachbar im Gebet - und sei 

es bei mehreren Anwesenden auch nur ein einziger - einen im Gebet 



BUCH ÜBER DAS GEBET 343 

hören kann, wobei dies für Männer und Frauen zugleich gilt - es sei 
denn, ein fremder Mann ist anwesend: dann führt die Frau kein Jahr 
aus. 
Die geringste Form des Isrär ist, daß man sich selbst hört. 

Malikiya 

Die geringste Form des Jahr beim Mann ist, daß ihn sein Nachbar im 
Gebet hört, eine Höchstform davon gibt es nicht. 

Die geringste Form des Isrär ist das Bewegen der Zunge, die höch- 
ste, daß er sich selbst hört. 

Bei der Frau wird beim Jahr nur eine Form beschrieben: daß sie sich 
selbst hören kann; ihr Isrär ist das Bewegen der Zunge. 

Hanbaliya 

Bei Jahr ist die geringste Form, daß man von dem unmittelbaren Nach- 
barn im Gebet gehört wird - und sei es auch nur einer. 

Die geringste Form des Isrär ist, daß man sich selbst hören kann. 

Für die Frau ist Jahr jedoch keine Sunna] andererseits kann sie - 
wenn kein fremder Mann zuhört, zulässigerweise in Jahr rezitieren. 
Hört jedoch ein fremder Mann zu und sie weiß das, so ist ihr Jahr 
untersagt. 



§ 59 

ARTEN DES SITZENS (jULÜs) IM GEBET 

Grundsätzlich gilt: Wenn jemand die der Sunna entsprechenden For- 
men des Sitzens nicht durchführen kann oder es ihm schwerfällt, so soll 
er nach übereinstimmender Meinung der Madhähib so (mit untergeschla- 
genen Beinen, in der üblichen Hockstellung des Julüs) sitzen, wie es ihm 
möglich ist. 

Ansonsten werden zwei Grundformen des Sitzens (bei den Männern) 
unterschieden: 

i. Tawarruk (von „Wirk", „Hüfte", wörtl.: „sich in Hüftneigung set- 
zen"). Diese Form besteht darin, daß der Sitzende mit untergeschlagenen 
Beinen auf dem Boden sitzt, den rechten Fuß mit den Zehenspitzen 
aufstützt, so daß die Zehenspitzen nach vorn in Qibla-Kichtung weisen, 
den linken Unterschenkel aber so weit schräg nach rechts bringt, bis 
der linke ausgestreckte Fuß unter dem rechten (etwas erhöhten) Unter- 
schenkel zu liegen kommt. Dabei sitzt der Betende notwendigerweise 
etwas nach links geneigt. 



344 HANDBUCH ISLAM 

2. Ifiiräsh (wörtl: „sich (mit den Unterschenkeln) ausgestreckt halten"). 
Dabei bleibt der linke Unterschenkel flach in Längsrichtung ausgesteckt, 
daß man mit dem Hinterteil auf dem ausgestreckten linken Fuß (bzw. 
der Fußsohle davon) zu sitzen kommt. Der rechte Fuß und der rechte 
Unterschenkel sind etwas rechts neben dem Hinterteil, nicht darunter 
gehalten, und der rechte Fuß ist auf den Zehen aufgestützt, die nach 
vorn in Q^/fl-Richtung gerichtet sind. 

Für die Frau gibt es bei der Hanafiya eine spezielle Form des Tawarruk, 
bei der die Frau die beiden Oberschenkel so annähert, daß der rechte 
Unterschenkel etwas auf dem linken liegt, sie auf dem linken Fuß sitzt 
und der rechte Fuß - ohne Aufstützen - etwas nach rechts schräg seit- 
lich des Hinterteils zu liegen kommt. 

Bei den anderen Schulen wird keine spezielle Form für die Frauen 
vorgegeben, wenngleich das Aufstützen des rechten Fußes für Frauen 
allgemein keine Sunna darstellt. 



Hanafiya 

Für Männer ist während eines jeden Sitzens die Ifiiräsh-Form die be- 
vorzugte Sunna; für die Frau ist die spezielle Tawarruk-Form für Frau- 
en Sunna. 



Mälikiya 

Für Männer ist die Tawarruk-Form bei jedem Sitzen Sunna, wobei aber 
nur der rechte große Zeh, nicht alle Zehen des rechten Fußes, aufge- 
stützt werden. 



Shäfi'iya 

Ifiiräsh ist für jedes Sitzen des Mannes im Gebet Sunna, nur beim letz- 
ten Sitzen soll man als bevorzugte Sunna die Tawarruk-Form wählen. 
Wenn man zum zweiten Mal sitzt, aber schon die Absicht zum Sigüd 
li s-Sahuw gefaßt hat, sitzt man in Ifiiräsh-Form und nimmt dann - 
nach der Durchführung des Sujüd li s-Sahuw - die Tawarruk-Form ein. 



Hanbaliya 

Allgemein ist für Männer die Ifiiräsh-Form Sunna, außer im letzten 

Sitzen in Drei- und Yicr-Rak ^-Gebeten: dort ist Tawarruk die beste 

Sitzform. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 345 

§60 

DIE HINWEISENDE GESTE WÄHREND DES TASHAHHUD 

Hierzu bestehen unterschiedliche Überlieferungen, die von den verschie- 
denen Madhähib jeweils vertreten werden. 

Hanafiya 

Sobald man an den Teil der Shahäda im Tashahhud {...lä iläha illä lläh ...) 
angelangt ist, erhebt man den Zeigefinger der rechten Hand, indem 
man ihn leicht gekrümmt hält, so als wäre er gebrochen (das heißt er 
wird nicht gerade ausgestreckt), und die anderen Finger - außer dem 
Daumen - unter die Handfläche bringt. Direkt nach der Shahäda wird 
der Finger wieder gesenkt und die Hand flach auf den Oberschenkel 
gelegt. 

Shäfi'iya 

Bei der Shahäda im Tashahhud wird der rechte Zeigefinger gerade aus- 
gestreckt, und man blickt während des Tashahhud auf den ausgestreck- 
ten Zeigefinger, wobei alle anderen Finger außer dem Daumen unter 
die Handfläche gelegt werden. Der Zeigefinger wird so lange ausge- 
streckt gehalten, bis der Tashahhud zu Ende ist und man sich in den 
Qjyäm erhebt bzw. den Saläm gibt. Dabei ist es am besten, wenn der 
Daumen zugleich auch dicht an die Handkante angedrückt wird. 

Mälikiya 

Bei der Shahäda im Tashahhud Wird der rechte Zeigefinger ausgestreckt 
und ansonsten wird er während des gesamten Tashahhud mittelschnell 
hin- und herbewegt, von rechts nach links bzw. in leicht kreisenden 
Bewegungen bewegt, wobei alle anderen Finger fest unter der Hand- 
fläche zusammengehalten werden. 

Hanbaliya 

Rechter Daumen und Mittelfinger werden bei der Shahäda zusam- 
mengetan, daß etwa eine Kreisform von den beiden Fingern gebildet 
wird, und der Zeigefinger wird während des Shahäda-Teih und (gege- 
benenfalls) des Du'ä's danach gerade gestreckt gehalten, ohne Bewe- 
gung. Die übrigen Finger werden währenddessen unter den Hand- 
ballen gebracht. 



34-6 HANDBUCH ISLAM 

§61 

WIE MAN DEN SGHLUSSGRUSS (SALÄM) GIBT 

Nach der Hanbaliya ist der beiderseitige Saläm eine /<W-Handlung, nach 
den anderen Schulen ist der Fard-Ttil nur der Saläm nach rechts, der 
andere Sunna. Dabei wendet sich der Betende jeweils so weit nach rechts 
bzw. links, daß man seine Wange gut von hinten her betrachtet sehen 
kann. Der Betende wendet sich in einem Mal zuerst nach rechts, dann 
nach links, ohne zwischendurch den Blick bzw. die Kopfbewegung an- 
zuhalten. 

Mälikiya 

Der Betende wendet den Blick zunächst in QzWö-Richtung, dann nach 

rechts, dann wieder in Qz7»/ö-Richtung, dann nach links. 

Hanafiya 

Nach der Hanafiya vollzieht der Ma'müm etwa gleichzeitig mit dem 
Imäm den Saläm. 

Nach den anderen Madhähib jedoch wartet der Ma'müm, bis der Imäm 
auch den zweiten Saläm gegeben hat, bevor er selbst den eigenen ersten 
Schlußgruß vollzieht. 

§62 

DIE ABSICHT (NIYA) DES BETENDEN BEIM SGHLUSSGRUSS 

Hanafiya 

Es ist Sunna, daß der Betende, wenn er Imäm ist, beim Schlußgruß (Saläm) 
in dem Teil „as-Salämu 'alaikum" (der Friede sei mit euch) beabsichtigt, 
die anwesenden betenden Menschen, Engel und (muslimischen) Jinn zu 
grüßen. 

Betet er hinter dem Imäm (Ma'müm), ist es für ihn Sunna, die Betenden 
und den Imäm in den Gruß einzuschließen; ist er Munfarid, die Schutzen- 
gel zu grüßen. 

Shäfi'iya 

Es ist Sunna, beim Saläm zu beabsichtigen, die gläubigen Menschen, Jmw 
und die Engel zu begrüßen und zu beabsichtigen, eines jeden Gruß zu 
erwidern, sei er Mitbeter oder Imäm oder sonstwer. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 347 

Hanbaliya 

Es ist Sunna, beim Saläm den Austritt aus dem Gebet zu beabsichtigen. 
Wenn er dabei auch den Gruß für die Schutzengel und die anwesenden 
Gläubigen mitbeabsichtigt, ist das in Ordnung und zulässig, doch ist es 
keine Sunna, eben nur das Letztgenannte zu beabsichtigen. 

Malikiya 

Es ist mandüb, daß der Betende bei dem ersten Saläm beabsichtigt, aus 
dem Gebet auszutreten, und die Engel zu grüßen, falls er kein Imäm ist. 
Ist er Imäm, ist es mandüb, den Austritt aus dem Gebet, das Grüßen der 
Engel und das Grüßen der Nachbeter zu beabsichtigen. 



§6 3 

DAS BITTEN UM SEGEN FÜR DEN PROPHETEN^ 
NACH DEM TEXT DES LETZTEN TASHAHHUD " 

Sofern es nach der jeweiligen Madhhab- Ansicht nicht schon zum Pflicht- 
bereich des Tashahhud dazugehört, wird es als Sunna betrachtet, nach 
dem letzten Tashahhud den Segen für den Propheten ^g£ in folgender 
Formen zu sprechen: 

Allähumma salli { alä Muhammadin wa ( alä äli Muhammad 
kamä sallaita s alä Ibrähima wa ( alä äli Ibrahim 
wa bärik 'alä Muhammadin wa ( alä äli Muhammad 
kamä bärakta c alä Ibrähima wa ( alä äli Ibrahim 
innaka hamidun majid 

O Gott, segne Muhammad und die Familie Muhammads, 
wie Du auch Ibrahim gesegnet hast und die Familie Ibrahims, 
und gib Segenskraft Muhammad und der Familie Muhammads, 
wie Du Ibrahim Segenskraft gegeben hast und der Familie Ibrahims. 
Wahrlich, Du bist lobenswert, rühmenswert. 



Hanafiya 

Die bevorzugte Form des Segens ist: 

Allähumma salli 'alä Muhammadin wa c alä äli Muhammad 
kamä sallaita 'alä Ibrähima wa { alä äli Ibrahim 



348 HANDBUCH ISLAM 

innaka hamidun majid 

wa bärik ( alä Muhammadin wa c alä äli Muhammad 
kamä bärakta ( alä Ibrähima wa 'alä äli Ibrahim 
innaka hamidun majid 

O Gott, segne Muhammad und die Familie Muhammads, 

wie Du auch Ibrahim gesegnet hast und die Familie Ibrahims. 

Wahrlich, Du bist lobenswert, rühmenswert. 

Und gib Segenskraft Muhammad und der Familie Muhammads, 

wie Du Ibrahim Segenskraft gegeben hast und der Familie Ibrahims. 

Wahrlich, Du bist lobenswert, rühmenswert. 

Shäfi'iya und Hanbaliya 
Der Segen für den Propheten ^£ ist nach dem letzten Tashahhud Fard, 
nicht nur Sunna. 



§64 



Sobald der letzte Tashahhud einschließlich des Segens für den Propheten 
Jg£ beendet ist, ist es noch Sunna, passende Koranverse als Du'ä' zu rezi- 
tieren. Üblicherweise werden die folgenden Stücke gewählt: 

Rabbanä ätinäfi d-dunyä hasanatan 
wafi l-äkhirati hasanatan 
wa qinä 'adhäba n-när. 

„O unser Herr, gib uns im Diesseits Gutes 

und im Jenseits Gutes 

und behüte uns vor der Strafe des [Höllen-]Feuers." 

Rabbi ghfir liwa li wälidayya 
wa li l-mu'minina 
yaumayaqümu l-hisäb. 

„Mein Herr, vergib mir und meinen Eltern 

und den Gläubigen 

am Tag, an dem die Abrechnung [des Jüngsten Tages] stattfindet." 



BUCH ÜBER DAS GEBET 349 

KAPITEL 10 

EINZELVORSTELLUNGEN 

DER WICHTIGSTEN MAKRÜHÄT 

(DER DINGE, DIE IM GEBET MAKRÜH SIND) 

§65 

IN SEINEM BART, SEINEM GESICHT 
ODER IN SEINER KLEIDUNG HERUMZUFINGERN 

Das heißt, die Finger durch Haarsträhnen oder Tuchfalten zu ziehen, 
in seinem Gesicht herumzuwischen usw. Wenn das aber aufgrund ei- 
ner Notwendigkeit geschieht, ist das nicht makrüh: etwa, um Staub oder 
Schweiß abzuwischen. 



§66 

WÄHREND DES GEBETES MIT DEN FINGERN 
ZU KNACKEN ODER SIE INEINANDER ZU VERSCHRÄNKEN 

Dies ist allgemein makrüh. 

§67 

DIE HAND AN DIE HÜFTE ZU LEGEN 

Dies ist allgemein makrüh. 



§68 

DEN BLICK ODER SICH IM GANZEN 
VON DER QIBLA-RICHTUNG ABZUWENDEN 

Allgemein ist es makrüh, im Gebet ohne Notwendigkeit den Blick von 
der Q^/a-Richtung abzuwenden. 



35° HANDBUCH ISLAM 

Hanafiya 

Sich mit dem Nacken und dem Blick abzuwenden ist makrüh; den 
Blick durch bloße Augenwendung nach rechts oder links abzuwen- 
den ist aber nicht makrüh, sondern mubäh. Wendet man sich mit der 
Brust für die Dauer eines ganzen Rukn aus der Qibla-Kichtung ab, so 
wird dadurch das Gebet zunichte. 

Shäfi'iya 

Sich mit dem Gesicht abzuwenden ist makrüh, sich aber mit der Brust 

von der Qjbla abzuwenden macht das Gebet zunichte. 

Mälikiya 

Solange nur die Füße in QzWa-Richtung gewandt bleiben, bleibt das 

Gebet gültig - selbst wenn man sich mit der Brust abwendet. 

Hanbaliya 

Ein Abwenden des Blickes aus der QzÄ/a-Richtung ist absolut makrüh, 

ein Abwenden mit dem Oberkörper macht das Gebet zunichte. 

§69 

DIE ÄRMEL ZURÜGKZUSTREIFEN 

Dies ist allgemein makrüh. Lediglich die Mälikiya nimmt hier den Fall aus, 
daß jemand vor dem Eintritt ins Gebet das bereits getan hat: 

In diesem Fall ist das Zurückstreifen der Ärmel nach der Mälikiya 
nicht makrüh. 



§ 70 

HINWEISENDE GESTEN IM GEBET 

Eine hinweisende Geste mit Auge, Augenbraue oder Handfläche usw. 
ist nur dann nicht makrüh, wenn es aufgrund einer Notwendigkeit ge- 
schieht, wie der Erwiderung eines Grußes. Dies ist so nach Ansicht der 
Shäfi'iya und Hanbaliya. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 351 

Hanafiya 

Die hinweisende Geste - selbst zur Erwiderung des Grußes - ist makrüh, 
außer, wenn es getan wird, um einen Vorübergehenden am Durchge- 
hen durch die Sutra zu hindern. 

Mälikiya 

Die Erwiderung des Grußes mit Kopfnicken oder leichtem Handzei- 
chen ist im Gebet wäjib, aber ein großes Zeichengeben ist verboten. 
Ein Zeichen bei Niesen eines anderen aber ist makrüh. 



§ 7* 

ZURÜCKSTREICHEN DES HAARES 

Wenn jemand das beim Eintritt in das Gebet tut oder während des 
Gebetes, so ist das makrüh. Wenn es aber dauernd geschieht, wird da- 
durch nach Meinung der Madhähib außer der Mälikiya das Gebet zu- 
nichte. Die Mälikiya hält das Zurücksteeichen des Haares allgemein für 
makrüh, solange es nicht zur Herabsetzung des Gebetes geschieht. 



§ 72 

ANHEBEN ODER RAFFEN VON KLEIDUNG 
WÄHREND DES GEBETES 

Dies gilt allgemein als makrüh. Allerdings muß hier die Notwendigkeit 
bei dichter Menschenansammlung ausgenommen werden, wenn be- 
fürchtet wird, daß jemand sich so auf das Kleidungsstück stellt, daß 
man selbst nicht mehr aufstehen kann usw. 



§ 73 

EINSEITIGES TRAGEN VON KLEIDUNG 
AUF NUR EINER SCHULTER 

Das ist makrüh] etwa bei Kleidung, die so gearbeitet ist, daß eine Schul- 
ter frei bleibt, die andere bedeckt, oder wenn man absichtlich eine an- 
dere Kleidung so - etwa mit einem Schal oder Mantel — anzieht. 



352 HANDBUCH ISLAM 

Ausgenommen ist hier das entsprechende Tragen des Pilgergewandes 
beim männlichen Pilger während des Hajj bzw. der 'Umra. 

Ausgenommen ist hier des weiteren nach Meinung der Mälikiya und 
Shäfi'iya ein regelrechter Mantel. Bei einem solchen meint die Mälikiya, 
daß ein einseitiges Überlegen auf eine Schulter - meist am Halsbereich 
befestigt - für einen Imäm im Gebet Sunna und mandüb ist. 

Die Shäfi'iya erwähnt schlicht gar nicht, daß daran etwas makrüh sein 
sollte. 



§ 74 

BEDECKEN DES MUNDES 

Das ist allgemein bei Männern im Gebet makrüh, ausgenommen, daß 
ein Entschuldigungsgrund vorliegt (etwa, wenn sich ein Tuch gelöst 
und vor den Mund gelegt hat). 

§ 75 

EINE SURE WÄHREND DES RUKÜ' ZU ENDE ZU REZITIEREN 

Das ist übereinstimmend makrüh bei einer Sure außer der Fätiha. Bezüg- 
lich der Fätiha meinen die Rechtsschulen außer der Hanafiya, daß da- 
durch, daß sie im Rukü' rezitiert wird, das ganze Gebet ungültig wird. 
Die Hanafiya jedoch hält das nur für makrüh, da es sich ihrer Ansicht 
nach bei der jFÄ&Aö-Rezitation nicht um einen Fard-Teil, sondern um 
ein Wäjib handelt. 



§76 



AN FALSCHER STELLE GESPROCHEN WIRD 

Nach allgemeiner Ansicht ist das makrüh; etwa, wenn jemand nach dem 
Sich-Auf richten aus dem Ruku' „Allähu akbar" sagt. 

Nach der Hanbaliya macht das, wenn es absichtlich geschieht, das 
Gebet ungültig, und erfordert einen Sujüd li s-Sahuw, wenn es versehent- 
lich geschah. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 353 

§ 77 

DIE AUGEN ZU SGHLIESSEN 

Das ist dann in Übereinstimmung der Gelehrten makrüh, wenn kein 
Entschuldigungsgrund vorliegt (Staub im Auge usw.). 

§78 

DEN BLICK ZUM HIMMEL ZU ERHEBEN 

Dies ist absolut makrüh nach Ansicht von Hanafiya und Shäfi'iya. 

Mälikiya 

Wenn dies zur Ermahnung und als Hinweis bei Äyät geschieht, die 
sich mit dem Himmel (Samä 3 ) beschäftigen, ist das nicht makrüh. 

Hanbaliya 

Wenn man dazu körperlich gezwungen ist, weil man zum Beispiel 
aufstoßen muß, ist das nicht makrüh. 



§ 79 

REZITATION IN ANDERER REIHENFOLGE 
ALS DER NORMALEN DER SUREN IM QUR'ÄN 

Wenn jemand etwa zuerst „al~Käfirün" und dann „al- { Asr" rezitiert (also 
in der umgekehrten Reihenfolge, wie sie im Mushqf stehen), so gilt das 
als makrüh; ebenso ist es bei Fard- und JVö/z/ö-Gebeten makrüh^ wenn eine 
einzige Sure in einer oder mehr Rak'as desselben Gebetes wiederholt 
wird. 

Hanafiya 

Eine Wiederholung einer Sure ist in der beschriebenen Art in Näfüa- 
Gebeten nicht makrüh. 

Hanbaliya 

Eine bloße Wiederholung einer Sure ist nicht makrüh; nur die Fätiha 
innerhalb einer Rak ( a zu wiederholen ist makrüh. 



354 HANDBUCH ISLAM 

§80 

DAS GEBET IN RICHTUNG 
EINES FEUERS ODER FEUERBEGKENS USW. 

Das ist makrüh, weil dadurch eine gewisse Ähnlichkeit zu den Gottes- 
diensten der Zoroastrier entsteht. 

Shafi'iya 

Das wird nicht als makrüh angesehen bzw. als solches aufgeführt. 
(Wahrscheinlich, weil eine derartige bewußte Handlung ohnehin Kufr 
ist und eine derartige unbeabsichtigte Handlung als wertfrei betrach- 
tet wurde). 



§81 

DAS GEBET AN EINEM ORT, 
WO SICH ABBILDUNGEN BEFINDEN 

Gemeint sind hier Abbildungen von Menschen und Tieren (auch Fa- 
belwesen, die „lebensecht" dargestellt sind). 

Bei Shafi'iya und Mälikiya ist ein Gebet an einem Ort, wo solche Bilder 
sind, dann makrüh, wenn sie sich vor dem Betenden befinden und er 
dadurch vom Gebet abgelenkt wird, sonst nicht. 

Hanafiya 

Das Gebet in einem Raum usw. mit Abbildungen ist generell und 
absolut makrüh, selbst dann, wenn man dadurch nicht im Gebet abge- 
lenkt wird. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob diese Abbildungen 
über, neben, vor oder hinter dem Betenden sind. 

Am meisten ist es makrüh, wenn eine Abbildung vor dem Betenden 
ist, dann, wenn sie über ihm, dann, wenn sie unterhalb seines Kopfes 
ist, dann, wenn sie rechts von ihm, dann, wenn sie links von ihm ist, 
und schließlich, wenn sie hinter ihm ist. 

Wenn eine Abbildung sehr klein ist (etwa auf einer Münze), so daß 
man bewußt hinsehen muß, um sie als solche zu erkennen, so schadet 
die Anwesenheit jenes Bildes nicht; auch ist es nicht makrüh, wenn die 
betreffende Abbildung keinen Kopf mehr hat. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 355 

Hanbaliya 

Ist eine Abbildung vor dem Betenden, so ist das makrüh, auch wenn 
die Abbildung extrem klein ist; ist diese Abbildung aber hinter oder 
neben oder über dem Betenden, so spielt das keine Rolle. 



§8 2 

DAS GEBET HINTER EINER GEBETSREIHE, 
IN DER NOCH EINE LÜCKE IST 

In Übereinstimmung der Rechtsschulen außer der Hanbaliya ist das Ge- 
bet hinter einer Reihe, in der noch eine Lücke ist, in die sich der Ma'müm 
noch einfügen könnte, makrüh. 

Hanbaliya 

Wenn es sich nur um eine einzige Person handelt, die einzeln hinter 
der betreffenden Reihe betet, so ist das Gebet dieses Ma'müm ungül- 
tig; ist er aber noch mit anderen in Form einer anderen Reihe hinter 
dieser Reihe mit Lücke vor ihm, so ist für jeden der betreffenden 
Nachbeter der dahinterliegenden Reihe das Nicht-Auffüllen der Rei- 
he im Gebet makrüh. 



§83 

DAS GEBET AN ORTEN ZU VERRICHTEN, 
WO SCHMUTZ ODER MENSCHENANSAMMLUNGEN SIND 

Es ist nach Ansicht der Hanaßya und Shäfi'iya ein Makrüh, an folgenden 
Orten zu beten: 

• an Orten, wo Müll gelagert wird bzw. sich befindet 

• mitten auf einer (vielbegangenen) Straße 

• in einem öffentlichen Bad 

• an einem Lager- und Tränkplatz von Lastkamelen l6 ° 

• an und in Schlachthäusern bzw. -platzen 

• und derartigen Orten, wo man mit Schmutz und Najäsa rechnen muß. 

Dies auch dann, wenn man nach oberflächlichem Betrachten sicher 
sein kann, daß keine Najäsa (sichtbar) vorhanden ist. 



35^ HANDBUCH ISLAM 

Mälikiya 

An diesen Orten ist das Beten ohne Makrüh zulässig, wenn man sicher 

sein kann, daß keine Najäsa vorhanden ist. 

Hat man aber die Gewißheit oder auch die starke Vermutung, daß 
dort Najäsa vorhanden ist, so ist ein dort durchgeführtes Gebet ungül- 
tig (bätil). 

Wenn an diesen Orten (abgesehen von der Mitte eines Weges, ei- 
ner Straße, wenn dort wegen Enge und Überfüllung einer Moschee 
gebetet wird) ein Gebet verrichtet wird und man nur leicht im Zwei- 
fel ist, ob Najäsa vorhanden ist, so muß das Gebet nicht wiederholt 
werden. 

Ein an Tränk- und Verpflegungsplätzen der Kamele jedoch verrich- 
tetes Gebet soll innerhalb der Gebetszeit wiederholt werden (weil ein 
solches Gebet an diesem Ort, wo fast überall Najäsa ist, zu verrichten 
makrüh ist). An den reinen Rastplätzen der Kamele jedoch ist das Be- 
ten nicht makrüh, wenn man sich sicher ist, daß am betreffenden Gebets - 
ort keine Najäsa vorhanden ist. 

Hanbaliya 

Ein Beten an diesen Orten ist haräm und ungültig [bätil) - es sei denn, 
daß ein Entschuldigungsgrund ( e Udhr) vorliegt, etwa, wenn jemand 
dort festgehalten oder eingeschlossen ist. 



§84 

DAS BETEN AUF EINEM FRIEDHOF ODER BEI GRÄBERN 

Das Beten auf einem Friedhof oder bei Gräbern wird je nach Umstän- 
den und Rechtsschulen verschieden beurteilt. 

Hanafiya 

Es ist dann makrüh, bei einem Grab zu beten, wenn der Betende dieses 
Grab vor sich hat; wenn er sich aber neben, über oder unter (bei 
Katakomben, Grüften usw.) diesem Grab befindet, so ist das nach 
der vorherrschenden Afö</Mö£-Meinung nicht makrüh. 
Das Gebet bei Gräbern der Propheten ist aber allgemein nicht makrüh. 

Hanbaliya 

Das Gebet auf Friedhöfen (das heißt an Orten, die mehr als drei Grä- 
ber aufweisen) ist makrüh. Wenn aber nur ein oder zwei Gräber vor- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 357 

handen sind - und der Betende sich nicht bei Einnehmen der Qibla- 
Richtung direkt vor eines der Gräber stellt, ist das Gebet gültig, und 
selbst wenn er sich vor das Grab stellt, ist das Gebet makrüh, aber gültig. 

Shäfi'iya 

Das Gebet bei Friedhöfen mit Abdeckung der Gräber ist makrüh, egal, 
wo sich der Betende bezüglich des Grabes nun befindet: davor, da- 
hinter, daneben usw. 

Das Gebet bei den Gräbern der Propheten aber ist nicht makrüh, 
unter der Bedingung, daß die damit verbundene Würdigung des Gra- 
bes (bzw. des darin Bestatteten) nicht mit dessen Anbetung verbun- 
den ist. In einem solchen Fall wäre das Gebet haräm. 

Das Verrichten von Gebeten bei nicht abgedeckten Gräbern ist aber 
ungültig (bätil), weil dabei die Möglichkeit von Najäsa nicht ausge- 
schlossen ist. 

Mälikiya 

Das Gebet bei Gräbern ist ohne makrüh zu sein gültig, wenn man die 
Möglichkeit von Najäsa ausgeschlossen hat. Im übrigen gilt, was schon 
weiter oben zum Gebet an unreinen Orten gesagt wurde. 



KAPITELL I I 

WAS DAS GEBET UNGÜLTIG 

WERDEN LÄSST UND WAS NICHT 

(MUBTILÄT AS-SALÄH) 

§85 

ABSICHTLICHES SPRECHEN 
VON WORTEN, DIE NICHT ZUM GEBET GEHÖREN 

Allgemein 

Grundsätzlich gilt, daß jegliches Sprechen, das nicht zum Wortlaut des 
Gebets gehört, das Gebet ungültig macht (ein Mubtil as-Saläh ist). Als 
Maß wird hier das Sprechen zweier Konsonanten (wie Ha-Ha) genom- 
men. 



35^ HANDBUCH ISLAM 

Hier werden aber bestimmte Fälle besonders betrachtet, etwa, wenn 
man einen Imäm vor einem Fehler im Gebet warnen will, und anderes. 



Das richtige Hinweisen 
seitens eines Ma'müm für den Imäm 

Dies kommt dem Ma'müm unter verschiedenen Bedingungen zu: 

1 . Wenn der Imäm in der Rezitation Fehler macht oder steckenbleibt 
und unvermittelt mit der Rezitation aufhört - er die betreffende Aya 
oder Vers stelle laut ausspricht. Dabei muß der Ma'müm aber die Ab- 
sicht fassen, nicht selbst zu rezitieren, sondern dem Imäm zu helfen, 
und der Ma'müm darf dabei nicht in der regelrechten Rezitations Stimm- 
lage rezitieren, sondern muß die Stellle wie einen normalen Aussage- 
satz sprechen. Das kommt grundsätzlich Männern und Frauen zu, 
aber wenn möglich sollen Männer diese Sprechhilfe übernehmen. 

2. Wenn der Imäm einen Fehler außerhalb der Rezitation macht, etwa 
einen Rukü' ausläßt bzw. vergißt, dann soll der Ma'müm laut „Subhäna 
lläh" sagen. (Dies wird Tasbih des Ma'müm genannt). 

Frauen sollen statt dessen aber einmal in die Hände klatschen. 



Hinweisende Worte, um das Gebet gültig bleiben zu lassen 

Wenn man bemerkt, daß der Imäm einen Fehler macht bzw. gerade 
gemacht hat, und man als Ma'müm sagt: „Du hast gerade das und das 
vergessen", so wird - außer nach der Mälikiya - das Gebet ungültig. 

Mälikiya 

Grundsätzlich wird das Gebet dadurch weder vor noch nach dem 

Saläm ungültig. 

Unter zwei Bedingungen wird dadurch das Gebet nicht ungültig: 

1 . Daß es nicht viele Worte sind (gemäß dem ( Urf). 

2. Daß der Imäm den Hinweis durch einen Tasbih („Subhäna lläh u ) nicht 
versteht. 

Sprechen zur Rettung aus einer Notlage 

Wenn man etwas spricht oder ruft, um jemanden zu retten - etwa 
einen Blinden, der in eine Grube zu stürzen droht usw. -, so wird da- 
durch das Gebet zunichte. In einer solchen Lage muß man natürlich 
das Gebet unterbrechen und später wiederholen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 359 

Unabsichtliches Sprechen 

Bei Hanafiya und Hanbaliya ist auch versehentliches Sprechen von nicht 
zum Gebet Gehörendem im Gebet Mubtil as-Saläh (macht das Gebet 
ungültig). 

Shäfi'iya 

Wenn versehentlich sechs oder mehr kurze Worte im Gebet gespro- 
chen werden, wird das Gebet nicht ungültig, ob das nun vor oder 
nach dem ersten Saläm geschieht. 

Mälikiya 

Die Meinung ist hier wie die der Shäji'iya, nur wird keine feste Wort- 
anzahl festgelegt: die Worte sollen aber sehr kurz und insgesamt nur 
wenige sein, gemäß dem jeweiligen f {/^Verständnis. 

Wenn man aus fehlerhaftem Versehen ein dem Gebet fremdes Wort 
sagt, was nicht zur Rezitation im Qjyäm bzw. zum Du'ä' gehört, so wird 
das Gebet — außer nach Ansicht der Hanafiya - nicht zunichte. Nach 
der Hanafiya aber macht bereits ein einziges Wort dieser Art das Gebet 
zunichte. 

Laute hervorbringendes Gähnen oder Stöhnen 

Wenn jemand im Gebet laut gähnt oder stöhnt usw. und dabei regel- 
rechte Konsonanten herauszuhören sind, so ist das Gebet ungültig. 
Davon ist der Fall ausgenommen, daß jemand das wegen Krankheit 
oder wegen Ergriffenheit im Gebet tut, ohne es als solches zu wollen 
und ohne zugleich es verhindert zu können. 
Dies gilt bei Hanafiya und Hanbaliya. 

Mälikiya 

Das Stöhnen aus Ergriffenheit usw. macht das Gebet generell nicht 
zunichte. Doch ein langanhaltendes Stöhnen wegen Schmerzen - bei 
dem Laute, Konsonanten - zu hören sind, macht das Gebet ungültig. 
Wenn das aber aus Versehen oder ohne Bewußtsein dessen geschieht, 
bleibt das Gebet doch gültig. 

Shäfi'iya 

Wenn man diese Laute nicht unterdrücken kann und davon überwäl- 
tigt wird, die Anzahl der Laute aber gering ist, bleibt das Gebet gültig. 
Wenn man aber durch diese Laute überwältigt wird, obwohl man sie 
hätte unterdrücken können, sind auch wenige Laute Mubtil as-Saläh. 



360 HANDBUCH ISLAM 

Das Sprechen eines Du'ä's, 
das der Sprache außerhalb des Gebets entspricht 

Wenn man kein überliefertes Du f ä 3 spricht, sondern im Sujüd zum Bei- 
spiel ein Du ( ä\ in dem man um den Segen Gottes, Versorgung der Fa- 
milie und Rechtleitung bittet, ist das korrekt. Wenn man aber um Din- 
ge wie Heirat, Genüsse im Diesseits bittet bzw. allgemein in der Form 
des Du l ä 3 von den überlieferten und empfohlenen Grundformen ab- 
weicht, wird dadurch das Gebet zunichte. 

Dem Niesenden die Genesung 
und Barmherzigkeit Gottes zu wünschen (Tashmit) 

In Übereinstimmung gilt: Wenn man in direkter Ansprache im Gebet 
als Betender ein Niesen hört und sagt: „Rahimaka lläh" („Gott sei dir 
barmherzig"), so wird dadurch das Gebet ungültig. 

Nach der Shäfi'iya und Hanbaliya bleibt das Gebet aber gültig, wenn 
der Betende einem Niesenden in der Form „Rahimahu lläh" („Gott sei 
ihm barmherzig") oder „Rahimana lläh" („Gott sei uns barmherzig") Ge- 
nesung wünscht. 

Nach der Hanaßya und Mälikiya jedoch wird durch ein solches Aus- 
sprechen das Gebet des Sprechers ungültig. 

Erwiderung des Saläms im Gebet 

Im Gebet durch die Worte „as-Salämu 'alaihum" bzw. „wa 'alaikumu s- 
Saläm" einen Saläm zu erwidern, macht das Gebet zunichte. 

Auch wird nach den Madhähib außer der Mälikiya hier von einem Be- 
tenden kein Erwidern des Grußes überhaupt erwartet oder gefordert. 

Nach der Mälikiya muß jedoch der Gruß - am besten durch ein Kopf- 
nicken oder leichtes Handzeichen - erwidert werden. 



§86 

VIEL HANDELN IM GEBET, 
WAS NIGHT ZUR ART DES GEBETS GEHÖRT 

Durch solches Handeln wird das Gebet zunichte: etwa mehrere Schrit- 
te zu gehen, viel hin- und herzublicken oder dergleichen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 36 I 

§87 

ABWENDEN VON DER QIBLA-RICHTUNG 

Allgemein wird das Gebet durch Abwenden des Betenden aus der Qibla- 
Richtung ungültig. Doch die genaue Grenze bei derartigen Handlun- 
gen ist unterschiedlich. 

Mälikiya 

Erst wenn die Füße aus der (M/ö-Richtung abgewendet werden, ist 
das Gebet ungültig. 

Hanbaliya 

Erst das Abwenden des ganzen Körpers macht das Gebet zunichte. 

Hanafiya 

Wenn sich jemand ohne Entschuldigungsgrund ( { Udhr) mit seiner Brust 
für die Dauer eines Rukn von der Qibla abwendet, ist das Gebet ungül- 
tig- 

Shäfi'iya 

Wenn jemand sich aus der Qz'Mfl-Richtung mit seiner Brust abwen- 
det, ist das Gebet ungültig - es sei denn, die Abweichung ist minimal 
und man richtet sich sofort wieder in Qi^/ö-Richtung aus. 

§88 

ABSICHTLICHES ESSEN UND TRINKEN 

Wenn jemand etwas in den Mund bringt oder etwas frei im Mund 
behält und es dann im Gebet verschluckt, gilt das als absichtliches Es- 
sen, sei es viel oder wenig. 

Wenn man aber ins Gebet eintritt, zwischen den Zähnen etwas Essens- 
reste verblieben sind und sich während des Gebetes ohne Einwirkung 
und Absicht des Betenden lösen, so wird das Gebet dadurch nicht un- 
gültig; erst wenn diese im Mund gelösten und verschluckten Reste etwa 
die Größe und Masse einer Kichererbse (etwa 0,8 cm Durchmesser) 
erreichen, gilt das Gebet als ungültig. 

Nach manchen Gelehrten (speziell denen der Hanafiya und Hanbaliya) 
gilt aber bei Zucker- oder Honigresten zwischen den Zähnen, deren 
Geschmack sich im Mund verbreitet, daß sie das Gebet ungültig ma- 



362 HANDBUCH ISLAM 

chen, weil es hier auf den Geschmack als Nutzen, nicht die Nahrungs- 
menge ankommt. 



§89 

WENN DER WUDÜ' IM GEBET ZUNICHTE WIRD 

Allgemein gilt, daß durch Ungültigwerden des Wudü* während des Ge- 
bets (sowie des Tayammum, des Mash auf den Khuffusw.) auch das Gebet 
ungültig wird. 

Hanafiya 

Wenn das vor dem Abschluß des letzten Sitzens und des letzten Ta- 
shahhuds geschieht, ist das Gebet ungültig; nach dem letzten Tashahhud 
jedoch macht auch ein Ungültigwerden des Wudü* das Gebet nicht 
mehr ungültig, nach der in der Hanafiya bevorzugten Aussage. 



§ 90 

WENN DER MA'MÜM DEM IMÄM 
UM EINEN RUKN ZUVORKOMMT 

Dadurch wird das Gebet zunichte, wenn es absichtlich geschieht. Ge- 
schah das aus Versehen, so kehrt der Ma'müm zur Haltung des Imäms 
zurück, und sein Gebet wird dadurch, nach Ansicht der Mälikiya und 
Hanbaliya, nicht ungültig. 

Hanafiya 

Es ist unerheblich, ob das mit oder ohne Absicht geschieht: wichtig 
ist, daß der Ma'müm zur Haltung des Imäms zurückkehrt und mit ihm 
das Gebet korrekt weiter durchführt - sonst ist das Gebet für den 
Ma'müm ungültig. 

Shäfixya 

Erst wenn der Ma'müm ohne Entschuldigungsgrund und ohne es aus 
Vergessen getan zu haben, dem Imäm um zwei Rukn im Gebet zuvor- 
kommt, ist das Gebet des Ma'müm ungültig. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 363 

§ 9 1 

WENN MAN SICH IN EINEM GEBET 
AN EIN ANDERES, IHM ENTGANGENES GEBET ERINNERT 

Sofern der Betende der Ansicht anhängt, daß alle nachzuholenden 
Gebete in der richtigen - das heißt ursprünglichen - Reihenfolge nach- 
geholt werden müssen, gilt ein solches Gebet als ungültig. Das ist etwa 
der Fall, wenn jemand sich beim Beten des ( Asr erinnert, daß er noch 
das £uhr nachholen muß. 

Wenn er aber die Reihenfolge nicht als zwingend erachtet, so bleibt 
für ihn das gerade gebetete Gebet gültig. 

§ 92 

WENN DER MA'MÜM VOR DEM IMÄM DEN SALÄM GIBT 

Wenn der Ma'müm das absichtlich tut, ist sein Gebet ungültig; tut er das 
unabsichtlich bzw. versehentlich, und wartet dann - ohne bzw. ohne 
viel - im bereits erläuterten Sinn - zu sprechen oder zu tun, bis der 
Imäm das Gebet beendet, so bleibt das Gebet gültig. 



KAPITEL I 2 
DAS VORBETEN (IMÄMA) 

§ 93 

ALLGEMEINES ZUR IMÄMA 

„Imäma" bedeutet bezüglich des Gebetes das „Vorbeten", „Imäm" be- 
deutet hier „Vorbeter" und „Ma'müm" „Nachbeter". 

Hier ist gemeint, daß ein Betender sein Gebet als „Nachbeter" mit 
dem Gebet eines anderen (dem des „Vorbeters") in dieser Absicht ver- 
bindet. Dann ist das Gebet des ersten (des Nachbeters) und das des 
Vorbeters eine Einheit und wird als ein gemeinsames Gebet - als „Ge- 
meinschaftsgebet" (Salät al-Jamä'a) - betrachtet. 



364 HANDBUCH ISLAM 

Dabei ist die Absicht entscheidend: der Vorbeter faßt die Absicht, als 
Vorbeter zu beten, die anderen (die Nachbeter) fassen entsprechend 
die Absicht, das Gebet als Nachbeter zu verrichten bzw. beabsichtigen 
das Gebet des Vorbeters. Während des Gemeinschaftsgebets müssen 
sich die Nachbeter nach dem Vorbeter richten, hinsichtlich der Bewe- 
gungen und der sprachlichen Teile des Gebets. 

Der Vorbeter wiederum ist verantwortlich für das Gebet aller: Ist sein 
Gebet ungültig, ist es das auch für alle, die sich ihm als Nachbeter ange- 
schlossen haben. Der Imäm vereinigt gewissermaßen alle Pflichten des 
Gebets in sich: seine Sutra, seine Aura, seine Rezitation müssen korrekt 
sein, und daher muß als Imäm auch jemand gewählt werden, der zur 
korrekten Erfüllung des Gebetes imstande ist. 

In seiner Form ist das Gebet dem Einzelgebet grundsätzlich gleich, 
nur mit dem Unterschied, daß die Schnelligkeit der Bewegungen und 
die Auswahl der (lauten) Rezitation ausschließlich beim Imäm liegt. 163 

Im einzelnen sollen nun die Dinge, die zum Gemeinschaftsgebet und 
zur Imäma gehören, vorgestellt werden. 



§ 94 

DIE GENAUE DEFINITION DER IMÄMA IM GEBET 

Wenn also jemand sein Gebet mit dem eines anderen verbindet, wobei 
er (der Ma'müm) und der Vorbeter (der Imäm) eine entsprechende Ab- 
sicht fassen und die Bedingungen bezüglich des Imäm und Ma'müm er- 
füllt sind, so handelt es sich bei dem Gebet um ein Gemeinschaftsgebet 
[Salät al-Jamä'a). 

Das Gebet als Gemeinschaftsgebet hängt in seiner Gültigkeit nur vom 
Imäm ab. Wird das Gebet des Vorbeters ungültig, ist das Gebet für ihn 
und alle Nachbeter ungültig. Ist das Gebet eines Nachbeters ungültig, 
so ist nur für diesen das Gebet ungültig und muß von ihm nachgeholt 
werden, doch für den Imäm und die anderen Nachbeter gilt das Gebet. 

Ein Gebet gilt bereits als Gemeinschaftsgebet, sobald ein Muslim ei- 
nem anderen als Nachbeter folgt. Beim Freitagsgebet jedoch, das ja 
eine spezielle Art des Gemeinschaftsgebets ist, gibt es unter den Rechts- 
schulen teilweise Bedingungen zu einer höheren Zahl von Nachbetern. 162 

Grundsätzlich kann ein Mann Vorbeter für Männer und Frauen 
sein, eine Frau Vorbeterin für Frauen. Ist ein Kind, das bereits über 
Tamyiz (Unterscheidungsfähigkeit) verfügt, der einzige Nachbeter, ist 
die Imäma nach Meinung der Hanaßya und Shäfi'iya gültig, nicht aber 
nach der Mälikiya und der Hanbaliya, nach deren Ansicht zumindest 



BUCH ÜBER DAS GEBET 365 

ein erwachsener Mann bzw. eine erwachsene Frau Nachbeter sein 
muß. 163 



§ 95 

RECHTLICHE BEDEUTUNG DER IMÄMA 

UND DER FORM DES GEMEINSCHAFTSGEBETS 

INNERHALB DER FÜNF PFLICHTGEBETE 

Die Rechtsschulen stimmen darin überein, daß die Imäma bei den fünf 
Pflichtgebeten sehr erwünscht ist. Es kommt dem einzelnen Betenden 
daher nicht zu, daß er ohne einen bestimmten Entschuldigungsgrund 
allein betet, wenn er die Möglichkeit hat, sein Gebet gemeinsam mit 
anderen zu verrichten. Die Hanbaliya geht sogar darüber hinaus und 
meint, daß die Form des Gemeinschaftsgebets grundsätzlich (unter be- 
stimmten Bedingungen) bei den fünf Pflichtgebeten Fard ( ain ist, doch 
diese Ansicht wird von den übrigen Rechtsschulen abgelehnt. 

Mälikiya 

Innerhalb der Mälikiya werden zwei Meinungen vertreten: die erste, 
daß das Gebet mit Imäma eine Sunna mu'akkada ist, die zweite, daß es 
Fard kifiya ist. Das heißt, daß einige Betende innerhalb der jeweiligen 
Gegend bzw. innerhalb des jeweiligen Landes das Gebet als Gemein- 
schaftsgebet beten müssen, so daß diese Verpflichtung - die Sunna 
des ProphetenJgiJ aufrechtzuerhalten - erfüllt wird. Auch ist es nach 
der Mälikiya ein Mandüb, daß jeder Einzelbetende sich zu der Gebets- 
zeit, in der er sich befindet, in grundsätzlich jeder beliebigen Mo- 
schee einem Pflichtgebet, das als Gemeinschaftsgebet verrichtet wird, 
anschließt. Außerdem ist sowohl das unentschuldigte als auch das 
völlige Unterlassen des Gemeinschaftsgebets nach der Mälikiya eine 
schwere Sünde (gemeint ist: daß jemand niemals das Gemeinschafts- 
gebet ausübt). 

Hanafiya 

Nach der Hanafiya ist die Imäma im Pflicht gebet Sunna c ain bzw. mu'akkada 
bzw. - nach Definition der Hanafiya ~- Wäjib. Grundsätzlich stimmen 
Hanafiten und Mälikiten darin überein, daß das Unterlassen des 
Gemeinschaftsgebets ohne Entschuldigung sündhaft ist, doch meint 
die Hanafiya, daß es sich dabei um eine geringere Sünde handelt als 
die, das Gemeinschaftsgebet völlig zu unterlassen. 



366 HANDBUCH ISLAM 

Shäfi'iya 

Die Ansicht, die bei ihnen vorzugsweise vertreten wird, ist, daß die 
Imäma im Pflichtgebet Fard kißya ist - wie auch bei der Mälikiya. Nach 
anderen Gelehrten der Shäfi'iya wird jedoch auch gesagt, die Imäma sei 
Sunna mu'akkada. 



§96 

RECHTLICHE BEDEUTUNG DER IMÄMA 

UND DER GEMEINSCHAFT BEIM FREITAGSGEBET 

(SALÄT ALJUM'a), DEM TOTENGEBET (SALÄT AL~JANÄZA) 

UND DEN ÜBRIGEN FREIWILLIGEN GEBETEN (NAWÄFIL) 

Mälikiya 
Nach der Mälikiya ist die Imäma beim Freitagsgebet als Bedingung uner- 
läßlich, damit es gültig sein kann. 

Beim Salät al-Kusüf, dem Istisqä' und den beiden Festgebeten ist die 
Gemeinschaftsform (Jamä'a) Bedingung zur Erfüllung der Sunna bei die- 
sen Gebeten. 

Beim Taräwih-Gehet ist die Gemeinschaftsform (Jamä'a) mustahabb. 

Bei den übrigen freiwilligen Gebeten ist die Gemeinschaftsform - je 
nach Umstand - makrüh oder jä'ic 

• makrüh, wenn in der Moschee oder in großer Gemeinschaft oder an 
einem von den Menschen vielbesuchten, öffentlichen Platz gebetet 
wird; 

• jä'iz, wenn dies in Privaträumen oder an abgelegenen Orten ge- 

schieht 164 . 

Hanafiya 
Die Hanafiya sagt dazu, daß die Gemeinschaftsform {Jamä'a) notwendig 
erfüllt sein muß, damit das Freitagsgebet und die beiden Festgebete 
gültig sind. 

Beim Taräwih und dem Totengebet ist die Gemeinschaftsform Sunna 
kifiya 1 ^. 

Bei den Nawäfil ist die Imäma grundsätzlich als makrüh, ebenso wie 
beim J4^r-Gebet außerhalb des Ramadan. Dabei gilt, daß die Gemein- 
schaftsform dann makrüh wird, wenn die Zahl der Nachbeter über drei 
hinausgeht. Beim Witr gibt es andererseits zwei als korrekt angesehene 
Meinungen: 

• daß die Gemeinschaft beim Witr-Gebet mustahabb sei 



BUCH ÜBER DAS GEBET 367 

• daß sie nicht mustahabb, aber zulässig sei (dies gilt als angesehenere 
Meinung). 

Shäfi'iya 

Die Shäfi'iya sagt: In der ersten Rak'a des Freitagsgebets ist die Gemein- 
schaftsform (Jamä'a) Fard 'ain, in der zweiten Sunna. Wenn der Imäm in 
der ersten Rak'a eine Gemeinschaft von Betenden leitet und das Freitags- 
gebet beabsichtigt, dann in der zweiten Rak'a aber innerhalb des Ge- 
bets 166 die Absicht faßt, sich von der Gemeinschaft zu trennen und 
gewissermaßen ein Einzelgebet zu verrichten, so gilt das von ihm begon- 
nene Freitagsgebet dennoch. 

In noch fünf weiteren Fällen ist die Gemeinschaftsform im Gebet 
(Jamä'a) Fard 'ain: 

1. Bei jedem Pflichtgebet, das innerhalb der entsprechenden Zeit noch- 
mals - zum zweiten Mal - gebetet wird, ohne daß es Qadä ' ist. Wenn 
zum Beispiel jemand das ^Ar-Gebet einzeln oder in Gemeinschaft 
verrichtet hat, dann aber das Gebet noch einmal beten will, so darf er 
das nur in einem Gemeinschaftsgebet tun. 

2. Bei in Jörn -Form mit Ta'khir zusammengefaßten Gebeten aufgrund 
von Regen 167 ; dabei besteht die Pficht zur Gemeinschaftsform (Jamä'a) 
nur beim zweiten Gebet darin. Wenn es etwa zu Beginn der ^wÄr-Zeit 
heftig regnet, dann kann jemand in dieser Lage das ^wÄr-Gebet allein 
verrichten, muß aber das 'Asr-Gebet in Gemeinschaftsform beten - 
sonst ist sein gesamtes zusammengefaßtes Beten ungültig. 

3. Bei einem Gebet, bei dem jemand Gott gegenüber das Gelöbnis (Madhr) 
getan hat, es als Gemeinschaftsgebet zu verrichten. Betet er diese Ge- 
bet dann doch als Einzelbetender, ist das JVadhr nicht erfüllt. 

4. Wenn zwei Personen ein Pflichtgebet verrichten wollen und außer 
ihnen beiden niemand dieses bestimmte Gebet verrichtet (zum Bei- 
spiel das £wÄr-Gebet in einer Moschee, wo das Gebet bereits verrich- 
tet wurde), so müssen sie zusammen - in Gemeinschaftsform Jamä'a) 
als Fard - beten. 

5. Sobald jemand ein Gebet verrichten muß und (in der Moschee oder 
einer entsprechenden Räumlichkeit) sieht, wie sich zwei oder mehr 
Personen in den Rukü' beugen usw. - und damit weiß, daß hier ein 
Gemeinschaftsgebet verrichtet wird -, muß er sich dem Vorbeter 
anschließen. 

Bei den beiden Festgebeten, dem Istisqä\ dem Kusüfi Taräwih und Witr 
des Ramadan gilt, daß hier die Gemeinschaftsform Jamä'a) mandüb ist. 
Ebenso ist es bei einem außerhalb der vorgesehenen Zeit {Qadä') ver- 
richteten Gebet. Wenn jemand etwa das £uhr-Gebet nachbeten muß, 



368 HANDBUCH ISLAM 

ist es für ihn mandüb, es in Gemeinschaft - hinter einem Imäm - als 
Qadä 3 zu verrichten. 

Wenn jemandem das Freitagsgebet - bei Vorhandensein einer Ent- 
schuldigung - entgeht, so ist es für ihn mandüb, statt dessen als Ersatz 
das Mittagsgebet in Gemeinschaftsform zu verrichten. 

Bei Gebeten, die in einem JVadhr gelobt worden sind, ist es zulässig, 
sie auch in Gemeinschaftsform zu beten. 

Es ist hingegen makrüh, ein gewöhnlich verrichtetes Gebet innerhalb 
der vorgesehenen Zeit (in Ada') hinter einem Imäm bzw. mit einer 
Gemeinschaft zu verrichten, die das Gebet außerhalb der vorgesehe- 
nen Zeit (in Qadä 3 ) betet, und umgekehrt ist es makrüh, in Qadä' hinter 
eimem Imam bzw. in einer Gemeinschaft zu beten, die in Ada 3 betet. 

Ebenso ist es makrüh, ein i<W-Gebet mit Leuten zu beten, die ein 
Näfila-Gtbti in Jamä'a beten' 68 (und umgekehrt), und Witt zu beten 
hinter Leuten, die Taräwih beten (und umgekehrt). 

Hanbaliya 

Die Hanbaliya sagt: Für das Freitagsgebet ist die Gemeinschaftsform 
erforderlich, und wenn Pflichtgebete außerhalb der vorgesehenen Zeit 
(als Qadä 3 ) verrichtet werden, ist es für Männer, die frei und dazu in 
der Lage sind, Sunna, so wie auch beim Totengebet die Gemeinschafts- 
form Sunna ist. 

Bei Wiz/z/ö-Gebeten aber gibt es solche, bei denen die Gemeinschafts- 
form Sunna ist (wie beim Istisqä 3 , dem Taräwih und den beiden Fest- 
gebeten), und andere, wo die Gemeinschaftsform unzulässig ist (wie 
beim Tahajjud und den Rätiba-Gthticn vor bzw. nach den Pflicht- 
gebeten). 



§ 97 

DIE BEDINGUNGEN ZUR IMÄMA 

Zugehörigkeit zum Islam 

Die Zugehörigkeit zum Islam ist bei völliger Übereinstimmung der Ge- 
lehrten notwendige Bedingung, damit die Imäma eines Imäm gültig sein 
kann. 

Wenn also zum Beispiel ein Mann behauptet, Muslim zu sein, und es 
zunächst keinen Grund gibt, daran zu zweifeln, und man hinter ihm 
als Imäm ein Gebet verrichtet, später aber deutlich wird, daß er ein Un- 
gläubiger im Sinne des Islam ist, ist das Gebet, das er und diejenigen 



BUCH ÜBER DAS GEBET 369 

hinter ihm gebetet haben, ungültig. In diesem Fall muß von den Nach- 
betern das Gebet wiederholt werden. 

Körperliche und geistige Reife (Bulügh) 

Das Vorhandensein der körperlichen und geistigen Reife (Bulügh) ist 
notwendig, damit die Imäma gültig ist. So ist die Imäma eines Kindes, 
das über Unterscheidungsvermögen (Tamyiz) verfügt, im Pflichtgebet 
vor einem Erwachsenen (im Sinne von Bulügh) nach Meinung der Rechts- 
schulen außer der Shafi'iya ungültig. 169 

Bei jViz/J/a-Gebeten hingegen ist es nach den Rechtsschulen außer der 
Hanaßya für einen Erwachsenen (Bäligh) zulässig, daß er Nachbeter hin- 
ter einem Kind mit Unterscheidungsfähigkeit ist. 170 

Andererseits besteht zwischen allen Rechtsschulen Einigkeit darüber, 
daß es gültig ist, wenn ein Kind mit Unterscheidungsfähigkeit als Imäm 
anderen Kindern wie ihm selbst vorbetet. 

Imäma von Frauen 

Bezüglich der Imäma der Frauen sind mehrere Fälle zu unterscheiden: 

Handelt es sich bei dem Nachbeter oder den Nachbetern um Männer 
bzw. Männer und Frauen gemeinsam, so ist es ungültig, daß eine Frau 
Vorbeterin ist. 171 

Wenn die Nachbeter ausschließlich Frauen sind, ist die Imäma einer 
Frau zulässig und voll gültig, ohne jegliche Einschränkung. 172 

Zwar ist auch die Imäma eines Mannes vor einer reinen Frauengruppe 
voll gültig, doch in diesem Fall ist seine Imäma nicht der Imäma einer 
Frau vorzuziehen, sondern beide Arten der Imäma sind islamrechtlich 
hier völlig wertgleich. 

Dies gilt in Übereinstimmung der Hanaßya, Shafi'iya und Hanbaliya\ die 
Mälikiya vertritt hingegen (nach einer klassischen Ansicht) auch eine 
andere Meinung. 173 

Verstand {'Aql) 

Wie auch bei den anderen Formen der Wiläya — zu denen ja auch die 
Imäma zählt - ist das Vorhandensein von Verstand Voraussetzung zur 
Gültigkeit der Imäma im Gebet. 

Ist jemand dauerhaft verrückt, so kann er selbstverständlich keine 
Imäma ausüben. Ist der Zustand der Verrücktheit aber nur zu bestimm- 
ten Gelegenheiten da, so ist es zulässig, ihn als Imäm zu nehmen: Ist er 
dann während des Gebetes bei Verstand, gilt das Gebet, fällt er aber 
während des ganzen Gebetes oder eines Teils davon in seine Verrückt- 
heit zurück, ist das Gebet (für ihn und alle seine Nachbeter) ungültig. 



37° HANDBUCH ISLAM 

Daß jemand, der den Qur'än rezitieren kann (QärV), 
von einem der Rezitation Unkundigen (Ummi) im Gebet geleitet wird 

Wenn der Nachbeter - oder einer der Nachbeter- der Koranrezitation 
kundig ist, darf kein dessen Unkundiger Vorbeter sein, da die Kenntnis 
der Rezitation Pflichtvoraussetzung zur Gültigkeit der Imäma wird. 

Außerdem ist es Bedingung, daß der Imäm die Rezitation schön - im 
Sinne der Rezitationsregeln 174 - vortragen kann; ohne das ist die Bedin- 
gung zur Imäma grundsätzlich nicht erfüllt. 

Wenn zum Beispiel der Imäm eines Dorfes oder kleinen Ortes schön 
und korrekt rezitiert, ist es auch für einen islamisch ausgebildeten, gut 
rezitierenden Gelehrten zulässig, hinter ihm zu beten. 

Ist aber ein Imäm dessen unkundig , so darf er nur Unkundigen ( Ummi) 
wie ihm selbst als Imäm vorbeten, gleichgültig, ob sich nun ein wirkli- 
cher, gut Rezitierender findet oder nicht. 

Dies gilt übereinstimmend zwischen den Rechtsschulen außer der Mä- 
likiya. Nach dieser ist es ungültig, daß ein Ummi einem anderen nachbe- 
tet, der über genausowenig Fähigkeiten in der Rezitation verfügt wie 
er selbst, falls sich ein QärY findet. 

Findet sich ein Qän\ so müssen im Beispiel beide, die Ummi sind, ihm 
als Nachbeter folgen - sonst ist ihr beider Gebet ungültig. 

Wenn nun jemand die Fätiha korrekt, nicht aber schön rezitieren kann, 
so darf er nur jemandem nachbeten, der über genausoviel bzw. -wenig 
Fähigkeiten wie er selbst verfügt. 

Ist aber tatsächlich kein Qän y zu finden, ist die Imäma eines Ummivor 
einem anderen Ummi gültig. 

Daß der Imäm frei ist von Dingen, 

die als Entschuldigungsgrund ('Udhr)* 75 für das 

Verlassen des Gebets gelten - wie etwa das Austreten von Urin 

Es ist auch als Bedingung für die Gültigkeit der Imäma festgelegt, daß er 
im Sinne der A'dhär (Entschuldigungs gründe) gesund ist - also nicht 
durch körperliche Beschwerden beeinträchtigt wird wie Ausfluß von 
Urin, fortwährenden Durchfall, Blähungen, Nasenbluten und ähnlichem. 
Daher ist die Imäma einer Person, die durch derartige Krankheiten 
bzw. Beschwerden wie den genannten heimgesucht wird, vor einem 
Gesunden ungültig. Vor einem, der über dieselbe Krankheit verfügt, ist 
die Imäma eines solchen Kranken zulässig. Haben sie aber unterschied- 
liche Krankheiten bzw. Beschwerden - wie etwa im Fall, daß einer 
über ständiges Nasenbluten klagt und der andere über Ausfluß von 



BUCH ÜBER DAS GEBET 371 

Urin -, so ist es ungültig, daß einer dieser beiden dem anderen vorbetet. 
Darin stimmen die Hanafiya und die Hanbaliya überein, während 
Shäfi'iya und Mälikiya anderer Meinung sind. 

Mälikiya 

Wenn die Beschwerden so gering sind, daß sie ein zu vernachlässi- 
gendes Maß erreichen, ist seine Imäma zulässig. Das gilt auch, wenn 
Imäm und Ma'müm über unterschiedliche Beschwerden verfügen, die 
aber den Wudü' nicht zunichte machen, weil sie so gering sind. Ande- 
rerseits ist es makrüh, daß jemand, der über solche Beschwerden klagt, 
einem Gesunden als Imäm vorbetet. 

Shäfi'lya 

Wenn der { Udhr stetig beim Imäm vorhanden ist, muß das Gebet - 
daß man mit ihm verrichtete - nicht wiederholt werden; seine Imäma 
ist also gültig, selbst wenn die Nachbeter gesund sind. 

Daß der Imäm weder im Zustand 

der rituellen Unreinheit (Hadath) ist noch durch etwas Unreines an 

Körper, Kleidung usw. verunreinigt ist (Khabath) 

Es besteht allgemeine Einigkeit darüber, daß zu den Bedingungen der 
Gültigkeit der Imäma gehört, daß der Imäm rituell rein ist (tähir), also frei 
von Hadath 176 oder Khabath 177 . 

Wenn nun eine Person hinter jemandem betet, der Muhdath 178 ist oder 
an dessen Kleidung eine JVajäsa ist, so ist das Gebet dieser Person - wie 
auch das Gebet des Imäms - ungültig (bätil), unter der Bedingung, daß 
der Imäm darum weiß, daß er im Zustand von Hadath ist [bzw. an seiner 
Kleidung Najäsa haftet], und trotzdem mit vollem Bewußtsein das Ge- 
bet verrichtet. 

Ist er sich dessen aber nicht bewußt, so ist das Gebet grundsätzlich 
gültig, wobei die einzelnen Rechtsschulen dazu folgendes meinen: 

Mälikiya 

Die Imäma eines Muhdath ist nicht gültig, wenn er sich über den Hadath 
bewußt ist, und das Gebet derer, die durch ihn im Gebet geleitet wer- 
den, ist ebenfalls ungültig. 

Ist er sich dessen aber nicht bewußt, indem er in das Gebet eintritt 
und den Hadath vergißt oder ihn der Hadath überkommt, während er 
bereits im Gebet ist, und betet er mit den Nachbetern weiter, obwohl 
er nun weiß, daß er Muhdath ist bzw. nachdem ihn der Hadath über- 
kam, so ist das Gebet aller ungültig. Ebenso ist das Gebet ungültig, 



372 HANDBUCH ISLAM 

wenn ihm die anderen nachbeten, obwohl sie wissen, daß er Muhdath 
ist - auch wenn der Imäm selbst dies nicht weiß. 

Wenn aber weder Imäm noch Nachbeter vor oder während des Ge- 
betes davon wissen bzw. dies erkennen, sondern erst nach Ende des 
Gebets, so ist das so verrichtete Gebet für die Nachbeter rechtsgültig 
(sahih), für den Imäm aber in jedem Fall ungültig (bätil), weil die rituel- 
le Reinheit (Tahära) Bedingung zur Rechtsgültigkeit des Gebetes ist. 

Wenn dem Imäm eine Najäsa anhaftet, so ist die Rechtsbestimmung 
(Hukm) des Gebets eines Imäms und seiner Nachbeter gleich der eines 
Gebetes, in dem der Imäm Muhdath ist - abgesehen davon, daß das 
Gebet für den Imäm dann auch rechtsgültig ist, wenn er bis nach dem 
Ende des Gebets nicht von dieser Najäsa wußte: dies darum, weil die 
rituelle Reinheit [Tahära) von Khabath gemäß dem eigenen Wissen eine 
Bedingung zur Gültigkeit des Gebets ist (wie das schon zuvor erklärt 
wurde). 

Shäfi'iya 

Es ist unzulässig, daß ein Nachbeter, wenn er davon weiß, einem 
Muhdath im Gebet nachfolgt. Weiß der Nachbeter nun während des 
Gebetes davon bzw. erkennt das, so muß er die „Mya der Trennung" 
(Niyat al-Mußraqa) fassen' 79 und so sein Gebet bis zu Ende verrichten. 
Dann genügt dies zur Gültigkeit seines Gebets. 

Weiß nun ein Nachbeter erst nach Ende des Gebetes, daß der Imäm 
Muhdath war, so ist doch das Gebet des Nachbeters gültig, und er 
erhält den Lohn dafür, daß er in Gemeinschaft (Jamä'a) gebetet hat. 
Das Gebet des Imäms jedoch ist ungültig, da die Tahära nicht vorhan- 
den war, und er muß das Gebet wiederholen. 

Das Gebet ist für einen Nachbeter auch ungültig, wenn er einer 
Person nachbetet, obwohl er weiß, daß dieser Vorbeter mit einer — 
und sei es auch nur leichten - Najäsa behaftet ist wie etwa getrockne- 
tem Urin. Weiß er jedoch davon nicht, so ist sein Gebet gültig - abge- 
sehen vom Freitagsgebet (Salät al-Jum'a). 

Beim Freitagsgebet verhält es sich so, daß es gültig ist, wenn die 
Anzahl der Betenden außer dem Nachbeter, der Muhdath bzw. mit Najäsa 
behaftet ist, zur Gültigkeit des Freitagsgebets groß genug ist. Ist dies 
aber nicht der Fall, weil erst durch den MwWß/Ä-Nachbeter die Zahl 
vollständig wäre, so ist das Gebet für alle Betenden ungültig, weil dann 
eine notwendige Bedingung zum Freitagsgebet nicht erfüllt ist. 

Wenn nun ein Imäm von einer äußeren Najäsa behaftet ist, so daß 
sie von anderen auch erkannt werden kann, so ist es absolut ungültig, 
ihm nachzubeten, auch wenn er selbst seinen Zustand (noch) nicht 
erkannt hat. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 373 

Hanbaliya 

Die Imäma eines Muhdath ist ungültig, gleich ob es sich dabei um Hadath 
akbar oder asghar handelt. Dasselbe gilt für jemanden, der weiß, daß er 
mit einer Najäsa behaftet ist. Wissen jedoch der Imäm und der Nach- 
beter bis nach dem Ende des Gebets nicht davon, so ist nur das Gebet 
des Nachbeters gültig, unabhängig davon, ob es sich bei dem Gebet 
um ein Freitagsgebet oder ein sonstiges handelt. 

Beim Freitagsgebet muß allerdings die Zahl der Nachbeter erfüllt 
sein, die außer dem Imäm beim Freitagsgebet anwesend sein müssen 
(nämlich vierzig), und wenn das nicht gegeben ist - indem etwa einer 
von nur vierzig Nachbetern während des Gebetes Muhdath ist /wird -, 
ist das Freitagsgebet für alle ungültig. 

Hanafiya 

Die Imäma eines Imäms, der Muhdath ist bzw. mit Najäsa behaftet, ist 
ungültig, da das Gebet als solches in diesem Falle ungültig wird. Das 
Gebet der Nachbeter ist aber unter der Bedingung gültig, daß sie nichts 
vom Zustand des Vorbeters wußten. 

Wenn sie nun durch Zeugenaussage von vertrauenswürdigen Men- 
schen davon erfahren oder ein aufrichtiger Imäm (der in diese Lage 
geriet) ihnen dies von sich aus sagt, so ist ihr Gebet ungültig und muß 
wiederholt werden. 

Ist aber ein Imäm, der ihnen in dieser Lage die Ungültigkeit des 
Gebetes bestätigt, nicht vertrauenswürdig, so wird seine Aussage nicht 
angenommen. Es ist dann aber doch mustahabb, das Gebet zu wieder- 
holen - aus der Vorsicht heraus, es könnte doch ungültig gewesen 
sein. 

Die Imäma eines Imäm, der einen Sprachfehler hat 

Tax den Bedingungen der Gültigkeit der Imäma gehört, daß der Imäm in 
dem Sinne gesund ist, als er keinen Sprachfehler hat: daß er nicht die 
Aussprache von Lauten vertauscht, etwa daß er das Rä 3 („gerolltes" R) 
mit Ghä' („nicht-gerolltem" R) vertauscht oder Sin („scharfes" S) mit 
Thä 3 (engl, stimmlosem Th), oder Dhäl (engl, stimmhaftem Th) mit J^äy 
(„weichem" S), oder Shin (Seh) mit Sin („scharfem" S) usw l8 °. Jemand, 
der solche Sprachfehler aufweist, wird „Althagh" genannt. 

Einem Menschen, der unter diesem Sprachfehler leidet, obliegt es 
hinsichtlich des Gebets, sich so sehr zu bemühen, daß er so deutlich 
und korrekt ausspricht, wie es ihm eben möglich ist. Ist er dennoch 
trotz seiner Bemühungen außerstande, korrekt auszusprechen, so ist 
seine Imäma nur gültig, wenn er solchen Leuten vorbetet, die gleich schwe- 



374 HANDBUCH ISLAM 

re Probleme mit ihrer Aussprache haben. Wenn er (der Imäm) sich aber 
überhaupt keine Mühe gibt, nicht einmal versucht, seine Aussprache 
zu verbessern, so ist sein Gebet als solches von Grund auf ungültig, und 
besonders im Falle der Imäma. 

In dieser Rechtsbestimmung (Hukm) stimmen Hanafiya^ Shäfi'iya und 
Hanbaliya überein, abgesehen davon, daß die Hanafiya weiter sagt: Wenn 
jemand etwas aus dem Koran außer der Fätiha korrekt rezitieren kann 
und dies im Gebet auch tut, so ist sein Gebet doch gültig (dies darum, 
weil das Rezitieren der Fätiha bei der Hanafiya nicht Fard ist). 

Dazu insgesamt vertritt die Mälikiya eine ganz andere Meinung: 

Mälikiya 

Die Imäma (eines Althagh) ist absolut gültig (wie das noch im folgenden 
dargestellt werden soll), und wie beim Althagh verhält es sich auch bei 
jemandem, der fälschlicherweise Laute angleicht 181 , etwa daß er beim 
Wort „mustaqim" das Sin dem Tä' angleicht und „muttaqin" rezitiert 182 . 
Doch ist es für ihn Pflicht, sich im Sinne der Verbesserung seiner 
Aussprache zu verbessern bzw. so gut wie nur möglich auszuspre- 
chen. Wenn er das nicht tut, sind sein Gebet und seine Imäma ungül- 

tig. 

Die Imäma einer Person, die in ihrer Rede fälschlicherweise und fort- 
während ein Fä' einfügt 183 oder fälschlicherweise stetig ein Tä' in ihre 
Rede einfügt 184 , ist für jemanden, der dieselben Sprachfehler aufweist 
oder auch nicht, nach der Shäfi'iya und Hanbaliya makrüh, aber gültig. 

Nach der Mälikiya gilt die Imäma in diesem Falle absolut, ohne makrüh 
zu sein, als gültig. (Aus dem, was insgesamt seitens der Mälikiya ge- 
sagt wurde, geht auch hervor, daß bei ihr die korrekte Aussprache 
keine grundsätzliche Bedingung zur Gültigkeit der Imäma ist.) 

Die Hanafiya sagt dazu: Die Imäma einer solchen Person wird wie die 
eines Althagh betrachtet, das heißt, sie gilt unter der oben schon ge- 
schilderten Bedingung nur für seinesgleichen. 

Daß jemand einer anderen Person 
nachbetet, die selbst Nachbeter (Ma'müm) ist 

Zu den Bedingungen zur Gültigkeit des Gebets gehört, daß der Imäm 
nicht Ma'müm (Nachbeter) eines anderen Imäms ist. 

Ein Beispiel: eine Person A schließt sich dem Imäm einer Moschee in 
den letzten beiden Rak ( a des ^irr-Gebets als Nachbeter an, dann spricht 



BUCH ÜBER DAS GEBET 375 

der Imäm den Schlußgruß (Saläm) und diese Person steht dann auf und 
betet die restlichen beiden Rak'a nach; währenddessen kommt eine an- 
dere Person B hinzu, beabsichtigt das 'Asr-Gebet als Nachbeter eben 
jener Person A, die ja nachbetet, was ihr als Nachbeter vom Gemein- 
schaftsgebet entgangen ist l8s : Ist in diesem Fall das Gebet der später 
hinzugekommenen Person B gültig oder nicht? 

Oder, als weiteres Beispiel: Die Moschee ist ganz mit dichtgedräng- 
ten Betenden angefüllt und es kommt eine Person hinzu und stellt sich 
in die letzte Reihe, kann aber den Imäm nicht hören 186 und folgt daher 
den Bewegungen eines Nachbeters, der hinter dem Imäm betet: Ist das 
Nachbeten dieser Person gültig oder nicht? 

In diesen Fragestellungen haben die Rechtsschulen folgende Meinun- 
gen: 

Mälikiya 

Wenn eine Person einem Masbüq nachbetet, der seinerseits minde- 
stens eine vollständige Rak'a mit dem Imäm zusammen gebetet hat, ist 
ihr Gebet ungültig, gleich, ob diese Person (das heißt der zweite Nach- 
beter) ursprünglich Nachbeter des ersten Imäms war oder nicht. 

Wenn aber ein Masbüq einen anderen Masbüq (in den Gebetsbewe- 
gungen) nachahmt, dergestalt, daß dadurch nach dem Schlußgruß 
(Saläm) des Imäms das Gebet vervollständigt werden soll, ohne daß 
dabei die Absicht gefaßt wird, daß der eine Masbüq dem anderen 
nachbetet, so ist das Gebet des nachahmenden Masbüq voll gültig. 

Ebenso ist es, wenn ein Masbüq keine vollständige Rak'a mit dem 
Imäm gemeinsam gebetet hat: wenn er zum Beispiel erst in das Gebet 
eingetreten ist, als sich die anderen bereits im letzten Tashahhud be- 
fanden. In diesem Falle ist es zulässig, einem solchen Masbüq nachzu- 
beten (wenn er sein Gebet vervollständigt) 187 . 

Hanafiya 

Einem Masbüq nachzubeten ist nicht rechtsgültig, gleich ob dieser 
Masbüq zuvor mindestens eine vollständige Rak'a mit dem Imäm zu- 
sammen verrichtet hatte oder weniger als das. 

Wenn zum Beispiel zwei Personen einem Imäm nachbeten, dann bei- 
de Masbüq werden (weil ihnen etwas vom Gemeinschaftsgebet ent- 
gangen ist), und dabei - nach dem Schlußgruß des Imäm - einer der 
beiden die Absicht faßt, dem anderen als Nachbeter zu folgen, so ist 
das Gebet dieses „Nachbeters" ungültig. 

Wenn aber ein Masbüq einem anderen Masbüq in seinen Gebetsbe- 
wegungen nachfolgt - etwa, damit er so daran erinnert wird, was 
ihm vom Gebet entgangen ist und er noch nachzubeten hat, wenn sie 



376 



HANDBUCH ISLAM 



sich beide zum gleichen Zeitpunkt dem Gemeinschaftsgebet anschlös- 
sen -, ohne daß der so Nachfolgende aber beabsichtigt, Nachbeter zu 
sein, so ist das Gebet beider rechtsgültig.' 88 

Shäfi'iya 

Solange ein Ma'müm (Nachbeter) noch Ma'müm ist, ist es ungültig, ihm 
als Nachbeter nachzufolgen. Wenn er aber als Masbüq nach dem 
Schlußgruß des Imäms weiterbetet oder aber — noch während des 
Gemeinschaftsgebet - die Niya der Trennung (Myat al-Mußraqa) vom 
Imäm beabsichtigt hat 189 , ist es zulässig, ihm nachzubeten. 

Dies gilt für die Gebete außer dem Freitagsgebet; bei diesem Gebet 
ist ein solches Nachbeten ungültig. 

Hanbaliya 

Solange ein Ma'müm Ma'müm ist, ist es ungültig, ihm nachzubeten. 
Sobald er aber Masbüq geworden ist, kann sich ihm ein anderer Masbüq 
als Nachbeter anschließen, außer beim Freitagsgebet, wo es unzu- 
lässig ist, daß sich ein Masbüq einem anderen Masbüq als Nachbeter 
anschließt. 

Daß der Nachbeter dem Imäm in den 

Gebetsbewegungen zuvorkommt, auch wenn er in der Lage ist, 

sich genau nach dem Imäm zu richten 

Tal den Bedingungen der Rechtsgültigkeit des Gebets gehört, daß der 
Nachbeter (Ma'müm) dem Imäm in den Bewegungen des Gebets nicht 
zuvorkommt. Wenn er das tut, werden die Imäma und das Gebet ungül- 
tig. Diese Rechtsbestimmung (Hukm) gilt übereinstimmend bei den Ma- 
dhähib außer der Mälikiya: 

Malikiya 

Es ist für die Gültigkeit des Nachbetens keine Bedingung, daß der 
Nachbeter dem Imäm nicht zuvorkommt. Nach dieser Meinung gilt 
das Gebet sogar, wenn nicht nur ein Nachbeter oder mehrere, son- 
dern auch wenn alle Nachbeter dem Imäm zuvorkommen. (Jedoch ist 
bei der Mälikiya ein solches Zuvorkommen ohne Notwendigkeit oder 
Zwangslage makrüh). 

Von der beschriebenen rechtlichen Bestimmung ausgenommen ist das 
Gebet rund um die Ka ( ba herum. Dazu wird gesagt: Bei diesem Gebet ist 
es zulässig (jä'iz), daß der Ma'müm dem Imäm bei den Gebetsbewegungen 
zuvorkommt, wobei die Shäfi'iya hier genauere Bestimmungen beschreibt: 



BUCH ÜBER DAS GEBET 377 

Shqfi'iya 

Es ist ungültig, daß ein Nachbeter (Ma'müm) dem Imäm zuvorkommt, 
wenn sie beim Gebet direkt bei bzw. um die Ka'ba beten, aber doch 
eine einzige Richtung einnehmen. 

Ist aber der Nachbeter räumlich vom Imäm entfernt und blickt da- 
her der Nachbeter nicht in dieselbe Richtung wie sein Imäm, so ist es 
für den Nachbeter doch zulässig, dem Imäm zuvorzukommen. 

Es gilt (ganz allgemein, nicht nur für das Gebet um die Ka'ba) als makrüh, 
wenn der Nachbeter dem Vorbeter, ohne daß dazu Notwendigkeit be- 
stünde, zuvorkommt. (Eine wirkliche Zwangslage ist etwa gegeben, wenn 
die Moschee dicht gedrängt und mit Betern gefüllt ist, ohne daß der 
betreffende Nachbeter den Imäm sehen bzw. ihm ohne Schwierigkeiten 
folgen kann. In solchen Fällen ist ein Zuvorkommen des Ma'müm nicht 
makrüh). 

Das Zuvorkommen bezieht sich auch auf Körperhaltungen, nicht nur 
auf Bewegungen: Wenn der Nachbeter und der Imäm stehen (im Qjyäm 
sind), so soll der hintere Teil seines Fußes (das heißt die Ferse) nicht der 
Ferse des Imäms vorangehen 190 . 

Wenn man sich im Sitzen (Julüs) befindet, so soll das Hinterteil des 
Nachbeters dem des Imäm nicht zuvorkommen (in dem Sinne, wie das 
schon beim Qiyäm weiter oben erläutert wurde). 

Wenn der Nachbeter dem Vorbeter bezüglich dieser Körperhaltun- 
gen zuvorkommt, ist sein Gebet ungültig, stehen sie jedoch auf gleicher 
Höhe, so ist das Gebet gültig, ohne daß dies makrüh ist. 

Dies ist übereinstimmend die Meinung der Rechtsschulen außer der 
Shäfi'iya, welche meint, daß es doch makrüh ist, wenn beide - Imäm und 
Nachbeter - auf gleicher Höhe sind. 

Zum Thema gehört auch, daß der Nachbeter in der Lage ist, sich in 
seinen Handlungen genau nach denen des Imäms auszurichten, sei es 
durch Sehen oder Hören, und sei es, daß er das nur zum Teil kann. 

Wenn nun der Nachbeter die genauen Handlungen des Imäm nach- 
vollziehen kann, ist sein Gebet rechtsgültig - außer, wenn sie sich an 
unterschiedlichen (Stand)Orten befinden: dann nämlich ist das Gebet 
des Nachbeters ungültig. Dies gilt in unterschiedlichen Betrachtungen 
der Rechtsschulen: 

Shäfi'iya 

Wenn sich Imäm und Ma'müm in einer Moschee aufhalten und darin 
an einem einzigen Platz - gleich, ob zwischen ihnen beiden maximal 
eine Entfernung von etwa hundert Metern liegt 19 ' - und wenn der 



378 



HANDBUCH ISLAM 



Imäm im hinteren Teil der Moschee steht und der Ma'müm im vorde- 
ren, so ist doch das Nachbeten des Nachbeters gültig. Dies gilt unter 
der Bedingung, daß vor Beginn des Gebets zwischen den beiden kein 
Hindernis ist, das verhindert, daß der eine zum anderen hingelangen 
könnte (wie etwa eine feste, durch Nägel usw. befestigte Tür). 

Wenn nun der Weg zwischen ihnen während des Gebets ge- oder 
versperrt wird oder — wie im obigen Beispiel — eine Zwischentür 
geschlossen wird, so schadet das der Gültigkeit des Gebets für den 
Nachbeter nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob der Ma'müm [grund- 
sätzlich] unter Beibehaltung der Q^/ö-Richtung zum Imäm gelangen 
kann oder nicht. 

Dies gilt im eigentlichen Innenbereich der Moschee; beten jedoch 
Imäm und Ma'müm beide außerhalb der Moschee, so ist ihr Gebet gül- 
tig, solange eine Entfernung von etwas hundert Metern zwischen ih- 
nen nicht überschritten wird. Das Gebet des Nachbeters gilt in die- 
sem Falle auch dann, wenn ein (nicht leicht zu überwindendes) Hin- 
dernis zwischen ihm und dem Imäm liegt (etwa ein großer, schiffbarer 
Fluß oder ein stark begangener bzw. befahrener Weg), unter der Be- 
dingung, daß sich zwischen ihnen beiden kein Hindernis befindet, 
das es unmöglich macht, daß der Nachbeter zum Imäm hingelangen 
kann, ohne sich dabei von der Qib la-Richtung abzuwenden. 192 

Wenn nun einer der beiden innerhalb der Moschee ist und der an- 
dere außerhalb, so gilt das Gebet des Nachbeters unter der Bedin- 
gung, daß zwischen ihm und dem ihm nächsten Teil des Moscheege- 
bäudes (Mauer, Ecke, Stufe usw.) nicht mehr als etwa hundert Meter 
liegen. Auch hier gilt das, was bezüglich des Hindernisses zwischen 
beiden für den Fall genannt wurde, daß sich beide außerhalb der 
Moschee befinden. 

Hanafiya 

Wenn Imäm und Ma'müm sich nicht am selben Ort befinden, ist das 
Nachbeten des Ma'müm (und damit sein Gebet) ungültig, wobei es 
keine Rolle spielt, ob sich der Ma'müm über den Zustand des Imäms im 
unklaren ist oder nicht 193 . 

Wenn etwa jemand sich in seinem Haus befindet und als Nachbe- 
ter einem Imäm folgt, der in der Moschee betet, und Haus und Mo- 
schee etwa durch einen Weg oder ähnliches getrennt sind, so ist das 
Nachbeten des Ma'müm (und sein Gebet) ungültig, weil dies als Unter- 
scheidung im Ort betrachtet wird. 

Befindet sich aber im Beispiel nur eine Mauer bzw. Trennwand 
zwischen dem Haus und der Moschee, so ist das Gebet des Nachbe- 
ters gültig unter der Bedingung, daß er sich über den Zustand des 



BUCH ÜBER DAS GEBET 379 

Imäms im Gebet nicht im unklaren befindet. Ebenso verhält es sich, 
wenn der Ma'müm auf dem Dach seines Hauses betet und dieses sich 
an das Dach der Moschee anschließt 194 , weil in diesen beiden Fällen 
(Angrenzen von Mauer bzw. Dach) keine Unterscheidung im Ort be- 
steht. 

Handelt es sich nämlich nur um einen gemeinsamen Platz - und 
sei er auch sehr ausgedehnt, wie zum Beispiel bei einer großen Mo- 
schee, so sind das Nachbeten des Ma'müm und sein Gebet gültig, wenn 
er sich zugleich auch über den Zustand des Imäms im klaren ist, sei es, 
daß er einen Muballigh 195 hört bzw. sieht oder Nachbeter (in einer be- 
stimmten Gebetsphase) sieht. 

Allerdings ist es ungültig, sich als Nachbeter nach einem Muballigh 
zu richten, wenn dieser beim Takbirat al-Ihräm nur beabsichtigt, den 
Takbir klar und deutlich (und laut) auszusprechen 196 : dann ist das Gebet 
eines solchen laut rufenden Nachbeters ungültig und das Gebet eines 
jeden, der sich nach ihm und seiner „Verdeutlichung" (Tabligh) der 
Rufe des Imäms ausrichtet. 

Das Nachbeten eines Ma'müm ist nur gültig, wenn - im Fall einer 
weit ausgedehnten Moschee (und angrenzenden Plätzen) - kein Hin- 
dernis zwischen Imäm und Ma'müm liegt, wie ein vielbegangener Weg, 
ein schiffbarer Fluß, eine vielbefahrene Autostraße, usw. 

Im Falle, daß in der Wüste gebetet wird, ist das Nachbeten des 
Ma'müm nur gültig, wenn zwischen ihm und dem Imäm nicht mehr 
Zwischenraum ist, als von zwei hintereinander befindlichen Reihen 
von Betenden eingenommen werden kann. Das gleiche gilt für sehr 
große Moscheen mit weit ausgedehnten Gebetsplätzen (wie etwa dem 
Bait al-Maqdis 1 * 1 ). 

Mäliklya 

Befinden sich Imäm und Ma'müm an unterschiedlichen Orten, so wird 
dadurch das Nachbeten und das Gebet des Nachbeters nicht ungültig. 

Liegt etwa ein Fluß, ein Weg, eine Mauer usw. zwischen Imäm und 
Ma'müm, so ist das Gebet des Ma'müm gültig, solange er zugleich auch 
die Gebetshandlungen des Imäms genau erkennen kann - und sei es 
dadurch, daß er dies durch Hören einer Person (das heißt eines 
Muballigh) wahrnimmt. 

Betet allerdings jemand als Nachbeter beim Freitagsgebet (Salät al- 
Jum'a) in einem der Moschee benachbarten Haus, wobei er dem Imäm 
(des Freitags gebet s) nachbetet, so ist das Gebet dieses Ma'müm ungül- 
tig, weil es zu den Bedingungen zur Gültigkeit des Freitagsgebets ge- 
hört, daß man sich in der Freitagsmoschee versammelt befindet (wie 
dies beim Kapitel über das Freitagsgebet vorgestellt wurde). 



3 8o 



HANDBUCH ISLAM 



Hanbaliya 

Befinden sich Vorbeter (Imäm) und Nachbeter (Ma'müm) an verschie- 
denen Orten bzw. liegt zwischen ihnen ein trennendes Hindernis (Fluß, 
Straße, usw.), so ist das Nachbeten des Ma'müm und sein Gebet sowie 
auch das des Imäms ungültig; dies darum, weil sein Gebet mit dem einer 
Person verknüpft ist, deren Nachbeten ungültig ist. 198 

Wenn sich nun zwischen ihnen beiden ein Weg als Hindernis er- 
streckt und es sich bei dem betreffenden Gebet der beiden um ein 
solches Gebet handelt, das man bei Beengung der Menschen, die auf 
dem Weg gehen müssen, auf öffentlichen Wegen nicht rechtsgültig 
verrichten kann 1 " (und bei dem sich normalerweise nicht viele Men- 
schen versammeln), ist das Nachbeten des Nachbeters ungültig- auch 
wenn die Gebetsreihen bis zum Weg hinreichen. 200 

Gehört nun das Gebet zu den Gebeten, die man bei Beengung auf 
(öffentlichen) Wegen nicht rechtsgültig verrichten kann und bei dem 
sich üblicherweise viele Menschen versammeln, wie dem Freitags- 
gebet und dergleichen, und wenn dabei die Reihen der Betenden bis 
an den Weg reichen, ist das Nachbeten des Nachbeters gültig - auch 
wenn dabei der Imäm und dieser Nachbeter (durch diesen Weg) ge- 
trennt sind. 

Reichen in diesem Fall aber die Reihen der Betenden nicht bis an 
den Weg, so ist das Nachbeten (und das Gebet) des Nachbeters un- 
gültig, wenn er sich jenseits dieses Weges befindet. 

Befinden sich Imäm und Nachbeter in einer Moschee und ist ein 
Hindernis zwischen ihnen, so ist das Nachbeten des Ma'müm dennoch 
gültig, wenn der Ma'müm den Takbirat al-Ihräm hört. 

Befindet sich aber der Imäm in der Moschee und der Ma'müm nicht 
bzw. umgekehrt der Imäm außerhalb und der Ma'müm innerhalb 201 , so 
ist doch das Nachbeten (des Ma'müm) gültig unter der Bedingung, daß 
der Ma'müm den Imäm sieht oder jemanden, der hinter dem Imäm steht, 
und sei es nur während eines Teils des Gebets oder daß er den Imäm 
bzw. einen hinter diesem stehenden Nachbeter durch eine Fenster- 
scheibe hindurch sieht. 

Ist dies gewährleistet, ist das Nachbeten rechtsgültig, auch über eine 
Entfernung von mehr als etwa hundert Metern. 

Die Absicht des Nachbeters (Ma'müm), 
nachzubeten, und die Absicht des Imäms, Vorbeter zu sein 

Zur Gültigkeit des Gebets ist es notwendig, daß der Nachbeter als Niya 
beabsichtigt, dem Imäm im Gebet nachzufolgen. Dies gilt für alle Gebe- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 



3 8 I 



te (ob Fard oder nicht) in Übereinstimmung der Rechtsschulen außer 
der Hanafiya. 

Hanafiya 

Die Mya des Nachbeters, sich dem Gebet des Imäm anzuschließen, ist in 
allen Gebeten Bedingung zur Gültigkeit, außer bei den Festgebeten und 
dem jWö-Gebet; dies darum, weil das Vorhandensein einer Gruppe 
(Jamä'a) von Betenden bei diesen beiden Gebeten zu deren spezieller 
Gültigkeit ohnehin erforderlich ist und daher eine spezielle Mya der 
Nachbeter, sich dem Imäm als Nachbeter anzuschließen, überflüssig wird. 

Dieser Teil der Mya bezüglich des Nachbetern muß mit dem Takbirat al- 
Ihräm verbunden werden, wie schon im Abschnitt über die Mya usw. 
beschrieben. 

Wenn nun jemand ein Einzelgebet beabsichtigt und dann - nach 
seinem Eintritt in das Gebet - einen Imäm findet und nun zusätzlich 
beabsichtigt, diesem als Ma'müm nachzufolgen, so ist das Gebet dieses 
Beters ungültig, weil dieser Teil der Mya von Beginn des Gebets an vor- 
handen sein muß und es für den Einzelbetenden nicht zulässig (jä'iz) ist, 
sein Gebet nachträglich an eine Jamä'a anzuschließen, so wie es umge- 
kehrt auch für einen Nachbeter unzulässig ist, die Mya der Trennung 
vom Imäm (Mufiraqa) zu fassen - abgesehen von echter Notwendigkeit, 
wie etwa wenn der Imäm sehr lange rezitiert und der Ma'müm das - vom 
Stehen her - nicht durchhalten kann. 

Dies gilt in Übereinstimmung zwischen den Madhähib außer der 
Shäfi'ya, wobei die Hanafiya besondere Bedingungen festlegt. 

Shäfi'iya 

Es ist keine zwingende Bedingung, daß ein Nachbeter die Absicht 
nachzubeten bereits zu Beginn des Gebetes faßt. Es ist - wenn auch 
mit Makrüh - zulässig, wenn er das während des Gebetes tut, außer 
beim Jum'a-Gtbet, wo diese Absicht, Nachbeter zu sein, von Anfang 
an - vom Zeitpunkt des Takbirat al- Ihräm an - vorhanden sein muß. 202 

Es ist weiter für einen Nachbeter zulässig, daß er im Gebet beab- 
sichtigt, sich (vom Gebet bzw. der Mya) seines Vorbeters zu trennen, 
selbst dann, wenn kein Entschuldigungsgrund ( c Udhr) dafür vorliegt 
(in diesem Fall ist diese Trennung aber makrüh). 

Während der ersten Rak'a des Jum'a-Gtbets jedoch ist es verpflich- 
tende Bedingung für den Nachbeter (Ma'müm), sich nicht in seiner 
Mya von dem Vorbeter zu trennen. Ebenso verhält es sich bei Gebe- 
ten, die jemand wiederholt, um sie nun in Jamä'a-Form (noch einmal) 
verrichten zu können: in einem solchen Fall ist es nicht zulässig, wäh- 



382 



HANDBUCH ISLAM 



rend irgendeines Teils dieses Gebets sich in seiner Niya vom Vorbeter 
zu trennen. 203 Ebenso verhält es sich bei einem in Taqdim-Form vorge- 
zogenen Gebet, usw. (speziell bei Jörn '-Gebeten). 

Hanafiya 

Wenn ein Ma'müm in seinem Gebet von der Jamä'a-Form zur Infiräd- 
Form übergeht (also sich von der Niya seines Vorbeters trennt), wird 
sein Gebet ungültig, es sei denn, er tut das während des letzten Sit- 
zens, nachdem er dieses Sitzen bereits im Maß des letzten Tashahhud 
durchgeführt hat. 

Wenn sich der Nachbeter dann aufgrund einer Notwendigkeit aus 
dem Gebet herausbegeben will, so muß er den Saläm geben und den 
Imäm verlassen. Wenn er den Imäm jedoch ohne 'Udhr derart allein- 
läßt, so ist sein (des Ma'müms) Gebet zwar gültig {sahih), aber gleichzei- 
tig hat der Nachbeter dann Sünde auf sich genommen. 

Die Mya des Imäms zur Imäma ist aber zur Gültigkeit der Imäma an sich 
keine Bedingung, wobei sich dabei die Rechtsschulen in verschiedenen 
Fällen unterscheiden. 

Hanbaliya 

Damit die Absicht, einem Imäm in Gebet nachzufolgen, gültig ist, ist 
es notwendige Bedingung, daß der Imäm die Imäma in seinem Gebet 
beabsichtigt; dies gilt für jedes Gemeinschaftsgebet. 

Shäfi'iya 

Es ist verpflichtende Bedingung zur Gültigkeit, daß der Imäm die Imäma 
bei solchen Gebeten beabsichtigt, die ohne Gemeinschaftsform (Jamä'a) 
ungültig sind: wie das Jum f ö-Gebet, das Gebet, das zwei Gebete we- 
gen Regen in sich vereinigt, und wiederholte Pflichtgebete (die zuvor 
als Einzelgebete verrichtet wurden). 

Hanafiya 

Die Absicht des Imäms zur Imäma ist Bedingung (Shart) zur Gültigkeit 
des Gebets des Ma'mum, wenn der Imäm ein Mann ist, der einer reinen 
Frauengruppe vorbetet. Wenn er in diesem Fall die Imäma nicht beab- 
sichtigt, so ist das Gebet für die Frauen ungültig (bätil), während sein 
eigenes (Einzel-) Gebet für ihn gültig ist. 

Mälikiya 

Nur in bestimmten Fällen ist es Bedingung zur Gültigkeit des Gebets 
des Ma'müm, daß der Imäm die Imäma beabsichtigt: 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3^3 

i. Beim Jum'a-Gtbet. Wenn hier der Imäm die Imäma nicht in seiner 
Absicht miteinbindet, ist das Gebet für ihn und den Ma'müm ungül- 
tig- 

2. Bei zwei aufgrund von Regen verbundenen Gebeten. Hier muß zu 

Beginn des ersten sowie auch des zweiten Gebets bereits die Mya 
zur Imäma gefaßt werden. Wenn diese Absicht im zweiten der bei- 
den Gebete unterlassen wird, wird dieses für Imäm und Ma'müm 
ungültig, das erste aber gilt. Wenn aber im ersten Gebet die Ab- 
sicht zur Imäma fehlte, so gilt weder das erste noch das zweite Ge- 
bet. 

Einige Gelehrte der Mälikiya jedoch meinen, daß das erste der 
beiden so zusammengefaßten Gebete in keinem Fall ungültig wird 
(selbst ohne Absicht der Imäma), weil es in seiner ursprünglichen 
Zeit verrichtet wurde. 

3. Beim Gebet in der Furcht (Salät al-Khauf), in der folgenden Form: 
Daß der Imäm die Gruppe der Muslime 204 in zwei gleichgroße Halb- 
gruppen teilt und dann - nacheinander - einer jeden Gruppe als 
Imäm vorbetet. Wenn dabei der Imäm die Absicht zur Imäma unter- 
läßt, so ist nur das Gebet der ersten Gruppe ungültig (bätil), das der 
zweiten aber gilt. 

4. Beim Gemeinschaftsgebet hinter einem Mustakhlif (einem Vorbe- 
ter, der die Stelle des ersten - ursprünglichen Vorbeters aufgrund 
eines 'Udhr eingenommen hat). Dabei ist die Mya dieses Mustakhlif, 
Imäm zu sein, notwendige Bedingung für die Gültigkeit des Gebets 
eines jeden Ma ( müm. 

Wenn der Mustakhlif 'nun diese Mya zur Imäma nicht faßt, so ist 
das Gebet der Nachbeter ungültig, während sein eigenes Gebet je- 
doch gültig ist. 

Ansonsten jedoch - abgesehen von diesen Fällen — gilt, daß jemand 
nicht die Mya zur Imäma fassen muß, um den Lohn für ein Gemein- 
schaftsgebet zu erhalten: Wenn etwa jemand einer Gruppe von Leuten 
vorbetet, ohne diese Absicht gefaßt zu haben, erhält er trotzdem den 
Lohn für das so verrichtete Gemeinschaftsgebet, und sowohl sein Ge- 
bet als auch das der Nachbeter gilt. 

Daß ein Nachbeter, der ein Pflichtgebet (Fard) verrichtet, 
einem Imäm nachfolgt, der ein freiwilliges Gebet {Näfüa) verrichtet 

Zu den Bedingungen der Imäma gehört es auch, daß der Imäm nicht in 
seinem Gebet eine niedrigere Stufe einnimmt als sein Nachbeter. Daher 
ist es (nach Meinung der Rechtsschulen außer der Shäfi'iya) ungültig, 



384 HANDBUCH ISLAM 

wenn jemand ein Fard-Gebet als Nachbeter hinter jemandem verrichtet, 
der nur ein freiwilliges, Näfila-Gebet verrichtet. 

Shäfi'iya 

Es ist gültig, wenn auch makrüh, wenn ein Ma'müm hinter einem Imäm, 

der ein jViz/?/ö-Gebet verrichtet, ein i<W-Gebet ausführt. 

Ebenso ist es ungültig, wenn ein völlig oder genügend Gesunder, der 
den Rukü' usw. vollziehen kann, jemandem nachbetet, der dazu nicht in 
der Lage ist. Das gleiche gilt bei der Hanafiya und Hanbaliya für einen 
Bekleideten (bzw. jemanden, dessen 'Aura bedeckt ist), der einem Nack- 
ten (bzw. einem in seiner 'Aura Entblößten) nachbetet, im Unterschied 
zur Shäfi'iya und Mälikiya. 

Shäfi'iya und Mälikiya 

Es ist zulässig, wenn ein voll Bekleideter hinter jemandem betet, der 
seine Aura nicht bedeckt hat und auch nichts findet, womit er sie 
bedecken könnte. Dabei sagt die Mälikiya: Es ist gültig, aber makrüh, 
während die Shäfi'iya dies als gültig, ohne makrüh zu sein, betrachtet. 

Dasselbe gilt bei einem Ma'müm mit Tahära: Für ihn ist es ungültig, daß 
er einem Imäm, der Junub ist, nachbetet - außer bei der Mälikiya. 

Mälikiya 

Es ist zulässsig, wenn auch makrüh, daß ein Betender im Zustand der 

Tahära einem Junub nachbetet, sofern der Junub sich nicht reinigen kann. 

Ebenso ist das Nachbeten eines Qärf (der korrekt rezitieren kann) hin- 
ter einem Ummi (der nicht bzw. nicht korrekt rezitieren kann) ungültig 
(wie bereits vorgestellt). 

Andererseits ist es zulässig, daß jemand, der stehen kann, hinter je- 
mandem nachbetet, der nicht stehen kann und im Sitzen betet. Dazu 
die Meinungen der Rechtsschulen: 

Mälikiya 

Es ist ungültig, daß jemand, der stehen kann, jemandem nachbetet, 
der außerstande ist, im Qjyäm zu stehen - selbst dann, wenn das be- 
treffende Gebet ein Näfila ist. Allerdings ist es zulässig, wenn jemand 
als Nachbeter freiwillig hinter einem solchen Imäm, der nicht stehen 
kann, ein Näfila sitzend ausführt. 

Ist aber der Ma'müm außerstande, die Arkän zu erfüllen, so ist es 
dann gültig, daß er einem Imäm nachbetet, der im gleichen Maße wie 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3^5 

er außerstande ist, die Arkän zu erfüllen - speziell: im Qjyäm zu ste- 
hen. 

Hiervon wird aber der Betende ausgenommen, der lediglich durch 
Hinweisen, Nicken und ähnliches (also nur andeutungsweise durch- 
geführte Arkän) beten kann: Er darf auch nicht einem anderen vorbe- 
ten, der im gleichen Maß wie er selbst in seiner Bewegungsfähigkeit 
eingeschränkt ist. Wenn sie in verschiedener Hinsicht körperlich stark 
eingeschränkt ist - etwa wenn der Imäm den Sujüd nicht ausführen 
kann, der Ma'müm aber zum Ausführen des Rukü' außerstande ist -, 
so ist die Imäma ungültig. 

Hanafiya 

Das Nachbeten eines Ma'müm, der stehen kann, hinter einem Imäm, der 
sitzend betet, aber Sujüd und Rukü' doch durchführen kann, ist gültig. 
Wenn andererseits jemand, der stehen kann, jemandem nachbetet, der 
weder Sujüd noch Rukü ( duchführen kann, so ist das ungültig. 

Wenn aber weder Imäm noch Ma'müm dazu fähig sind und sie beide 
in Form von bloßem Andeuten der Bewegungen beten, so ist das Nach- 
beten gültig - gleich, ob beide dabei sitzen oder liegen, ob sie sich 
nebeneinander befinden oder etwas voneinander entfernt, unter der 
Bedingung, daß der Imäm sich in einem stärkeren körperlichen Zu- 
stand als der Ma'müm befindet (also seine Bewegungen den eigentlich 
geforderten Bewegungen näher sind: zum Beispiel wenn der Imäm 
sitzt und der Ma'müm liegt). 

Shäfi'iya 

Es ist zulässig, wenn ein Stehender hinter einem Sitzenden bzw. Lie- 
genden betet, der weder stehen noch sitzen kann. 

Hanbaliya 

Es ist unzulässig, daß jemand, der stehend beten kann, einem Imäm 
nachfolgt, der nicht stehen kann, es sei denn, ein solcher Imäm ist 
Imäm in einem freiwilligen (nicht Fard-) Gebet und er ist zur vollständi- 
gen Bewegung aufgrund einer Krankheit usw. unfähig , von der man 
erwarten kann, daß sie nicht andauert. 

In welchen Dingen und wie 
ein Nachbeter (Ma'müm) einem Imäm nachfolgen muß 

Es ist Bedingung zur gültigen Imäma, daß der Nachbeter seinem Vorbe- 
ter in den Handlungen des Gebets nachfolgt. Dazu die Rechtsschul- 
meinungen: 



3 86 



HANDBUCH ISLAM 



Hanafiya 

In drei Dingen muß der Nachbeter dem Imäm nachfolgen: 
i. Der Ma'müm muß sich der jeweiligen Handlung des Imäm (Rukü\ 
Sujüd) anschließen, darf nicht in einer anderen Handlung des Ge- 
bets sein als der Imäm (abgesehen vom Masbüq, der sich bei seinem 
Ihräm natürlich nicht unbedingt in derselben Haltung befindet wie 
der Imäm). 

2. Das Nachfolgen in den Einzelhandlungen; das heißt, der Ma'müm 
muß dem Imäm nachfolgen, darf ihm weder in einer Handlung zu- 
vorkommen (etwa sich vor dem Imäm aus dem Rukü' erheben) , noch 
sich bei Nachfolgen verspäten. 

3. Das zeitliche Versetztsein; das heißt, der Ma'müm muß so lange 
warten, bis der Imäm eine Handlung vollständig verrichtet hat (etwa 
das Hineinbeugen in einen Rukü ( ), bevor er selbst diese Handlung 
verrichtet. Dabei darf sich aber der Ma'müm nicht so verspäten, daß 
er die Handlung des Imäm verpaßt. 

In folgenden vier Handlungen muß der Nachbeter dem Imäm nicht 
folgen: 

1 . Wenn der Imäm (absichtlich) eine zusätzliche Sajda (außer dem Sujüd 
li s-Sahuw) hinzufügt. 

2. Wenn der Imäm mehr als die überlieferte Anzahl der Takb trat beim 
Festgebet {Salat al-'Id) hinzufügt. 

3. Wenn der Imäm bei einem Totengebet (Salät al-Janäza) zum vierten 
Mal einen Takbir spricht bzw. vornimmt. 

4. Wenn der Imäm nach dem - ansonsten korrekten - Gebet und dem 
letzten Sitzen nochmals aufsteht. Hier bleibt der Ma'müm zunächst 
sitzen und wartet: Setzt sich der Imäm wieder und verrichtet weder 
Rukü c noch Sajda, so wartet der Ma'müm ab und folgt dem Imäm 
anschließend in dessen Saläm. Wenn der Imäm aber - bekräftigend 
durch einen Rukü' und eine Sajda — eine neue Rak c a meint, gibt der 
Ma'müm allein den Saläm und tritt so aus dem Gebet aus. 

Wenn der Imäm aber noch vor dem letzten Sitzen zu einer weiteren 
(zusätzlichen) Rak c a aufsteht und das durch eine Sajda bekräftigt, ist 
das Gebet aller dadurch ungültig. 

Mälikiya 

Grundsätzlich besteht Übereinstimmung mit der Hanafiya. Jedoch gilt: 
Der Ma'müm muß dem Imäm insofern bei den Gebets handlungen nach- 
folgen, daß er sie nicht gleichzeitig mit dem Imäm ausführt, aber auch 
sich nicht so verspätet, daß dadurch eine Pflichthandlung des Imäm 
dem Ma'müm entgeht. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3^7 

Auch darf der Nachbeter beim Takbirat al-Ihräm dem Imäm nicht 
zuvorkommen, darf weder vor diesem damit beginnen noch vor dem 
Imäm damit fertig sein, sonst ist das Gebet des Ma'müm ungültig. Ent- 
sprechendes gilt für den Saläm des Imäm. Wird der Saläm vom Ma'müm 
gleichzeitig oder nachträglich verrichtet, gilt sein Gebet, kommt er 
aber darin dem Imäm zuvor, ist sein (des Ma'müm) Gebet ungültig. 

Wenn der Ma'müm sich beim Rukü' oder Sujüd schon vor dem Imäm 
beugt, so gilt: Tat er das unabsichtlich, so wartet er, bis sich der Imäm 
auch in die Haltung begibt, und begleitet den Imäm dann voller Be- 
wußtsein im Rukü' bzw. Sujüd. In diesem Fall ist das Gebet des Ma'müm 
noch gültig. Hebt der Ma'müm aber absichtlich den Kopf, weil der 
Imäm noch nicht in dieser Haltung ist, so ist das Gebet des Ma'müm 
ungültig. Hebt der Nachbeter aber versehentlich den Kopf, so muß 
er abwarten und sich dann mit dem Imäm zusammen erneut in diese 
Haltung begeben. 

Andererseits folgt der Nachbeter dem Imäm nicht in den Dingen, 
die nach Ansicht der Mälikiya zusätzlich und nicht gerechtfertigt sind 
(wie den Takbirat des { Id, usw.). Auch wenn sich der Imäm zu einer 
zusätzlichen Rak'a erhebt, folgt ihm der Ma'müm darin nicht nach. 

Hanbaliya 

Beim Takbirat al-Ihräm darf der Ma'müm nicht gleichzeitig mit dem 
Imäm den Takbir verrichten, sonst ist das Gebet ungültig. Ansonsten 
gilt beim Takbirat al-Ihräm, daß er dem Imäm direkt nachfolgen muß 
und nicht abwarten darf, bis der Rukn bereits vorbei ist. 

Allgemein muß der Ma'müm dem Imäm in den Gebetshandlungen 
direkt nachfolgen. Nur wenn der Ma'müm aus einem Entschuldigungs- 
grund heraus nicht sofort mit dem Imäm in den Rukü ( oder das Erhe- 
ben daraus gehen kann, ist dadurch das Gebet noch gültig. 

Wenn der Ma'müm aber von der Handlung des Imäms um zwei Arkän 
des Gebets entfernt ist, so ist das Gebet des Ma'müm in jedem Fall 
ungültig. 

Shäfi'iya 

Im Takbirat al-Ihräm darf der Nachbeter dem Imäm weder gleichzeitig 

folgen noch ihm zuvorkommen, sonst ist das Gebet für den Ma'müm 

ungültig. 

Auch beim Saläm darf der Ma'müm dem Imäm nicht zuvorkommen. 
Der Nachbeter darf dem Imäm nicht um zwei Rukn verspätet nachfol- 
gen (etwa indem der Ma'müm noch bei der ^ö^Aö-Rezitation ist, wäh- 
rend der Imäm sich bereits aus dem Rukü ( erhebt), sonst ist das Gebet 
für den Ma'müm ungültig. 



3^8 HANDBUCH ISLAM 

Daß jemand, der den Rücken gerade halten kann, 
jemandem nachbetet, der sich schief hält, indem er den Rücken krümmt 

Zu den Bedingungen einer gültigen Imäma zählt des weiteren, daß der 
Imäm nicht den Rücken so sehr krümmt, daß seine Haltung mehr dem 
Rukü c als dem Qvyäm ähnelt: In diesem Fall ist es ungültig, daß ein Ge- 
sunder, der sich und seinen Rücken gerade halten kann, einem solchen 
Beter nachbetet. 

Andererseits ist die Imäma - nach Ansicht der Rechtsschulen außer 
der Shafi'iya - eines solchen Imäm, der mit gekrümmtem Rücken wäh- 
rend des Qjyäm usw. betet, zulässig, wenn der bzw. alle Nachbeter eben- 
so gekrümmt das Gebet verrichten (müssen). 

In dieser Frage meint andererseits die Shäfi'iya, daß auch in diesem 
Fall - wenn der Imäm, nicht aber der Nachbeter mit gekrümmtem Rük- 
ken im Maß des Rukü c betet - die Imäma und das Gebet des Vor- und 
Nachbeters gültig sind. 

Daß Imäm und Ma'müm - wenn sie ein 
Fard-Gebet verrichten - das gleiche Fard- Gebet beten 

Es ist Bedingung, daß Imäm und Ma'müm dasselbe i<W-Gebet beten, 
wenn sie ein i<W-Gebet verrichten. So ist es ungültig, wenn jemand 
zum Beispiel das ^Ar-Gebet als Ma'müm hinter einem Imäm verrichtet, 
der selbst aber das Asr-Gebet verrichtet, oder wenn jemand das aktuelle 
^«Ar-Gebet in seiner entsprechenden Zeit hinter einem Imäm verrichtet 
(als Ada'), der ein anderes %uhr als von ihm nachzuholendes Gebet betet 
(als Qadä). 

Dies gilt bei Hanaßya und Mälikiya, während Shäfi'iya und Hanbaliya 
anderer Meinung sind. 

Shäfi'iya und Hanbaliya 

Es ist zulässig und gültig, in allen genannten Fällen dem Imäm als 
Nachbeter nachzufolgen; nur sagt die Hanbaliya: Ein £wÄr-Gebet hin- 
ter einem Imäm zu verrichten, der gerade ein Asr-Gtbet betet, ist un- 
gültig, und entsprechend auch der umgekehrte Fall ( Asr hinter einem 
Imäm eines %uhr) und dergleichen 205 . 

Die Shäfi'iya sagt weiter: Das Gebet des Ma'müm und das des Imäm 
müssen in ihrer Gestalt und Art einander entsprechen; daher ist etwa 
ein ^«Ar-Gebet hinter einem Totengebet (Salät al-Janäza) ungültig oder 
auch das Subh-Gchtt hinter einem Gebet bei Sonnenfinsternis (Salät 
al-Kusüf)™ 6 



BUCH ÜBER DAS GEBET 3^9 

Andererseits ist es zulässig, wenn jemand ein Näfüa hinter einem Imäm 
verrichtet, der selbst gerade ein i^W-Gebet verrichtet. Dasselbe gilt, wenn 
jemand ein bestimmtes gelobtes Gebet [Saläh man^üra) hinter einem Imäm 
betet, der ein anderes Gebet zu verrichten gelobt hat und das gerade 
tut: etwa wenn jemand als Nadhr gelobt hat, nach dem Mittag eines 
Tages zwei Rak'a zu beten, und dieses Gebet nun als Nachbeter hinter 
einem Imäm verrichtet, der selbst dieses Gebet zuvor als absolutes, nicht 
näher bestimmtes Zwei-ifc/; f 0-Gebet gelobt hat. 

Ebenso ist es zulässig, daß ein Reisender [Musäfir) hinter einem An- 
sässigen bzw. Nichtreisenden [Muqim) betet, sowohl innerhalb der Zeit 
als auch außerhalb derselben 207 ; in diesem Fall ist es für den Reisenden 
notwendig [läzim), das entsprechende Gebet vollständig mitzubeten (also 
in Form von vier bzw. drei Rak'a). 

Dies gilt übereinstimmend außer bei der Hanaßya. 

Hanaßya 

Wenn jemand im Nadhr gelobt hat, ein bestimmtes Gebet zu verrich- 
ten, so ist es unzulässig, hinter einem Imäm zu beten, der nicht genau 
dasselbe Gebet im Nadhr für sich gelobt hat: wenn etwa jemand zwei 
Rak'a näfila zu verrichten gelobt hat und hinter einem Imäm betet, der 
genau dasselbe gelobt hat, ist das zulässig. 

Wenn jemand als Ma'müm sein gelobtes Näfila [Näfila man^üra) hinter 
einem Imäm verrichten will, der ebenfalls ein Näfila gelobt hat und 
seine Absicht so gefaßt hatte, daß er gelobte: „Ich gelobe, das Zwei- 
Rak'a-Gebet zu verrichten, das X gelobt hat", so ist dieses Nachbeten 
für diesen Ma'müm rechtsgültig. 

Weiter sagt die Hanaßya: Es ist ungültig, daß ein Reisender [Musäfir) 
hinter einem Nichtreisenden [Muqim) ein Vier-Rak'a-Gebet (also ^wAr, 
'Asr oder s hhä) außerhalb der dafür vorgesehenen Zeit 208 betet, weil 
bei diesen Gebeten für den Reisenden zwei Rak'a Fard sind und daher 
das erste Sitzen zugleich das letzte Sitzen und damit für ihn Pflicht 
ist, während beim Imäm - der ja vier Rak'a verrichten muß - das erste 
Sitzen nur Sunna ist. Dadurch würde jemand, der einen Fard-Teil ver- 
richtet, als Ma'müm jemandem nachfolgen, der entsprechend nur ei- 
nen Sunna-Teil verrichtet, und das ist nicht rechtsgültig. 

Weitere bzw. spezielle Bedingungen zur Imäma 

Darüber hinaus gibt es noch weitere, innerhalb der Madhähib gültige 
Bedingungen. 



39° HANDBUCH ISLAM 

Hanafiya 

Es ist eine zusätzliche Bedingung, daß zwischen dem Imäm (bei einem 
Jamä f ö-Gebet, in dem Männer und Frauen nachbeten) und dem ein- 
zigen bzw. allen männlichen Nachbetern keine Reihe von Frauen als 
Unterbrechung steht 209 . Wenn nun drei Frauen als Reihe eine derar- 
tige Trennung bilden, so wird das Gebet von drei Männern in jeder 
Reihe hinter ihnen - von der ersten hinter der Frauenreihe bis zur 
letzten Reihe - ungültig, bei einer Zwischenreihe von zwei Frauen 
entsprechend das von je zwei Männern von jeder Reihe, und wenn 
eine Frau inmitten einer Reihe von Männern betet, so wird das Ge- 
bet des links und das des rechts direkt neben ihr stehenden Mannes 
und das eines einzelnen Mannes hinter ihr — in jeder Reihe - ungül- 
tig- 

Hanbaliya 

Zu den Bedingungen zur Gültigkeit des Nachbetens gehört folgendes: 
i . Daß der Ma'müm — wenn er der einzige Ma'müm ist — zur Rechten 
des Imäms steht. Wenn er links oder hinter dem Imäm steht - und 
wenn die nachbetende Person ein Mann ist, wird das Gebet des 
Ma'müm ungültig. Wenn die nachbetende Person eine Frau ist, so 
wird das Gebet aber nicht ungültig, wenn sie hinter (bzw. rechts 
neben) dem Imäm betet, wohl aber, wenn sie links von ihm steht. 

2. All das gilt, sofern der betreffende Ma'müm bereits eine vollständi- 
ge Rak'a verrichtet hat. Wenn aber jemand an einem nicht korrek- 
ten Platz beim Imäm steht und noch vor Ende der ersten Rak'a — vor 
dem Rukü'- sich an den korrekten Platz begibt, so wird das Gebet 
nicht ungültig. 

3. Daß der Imäm aufrichtig und anständig ( f ädil) ist. Daher ist die 
Imäma eines sündhaften Menschen (Fäsiq) 210 ungültig, selbst wenn 
er einem ihm gleichen sündhaften Menschen als Imäm vorbetet und 
selbst, wenn seine allgemein bekannte Sündhaftigkeit nicht offen 
von ihm gezeigt wird. Wenn nun ein anständiger Mensch hinter 
einem solchen Imäm betet - in Unkenntnis seiner Sündhaftigkeit - 
und erst im nachhinein feststellt, wer sein Imäm war, so obliegt es 
ihm, das hinter diesem Imäm verrichtete Gebet zu wiederholen (au- 
ßer im Fall des Jum f ö-Gebets und der beiden Festgebete, denn diese 
gelten auch ohne Wiederholung hinter einem Fäsiq > sofern es aller- 
dings nicht leichtfällt, als Imäm einen anständigen Imäm {'Adil) zu 
finden). 



BUCH ÜBER DAS GEBET 39 1 

Shäfi'iya 

Es obliegt dem Ma'müm^ mit dem Imäm in bestimmten Sunan inner- 
halb des Gebets übereinzustimmen und ihm darin nachzufolgen: 
i . Die einzelne Niederwerfung während der Koranrezitation (Sajdat 
at-Tiläwä) beim Subh-Gebet am Freitag, Taum al-Jum'a, dem Tag des 
Jum '^-Gebets: Wenn der Imäm diese Niederwerfung im Subh-Gcbct 
verrichtet, muß dies der Ma'müm ebenfalls, wenn der Imäm dies nicht 
tut, muß der Ma'müm ihm darin ebenfalls folgen. 

2. Die Niederwerfung bei Vergessen [Sujüd li s-Sahuw): Wenn der Imäm 
diese Niederwerfung verrichtet, muß ihm der Ma'müm darin folgen. 
Wenn der Ma'müm andererseits einen entsprechenden Fehler beim 
Gebet des Imäms feststellt, der eigentlich den Sujüd li s-Sahuw erfor- 
dert, und der Imäm diese Niederwerfung nicht verrichtet, so ist es 
Sunna, daß der Ma'müm selbst nach dem Saläm des Imäm eigenstän- 
dig diese Niederwerfung verrichtet. 

3. Der erste Tashahhud 211 : Wenn der Imäm diesen Tashahhud unterläßt, 
muß der Ma'müm ihm hierin folgen. E ist für den Ma'müm aber 
andererseits keine Pflicht, diesen Tashahhud zu verrichten, auch wenn 
dies der Imäm tut, aber den Tashahhud mit zuverrichten ist in diesem 
Fall Sunna für den Ma'müm. 212 

4. Daß der Imäm ein Gebet verrichtet, was nicht wiederholt werden 
muß: Wenn der Imäm zum Beispiel nicht rein (tähir) von den beiden 
Arten des Hadath ist, so muß es wiederholt werden, und das Nach- 
beten des Ma'müm ist ungültig. 

Dem Imäm in Punkt des Qunüt (des Du'ä'im Subh-Gcbt\) nachzufolgen 
ist aber für den Nachbeter nicht verpflichtend, gleichgültig ob der 
Imäm den Qunüt nun ausführt oder nicht. 

Mälikiya 

Zur Gültigkeit des Nachbetens müssen noch folgende weitere Bedin- 
gungen erfüllt sein: 

1 . Daß der Imäm nicht gerade ein Gebet wiederholt. So ist es ungültig, 
wenn jemand als Nachbeter ein Fard-Gebet hinter einem Imäm ver- 
richtet, der selbst gerade ein Gebet wiederholt. 

2. Daß der Imäm soweit über die Bedingungen des Gebets Bescheid 
weiß, daß er es korrekt verrichten kann, und auch die Vorbedin- 
gungen zur Gültigkeit kennt, wie das Verrichten von Wudü' und 
Ghusl- in ihrer korrekten und gültigen Form -, selbst wenn er zwi- 
schen den Arkän (und übrigen Bedingungen) nicht recht unterschei- 
den kann. 



39 2 HANDBUCH ISLAM 

3. Daß der Imäm frei ist von Fisq (erheblicher Sündhaftigkeit). Wenn 
aber seine Sündhaftigkeit nicht direkt mit dem Gebet zusammen- 
hängt (etwa wenn bekannt ist, daß er Alkohol trinkt), so gilt das 
Gebet für den Ma'müm, aber es ist für ihn doch zugleich makrüh, 
diesem Imäm nachzubeten. 

4. Daß der Imäm nicht in Pflicht -Teilen und notwendigen Bedingun- 
gen zur Gültigkeit des Gebets nachlässig ist. So ist die Imäma eines 
Imäms (besonders für den Ma'müm) ungültig, wenn dieser Imäm (auf- 
grund bestimmter Anzeichen verdächtigt wird, ohne Wudü' zu be- 
ten, oder wenn der Imäm die Rezitation der Fätiha unterläßt. 



Wer als Imäm vorzuziehen ist 

Zunächst einmal muß jemand im Rahmen der verpflichtenden Bedin- 
gungen zur Imäma geeignet sein. Wenn also jemand gar nicht korrekt 
die arabischen Laute aussprechen kann, darf er auch nicht Vorbeter 
für andere sein. Wenn jemand besser rezitieren kann als ein anderer, so 
muß der besser Rezitierende vorgezogen werden; dabei ist es unerheb- 
lich, wieviel jeder der beiden auswendig vom Koran beherrscht: ent- 
scheidend ist, daß jemand 

1. korrekt im Sinne der klassisch-arabischen Aussprache rezitieren 
kann, 

2. schön(er) im Sinne der Rezitationskunst rezitieren kann. 

Erst danach folgen die weiteren (wichtigsten) Entscheidungskriterien 213 : 

1 . Das Wissen um die Rechtsdinge beim Gebet. 

2. Allgemeines Rechtswissen. 

3. Das Alter. 

4. Daß jemand „ständiger Imäm" in einer Moschee ist. 

Daß jemand mit Wudü' jemandem mit Tayammum nachbetet 

Es ist zulässig, daß jemand, der sich im Zustand des Wudü ' befindet, 
einem Beter als Nachbeter (Ma'müm) nachfolgt, der (als Imäm) die rituel- 
le Reinheit (Tahära) nur durch den Tayammum erreicht hat. Entsprechen- 
des gilt für jemanden, der den Wudü' mit Fußwaschung vorgenommen 
hat und jemandem im Gebet nachfolgt, der in seinem Wudü' das Be- 
streichen der Schuhe (Mash c alä l-khuffain) oder des Verbandes (Jabira) 
durchgeführt hat. 

Dies ist nach Ansicht der Hanafiya und Hanbaliya ohne makrüh zu sein 
gültig, während Shäfi'iya und Mälikiya dies etwas anders sehen. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 393 

Shäfi'iya 

Eine solche Imäma ist dann gültig, wenn es dem Imäm nicht von seiner 
Lage aus obliegt, sein Gebet zu wiederholen (etwa wenn er auf einer 
Jabira einen Mash ausgeführt hat, die aber nicht ausreichend bedeckt). 

Mälikiya 

Eine solche Imäma ist zwar gültig, aber makrüh. 



KAPITEL 13 
DAS FREITAGSGEBET (SALÄT AL-JUM'A) 

§98 

ALLGEMEINE BESCHREIBUNG 

Das Freitagsgebet gehört zu den Dingen, die als Ford 'ain (elementare, 
absolute Pflicht) gelten. Diese Verpflichtung muß jeder Muslim erfül- 
len, der die - weiter unten beschriebenen - Bedingungen in seiner Per- 
son erfüllt. Darüber hinaus ist das Freitagsgebet das äußere Zeichen für 
die Einheit aller Muslime, die Umma; es hat daher eine ganz besondere 
innere Bedeutung, die weit über den Bereich des Rechts hinausgeht. 

Das Freitagsgebet (Salät al-Jum'a) selbst besteht aus zwei Rak'a, denen 
zwei Predigten (die beiden Khutbas) vorausgehen 214 . Dabei begibt sich 
zunächst der Imäm und Prediger des Freitagsgebets auf den Minbar der 
Moschee, wo er sich auf dem Sitz des Minbar niederläßt. Dann ruft der 
Mu'adhdhin den Adhän für das Freitagsgebet. Danach erhebt sich der 
Imäm und predigt (die erste Khutba), wobei er (üblicherweise auf der ober- 
sten bzw. einer der oberen Stufen des Minbar) stehen muß. 

Dann beendet er die erste Khutba und setzt sich kurz auf den Sitz des 
Minbar. Dann erhebt er sich zur zweiten Khutba. Sobald er diese beendet 
hat, ruft der Mu'adhdhin die Iqäma aus, während gleichzeitig der Imäm 
den Minbar verläßt und sich vor die Reihen der beim Jum'a versammel- 
ten Muslime begibt. 

Dann werden die Reihen zum Gebet ausgerichtet, und der Imäm ver- 
richtet mit den anwesenden Betenden in Form eines Gemeinschafts- 
gebets das Freitagsgebet (Salätal-Jum'd), wobei die Absicht die zum Frei- 



394 HANDBUCH ISLAM 

tagsgebet sein muß. Dieses Gebet selbst nun besteht - wie oben schon 
erwähnt - aus zwei Rak'a und folgt ansonsten allen üblichen Arhän, Shurüt 
(Bedingungen) usw. des Gebets. Auch die Sunan, wie Tasbih, Du < ä i usw., 
sind bei Freitags- und sonstigem Gebet identisch. 

Allerdings gibt es auch beim Freitagsgebet einige spezielle Arkän, Shurüt 
usw., auf die hier nun eingegangen werden soll. 215 



§ 99 

DIE RECHTLICHE BEDEUTUNG DES FREITAGSGEBETS 

Grundsätzlich ist das Verrichten des Freitagsgebets für jeden Muslim, 
der die Bedingungen dazu erfüllt, Fard 'ain. Diese rechtliche Bestim- 
mung (Hukm) ist in Übereinstimmung der Rechtsschulen (Ijmä 3 ) seit der 
Zeit der Prophetengefährten (Sahäba) *&& bis heute gültig. 



I 00 



DIE ZEIT FÜR DAS FREITAGSGEBET 

Hanafiya und Shäfi'iya 

Nach Auffassung der Hanafiya und Shäfi'iya ist die Zeit für das Freitags- 
gebet [Salät al-Jum'a) mit der Zeit des ^wAr-Gebets gleich. Das Freitags- 
gebet gilt daher nicht, wenn es vor dem Beginn dieses Zeitabschnitts - 
oder danach — begonnen bzw. beendet wird: es muß genau in dem für 
das %uhr bestimmten Zeitraum liegen. 216 

Hanbaliya 
Nach der Hanbaliya beginnt die Zeit für das Salät al-Jum'a, sobald sich 
die Sonne - nach ihrem Aufgang - bereits deutlich erhoben hat 217 (also 
noch beträchtliche Zeit vor Beginn von %uhr) und endet mit Ende der 
^Ar-Zeit bzw. mit Beginn der 'Asr-Zeit. 

Dabei gilt jedoch auch; 

• Es ist zulässig (jäHz), das Freitagsgebet vor Beginn der ^uhr-Zeit zu be- 

ginnen bzw. (ganz) zu verrichten, doch es ist besser, das Gebet erst mit 
Beginn der .^Ar-Zeit zu beginnen. 

• Erst mit Beginn der ^wAr-Zeit wird das Verrichten des Freitagsgebets 
Pflicht* 1 * 



BUCH ÜBER DAS GEBET 395 

Mälikiya 

Die Zeit, innerhalb der man das Freitagsgebet verrichten kann, reicht 
von Beginn der guhr-Zeit bis zum Sonnenuntergang (also dem Beginn 
der zum Beten verbotenen Zeit vor Beginn des Maghrib-Gtbets). 

Dabei gilt: Wenn - im Extremfall - die zum Freitagsgebet Versam- 
melten erst am Ende dieser Zeitspanne beten können und feststellen, 
daß nach dem Ende der Khutba und bis zu Beginn des Sonnenuntergan- 
ges nur noch die Zeit für eine Rak'a bleibt, so kann kein gültiges Freitags- 
gebet mehr verrichtet werden, und sie müssen statt dessen £uhr beten. 

Befinden sich die Versammelten gerade im eigentlichen Zwti-Rak'a-Gt- 
bet und endet die Zeit für das Freitagsgebet noch vor dem Schlußgruß 
(Saläm) des Gebets, so vertreten die Rechtsschulen unterschiedliche Mei- 
nungen bezüglich dessen, ob das Freitagsgebet gültig ist oder nicht. 

Hanafiya 

Das Gebet ist ungültig, wenn die für das Salät al-Jum 'a bestimmte Zeit 
noch vor Gebetsende endet. Das gilt auch, wenn das Ende der Gebets- 
zeit eintritt, nachdem die Gläubigen das „letzte Sitzen" (al-Qu'üd al- 
akhir) in der zeitlichen Ausdehnung des Letzten Tashahhud schon ver- 
richtet haben, also nur noch der Segen für den Propheten 4?|£ und der 
Schlußgruß (Saläm) noch fehlen. 

Shäfi'iya 

Wenn sich die Versammelten bereits im eigentlichen Gebet befinden 
und - an sich - die Zeit durchaus noch ausreicht, um zwei Rak'a zu 
verrichten, das Gebet dann aber doch länger als die Zeit andauert 219 , so 
ist das, was von dem Salät al-Jum'a gebetet wurde, gültig; doch das, was 
innerhalb der Zeit (von den zwei Rak ( a) nicht mehr verrichtet wurde, 
muß dann wie ein ^«Ar-Gebet - direkt verbunden mit ihrem Freitags- 
gebet - vervollständigt werden, ohne aber dazu die Absicht zum £uhr- 
Gebet zu fassen. Dabei muß der Imäm im verbleibenden Gebetsteil leise 
rezitieren. 22 ° 

Auch ist es verboten, in diesem Fall das Gebet zu unterbrechen und 
ersatzweise das guhr von Anfang an zu beten. Wenn sich die Versam- 
melten aber erst dann zum eigentlichen Gebet begeben, wenn die Zeit 
bereits knapp geworden ist, und sie es in der Annahme beginnen, daß 
die Zeit doch noch ausreichen könnte, und wenn dann die Zeit doch 
nicht mehr für das gesamte (Zwti-Rak'a-) Gebet genügt, ist ihr Freitags- 
gebet ungültig (bätil) und kann nicht mehr in ein gültiges ^wÄr-Gebet 
umgewandelt werden. 



39^ 



HANDBUCH ISLAM 



Hanbaliya 

Wenn die Versammelten das eigentliche Freitagsgebet noch innerhalb 
der dafür vorgesehenen Zeit begonnen haben, dann aber das Gebet 
noch über das Ende dieser Zeit hinausreicht, so sollen sie es weiterbeten 
und als Jum'a so vervollständigen. 

Mälikiya 

Wenn die Versammelten das eigentliche Zwei-Rak'a -Gebet am Ende 
der vorgesehenen Zeit in der Annahme beginnen, daß sie es in der ver- 
bleibenden Zeit noch verrichten können, sie das aber bis zum Ende der 
Zeit nicht schaffen - wobei sie aber die zwei Sajda der ersten Rah'a 
bereits verrichtet haben -, so vervollständigen sie das Jum'a-Gebtt (ohne 
Unterbrechung). Haben sie aber bei Ende der eigentlichen Gebetszeit 
noch nicht die zwei Sajda der ersten Rak'a verrichtet, so vervollständigen 
sie ihr Gebet als %u Ar-Gebet. 



§ ioi 

WANN MAN SICH ZUM FREITAGSGEBET 

BEGEBEN MUSS, UND ZUM VERBOT VON 

HANDELSGESCHÄFTEN WÄHREND DES FREITAGSGEBETS 

Zum „Ersten Adhän" 

Es wird für den Gläubigen verpflichtend, sich zum Freitagsgebet aufzu- 
machen und zur Moschee zu gehen, sobald derjenige Adhän ausgerufen 
wird, der in Anwesenheit des Predigers (der auf dem Minbar sitzt) aus- 
gerufen wird. Von diesem Moment an ist der Handel als solcher ver- 
boten, gemäß dem Wort Gottes: 

„O ihr, die ihr glaubt, wenn zum Gebet am Tage des Jum'a gerufen 
wird, so begebt euch rasch zum Gedenken Gottes 221 und laßt den Han- 
del" (Sure al-Jumu'a, Vers 9). 

Von daher ist klar, daß Gott befohlen hat, sich bei (diesem) Adhän 
zum Gebet zu begeben. Zur Zeit des Propheten^^ war nur dieser eine 
Adhän (in Anwesenheit des bereits gekommenen Predigers) bekannt: und 
zwar pflegte der Mu'adhdhin, sobald der Prophet|g£ den Minbar hinauf- 
gestiegen war und sich auf den Minbar-Sitz gesetzt hatte, den Adhän 
auszurufen. Dies wird von al-Bukhäri, Abu Däwüd, an-Nasä'I und 
at-Tirmidhi (sicher) überliefert. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 397 

Später hat dann 'Uthmän, möge Allah mit ihm zufrieden sein, einen 
Adhän-Kuf vor diesem (ersten) Adhän hinzugefügt, da die Zahl der Men- 
schen groß geworden war. Dazu wird von as-Sä'ib binYazid überliefert: 

„Der Adhän zur Zeit des Propheten ^jg^ wurde erst dann ausgeführt, 
wenn der Imäm auf dem Minbar Platz genommen hatte, und so blieb 
es auch zur Zeit von Abu Bakr und 'Umar. 

Als jedoch die Zeit des Kalifats von 'Uthmän kam und die Zahl der 
Menschen groß geworden war, ließ er [das heißt 'Uthmän, möge Allah 
mit ihm zufrieden sein] einen zweiten Adhän [noch vor dem ursprüng- 
lich vorhandenen] ausrufen, um die Besucher [von Madina, die et- 
was von der Moschee entfernt wohnten] zum Gebet zu rufen." 

Es kann von daher kein Zweifel bestehen, daß der zweite Adhän der 
SharVa gemäß ist, weil das Ziel, der Zweck des zweiten Adhän hier die 
Ankündigung des JW'fl-Gebets ist, und als seinerzeit die Anzahl der 
Menschen zunahm, wurde eine besondere Ankündigung des Freitags- 
gebets erforderlich. Zudem gehörte der Kalif 'Uthmän, möge Allah mit 
ihm zufrieden sein, zu den großen Prophetengefährten, möge Allah 
mit ihnen zufrieden sein, denjenigen, die als Mujtahidin gelten, welche 
die Grundlagen der Religion genau kannten und sie von dem Prophe- 
ten^J her überlieferten. 

Drei der Imäme der Madhähib (außer der Hanqfiyd) stimmen darin über- 
ein, daß der Gang zum Salät al-Jum ( a für den grundsätzlich dazu ver- 
pflichteten Muslim konkret verpflichtend wird, sobald er denjenigen 
Adhän hört, der in Anwesenheit des Predigers bzw. Imäms durchge- 
führt wird, weil es dieser Adhän ist, der in dem oben genannten Koran- 
vers gemeint ist. 

Die Hanaßya jedoch ist anderer Ansicht und sagt dazu: 
Sobald der Adhän (das heißt grundsätzlich irgendein Adhän) zum Jum'a- 
Gebet nach Beginn der zulässigen Zeit ausgerufen wird, so wird es 
für den Muslim verpflichtend, sich zum Gebet zu begeben. Der heute 
dazu bekannte Adhän, der von einem Minarett usw. aus (vor dem 
eigentlichen Beginn der Jum'a-Khutba) ausgerufen wird, verpflichtet 
dazu, weil dieser (zusätzliche Adhän) der SharVa gemäß ist - wie oben 
dargestellt - und der entsprechende Koranvers in seinem Sinngehalt 
allgemein gehalten ist, nicht aber speziell Bezug nimmt auf den Adhän 
in Anwesenheit des Predigers, wie es die anderen Rechtsschulen se- 
hen. 



39Ö HANDBUCH ISLAM 

Die Frage des Handels 222 

Hanafiya und Shäfi'iya 

Hanafiya und Shäfi'iya stimmen darin überein, daß ein Handelsgeschäft 
während des Adhän zum Jum'a verboten ist - selbst dann, wenn der 
fragliche Handel (ansonsten) rechtsgültig (sahih) ist. 

Dabei gilt aber, daß die Shäfi'iya unter dem Adhän zum Jum'a den in 
Anwesenheit des Predigers versteht, die Hanafiya hingegen den vor 
Beginn des gesamten Jum'a (wie oben dargestellt) und das Verbot bei 
ihr vom Adhän bis zum Ende des eigentlichen Freitagsgebets gilt. 

Mälikiya 

Wenn der fragliche Handel während des Adhän geschlossen wird, so 
ist dieser Handel ungültig (Jasid) und wird aufgehoben (durch Faskh) 223 
- außer, wenn sich der Verkaufsgegenstand verändert hat (zum Bei- 
spiel daß ein gekauftes Tier geschlachtet und gegessen wurde), oder 
daß sich der Markt(wert) des Verkaufsgegenstandes in der Zwischen- 
zeit verändert hat (indem etwa der Preis für die betreffende Ware 
gesunken oder gestiegen ist) oder ähnliches, wie es im Teil der Kauf- 
verträge beschrieben wird. 

Wenn also irgendeine Veränderung wie die oben beschriebenen in 
der Zwischenzeit eingetreten sind, so besteht der Vertrag doch (be- 
züglich der Rückgabe- und Rücknahmerechte) weiter, wobei als Wa- 
renwert der des Datums der konkreten Entgegennahme der Ware 
seitens des ursprünglichen Verkäufers gilt, nicht aber der zum Da- 
tum des (danach ungültigen bzw. aufzuhebenden) Vertragsschlusses. 

Hanbaliya 

Wenn ein Handelsgeschäft während des Adhän abgeschlossen wird, 
so ist es von Anfang an nicht rechtskräftig. 

§ 102 

DIE BEDINGUNGEN (SHURÜT) DES JUM'a 

Für das Jum '«-Gebet gilt grundsätzlich (auch) das, was für das Gebet 
(Saläh, zum Beispiel £uhr) sonst an Bedingungen gilt (wie es schon zuvor 
in den entsprechenden Kapiteln vorgestellt wurde). 

Darüber hinaus gibt es für das Jum'a-Gebet aber noch zusätzliche 
Bedingungen, die zunächst nach den Madhähib geordnet vorgestellt wer- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 399 

den. Dann soll das Gemeinsame und das, worüber Uneinigkeit besteht, 
noch einmal gesammelt dargestellt werden (so Gott will). 



Die zusätzlichen Bedingungen 
des Jum'a [bezüglich des normalen Gebets) 

Hanafiya 

Die zusätzlichen Bedingungen des Jum'a werden in zwei Bereiche einge- 
teilt: 

• Bedingungen der Verpflichtung (Shurüt al- Wujüb) 22 * 

• Bedingungen der Gültigkeit (Shurüt as-Sihha). 

Bedingungen der Verpflichtung (Shurüt al- Wujüb) 

Diese Bedingungen sind insgesamt sechs: 

i . Die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht. Das Freitagsgebet (Salät 
al-Jum c a) obliegt daher nicht den Frauen. Wenn aber eine Frau beim 
Jum c a anwesend ist, es mit durchführt und das Jum f a-Gebet verrichtet, 
so ist das für sie gültig (sahih). In diesem Fall ersetzt das Jum f a-Gebet, 
das sie mitgebetet hat, das £uhr-Gebet, welches sie sonst beten müßte. 

2. Die Freiheit. Für jemanden, der diese Bedingung nicht erfüllt, ist das 
Freitagsgebet zwar nicht verpflichtend, doch wenn er dabei anwe- 
send ist und es mitbetet, ist es für ihn gültig. 

3. Daß man gesund ist. Daher ist das Freitagsgebet für einen Kranken 
nicht verpflichtend, dem es medizinisch gesehen Schaden zufügen 
würde, wenn er sich zu Fuß gehend zum Freitagsgebet begeben wür- 
de. Ist es nun so, daß der Kranke derart außerstande ist, zum Jum'a 
zu gehen, so entfällt für ihn die Verpflichtung, zum Jum c a zu erschei- 
nen - selbst dann, wenn sich jemand fände, der ihn dorthin (mit dem 
Auto und dergleichen) transportieren könnte. Darüber besteht inner- 
halb der Hanafiya Einigkeit. 

Bezüglich eines Blinden, der von sich aus - das heißt ohne fremde 

Hilfe - nicht zum Jum c a gehen kann, sagt der Imäm Abu Hanifa selbst: 

Das Freitagsgebet entfällt als Pflicht für diese Person, selbst dann, wenn es eine 

Person gibt, die freiwillig und ohne Entgelt - das der Blinde aufbringen kann - 

bereit ist, diesen Blinden zum Jum'a hinzubringen. 

Die beiden Hauptschüler Abu Hanif as, Abu Yüsuf und Muhammad, 

haben hingegen dazu gesagt: 

Wenn ein Blinder außerstande ist, selbst zum Jum'a zu gehen, aber jemanden 
findet, der ihn entweder ganz und gar freiwillig oder auch gegen ein Entgelt - das 
der Blinde aufbringen kann - dorthin bringt, so ist es für den Blinden verpflich- 
tend, zum Jum c a zu gehen. 



400 HANDBUCH ISLAM 

Von daher ist es für einen Blinden zulässig, sich nach einer der bei- 
den Ansichten zu richten. Jedoch ist es vorzuziehen, daß er sich nach 
der der beiden Hauptschüler Abu Hanifas richtet, da - in völliger 
Übereinstimmung innerhalb der Rechtsschule - sein Freitagsgebet 
voll gültig ist, wenn er er verrichtet. 

4. Daß man sich ständig an dem Ort aufhält (das heißt Muqim ist), an 
dem das Jum f ö-Gebet durchgeführt wird. Wenn sich jemand nun fern 
von diesem Ort befindet, so ist das Freitagsgebet für ihn nicht ver- 
pflichtend. Dabei wird die entscheidende Entfernung hier mit einem 
„Farsakh" (etwa 5040 m) angegeben 225 ; dieses Maß wird allgemein für 
die Bildung eines Rechtsgutachtens (Fatwä) herangezogen. Von man- 
chen Gelehrten aber wird die entscheidende Entfernung des Gläubi- 
gen vom Gebetsort desjum'a mit nur vierhundert „Adhru 1 " (etwa 1 12 
m) angegeben; dabei wird diese Strecke mit „Ghulwa" bezeichnet. 
Daraus läßt sich entnehmen, daß das Freitagsgebet für den Reisen- 
den nicht verpflichtend ist, es sei denn, er hat die Absicht gefaßt, sich 
am Ort, wo das Freitagsgebet stattfindet, mindestens fünfzehn Tage 
aufzuhalten. 226 

5. Daß er Verstand besitzt ('äqil ist). 

6. Daß man im Zustand der vollen körperlichen und geistigen Reife 
(Bulügh) ist. 

Die Bedingungen zur Gültigkeit (Sihha) des Salät al-Jum'a: 

Dies sind insgesamt sieben: 
1 . Daß das Jum'a in einer Stadt durchgeführt wird. Daher ist auch das 
Freitagsgebet für jemanden, der (weit entfernt von einer größeren 
Stadt) in einem kleinen Dorf lebt, nicht verpflichtend. Dabei beruft 
sich die Hanafiya in dieser Meinung auf eine Überlieferung und eige- 
ne Äußerung 227 des vierten Kalifen, 'Ali, möge Allah mit ihm zufrie- 
den sein , der danach aussagte: 

Es gibt kein jW f ö(-Gebet), kein Tashnq 22S , kein Fitr-Gebet (anläßlich 
des 'Id al-Adha)und kein (Gebet anläßlich des ( Id al-)Adhä, außer in 
einer Stadt, wo sich eine Jämi '-Moschee 229 befindet, oder in einer gro- 
ßen Stadt". 2 ^ 

Hanafiya 

Als Unterscheidungsmerkmal zwischen Stadt und Dorf wird dabei 
angegeben, daß bei einer Stadt in der Hauptmoschee nicht alle zum 
Jum'a verpflichteten Männer Platz finden, selbst wenn sie in der Tat 
nicht zum Gebet gehen. Dies ist die Mehrheitsmeinung der hanafi- 
tischen Gelehrten. Des weiteren darf zwischen einem größeren Dorf, 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4° l 

das diese Bedingung doch erfüllt, und der nächsten größeren Stadt 
nicht weniger Entfernung als ein Farsakh (eine Großmeile = 5040 m) 
liegen. 

2. Ein islamischer legitimer Herrscher bzw. sein legitimer Stellvertreter 
muß den Imam bzw. Prediger (Khatib) des Jum ( a ernennen. Es ist dar- 
auf zulässig, daß ein solcherart ernannter Imam weitere Imame für 
weitere Moscheen, in denen lokal das Jum'a verrichtet werden soll, 
ernennt. (Dies ist der eigentliche Grund, warum heutzutage gemäß 
der hanafitischen Meinung das nachträgliche £uhr-Gtbtt nach dem 
Jum f fl-Gebet verrichtet wird: weil an der Gültigkeit des Jum f fl-Gebetes 
ohne derartige Ernennung des Imam Zweifel bestehen.) 

Diese Bedingung gilt nur bei der Hanaßya, nicht bei den anderen 
Rechtsschulen. 

3. Daß die korrekte Gebetszeit des guhr eingetreten ist. Ist die Gebets- 
zeit bereits vorüber, während das Jum 'fl-Gebet noch nicht ganz fertig 
verrichtet ist, so wird das ganze JwmVGebet ungültig - selbst wenn 
dies während des letzten Taschahhud passiert. 

4. Die Predigt [Khutba], wie es noch genauer weiter unten dargestellt 
wird. 

5. Daß die Khutba vor dem eigentlichen Zwei-ZfoAi'fl-Gebet des Jum'a ge- 
halten wird. 

6. Die Gemeinschaft mehrerer Betenden. Nach hanafitischer Meinung 
sind mindestens drei zum Jum ( a verpflichtete Männer außer dem Imam 
dazu erforderlich. 

7. Daß das Jum VGebet an einem Ort durchgeführt wird, der dazu von 
dem legitimen örtlichen islamischen Herrscher freigegeben ist (spezi- 
ell bei Lokalmoscheen und Privathäusern wurde diese Erlaubnis in 
der Regel verweigert). 

Grundsätzlich - unter Beachtung des oben Gesagten - ist es aber 
im Freien zulässig, das Jum'a-Gebet zu verrichten. Auch diese Bedin- 
gung ist speziell für die Hanqfiya. 



Mälikiya 

Bedingungen der Verpflichtung (Shurüt al- Wujüb) 

Diese sind wie die allgemein oben schon benannten Bedingungen zum 
allgemeinen Gebet, und zusätzlich gilt folgendes: 

1 . Das Jum 'a ist nur für Männer verpflichtend, doch wenn eine Frau es 
in der Gemeinschaft mitbetet, ist das für sie gültig, und sie braucht 
kein Mittags gebet {£uhr) für den Freitag mehr zu verrichten. 



402 HANDBUCH ISLAM 

2. Die Freiheit. 

3. Das Freisein von Entschuldigungsgründen, zum Gebetsplatz zu kom- 
men und dort zu beten, wie Krankheit. Kann ein Kranker zu Pferd 
bzw. mit Verkehrsmitteln zum Jum'a gelangen - und sei es gegen 
Geld -, so muß er dies aus Pflicht tun, doch ist er dazu nicht imstan- 
de, entfällt die Pflicht für ihn. 

4. Daß man sehen kann. Kann ein Blinder auf sich allein gestellt nicht 
zum Jum 'a gelangen, entfällt für ihn grundsätzlich die Pflicht dazu. 
Doch hat ein Blinder einen Führer, der ihn zur Moschee bringt, muß 
er dies nutzen und beim Jum'a teilnehmen. 

5. Wenn man aus Altersgründen nicht anwesend sein kann, weil das 
Sitzen usw. zu anstrengend wird (bei starker Gebrechlichkeit), ent- 
fällt die Verpflichtung zum Jum'a. 

6. Daß weder sehr starke Hitze noch Kälte, noch sehr starke Regenfäl- 
le usw. (Unwegsamkeiten) herrschen, unter denen man sich zumj^m 'a 
begeben müßte. 

7. Daß man nicht fürchten muß, zu Unrecht eingesperrt, seiner Frei- 
heit beraut, geschlagen zu werden, usw. 

8. Daß man nicht befürchten muß, beraubt oder getötet zu werden, 
wenn es dazu bereits Vorkommnisse gab (allgemeine Unsicherheit). 

9. Daß man in der betreffenden Gegend, wo das Jum'a stattfindet, 
derzeit kein Reisender oder ortsansässig ist. Hat ein Reisender beab- 
sichtigt, an jenem Ort mindestens vier Tage zu verweilen, wird das 
Jum'a für ihn hier zur Pflicht. 

10. Daß dasjW 'a in einem Haus oder zuminndest in einer festgebauten 
Unterkunft stattfindet. Das Vorhandensein einer Stadt ist nicht Vor- 
aussetzung zur Verpflichtung bzw. Gültigkeit. In Zelten Lebende sind 
aber nicht verpflichtet, in ihren Behausungen das Jum'a zu verrich- 
ten. 



Die Bedingungen zur Gültigkeit (Shurüt sihha): 

1 . Die Ortsansässigkeit. 

2. Daß außer dem Imam mindestens zwölf verpflichtete Männer anwe- 
send sind. 

3. Der Imam, unter zwei besonderen Bedingungen: (a) Daß er - der 
Imam - selbst ortsansässig ist oder ein Reisender, der einen viertägi- 
gen Aufenthalt vor Ort beabsichtigt hat, (b) daß er zugleich der Pre- 
diger (Khatib) ist. 

4. Die Durchführung der beiden Khutba-T eile. 

5. Daß das Jum'a in einer Moschee durchgeführt wird. Zur Moschee 
gilt: (a) das Gebäude muß fest errichtet sein; (b) das Gebäude darf 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4°3 

keinen Behelfscharakter haben und muß im Erscheinungsbild zumin- 
dest im Mittelmaß dem genügen, was die Ortsansässigen an Gebäu- 
den erwarten; (c) daß es im betreffenden Einzugsgebiet oder in direk- 
ter Nähe der Wohngebiete der Betenden liegt; (d) daß das Jum'a nur 
in einer bzw. der ältesten, ursprünglichen Moschee der Gegend statt- 
findet (unter Einschränkung gemäß dem, was anderenorts zum Vor- 
handensein mehrerer Freitagsmoscheen gesagt wurde). 



Shäfi'iya 

Bedingungen der Verpflichtung [Shurüt al- Wujüb) 

Diese zusätzlichen Bedingungen entsprechen denen der Mälikiya, ledig- 
lich genügt es - im Unterschied zur Mälikiya - der Shäfi'iya, wenn die 
Furcht vor Beraubung und Behelligung an Leib und Leben besteht, daß 
die Verpflichtung entfällt, auch wenn es eventuell noch keinen echten 
Präzedenzfall in der Gegend gab. 

Die Bedingungen zur Gültigkeit [Shurüt sihha): 

i . Die Ortsansässigkeit. Gemeint ist, daß der Betreffende den Adhän 
von seinem Wohnplatz her hören kann. Sollten aber vierzig oder mehr 
Männer als Ortsansässige so weit von der nächsten Freitagsmoschee 
entfernt wohnen, daß sie den Adhän nicht mehr hören können, müs- 
sen sie selbst eine solche Moschee Moschee für ihr Jum'a errichten. 

2. Daß man kein Reisender ist bzw. als Reisender mindestens vier Tage 
vor Ort bleiben will. 

3. Daß das Jum f fl-Gebet gemäß den oben bereits erwähnten korrekten 
Vorgaben verrichtet wird. 

4. Daß mindestens vierzig zum Jum'a verpflichtete Männer - ohne Imam 
gezählt - beim Jum'a vorhanden sind. 

5. Daß in der betreffenden Jum '«-Moschee das Gebet als erstes zeitlich 
ausgeführt wird. Sollte in mehreren Moscheen das Jum'a verrichtet 
werden (ohne Entschuldigungsgrund zum Vorhandensein mehrerer 
Moscheen), so gilt nur das zuerst verrichtete als korrekt. 

Hanbaliya 

Die Bedingungen zur Gültigkeit [Shurüt sihha): 

Hier gilt das, was schon bei den anderen Rechtsschulen aufgezählt 
wurde. 



4O4 HANDBUCH ISLAM 

Die Bedingungen zur Gültigkeit (Shurüt sihha): 

Dies sind vier: 

1 . Daß das Gebet nur innerhalb der zulässigen Zeit durchgeführt wird. 
Dabei beginnt bei der Hanbaliya diese Zeit mit dem Moment, bei dem 
das Fest-Gebet (Salät al- c Id) gültig verrichtet werden kann - also noch 
vor £wÄr-Zeit-Beginn, und endet mit dem Ende der ^wAr-Zeit. 

2. Die Ortsansässigkeit. Auch gilt das Jum'a - im Gegensatz zur 
hanafitischen Meinung - nicht im Freien, außerhalb jeglichen Ge- 
bäudes (Wüste, freies Feld, usw.). 

3. Daß es mindestens vierzig Männer sind, die sich - einschließlich des 
Imams versammeln. 

4. Die Durchführung der beiden Khutba-Teile, wie schon anderenorts 
vorgestellt. 



Die Anwesenheit von Frauen beim Jum'a 

Wie schon vorgestellt, ist das Freitagsgebet [Salät al- Jum'a) im Sinne der 
Shurüt al- Wujüb (den Bedingungen der Verpflichtung) nur für Männer 
verpflichtend, nicht aber für Frauen. Andererseits ist das Freitagsgebet 
für Frauen voll und ganz rechtsgültig, wobei sie es in diesem Fall an- 
stelle des £uAr-Gebets verrichtet. 

Dabei erhebt sich dann die Frage, ob es für die Frau (rechtlich gese- 
hen) besser ist, das Jum'a oder— in ihrem Haus — das £uhr zu verrichten. 
In dieser Frage soll die Meinung der Madhähib im einzelnen vorgestellt 
werden. 23 ' 

Hanafiya 

Es ist besser, wenn die Frau das ^Ar-Gebet in ihrem Haus betet, 

gleich, ob es sich bei ihr um eine alte/ältere oder junge Frau handelt. 

Mäliklya 

Wenn es sich bei der Frau um eine alte/ältere Frau handelt, so daß 
ihr Ablick bei den Männern keine Begiere hervorruft, so ist es für sie 
- ohne daß das irgendwie makrüh ist - zulässig, beim Jum'a anwesend 
zu sein. 

Ist diese Frau aber jung und schön bzw. attraktiv, so daß bei ihrer 
Anwesenheit befürchtet werden muß, daß ihr Anblick auf dem Weg 
zur Moschee 232 bei den Männern Begierde erweckt, so ist es ihr ver- 
boten (haräm), beim Jum'a anwesend zu sein. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4O5 

Shäfi'iya 

Grundsätzlich ist es für die Frau makrüh, sich zu einer Gemeinschaft 
von Männern - wie im Fall des Jum ( a - hinzuzubegeben, wenn sie 
attraktiv ist und Begierde bei Männern hervorrufen kann, selbst dann, 
wenn sie korrekt verdeckende Kleidung trägt. 

Dasselbe gilt für eine Frau, die nicht derart attraktiv ist, daß Män- 
ner sie begehren, die aber Schmuck trägt, sich äußerlich auffallend 
schön kleidet bzw. schminkt usw. oder sich parfümiert. 

Wenn es sich bei einer Frau um eine ältere/alte Frau handelt bzw. 
eine nicht attraktive Frau und sie weder durch äußerlichen Schmuck 
noch durch Parfüm auf sich aufmerksam macht (und so auch bei 
den beim Jum'a anwesenden Männern keine Aufmerksamkeit bzw. 
Begehren erwecken kann), so ist es für sie voll und ganz rechtsgültig 
und keineswegs makrüh, am Jum'a teilzunehmen. 

Dazu gibt es hier noch zwei weitere Bedingungen: 

1. Daß der Wall der Frau ihr die Erlaubnis gibt, am Jum'a teilzuneh- 
men, gleich, ob es eine alte oder junge Frau ist. Wenn er es ihr nicht 
erlaubt, ist es ihr verboten, beim Jum c a anwesend zu sein. 

2. Daß dadurch, daß sie sich zu der Gemeinschaft der versammelten 
Männer begibt, keine Fitna befürchtet werden muß. Wenn das näm- 
lich der Fall ist, ist es ihr verboten, dorthin zu gehen. 

Hanbaliya 

Es ist für eine Frau mubäh, beim Jum'a anwesend zu sein, unter der 
Bedingung, daß sie nicht schön bzw. attraktiv ist. Ist das aber der 
Fall, so ist es für sie makrüh, am Jum'a teilzunehmen. 

Wenn es mehrere Moscheen gibt, 
in denen das Jum'a-Gebet verrichtet wird 

Zu den Zielen des Jum'a gehört es, daß sich die Gläubigen an einem 
einzigen Ort versammeln und so in Demut vor Gott versammelt sind, 
die Brüderlichkeit unter den Menschen verstärkt wird, der Stärkere den 
Schwächeren unterstützt, der Reichere den Ärmeren hilft und sich alle 
bewußt werden, daß sie allesamt Diener Gottes sind, ohne daß sich 
einer über den anderen in Hochmut erheben darf. 

Um das zu erreichen, ist es von der Shari'a vorgesehen, daß sich alle 
im Gottesdienst ('Ibäda) versammeln. So besteht natürlich auch kein 
Zweifel, daß, wenn ohne Grund und Notwendigkeit die Anzahl der 
Moscheen erhöht wird, dies diesen Zielsetzungen zuwiderläuft, weil sich 
dann die Muslime auf diese vielen Moscheen verteilen und sich so von- 



406 HANDBUCH ISLAM 

einander trennen, so daß das Ziel der Vereinigung der Gemeinschaft 
der Gläubigen so auch nicht erreicht werden kann. Daher haben einige 
Gelehrte gesagt: 

Im Fall, daß das Freitagsgebet in einer ganzen Anzahl von Moscheen 
verrichtet wird, ohne daß zum Bestehen so vieler Moscheen eine wirkli- 
che Notwendigkeit besteht, ist nur das Freitagsgebet in derjenigen Mo- 
schee gültig (sahih), in der das eigentliche Jum VGebet den Jum f A-Gebe- 
ten in den anderen Moscheen zeitlich vorausgeht. 

Dabei gilt das Gebet in dieser einen Moschee, in der es zuerst verrich- 
tet wurde, als Jwm f a-Gebet, während das jeweilige Gebet in den anderen 
Moscheen als £uhr gilt. Dazu nun die genauen Ansichten der Madhähib: 

Shäfi'iya 

Man muß nach zwei Fällen unterscheiden: ob die konkrete Anzahl 
der Moscheen, in denen das Jum ( a verrichtet wird, aufgrund einer 
Notwendigkeit besteht - etwa wegen der hohen Bevölkerungszahl der 
betreffenden Gegend -, oder ob zu einer Mehrzahl von Moscheen 
bzw. zu dieser genauen Anzahl keine Notwendigkeit besteht. 

1 . Fall: Wenn zu der (oder dieser) erhöhten Anzahl keine Notwendig- 
keit besteht: 

Wenn nun die Anzahl der Moscheen nicht aufgrund einer wirklichen 
Notlage, einer echten Erfordernis gegeben ist, so gilt, daß nur das 
Gebet als Jum f ö-Gebet gilt, das zeitlich den anderen Gebeten in den 
anderen Moscheen vorausgeht - und das unter der Bedingung, daß 
es ganz klar und sicher ist, daß das zeitlich erste Gebet den anderen 
Gebeten durch den Takbirat al-Ihräm vorausgeht. 

Wenn es aber im Gegenteil klar wird, daß alle Gebete in allen Mo- 
scheen zur selben Zeit durch den Takbirat al-Ihräm begonnen wurden, 
oder wenn Zweifel besteht, ob nun ein Gebet wirklich den anderen 
zeitlich vorausgegangen ist, so sind alle Jum f ö-Gebete (als Jum'a) un- 
gültig (bätil). In diesem Fall ist es für alle, die das Jum { a grundsätzlich 
verrichten müssen, verpflichtend, daß sie sich versammeln und das 
Jwm'a-Gebet wiederholen - wenn das möglich ist. Ist das aber nicht 
möglich - wegen fehlender Räumlichkeiten usw. -, so haben sie ihr 
jeweiliges Gebet als £uhr verrichtet. 

2. Fall: Wenn die (konkrete) erhöhte Anzahl aufgrund einer wirkli- 
chen Notwendigkeit besteht: 

Wenn die (konkrete) Anzahl der Moscheen zu Recht besteht, so ist 
das Jum f fl-Gebet in allen Moscheen insgesamt (als Jum ( a) gültig. Es ist 
aber in diesem Fall mandüb, daß man dann nach dem eigentlichen 
Jum VGebet noch das ^«Är-Gebet verrichtet. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 407 

Mälikiya 

Wenn es mehrere Moscheen in einer einzigen Gegend gibt, so gilt das 
Jum'a nur in derjenigen Moschee, in der es zuerst verrichtet wird. Das 
gilt auch, wenn es innerhalb einer Gegend mehrere Moscheen gibt, 
die in einem zeitlichen Abstand voneinander erbaut wurden: auch 
hier ist nur das Jum '«-Gebet rechtsgültig, das zuerst verrichtet wurde. 
Dabei müssen aber bestimmte Bedingungen erfüllt sein: 

1. Daß die Leute, die das Jum'a verrichten müssen, nicht die ältere 
Moschee verlassen bzw. sie nicht mehr zum Jum'a aufsuchen, nur 
um die neuere aufzusuchen, ohne daß ein Entschuldigungsgrund 
vorliegt. 233 

2. Daß die ältere Moschee eng ist und es unmöglich ist, sie zu erwei- 
tern, so daß eine neue Moschee notwendig wird. Dabei ist mit dem 
Begriff „enge Moschee" gemeint, daß für die beim Jum'a üblicher- 
weise anwesenden Menschen die Moschee eng wird, auch wenn 
für diese üblicherweise Anwesenden das Jum 'a nicht verpflichtend 
ist. 

3. Daß nicht beim Zusammenkommen aller Bewohner einer bestimm- 
ten Gegend in einer einzigen Moschee befürchtet werden muß, daß 
sich Auseinandersetzungen bis hin zu Unglücken ereignen. Wenn 
etwa zwischen zwei Volksgruppe de facto Feindschaft oder Unei- 
nigkeit besteht und man fürchten muß, daß sich die Angehörigen 
beider Gruppen beim Zusammentreffen streiten oder sich noch 
Schlimmeres ereignet, so ist es zulässig, daß jede Gruppe eine spezi- 
elle Moschee für sich aufsucht. 

Hanbaliya 

Wenn die Anzahl der Moscheen, in denen das Jum'a verrichtet wird, 
aufgrund einer echten Notwendigkeit besteht - wenn etwa eine Mo- 
schee zu eng wird für alle diejenigen, von denen das Jwm'ö-Gebet rechts- 
gültig verrichtet werden kann, auch wenn es für diese Personen nicht 
verpflichtend ist und sie in der Tat nicht beten — , so ist das zulässig 
(jä'iz), und das Jum'a ist gültig, gleich, ob zur erhöhten Anzahl der 
Moscheen der Wall al-Amr 234 seine Erlaubnis gegeben hat oder nicht. 
In diesem letzteren Fall ist es aber vorzuziehen, daß man zusätzlich - 
nach dem Jum f ö-Gebet - noch das ^Ar-Gebet verrichtet. 

Wenn jedoch die erhöhte Anzahl der Moscheen ohne echte Not- 
wendigkeit besteht, so gilt nur das Jum'a-Gtbet in derjenigen Mo- 
schee, in der das Jum'a mit Erlaubnis des Wall al-Amr durchgeführt 
wird. In den anderen Moscheen gilt das Jum'a als solches selbst dann 
nicht, wenn das Jum f ö-Gebet in einer dieser anderen Moscheen zeit- 



4°8 HANDBUCH ISLAM 

lieh vor dem der Moschee mit Jum ^-Erlaubnis gebetet wurde. Hat 
aber der Walial-Amr mehreren Moscheen oder überhaupt keiner aus- 
drücklich die Erlaubnis zur Durchführung des Jum VGebets gegeben, 
so gilt dasjenige Jum 'ö-Gebet, das mit seinem Takbirat al-Ihräm den 
anderen Gebeten zeitlich vorausgeht. 

Wenn es aber mit Sicherheit erwiesen ist, daß das Gebet bei allen 
Moscheen zur selben Zeit mit dem Takbiratu-l-Ihräm begonnen wur- 
de, so ist es überall - für alle Durchführenden in allen der fraglichen 
Moscheen - ungültig. Wenn es in dieser Lage möglich ist, es als Jum ( a 
zu wiederholen, so sollen sie es wiederholen. Wenn das nicht möglich 
ist, sollen sie das Gebet als £ttAr-Gebet wiederholen. 

Wenn hingegen nicht genau bekannt ist, welches der Jum f fl-Gebete 
nun den anderen zeitlich vorausging, so ist irgendeines - nicht näher 
bezeichnet - gültig. In diesem Fall wird das Jum 'a-Gebet nicht wie- 
derholt, doch ist es dann für alle verpflichtend, anschließend das ^Ar- 
Gebet zu verrichten. 

Hanaßya 

Grundsätzlich ist es für die Gültigkeit des Jum'a nicht schädlich, wenn 
es an mehreren Orten (das heißt Moscheen) zugleich verrichtet wird, 
selbst dann, wenn ein Jum f ö-Gebet in einer Moschee den Gebeten in 
den anderen Moscheen vorausgeht. 

Wenn jemand, der in einer Moschee das Jum VGebet gebetet hat, 
jedoch mit Sicherheit weiß, daß in einer anderen Moschee das Gebet 
eher verrichtet wurde, so ist es für ihn verpflichtend (wäjib), nach dem 
eigentlichen Jum f ö-Gebet vier Rak'a, direkt aufeinander abfolgend und 
nicht in Einheiten von je zwei Rak 'a getrennt, zu verrichten - mit der 
Absicht, dies als „Akhir ag-gutir" (wörtlich etwa: das nach dem guhr 
verrichtete [Gebet]) zu beten. Dabei ist es das Beste, wenn er dieses 
Gebet in seiner Wohnung verrichtet, damit nicht die übrigen Leute 
annehmen, er bete dieses Gebet als Pflichtgebet. 235 Dies ist darum 
wichtig, weil ja - wie schon vorgestellt - Wäjib bei der Hanaßya einen 
geringeren Verpflichtungsgrad hat als Fard. Oder, anders gesagt: Bei 
dem Wäjib der Hanaßya handelt es sich in der Regel um das, was bei 
den anderen Rechts schulen als Sunna mu'akkada gilt. 

Wenn nun jemand zweifelt, ob ihm andere Beter in einer anderen 
Moschee mit dem Jum'a-Gebet zeitlich zuvorgekommen sind, so ist es 
für ihn lediglich mandüb, nach seinem Jum f ö-Gebet vier Rak ( a mit der 
Absicht von Akhir a$-guhr zu verrichten. In diesem Fall ist es für ihn 
verpflichtend, in jeder dieser vier Rak ( a nach der Fätiha mindestens 
drei kurze Ayät (usw., gemäß der üblichen diesbezüglichen Regel) zu 
rezitieren 236 , da es möglich ist, daß dieses Vier-Äö^ö-Gebet als Näfila 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4°9 

gilt, und wie schon zuvor vorgestellt, ist es bei der Hanafiya Wäjib, bei 
JVäfila-Gcbctcn in allen Rak'as noch etwas weiteres außer der Fätiha zu 
rezitieren. 

Es stellt sich weiter noch die Frage: Soll man diese vier Rak'a (das 
heißt Akhir a^-^uhr) gegebenenfalls vor den vier Sunna-Rak'a des Jum'a 
(das heißt den vier Rak'a, die als Rätiba-Mfila dem Jum'a folgen,) beten 
oder danach? 

Die Antwort ist: Man sollte sie anschließend - nach dieser Rätiba im 
Anschluß an den Fard-Tei\ des Jum'a - verrichten. Betet jemand die 
vier Rak'a des Akhir a^-^juhr davor, so hat er lediglich die bessere Lö- 
sung unterlassen. 237 Dabei soll man nach dem eigentlichen Jum ^-Ge- 
bet vier Rak'a Sunna (das heißt Rätiba) beten, dann vier Rak'a mit der 
Absicht des Akhir a£-£uhr, dann zwei (oder vier) Rak'a mit der Absicht 
der Sunna des £uhf 38 - wie das im Teil über die Sunna-Gebete vorge- 
stellt wurde. 



Ob das im Freien verrichtete Jum'a- Gebet gültig ist 

Die Rechtsschulen außer der Mälikiya stimmen darin überein, daß das 
jWfl-Gebet im Freien zulässig ist (jä'i$. Die Mälikiya hingegen meint, 
daß das Jum'a nur in der Moschee gültig ist. 
Dazu im einzelnen die Meinungen der Rechtsschulen. 

Mälikiya 

Das Jum'a ist innerhalb irgendwelcher Privathäuser bzw. im Freien 
ungültig. Es kann nur innerhalb eines Jämi' (das heißt einer Moschee, 
in der das Freitagsgebet grundsätzlich gültig verrichtet werden kann) 
durchgeführt werden. 

Hanbaliya 

Das Jum'a ist im Freien durchgeführt gültig, wenn der entsprechende 
Platz in der Nähe des Moscheegebäudes liegt. Dabei wird der Begriff 
der „Nähe" durch den Brauch {'Urf) bestimmt. 

Liegt der entsprechende Platz jedoch nicht in der Nähe der Mo- 
schee, so ist das Gebet ungültig. 

Shäfi'iya 

Das Jum'a ist im Freien zulässig, wenn der Platz des Gebets in der 
Nähe des Moscheegebäudes liegt. Dabei wird die „Nähe" bei der Shä- 
fi'iya so beschrieben: Wenn ein Reisender von der Moschee aus die- 
sen Platz (geradlinig) erreicht, darf er (noch) nicht das Gebet durch 
Qasr verkürzen. 239 



HANDBUCH ISLAM 



Hanafiya 

Es ist zur Gültigkeit des JWö-Gebets keine Bedingung, daß es inner- 
halb der Moschee stattfindet, sondern es ist auch im Freien zulässig. Es 
ist aber Bedingung, daß der entsprechende Platz von der Stadt (in der 
sich die Moschee befindet) nicht weiter als einen Farsakh (eine „Groß- 
meile", etwa 5040 m) entfernt ist und daß der Imäm die Erlaubnis gibt, 
daß dort das Jum'a durchgeführt wird - wie schon oben dargestellt. 

Die Anzahl der versammelten Muslime, 
die zum Jum'a mindestens notwendig ist 

Die Imäme der Rechtsschulen stimmen überein, daß das Jum'a nur bei 
Anwesenheit einer bestimmten Anzahl von Muslimen - das heißt nicht 
bei Anwesenheit eines Imäm?, und eines Nachbeters allein - gültig ist. 
Jedoch sind sie unterschiedlicher Meinung bezüglich der genauen An- 
zahl. 

Mälikiya 

Die Mindestanzahl zur Gültigkeit des Jum'a besteht aus zwölf Män- 
nern außer dem Imäm, wobei diese zwölf in sich Bedingungen erfüllen 
müssen: 

1 . Daß sie zu denen gehören, die das Jum c a verpflichtend verrichten 
müssen. Daher darf unter diesen zwölf weder ein Junge sein, der 
noch nicht bäligh ist noch eine Frau. 

2. Daß sie am Ort des Jum'a beheimatet sind. So ist es zum Beispiel 
unzulässig, wenn sich unter diesen zwölf jemand befindet, der sich 
(nur) in der Gegend aufhält, um Handel zu treiben, oder ein Rei- 
sender, der die Absicht gefaßt hat, sich vier Tage lang in der Ge- 
gend aufzuhalten. 

3. Daß sie vom Beginn der zwei Khutbas bis zum Abschluß des eigent- 
lichen Jum VGebets anwesend sind. Wenn das Gebet eines von ih- 
nen ungültig wird - sei es vor oder nach dem Saläm des Imäm -, so 
ist es für alle ungültig. 

4. Daß diese zwölf Leute Mälikiten oder Hanafiten sind. 240 Wenn 
aber unter ihnen Schäfi'iten bzw. Hanbaliten sind, die im Rahmen 
ihrer Rechtsschule meinen, ein Jum'a ohne mindestens vierzig An- 
wesende sei nicht gültig, so ist für sie dieses Jum'a nicht gültig, so- 
fern sie sich (in dieser Frage) nicht der Meinung der Mälikiya bzw. 
Hanafiya anschließen. 241 

Wenn in einem Dorf bzw. kleinem Ort die Iqäma zum Beginn des 
Jum'a ausgerufen wird, ist es nicht erforderlich (läzim), daß die gesam- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 411 

ten Bewohner des Dorfes bzw. Ortes anwesend sind, sondern es ge- 
nügen auch dann zwölf Männer. 

Bezüglich des Imäms beim Salät al-Jum e a muß als Bedingung erfüllt 
sein, daß er zu denen gehört, die das Jum'a verpflichtend verrichten 
müssen. Wenn er ein Reisender (Musäfir) ist, so beabsichtigt er in 
diesem Fall, sich am Ort des Jum'a (mindestens) vier Tage lang aufzu- 
halten - das aber unter der Bedingung, dies nicht nur mit der Absicht 
zu tun, die Khutba des Jum'a auszuführen: wenn er nämlich das tut, ist 
es ungültig, daß er Imäm bei diesem Jum'a wird. 

Hanafiya 

7mt Gültigkeit des Jum'a müssen drei Muslime außer dem Imäm ver- 
sammelt sein - und selbst dann ist das J um 'a gültig, wenn nicht alle 
dieser Leute die Khutba mitbekommen. Wenn etwa der Imäm in der 
Anwesenheit eines Mannes die Khutba beginnt und predigt, sich dann 
nach der Khutba vor den Mihräb begibt, sich vor Beginn des Gebets 
umwendet (um sich innerlich auf das Gebet vorzubereiten und zu 
warten, bis der oder die Nachbeter sich zum Gebet aufgestellt ha- 
ben), und in diesem Moment zwei weitere Männer hinzukommen 
und der Imäm den nun drei Männern vorbetet, ist das Salät al-Jum'a 
gültig, ohne daß für die zuletzt Hinzugekommenen die Khutba wie- 
derholt werden muß. 

Es ist Bedingung, daß die Anwesenden Männer seien müssen, wo- 
bei es ohne Belang ist, ob sie krank, auf der Reise, Ummiyün oder Stum- 
me sind, denn sie machen die Imäma des Imäms beim Jum ( a rechtsgül- 
tig, und dadurch wird das Jum'a auch für jeden Anwesenden gültig, 
ob dieser nun an einem Mangel wie Stummheit usw. leidet oder nicht. 
Dabei muß aber jemand, der von diesen Mängeln frei ist, die Khutba 
gehalten haben. 

Es ist andererseits keine Bedingung zur Gültigkeit des Jum'a, daß 
Prediger (Khatib) und Imäm des Jum VGebets ein- und dieselbe Person 
sind. Dabei ist es aber besser, wenn Leuten, die an den oben genann- 
ten Mängeln leiden, jemand beim Jum'a als Imäm vorbetet, der von 
diesen Mängeln frei ist. 242 

Es ist zur Gültigkeit des Jum'a auch notwendig, daß die Nachbeter 
dem Imäm weiter nachfolgen, sobald er die erste Sajda (Niederwer- 
fung) der ersten Rak'a vollführt hat. Wenn sie ihm als Vorbeter nicht 
weiter nachfolgen, (indem sie etwa das Gebet ganz unterbrechen), so 
ist das Jum'a für sie ungültig (bätil), während der Imäm das Gebet als 
Jum'a (gültig) vollendet. Wenn sie ihm als Imäm nicht mehr nachfol- 
gen, bevor er die erste Sajda ausgeführt hat, so ist das Gebet für alle 
gleichermaßen ungültig (bätil). 



412 HANDBUCH ISLAM 

Als Bedingung für den Imäm gilt auch, daß er Wali al-Amr ist, über 
dem kein anderer Befehlshaber steht bzw. dem niemand übergeord- 
net ist, der ihm die Durchführung des Jum'a legitim abnehmen kann. 243 
Diese Bedingung muß zur Gültigkeit des Jum'a erfüllt sein. Ist der 
jeweilige Imäm jedoch weder der eigentliche Wall al-Amr noch dessen 
Vertreter, ist das Jum'a nicht rechtsgültig 244 , und das so von den Leu- 
ten verrichtete Gebet gilt als guhr. 

Es ist andererseits rechtsgültig, daß der Imäm einem Vertreter aus- 
drücklich die Erlaubnis gibt, das Recht zur Durchführung des Jum ( a- 
Gebets seinerseits an einen Vertreter weiterzugeben. 

Shäfi'iya 

Zur Gültigkeit des Jum 'a muß folgendes erfüllt sein: 

i . Daß - notfalls einschließlich der Person des Imäms - mindestens 

vierzig Männer anwesend sind. Ohne diese Anzahl ist das Jum'a 

nicht gültig zu verrichten. 
Wenn diese Anzahl nicht erreicht wird, ist es auch zulässig, daß die 
Nachbeter - wenn sie diese Rechtsschulmeinung für sich nicht als 
zwingend beibehalten wollen - einem Imäm nachfolgen, nach dessen 
Ansicht diese Anzahl nicht zwingend erreicht werden muß. 245 Dies 
kann der Nachbeter vornehmen unter der Bedingung, daß er in die- 
ser Lage insofern vor einem Talfiq Abstand nimmt, indem er nicht 
etwa in der Frage des Wudü } sich (automatisch) auch der Rechtsschule 
des Imäms anschließt. 246 

2. Daß die Anwesenden zu denen gehören, denen die Verrichtung 
des Jum ( a verpflichtend obliegt. Auch, daß sie das Gebet so durch- 
gehend mit dem Imäm gemeinsam verrichten, daß sie das Gebet 
nicht - außer bei einem Entschuldigungsgrund - wiederholen müs- 
sen (also bis zur vollendeten ersten Rak ( a des Gebets). 247 

3. Aber während der zweiten Rak'a ist das Vorhandensein einer Ge- 
meinschaft (Jamä ( a) keine Bedingung; in dem Sinne: wenn die an- 
wesenden Nachbeter in der zweiten Rak'a beabsichtigen, sich in ih- 
rem Gebet vom Gebet des Imäm zu trennen und so das Gebet bis zu 
Ende verrichten und für sich vervollständigen, so ist ihr Jum f ö-Gebet 
rechtsgültig. 248 Ebenso ist diese Trennung dem Imäm möglich, wenn 
er beabsichtigt, sich in seiner Mya von den Nachbetern zu trennen. 

4. Wenn das Gebet eines der Nachbeter oder des Imäm ungültig wird, 
bevor der Imäm den Saläm gegeben hat oder auch danach (wenn sie 
sich in ihrer Mja vom Imäm getrennt hatten), so ist das Gebet aller 
ungültig: dies darum, weil es notwendige Bedingung ist, daß die 
ursprüngliche Anzahl der Betenden von Beginn der Khutba bis zur 
Vollendung des eigentlichen Jum f fl-Gebets erhalten bleibt. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4 I 3 

Wenn nun die Zeit ausreicht, daß sie in einem solchen Fall das 
Jum'a wiederholen können, so müssen sie das verpflichtend tun. 
Wenn das wegen Zeitenge unmöglich ist, müssen sie das Gebet als 
£uhr beten. 

5. Daß die Nachbeter in ihr Gebet (beim gemeinsamen Jum'a-Gebtt) 
eintreten, nachdem der Imäm in sein Gebet eingetreten ist. Dabei 
darf zwischen den beiden Taslimat al-Ihräm keine längere Zeitspan- 
ne liegen (das heißt: diese Zeitspanne darf nicht ausreichen, die 
Fätiha zu rezitieren). Auch darf der Rukü s der Nachbeter nicht erst 
dann erfolgen, wenn der Imäm sich bereits aus seinem Rukü s erhebt 
und sich gerade aufrichtet. 

Auch wenn die Nachbeter nun eine Zeitspanne zwischen dem 
Takbirat al-Ihräm des Imäm sowie seinem Erheben aus dem Rukü' und 
ihrem Takbirat al-Ihräm verstreichen lassen, die nicht ausreicht, die 
Fätiha zu rezitieren und ihrerseits einen Rukü' auszuführen, ist das 
Jum ( a ungültig. 

6. Wenn der Imäm gemeinsam mit den Nachbetern die Anzahl der 
vierzig erfüllt (also außer ihm nur 39 Männer als Nachbeter vor- 
handen sind), so muß er alle Bedingungen erfüllen, die auch den 
Nachbetern obliegen. Wenn jedoch mindestens vierzig Nachbeter 
vorhanden sind, ist es zulässig und gültig, daß der Imäm ein Junge 249 
(Bäligh) oder Reisender ist. 

7. Daß der Imäm die Imäma beabsichtigt und daß die Nachbeter beab- 
sichtigen, Nachbeter zu sein. Das gilt auch, wenn der Imäm ein Jun- 
ge oder ein Reisender ist. Wenn nun der Imäm oder die Nachbeter 
das nicht tun, ist das Jum'a nicht rechtsgültig. 

Hanbaliya 

Zur Gültigkeit des Jum'a muß folgendes erfüllt sein: 

1 . Daß die Anzahl der Anwesenden nicht unter vierzig (notfalls ein- 
schließlich der Person des Imäms) liegt. 

2. Daß sie zu denjenigen gehören, denen selbst das Jum'a-Gebet zu 
verrichten obliegt. 

3. Daß die Männer, die das Jum'a verrichten, während der Khutba und 
des eigentlichen Gebets anwesend sind, wobei es aber nicht zur 
Bedingung gehört, daß sie während des gesamten Gebets anwesend 
sind. 

Wenn etwa vierzig Männer während der Khutba und einem Teil des 
Gebets anwesend sind, dann aber einige Männer aus dem Gebet hin- 
ausgehen (durch vorzeitiges Saläm-Geben, durch Ungültigkeit des Wu- 
dü\ usw.), doch zugleich bzw. vorher weitere Männer zum Gebet hin- 
zukommen, so daß die Mindestanzahl der Nachbeter immer erreicht 



414 HANDBUCH ISLAM 

wird, so ist das Jum f a-Gebet gültig. Ist das aber nicht der Fall, so ist 
das Gebet ungültig und muß - wenn möglich - wiederholt werden. 
Das gilt aber in einem Ausnahmefall nicht: 

Wenn sich unter den anwesenden Muslimen solche befinden, nach 
deren Rechtsschule bzw. Rechtsmeinung eine Anzahl von zwölf Män- 
nern beim Jum'a zur Gültigkeit ausreicht, und wenn kurz vor bzw. 
während des Gebets die Anzahl der Anwesenden unter vierzig sinkt, 
die Anzahl von zwölf aber nicht unterschritten wird, so muß der Imäm 
in Form von Istikhläf einen dieser Muslime als seinen Vertreter - als 
Imäm beim Gebet - bestimmen, der dann für die Nachbeter das Jum 'a- 
Gebet vervollständigt. 

Dabei ist für den Imäm selbst - in jedem Fall 250 - das JW'fl-Gebet 
ungültig, sofern er die Meinung der vierzig vertritt. Wenn nun die 
Nachbeter allesamt die Meinung der vierzig vertreten, der Imäm aber 
nicht, dann die Anzahl der Nachbeter unter vierzig sinkt, so ist das 
Jum'a für alle ungültig. 



§ 103 

DIE ARKÄN DER BEIDEN KHUTBAS VOM JUM'A 

Die Arkän für die Khutbas bei den beiden Festgebeten sind grundsätzlich 
mit denen beim Jum 'ö-Gebet identisch - abgesehen von der Eröffnung 
der Khutba bei einem Festgebet (Salät al-'Id) y denn die Khutba zum Fest- 
gebet muß mit dem Takbir beginnen, die des Jum'a aber mit dem Hamd 
(das heißt „al-hamdu li-lläh"). 

Die Khutba des Jum'a mit dem Hamd zu eröffnen, ist bei der Shäfi'iya 
und Hanbaliya ein Rukn; die Hanafiya und Mälikiya aber sagen: Weder bei 
der Khutba zu einem Festgebet noch bei der Khutba zum Jum c a handelt es 
sich um einen Rukn. 

Hanafiya 

Die Khutba hat nur einen einzigen Rukn: daß — in kürzerer oder länge- 
rer Form - überhaupt Gottes gedacht wird. Dabei genügt es zur Ver- 
wirklichung und Erfüllung des Pflichtteils der Khutba, wenn in ihr 
(mindestens) ein Tahmid 251 oder ein Tasbih 252 oder ein Tahiti 253 vor- 
kommt. Es ist Makrüh tanzihan, daß man sich in der Khutba kurz faßt 
(wie weiter unten bei den Sunan der Khutba erwähnt). 

Die verpflichtende Khutba ist bei der Hanafiya die erste Khutba; die 
zweite Khutba gilt als Sunna. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 415 

Shäfi'iya 

Die Khutba hat fünf Arkän: 

1 . Das Hamd („al-hamdu li-lläh") zu sagen. Dabei ist die Bedingung, 
daß man eine Form des Hamd benutzt 254 sowie den eigentlichen 
Gottesnamen (Lqfdh al-jaläla, das heißt: Allah). 255 Es genügt aber nicht, 
zu sagen: „ashkuru lläh" (ich danke Gott) oder „athna lläh" (ich preise 
Gott) oder „al-hamdu li-r-rahmän" (ich preise den Allerbarmer) oder 
ähnliches. Es ist andererseits zulässig zu sagen: „ahmidu lläh" (ich 
preise Gott), oder „inni hämidun li-lläh" (ich preise Gott). 

Dieser Rukn muß unbedingt sowohl in der ersten als auch der 
zweiten Khutba erfüllt werden. 

2. Der Segen für den Propheteng^ (as-Salätu ( alä n-Nabi), wobei der 
Begriff „as-Salätu" (bzw. eine Wortableitung davon) vorkommen 
muß." 256 Es genügt auch nicht zu sagen: „Rahima llähu Sayyidanä Mu- 
hammad salla llähu c alaihi wa sallam\ weil bei einer solchen Formel 
kein unverwechselbarer Ausdruck zu finden ist, der auf die Pro- 
phetenschaft hinweist, daß also nicht irgendein Muhammad ge- 
meint ist, sondern der Prophet und Gesandte Gottes, Muhammad 

^J. 257 Es ist aber ausreichend, wenn ein eindeutiger Name des Gesan- 
dten Gottes, Muhammads ^gk, genannt wird, während es wieder- 
um nicht genügt, seinen Namen durch ein Pronomen zu ersetzen 
(also etwa zu sagen: „Salla llähu 'alaihi wa sallam", ohne „Muhammad" 
oder „'alä rasüli llähi Muhammad" usw. zu sagen). 

3. Die Anwesenden zur Frömmigkeit (speziell: zur Taqwa) zu ermah- 
nen. Dies kann in der überlieferten Form „usikum bi-taqwä lläh" (etwa: 
ich hinterlasse euch als [mein Testament], euch zur Taqwä gegen- 
über Gott zu ermahnen) geschehen oder auch in sinnentsprechender 
Form, wie: „UtVu lläh" (Gehorcht Gott). 

Es genügt aber nicht, vor dem Diesseits und den Versuchungen 
(allgemein) zu warnen, die darin bestehen, Gott und der Shari'a des 
Islam nicht zu folgen, ohne eine Formel wie die oben genannten zu 
nennen. 

4. In einer der beiden Khutbas mindestens eine Aya des Koran zu rezi- 
tieren. Dabei gilt es als besser, diese in der ersten Khutba zu rezitie- 
ren. Dabei muß die Aya ~ wenn sie kurz ist - ganz rezitiert werden, 
und ist sie lang, muß ein (größerer) Teil davon vorgetragen werden. 
Außerdem muß der Inhalt dieser Äya einen klaren Inhalt haben, 
der sich auf Ermahnung bezieht oder auf das, wovor Gott warnt, 
auf einen Hukm, eine bestimmte Erzählung bzw. ein Gleichnis oder 
einen Bericht (zum Beispiel über geschichtliche Ereignisse). Ein 
Ausdruck wie das Wort Gottes: „Thumma nadhar" (sodann blickte er 



4l6 HANDBUCH ISLAM 

[auf]) - genügt aber nicht, um diesen Rukn zu erfüllen (auch wenn 
es sich dabei um eine vollständige Aya handelt). 
5. Ein Du'ä' für die gläubigen Männer und gläubigen Frauen in ei- 
nem besonderen Teil der zweiten Khutba - bzw. gesondert und als 
solches hervorgehoben — vorzutragen. Dabei gilt, daß das Du ( ä' sich 
auf Dinge des Jenseits - bzw. nicht nur auf das Diesseits beschränkte 
- zu beziehen hat, wie daß ihnen von Gott vergeben wird oder daß 
sie von Gott beschützt werden. 

Wenn das jedoch nicht so erfüllt wird, genügt (im Notfall) zur 
Erfüllung des Rukn auch ein Du ( ä\ das sich nur auf das Diesseits 
bezieht. Außerdem sollen die beim Jum'a Anwesenden nicht von 
diesem Du'ä'm. seinem Sinn und Inhalt ausgeschlossen sein, indem 
etwa nur auf eindeutig andere Personen als die Anwesenden im 
Du'ä' Bezug genommen wird. 

Mälikiya 

Die Khutba hat nur einen einzigen Rukn: daß in ihr Ermahnung der 
Menschen und Ansporn durch die Verheißungen Gottes im Koran 
enthalten sind. Es ist nicht notwendig, in der Saj '-Form vorzutragen 
(das heißt der typischen Vortragsform des Qur'än); wenn in normaler 
Prosa-Form (JVathr) oder auch in Dichtungsform (JVadhm) vorgetragen 
wird, ist das rechtsgültig. 258 

Es ist mandüb, die Khutba zu wiederholen, wenn der Segen für den 
Propheten^gJ nicht vorkam. 

Hanbaliya 

Es gibt für die Khutba vier Arkän: 

1 . Mit der Form „al-hamdu li-lläh" die erste Khutba zu beginnen; eine 
andere Form des Hamd wie „Ahmidu lläh" ist nicht zulässig. 

2. Der Segen für den Propheten^g£, wobei der Begriff „Segen" (Salät, 
sallä, usw.) klar genannt sein muß. 

3. Das Rezitieren (mindestens) einer Aya des Koran, die konkret einen 
eigenständigen Sinn oder einen Hukm enthält; eine Aya wie etwa das 
Wort Gottes: „Mudhämmatän" [Sura ar-Rahmän (55), Vers 64] - ge- 
nügt hingegen nicht zur Erfüllung des Rukn. 

4. Die Menschen zur Taqwä zu ermahnen. Die geringste und minde- 
ste Form dabei ist; „Ittaqu lläh" („Seid Gott in Taqwä gehorsam", 
„zeigt Gott gegenüber Taqwä"). 



BUCH ÜBER DAS GEBET 417 

DIE BEDINGUNGEN DER BEIDEN KHUTBAS DES JUM'a 

Zur Gültigkeit der Khutba gibt es mehrere Bedingungen (Shurüt): 

1 . Daß die Khutba - bzw. die beiden Khutbas - dem eigentlichen Salät al- 
Jum'a (Jum VGebet) vorausgeht. Werden sie nach dem Gebet vorgetra- 
gen, gelten sie nicht 259 , in Übereinstimmung der Rechtsschulen außer 
der Mälikiya. 

Mälikiya 

Wenn die beiden Khutbas erst nach dem eigentlichen Jum f a-Gebet 
durchgeführt werden, so wird nur das Gebet wiederholt, während die 
Khutbas gültig sind und nicht wiederholt werden. Dies ist aber nur 
dann möglich, wenn die Leute noch nicht die Moschee verlassen (das 
heißt sich bereits zerstreuen und stark in Richtung des Ausganges 
drängen, so daß nur noch wenige auf ihren Plätzen verblieben sind). 
Auch darf zwischen dem Ende der letzten Khutba und dem Beginn 
des - zu wiederholenden - Gebets keine deutliche Verzögerung (ge- 
mäß dem Brauch/ ( Urf) eintreten. Tritt aber genau das ein, bevor das 
Gebet wiederholt werden kann, so müssen beide Khutbas und das Ge- 
bet zusammen noch einmal verrichtet werden. 

2. Die Absicht (Niya) zur Khutba. Wenn der Khatib ohne diese Niya pre- 
digt, so ist seine Khutba nach Meinung der Hanqfiya und Hanbaliya ungül- 
tig- 

Die Shäfi'iya und Mälikiya sagen dazu: Die Niya ist keine Bedingung 
zur Gültigkeit der Khutba. Allerdings macht die Shäfi'iya zur Bedingung, 
daß sich der Khatib während der Khutba nicht von ihr abwendet und sich 
einer anderen Sache widmet: Selbst wenn er zum Beispiel niest und „al- 
hamdu li-lläh" spricht (das heißt, sich vom eigentlichen Thema der Khutba 
abwendet, indem er auf das Niesen Bezug nimmt), so wird seine Khutba 
ungültig (bätil). Diese Meinung wird aber von keiner anderen Rechts- 
schule unterstützt. 

3. Daß die Khutba in arabisch gehalten wird. 260 Dazu eine genaue Dar- 
stellung der Rechtsschulen: 

Hanaßya 

Die Khutba kann zulässigerweise auch in einer nichtarabischen Spra- 
che gehalten werden, selbst wenn der Khatib in der Lage ist, sie in 



418 HANDBUCH ISLAM 

arabisch zu halten. Dabei ist es auch gleichgültig, ob die Anwesenden 
Araber bzw. Arabischsprachige sind oder nicht. 

Hanbaliya 

Die Khutba ist ausschließlich in arabisch gehalten rechtsgültig, wenn 
der Khatib des Arabischen mächtig ist. Ist er das aber nicht, dann 
kann er sie in einer anderen Sprache so halten, wie es in dieser Spra- 
che gut und sprachlich schön ist, wobei es keine Rolle spielt, ob die 
Anwesenden Araber bzw. Arabischsprachige sind oder nicht. 

Die Koranverse jedoch - die ein Rukn der beiden Khutbas sind - 
nicht in arabisch vorzutragen, ist nicht zulässig (nicht jäHz)- Wenn 
der Khatib dazu außerstande ist, soll er ein beliebiges Dhikr 261 in ara- 
bisch vortragen, und wenn er auch dazu außerstande ist, soll er wäh- 
rend der Khutba im Maß der Rezitation einer Aya schweigen. 262 

Shäfi'iya 

Es ist Bedingung, daß die sprachlichen Arkän der beiden Khutbas in 
arabisch durchgeführt werden, 263 und die Khutba in einer nichtarabi- 
schen Sprache vorzutragen ist nicht ausreichend, wenn es dem Khatib 
möglich ist, Arabisch zu erlernen. 264 Das gilt, wenn die Anwesenden 
Araber bzw. Arabischsprachige sind. Wenn sie jedoch nicht Nicht- 
araber sind bzw. Menschen, die Arabisch nicht beherrschen, so gilt 
absolut, ohne jegliche Einschränkung, daß es keine Verpflichtung gibt, 
die sprachlichen Arkän der Khutba in arabisch durchzuführen - selbst 
wenn es dem Khatib möglich ist, Arabisch zu erlernen. 

Dies gilt aber nicht für die Koranverse: diese dürfen nur auf ara- 
bisch rezitiert werden 265 - sofern der Khatib dazu imstande ist. Wenn 
nicht, soll er statt dessen ein Dhikr oder Du'ä 3 in arabisch rezitieren. 
Wenn er auch dazu nicht in der Lage ist, obliegt es ihm, im Maß der 
Rezitation einer Aya zu schweigen, und in diesem Fall darf nicht als 
Ersatz eine Übersetzung genommen werden. 266 

Außerhalb der Arkän der Khutba aber ist es keine Bedingung, daß die 
arabische Sprache benutzt wird; es ist dann hingegen lediglich Sunna 
(Sunna ghair mu'akkada). 

Mälikiya 

Bei der Khutba ist es Bedingung, daß sie in arabisch gehalten wird, 
selbst wenn die Anwesenden Nichtaraber sind und sie Arabisch nicht 
verstehen. Wenn es niemanden gibt, der das Arabische gut genug 
beherrscht, um die Khutba in arabisch zu halten, entfällt für diese 
Leute das Jum'a. 267 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4I9 

4. Daß die beiden Khutbas innerhalb der dafür vorgesehenen Zeit liegen. 
Predigt der Khatib nun vor Eintritt dieser Zeit und betet er das eigentli- 
che Jum f ö-Gebet in dieser Zeit, so gilt all das als nicht rechtsgültig, in 
Übereinstimmung der Rechtsschulen. 

5. Daß der Khatib so laut predigt, daß die Anwesenden ihn hören kön- 
nen. Dazu im einzelnen die Ausführungen der Madhähik 268 

Hanafiya 

Mit der Lautstärke des Khatib ist hier gemeint, daß er so laut spricht, 
daß ihn jeder Anwesende hören kann, sofern es nicht ein echtes Hin- 
dernis gibt, das ein Hören verhindert. Wenn also jemand unter den 
Anwesenden taub ist, durch irgend etwas Entsprechendes außerstan- 
de ist zuzuhören oder sehr entfernt vom Prediger sitzt, so ist es keine 
Bedingung, daß dieser Betreffende den Khatib hört. 

Nach Meinung der Hanafiya genügt es zur formalen Gültigkeit, wenn 
als Text der Khutba gesagt wird; „La iläha illä lläh" oder: „al-hamdu li- 
lläh", oder: „subhäna lläh", Falls der Prediger dies laut ausspricht, so 
wird das formalrechtlich als Khutba gewertet, selbst wenn niemand 
der Anwesenden das konkret hört. 

Andererseits ist es makrüh, daß der Khatib die Rede kurz hält. Die 
beiden Hauptschüler von Abu Hanif a meinen dazu: Die kleinste Form 
der Khutba besteht darin, daß der Khatib ein Dhikr rezitiert, das in sei- 
ner Länge dem Tashahhud entspricht, von der Stelle des Tashahhud „at- 
tahiyyätu li llähi ..." bis hin zu der Stelle „../abduhü wa rasüluh" 

In jedem Fall muß aber, damit die Khutba gültig ist, mindestens ein 
Muslim anwesend sein, um der Khutba zuzuhören, 269 der wiederum in 
sich die Bedingungen erfüllt, damit durch ihn und für ihn das Jum'a 
gültig sein kann: indem er männlichen Geschlechts ist, bäligh, und im 
Zustand des vollen Verstandes ('äqitj — wobei es hier auch genügt, 
wenn es sich bei diesem Muslim um jemanden handelt, der wegen 
eines Entschuldigungsgrundes ( c Udhr) 27 ° nicht verpflichtend zum Jum'a 
erscheinen muß, wie einen Reisenden (Musäfir) oder einen Kranken. 

Shäfi'iya 

Es ist Bedingung, daß der Khatib die Arkän-T eile der Khutba so laut 
vorträgt, daß ihn die zur Gültigkeit der Khutba notwendigen vierzig 
Anwesenden grundsätzlich hören können. 

Andererseits ist es nicht Bedingung, daß diese vierzig ihn tatsäch- 
lich hören; es genügt, wenn sie ihn auch nur dann hören können, 
wenn er mit Kraft und Nachdruck spricht 271 , in dem Sinne, daß sie 
allesamt in der Nähe des Khatib sitzen und grundsätzlich fähig sind, 



420 HANDBUCH ISLAM 

ihn zu hören, selbst wenn sie aufgrund von Müdigkeit oder derglei- 
chen im Moment gerade nicht aufmerksam sind und nicht zuhören. 
Wenn es ihnen aber grundsätzlich nicht möglich ist, ihn zu hören, 
weil sie taub sind, sich im Tiefschlaf befinden oder weit von ihm 
entfernt sitzen, so daß sie auch bei kräftig vorgetragener Rede nicht 
verstehen können, so gelten die beiden Khutbas nicht. 

Hanbaliya 

Es ist zur Gültigkeit der Khutba notwendige Bedingung, daß die ge- 
samte Anzahl der Anwesenden, durch die das Jum'a erst rechtsgültig 
wird, den Khatib hören können und konkret hören, daß sie also weder 
taub noch unaufmerksam sind, usw. 

Wenn nun diese Anwesenden den Khatib nicht hören, weil er entwe- 
der seine Stimme in der Rede zu leise hält oder sie sich - in irgendei- 
ner Weise - von der Rede abwenden, so ist die Khutba ungültig, weil 
das eigentlich bezweckte Anliegen der Khutba dann nicht erfüllt wird. 272 

Mälikiya 

Tax den Bedingungen zur Gültigkeit der Khutba gehört, daß sie laut 
vorgetragen wird. Wenn der Khatib sie leise vorträgt, wird sie nicht 
gewertet, gilt sie nicht als Khutba. 

Es ist aber keine Bedingung, daß die Anwesenden konkret zuhören 
bzw. aufmerksam sind - wenngleich es an sich für die Anwesenden 
verpflichtend ist, aufmerksam zu sein. 



§ 105 

OB ES ZULÄSSIG IST, ZWISCHEN DEN 

BEIDEN KHUTBAS BZW. ZWISCHEN DEN KHUTBAS 

UND DEM GEBET EINE UNTERBRECHUNG 

EINTRETEN ZU LASSEN 

Der Khatib muß darauf achten, daß er zwischen der Khutba und dem 
eigentlichen Jwm'ö-Gebet keine längere Unterbrechung eintreten läßt. 
In der genauen Bemessung und Art dieser „(längeren) Unterbrechung" 
sind die Madhähib verschiedener Ansicht. 

Shäß'iya 

Es ist Bedingung, daß zwischen den beiden Khutbas verbunden wird 
(Muwälät) - gemeint ist: zwischen den Arkän dieser beiden - sowie 
auch zwischen den Khutbas und dem eigentlichen Gebet. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 421 

Unter der Verbindung, der Verbundenheit (Muwälät), wird hier ver- 
standen, daß keine Trennung der Dauer zweier Rak'as eintritt, die so 
schnell und kurz wie möglich gehalten würden. Wenn eine Trennung 
eintritt, die länger andauert als die oben beschriebene, wird die Khutba 
ungültig - es sei denn, eine darüber hinausgehende Verzögerung würde 
zur Ermahnung genutzt. 273 

Mälikiya 

Es ist Bedingung, die Khutbas mit dem Gebet zu verbinden, so wie 
auch die beiden Khutbas miteinander verbunden werden müssen, wo- 
bei eine kurze Unterbrechung („kurz" gemäß dem Brauch) nachgese- 
hen werden kann und der Gültigkeit keinen Abbruch tut. 

Hanafiya 

Es ist Bedingung, daß der Khatib zwischen den beiden Khutbas einerseits 
und dem eigentlichen Gebet andererseits keine Trennung durch etwas 
dem Jum'a „Fremdes" eintreten läßt, wie etwa Essen oder ähnliches. 274 

Aber eine Trennung, die dem Jum ( a nicht „fremd" ist - wie das 
Verrichten zuvor versäumter Gebete - und zwischen der Khutba und 
dem J«m f fl-Gebet eintritt, macht die Khutba nicht ungültig, auch wenn 
es in einem solchen Fall besser ist, sie zu wiederholen. 

Entsprechend verhält es sich, wenn das eigentliche Jum'a (das heißt 
das Gebet) ungültig wird. In diesem Fall braucht die Khutba nicht 
zwingend wiederholt zu werden. 

Hanbaliya 

Zur Gültigkeit der beiden Khutbas müssen beide miteinander sowie 
diese beiden mit dem Gebet ohne Trennung verbunden sein [Muwälät). 
Als Verbindung bzw. Verbundenheit [Muwälät) gilt es, wenn nach 
Auffassung des Brauchs ['Urf) keine lange Trennung eintritt. 

Abschließend sollen in Kurzform noch einmal alle Bedingungen zur 
Gültigkeit der Khutbas vorgestellt werden. 275 

Hanafiya 

Es gibt sechs Bedingungen zur Gültigkeit der Khutba: 
i . Daß sie vor dem eigentlichen Gebet gehalten wird. 

2. Daß sie mit der Absicht zur Khutba gehalten wird. 

3. Daß sie innerhalb der dafür vorgesehenen 2jit liegt. 

4. Daß zumindest ein Muslim während der Khutba anwesend ist und 
daß dieser Muslim zu denjenigen gehört, denen die Verrichtung 
des Jum ( a verpflichtend obliegt. 



422 HANDBUCH ISLAM 

5. Daß keine dem Wesen desjum'a „fremde" Unterbrechung zwischen den bei- 
den Khutbas bzw. zwischen den Khutbas einerseits und dem Gebet andererseits 
eintritt 

6. Daß der Khatib die Khutba so laut vorträgt, daß jeder der Anwesenden ihn hören 
kann, sofern nicht ein Hindernis besteht (wie bereits vorgestellt). 

Es ist aber zur Gültigkeit keine Bedingung, daß die Khutba in arabisch 
gehalten wird: nach Ansicht des Imäm Abu Hanifa selbst dann, wenn 
der Imäm ausreichend Arabisch beherrscht, nach Ansicht seiner beiden 
Schüler Abu Yüsuf und Muhammad gilt das unter einschränkender 
Bedingung, wie bereits vorgestellt. 

Shäfi'iya 

Die Bedingungen zur Gültigkeit der Khutba sind fünfzehn: 

1 . Daß sie vor dem eigentlichen Gebet gehalten wird. 

2. Daß sie innerhalb der dafür vorgesehenen £eit liegt. 

3. Daß sich der Khatib nicht von der Khutba abwendet (indem er inner- 
halb der Khutba etwas tut, was nicht zu ihr gehört). 

4. Daß sie in arabisch gehalten wird (abhängig von speziellen Bedingungen). 

5. Daß der Khatib zwischen den beiden Khutbas einerseits und zwischen ihnen und 
dem Gebet andererseits verbindet (das heißt keine deutliche längere Trennung ein- 
treten läßt). 

6. Daß der Khatib rein (tähir) ist von den beiden Arten des Hadath sowie 
auch von Najäsa, die nicht vernachlässigt werden darf (wenn sie 
erheblich ist). 

7. Daß die 'Aura des Khatib während der beiden Khutbas bedeckt ist. 

8. Daß er stehend predigt, falls er dazu in der Lage ist. Wenn er dazu 
außerstande ist, ist die Khutba auch gültig, wenn er sitzend predigt. 

9. Daß sich der Khatib zwischen den beiden Khutbas zumindest so lan- 
ge (auf den Stuhl des Minbar) setzt, daß die Glieder während des 
Sitzens völlig entspannt sind (das heißt die Tama'anina eintritt). 

Wenn der Khatib aufgrund eines Entschuldigungsgrundes sitzend 
predigt (so daß also kein weiteres Setzen durchgeführt bzw. deut- 
lich gemacht werden kann), so ist er verpflichtet, zwischen den bei- 
den Khutbas zu schweigen, und zwar länger, als ein Schweigen wäh- 
rend des Luftholens dauert. Dasselbe gilt, wenn er stehend predigt, 
aber außerstande ist, sich hinzusetzen. 

10. Daß er so laut predigt, daß ihn „grundsätzlich die vierzig" Pflichtanwes- 
enden während der Arkän- Teile der beiden Khutbas hören, durch die dasjum'a 
rechtsgültig wird. 

1 1 . Daß die Anwesenden hören (können), und sei es auch nur unter stimmlicher 
Kraftanstrengung des Khatib. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4^3 

12. Daß die beiden Khutbas an einem Ort stattfinden, an dem das 
Jum ( a rechtsgültig durchgeführt werden kann bzw. darf. 

13. Daß es sich bei der Person, die die Predigt durchführt (das heißt 
den Khatib) > um einen Mann handelt. 

1 4. Daß die Imäma dieser Person bezüglich der Anwesenden rechts- 
gültig ist bzw. sein kann. 276 

15. Daß der Khatib den Rukn bewußt als Rukn ausführt (und vergegen- 
wärtigt), die Sunna entsprechend als Sunna, wenn er zu denjenigen 
gehört, die Gelehrte sind oder zumindest über einiges Wissen ver- 
fügen. Wenn er nicht zu diesen gehört, so darf er zumindest doch 
nicht einen Fard-Teti für eine Sunna (im Sinne von Sunna ghair mu'ak- 
kada) halten - selbst wenn das grundsätzlich hinsichtlich der Gesamt- 
durchführung zulässig (jä'iz) ist. 277 

Hanbaliya 

Es gibt neun Bedingungen, die zur Gültigkeit der beiden Khutbas er- 
füllt werden müssen: 

1 . Daß sie innerhalb der {dafür vorgesehenen) £eit liegt 

2. Daß der Khatib selbst zu denen gehört, denen das Jum'a verpflich- 
tend obliegt. Daher gilt etwa die Khutba eines Reisenden in diesem 
Falle nicht - selbst dann nicht, wenn ein solcher Reisender beab- 
sichtigt hat, sich an dem Ort des Jum'a so lange aufzuhalten, daß 
dadurch der Reisezustand unterbrochen wird. 

3. Daß in jeder der beiden Khutbas die Formel „al-hamdu li-llähi (ta'älä)" 
enthalten ist. 

4. Daß die beiden Khutbas in arabisch gehalten werden (unter den entsprechenden 
Bedingungen). 

5. Daß in beiden Khutbas die Anwesenden (mit den dafür vorgesehe- 
nen Ausdrucksformen) zur Taqwä ermahnt werden. 

6. Daß in ihnen der Segen für den Propheten Muhammad Jg£ vor- 
kommt und mindestens eine vollständige (kurze) Aya in jeder Khutba 
rezitiert wird. 

7. Daß der Khatib zwischen den beiden Khutbas einerseits und ihnen und dem Gebet 
andererseits verbindet (also Muwälät besteht). 

8. Daß der Khatib die beiden Khutbas mit entsprechender Absicht (Niya) verrichtet. 

9. Daß der Khatib in den Arkän-Teilen der Khutbas so laut predigt, daß ihn die 
zum Jum'a notwendige Anzahl der Anwesenden konkret hört - dergestalt, daß 
diese Anwesenden (auch nicht einige dieser Anwesenden) weder schlafen 
noch unachtsam, noch taub sind. 



424 HANDBUCH ISLAM 

Mälikiya 

Es gibt neun Bedingungen zur Gültigkeit der beiden Khutbas: 

1 . Daß die beiden Khutbas vor dem eigentlichen Gebet durchgeführt werden. 

2 . Daß der Khatib die Khutbas miteinander sowie mit dem Gebet verbindet (Muwälät). 

3. Daß der Khatib die Khutbas miteinander verbindet (Muwälät). 

4. Daß die beiden Khutbas in arabisch gehalten werden (unter entsprechenden Be- 
dingungen). 

5. Daß der Khatib die Khutbas laut genug vorträgt. 

6. Daß die Khutbas innerhalb der Moschee vorgetragen werden. 

7. Daß sie so vorgetragen werden (das heißt, mit Ermahnung, Hamd, 
Segen für den Propheten, usw.), daß man von einer Khutba sprechen 
kann 278 . 

8. Daß die Anzahl von Muslimen während der Khutbas anwesend ist, 
durch die erst das Jum'a rechtsgültig wird (das heißt zwölf Männer, 
wie oben dargestellt), selbst wenn sie in der Tat nicht konkret zuhö- 
ren. 

9. Daß der Khatib während der Khutbas steht 279 



§ 106 

DAS NACHHOLEN VON 
GEBETSTEILEN DES FREITAGSGEBETES 



Hierzu gilt übereinstimmend folgendes: 

Wenn jemand die Freitagspredigt (Khutba) nicht mehr erreicht, sondern 
gerade zum Gebetsbeginn sich den anderen anschließt, die Absicht zur 
Teilnahme am Jum '«-Gebet als Nachbeter faßt, braucht er - nach Ab- 
schluß des eigentlichen Zwei-Rak'a-Gebetes - nichts nachzuholen, sein 
Freitagsgebet ist soweit vollständig. 

Wer zumindest die erste Verbeugung (Rukü i ) in der ersten Gebetsein- 
heit (Rak'a) noch mitmachen kann, der braucht ebenfalls nichts nachzu- 
holen. (Dies gilt nur beim Freitagsgebet - und in Analogie bei den Fest- 
gebeten -, nicht aber bei sonstigen Gebeten, in denen er sich als Nach- 
beter verspätet - als Masbüq - anschloß. 

Wer aber die erste Verbeugung der ersten Rak ( a des Freitagsgebets 
nicht mehr erreicht, der muß eine Rak c a nachbeten, sobald der Imäm 
den ersten Schlußgruß des Gebets gesprochen hat. 

Wer das Rezitieren in der zweiten Rak c a des Freitagsgebets noch mit- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 4 2 5 

machen kann, wiederholt ebenfalls nur die erste Rak'a. Dies darum, 
weil das Rezitieren und Stehen als erster Pflichtteil (Rukn) der zweiten 
Rak'a gilt. 

Wer aber auch die Rezitation der zweiten Rak'a nicht mehr mitbekom- 
men hat (also sich erst dem Imäm als Nachbeter im Freitagsgebet an- 
schließt, wenn dieser sich bereits verbeugt oder verbeugt hat), der muß 
vier Rak'a nachbeten (da in diesem Fall er so betrachtet wird, als hätte 
er das Mittagsgebet nachzuholen). 

Das Gebet eines Nachbeters, der sich erst verspätet dem Freitags- 
gebet anschließt, gilt für ihn immer noch als Freitagsgebet hinsichtlich 
des Segens (Baraka). Erst wenn jemand sich so spät anschließt, daß er 
nicht einmal das letzte Sitzen und den letzten Tashahhud rezitieren kann, 
gilt sein Gebet nicht mehr als vollwertiges Freitagsgebet, weil er in die- 
sem Falle nicht einmal eine Elementarpflicht (Rukn) des Jum ( a vor dem 
Schlußgruß (Salärri) vollständig erfüllt hat. 



KAPITEL 14 

DAS GEBET DER BEIDEN FESTE 
(SALÄT AL-'lDAIN) 



§ 107 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 
DER BEIDEN FESTE UND IHRER GEBETE 

Mit den „beiden Festen" sind die zwei Feste gemeint, die es religiöserseits 
anerkannt im Islam gibt (abgesehen von Festen gemäß diverser Tradi- 
tionen) 280 : 

1 . Das „ 'Id al-Fitr" („Fest des Fastenbrechens"), das Fest am Ende des 
Fastenmonats Ramadan (das heißt nach dem 29. oder 30. Tag des 
Monats Ramadan). 

2. Das „'Id al-Adhä („Opferfest"), das Fest, das während der Zeit der 
Pilgerfahrt (Hajj), am 10. Dhu l-Hijja, gefeiert wird und mit dem Tier- 
opfer während des Hajj zusammenfällt. 

Diese Festtage werden jeweils durch ein besonderes Gebet eingeleitet, 
das „Festgebet" (Salät al- 'Id) genannt wird. Im Recht werden beide Fest- 



426 HANDBUCH ISLAM 

gebete in der sprachlichen Form „Salät al-'Idain" (Gebet der beiden Fe- 
ste) zusammengefaßt, da für beide Festgebete dieselben Regeln gelten. 
Im folgenden wird aber immer von einem Festgebet gesprochen, um 
die Sachlage besser darstellen zu können; wenn aber nur eines der bei- 
den Gebete gemeint ist, wird es genau benannt. 



§ 108 

RECHTLICHE BESTIMMUNG 
DES FESTGEBETES (SALÄT AL-'lD) 

Shäfi'iya 

Das Festgebet (Salät al-'Id) ist Sunna 'ain mu'akkada für alle, denen die 
Pflicht zu beten obliegt. Die Jamä'a-F orm (die Form des Gemeinschafts- 
gebets) ist Sunna - außer für einen //^'-Pilger, der der Sunna gemäß 
das Gebet als Munfarid beten soll. 

Mälikiya 

Das Festgebet (Salät al-'Id) ist Sunna 'ain mu'akkada und folgt bezüglich 

seines Stellenwertes bei den Sunna-Gebeten direkt dem H^Vr-Gebet. Es 

ist Sunna für alle, die zum Jum 'a verpflichtet sind — außer den Hajj- 

Pilgern. 

Hanafiya 

Das Festgebet (Salät al-'Id) ist Wäjib für alle, denen das Jum'a gemäß 
den Bedingungen (Shurüt) des Jum'a obliegt - abgesehen von den Be- 
dingungen zur Khutba des Jum'a bzw. der Anzahl der Anwesenden, 
denn beim Festgebet (Salät al- ( Id) genügt ein Anwesender außer dem 
Imäm (im Unterschied zum Jum'a). 

Das Vorhandensein einer Jamä'a (also mehrerer Betender) ist beim 
Festgebet ein Wäjib, dessen Unterlassen die Verantwortlichen sündig 
werden läßt 201 - auch wenn das Festgebet, im Unterschied zum Jum 'a, 
auch ohne Jamä'a gültig ist. 

Hanbaliya 

Das Festgebet (Salät al-'Id) ist Fard kifiya für jeden, dem das Jum'a 
obliegt, und es findet unter den Bedingungen des Jum'a statt, abgese- 
hen von der Khutba, die beim Festgebet (Salät al-'Id) Sunna ist. 

Wem das Gebet mit dem Imäm entgangen ist, der kann es (als Mun- 
farid, Einzelbetender) zu jeder beliebigen Zeit verrichten, so wie wei- 
ter unten beschrieben. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 427 

§ ICQ 
DIE ZEIT FÜR DAS FESTGEBET (SALÄT AL-'lD) 

Shäfi'iya 

Die Zeit für das Festgebet reicht vom Beginn des Sonnenaufgangs - 
selbst wenn sich die Sonne noch nicht beträchtlich oder stark erkenn- 
bar erhoben hat - bis zum Zeitpunkt des Zenits der Sonne. 

Es ist Sunna, das Gebet nach dem ersten deutlichen Erheben der 
Sonne in der unten beschriebenen Weise zu verrichten. 

Mälikiya 

Die Zeit für das Festgebet reicht von dem Zeitpunkt an, da das Ver- 
richten einer Näfila zulässig ist (das heißt nach der zum Beten verbote- 
nen Zeit des eigentlichen Sonnenaufgangs), bis zur Zenitstellung der 
Sonne. Es ist Sunna, das Gebet so früh wie möglich zu verrichten. 

Hanbaliya 

Der Zeitbereich ist wie der bei der Mälikiya. Wenn man das Gebet am 
ersten Tag verpaßt hat, wird es am folgenden Tag nachgeholt, selbst 
wenn es noch am ersten Tag möglich wäre, es nachzuholen. 
Auch später, nach dem Verstreichenlassen von mehr als zwei Tagen 
(bei Vorhandensein eines Entschuldigungsgrundes) wird es nachge- 
holt. 

Hanafiya 

Der Zeitbereich ist wie der bei der Mälikiya. Wenn man allerdings 
noch im Gebet ist, während die Sonne schon den Zenit überschritten 
hat (das heißt bevor noch das letzte Sitzen des Gebets beendet ist), so 
ist das Gebet als solches, als Wäjib, ungültig und unerfüllt, gilt aber 
als (beliebiges, als solches gültiges) JVäfila-Gebet. 2 * 2 



§ 1 10 

WIE DAS FESTGEBET (SALÄT AL-'lD) VERRICHTET WIRD 

Hanafiya 

Man beabsichtigt im Herzen die Verrichtung des jeweiligen Festge- 
betes (Salät al- c Id); mit der Zunge spricht man bei der Niya: „Ich bete 
das 7tf-Gebet für Gott." Ist man Nachbeter (Ma'müm), beabsichtigt 
man zusätzlich noch, dem Imäm im Gebet nachzufolgen. 



428 HANDBUCH ISLAM 

Dann verrichtet man den Takbirat al-Ihräm und legt dann die Hän- 
de — wie schon beschrieben - aufeinander. 

Dann rezitieren der Imäm und der Ma'müm das Eröffnungs-Dw f <T 
(Thanä'), dann macht der Imäm die zusätzlichen Takbirat, worin ihm 
die Nachbeter nachfolgen. Diese zusätzlichen Takbirat sind drei außer 
dem Takbirat al-Ihräm und dem Takbir zum Rukü c (insgesamt also fünf 
Takbirat). Nach jedem Takbir sott, man im Zeitmaß dreier Takbirat schwei- 
gen. Während der Schweigepausen (das heißt wenn man nicht in Jahr 
etwas sagt oder rezitiert) ist es zulässig, ein Dhikr zu sagen wie zum 
Beispiel: 

Subhäna lläh 

wa l-hamdu li-lläh 

wa lä iläha illä llähu wa llähu akbar 

Gepriesen sei Gott 
und Preis sei Gott. 
Es gibt keine Gottheit außer Gott, und Gott ist größer. 

Es ist Sunna, daß Imäm und Ma'müm bei jedem Takbir die Hände erhe- 
ben. Danach spricht der Imäm leise den Ta'awwudh und die Basmala, 
danach liest er in Jahr die Fätiha, dann eine weitere Sure. Es ist mandüb, 
daß als weitere Sure in der ersten Rak ( a „al-A'lä" (Sure 87) rezitiert 
wird. 

Dann verrichten Imäm und Ma'müm wie gewohnt Rukü' und Sujüd. 
Dann, nach dem Aufstehen in die zweite Rata, rezitiert der Imäm erst 
— wie beschrieben - die Basmala, dann die Fätiha, dann eine weitere 
Sure. Es ist mandüb, daß in der zweiten Rak c a als weitere Sure „al- 
Ghäshvya" (Sure 88) rezitiert wird. 

Dann machen der Imäm und die anderen die drei zusätzlichen 
Takbirat - außer dem Takbir des Rukü' (insgesamt also vier Takbirat). 
Auch bei all diesen Takbirat werden von allen die Hände erhoben. 
Dann wird das Gebet wie gewohnt vervollständigt. In dieser Form ist 
das Gebet am besten verrichtet. Es ist aber auch zulässig, 

• wenn zu diesen Takbirat noch weitere Takbirat hinzugefügt werden, 

• wenn in der zweiten Rak l a die zusätzlichen Takbirat vor der Rezita- 

tion verrichtet werden. 

Wenn der Imäm mehr Takbirat als vorgesehen macht, müssen ihm die 
Nachbeter darin nachfolgen (bis der Imäm insgesamt sechzehn Takbirat 
verrichtet hat); danach aber ist ein Nachfolgen bei weiteren Takbirat 
nicht mehr verpflichtend. 

Wenn sich ein Nachbeter als Masbüq dem Imäm während des Qvyäm 
und nach den zusätzlichen Takbirat anschließt, macht er die ihm ent- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 429 

gangenen Takbirät allein nach. Wenn er sich dem Imäm erst mit Verspä- 
tung einer vollen Rak'a anschließt, steht der Masbüq nach dem Schluß- 
gruß (Saläm) des Imäms auf, rezitiert allein und macht allein die zusätz- 
lichen Takbirät, den Rukü' usw. Wenn der Masbüq den Imäm erst im Rukü' 
erreicht, so macht er den Takbirät al-Ihräm und danach die zusätzlichen 
Takbirät (stehend). Wenn der Masbüq aber befürchtet, daß der Imäm sich 
schnell aus dem Rukü' erhebt, 283 macht er nur stehend den Takbirät al- 
Ihräm, geht darauf sofort in den Rukü' und macht ohne Erheben der 
Hände die zusätzlichen Takbirät in seinem Rukü\ 

Falls sich der Masbüq in das Gebet einfügen will, der Imäm sich aber 
schon aus dem Rukü' erhebt bzw. gerade erhoben hat, entfallen für den 
Masbüq die zusätzlichen Takbirät ganz. 

Shäfi'iya 

Das Festgebet wird grundsätzlich wie ein Näfila von zwei Rak'a be- 
trachtet, abgesehen von folgendem: 

Nach dem Takbirät al-Ihräm und dem Iftitäh, aber noch vor dem Ta ( - 
awwudh, werden sieben Takbirät verrichtet, und bei jedem Takbir wer- 
den die Hände bis auf Schulterhöhe erhoben. 

Es ist Sunna, zwischen zwei aufeinanderfolgenden Takbirät jeweils 
eine Pause im Maß einer mittleren Aya zu lassen. 

Es ist mustahabb, während dieser Pause das folgende Du'ä' zu spre- 
chen: 

Subhäna lläh 

wa l-hamdu li-lläh 

wa lä iläha illä llähu wa llähu akbar 

Gepriesen sei Gott 
und Preis sei Gott. 
Es gibt keine Gottheit außer Gott und Gott ist größer. 

Auch ist es Sunna, die Hände und Unterarme zwischen den Takbirät 
rechts auf links - wie schon beschrieben - aufeinanderzulegen. In 
der zweiten Rak'a werden nach dem Takbir zum Qvyäm fünf zusätzli- 
che Takbirät gemacht, und was in der ersten Rak ( a bezüglich der Pau- 
sen usw. gilt, gilt auch in der zweiten. Diese zusätzlichen Takbirät sind 
Sunna ghair mu'akkada bzw. eine „Hai'a" genannte Sunna. 2Bi 

Werden sie weggelassen, macht man keinen Sujüd li s-Sahuw - auch 
wenn es makrüh ist, eine Hai'a wegzulassen. Wenn man sich über die 
Zahl der schon gemachten zusätzlichen Takbirät unsicher ist, geht man 
von der geringeren Anzahl aus, über die man sich sicher ist, sie ver- 
richtet zu haben. 



430 HANDBUCH ISLAM 

Es ist mustahabb, die zusätzlichen Takbirät vor dem Ta'awwudh zu 
machen. Wenn aber bereits rezitiert wird - auch aus Versehen -, 
fallen die zusätzlichen, noch nicht gemachten, Takbirät weg, da sie 
nur vor der Rezitation gemacht werden können. 

In allen erwähnten Dingen sind Imäm und Ma'müm gleich. Wenn 
der Ma'müm als Masbüq sich dem Imäm erst in der zweiten Rah'a an- 
schließt, so macht er nach dem Imäm nur fünf zusätzliche Takbirät 
außer dem Takbirät al~Ihräm, und wenn der Imäm mehr Takbirät macht, 
folgt ihm der Ma'müm darin nicht nach. 

Wenn dann der Masbüq nach dem Saläm des Imäm aufsteht, um das 
Gebet zu vervollständigen, so macht er- außer dem Takbir zum Qvyäm 
- fünf zusätzliche Takbirät. Wenn der Imäm einen oder mehrere der 
zusätzlichen Takbirät wegläßt, muß ihm der Nachbeter darin folgen. 

Macht der Nachbeter aber allein diese Takbirät, so ist sein Gebet 
ungültig, wenn er dabei seine Hände dreimal hintereinander erhebt; 
wenn er sie aber nur ein- oder zweimal erhebt, so ist es doch gültig. 

Der Imäm rezitiert laut (in Ja Ar-Form), der Ma'müm leise (in Isrär), 
außer bei den Takbirät, wo Jahr für alle Sunna ist. 

Es ist Sunna, in der ersten Rak ( a nach der Fätiha die Sure „Qäf" (Sure 
50), „al-A'lä" (Sure 87) oder „al-Käfirün" (109) zu rezitieren, in der 
zweiten Rak'a „al-Qamar" (54), „al-Ghäshiya" (88) oder „al-Ikhläs" (112). 

Hanbaliya 

Die Absicht (Mya) zum 7#-Gebet wird gefaßt als eine zu einem Gebet 
von zwei Rak'a Fard kißya. Danach ist es mandüb, das Ifiitäh-Du'ä* zu 
machen, und weiter ist es mandüb, danach sechs Takbirät zu verrich- 
ten, bei denen alle - ob Imäm oder Ma'müm - die Hände erheben. 
Während der Pause zwischen zwei Takbirät ist es mandüb zu sagen: 

Allähu akbar kabirä 

wa l-hamdu Ix llähi katkirä 

wa subhäna llähi bukratan wa asilä 

wa salb llähu ( alä n-nabiyi Muhammadin wa ( älä älihi wa sallama taslimä 

Gott ist größer (als alles andere), 
Preis sei Gott vielfach. 

Gepriesen sei Gott am Morgen und am Abend 285 
und Gott segne den Propheten Muhammad und seine Familie und 
schenke ihnen Frieden. 

Man kann aber auch ein beliebiges anderes Du ( ä } nehmen. Nach dem 
letzten Takbir allerdings kommt dann kein Du i ä i mehr. Darauf folgt 
der Ta'awwudh, dann die Basmala, dann die Fätiha, dann die Sure „al- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 43 l 

A'lä " (Sure 87), danach der Ruhi und die Vervollständigung der Rak'a. 
Dann nach dem Qiyäm werden in der zweiten Rak'a fünf zusätzliche 
Takbirät - außer dem Takbir zum Qiyäm - gemacht (insgesamt also 
sechs). 

Bezüglich der Pause zwischen den Takbirät gilt hier auch, was schon 
bei der ersten Rak'a galt. 

Dann kommt (als mandüb) die Basmala, dann die Fätiha, dann die 
Sure „al-Ghäshiya" (Sure 88), dann der Rukü' usw. bis zum Ende des 
Gebets. 

Wenn ein verspäteter Beter [Masbüq) sich dem Gebet während oder 
nach den zusätzlichen Takbirät anschließt, macht er sie nicht mehr. 
Dasselbe gilt, wenn ein Betender rezitiert, ohne alle Takbirät gemacht 
zu haben: auch dann fallen die nicht verrichteten Takbirät weg. Das- 
selbe gilt entsprechend für den Ta'awwudh und die Basmala, wenn be- 
reits die Fätiha rezitiert wird: sie werden in diesem Falle nicht mehr 
gemacht. 

Mälikiya 

Das Festgebet entspricht grundsätzlich einem Näfila-Gebet von zwei 
Rak'a, abgesehen von bestimmten Besonderheiten. 

In der ersten Rak'a werden nach dem Takbirät al-Ihräm und vor der 
Fätiha sechs Takbirät hinzugefügt und in der zweiten Rak'a nach dem 
Takbir zum Qiyäm und vor der Fätiha fünf Takbirät. Diese zusätzlichen 
Takbirät vor die Rezitation der Fätiha vorzuversetzen ist mandüb, wenn- 
gleich es auch gültig ist, sie nach der Rezitation zu machen. 

Es ist makrüh, die Hände bei den zusätzlichen Takbirät zu erheben; 
sie werden - wie bei anderen Gebeten auch - nur beim Takbirät al- 
Ihräm erhoben. 

Es ist mandüb, beim Festgebet als Imäm bzw. Munfarid laut (in Jahr) 
zu rezitieren; auch ist es mandüb, nach der Fätiha in der ersten Rak'a 
„al-A'lä" (Sure 87) und in der zweiten „ash-Shams" (Sure 91) bzw. die- 
sen Suren entsprechend lange andere Suren zu rezitieren. 

Wenn jemand einem Imäm nachfolgt, der die genannte Anzahl der 
Takbirät vermehrt oder vermindert bzw. sie nach der Rezitation ver- 
richtet, so folgt der Ma'müm dem Imäm hier in keiner Sache davon 
nach. 

Es ist mandüb, die Takbirät direkt hintereinander abfolgen zu lassen 
- nur für den Imäm gilt das nicht: für ihn ist es mandüb, so lange abzu- 
warten, bis die Nachbeter den jeweiligen Takbir ausgeführt haben. In 
den Sprechpausen zwischen den Takbirät soll man schweigen; ein Dhikr 
oder Du'ä 3 währenddessen zu sprechen ist makrüh. Jeder zusätzliche 
Takbir ist dabei Sunna mu'akkada. Wenn man einen Takbir vergessen 



43 2 HANDBUCH ISLAM 

hat und sich vor dem Rukü' daran erinnert, macht man ihn nach. Als 
mandüb wiederholt man darauf noch einmal die Rezitation und macht 
dann nach dem Saläm - in diesem Fall - Sujüd li s-Sahuw. 

Wenn man sich aber daran erinnert, daß man einen oder mehrere 
Takbirät vergessen hat, und man bereits zu diesem Zeitpunkt den Rukü' 
verrichtet hat, so werden diese Takbirät nicht wiederholt. Wiederholt 
man in diesem Fall diese Takbirät, wird dadurch das Gebet ungültig. 
Wenn man sich an zuvor vergessene Takbirät erinnert und sie - wie 
auch immer - nicht nachgeholt hat, macht man am Ende des Gebe- 
tes Sujüd li s-Sahuw. Dies gilt andererseits nicht, wenn sich nur der 
Ma'müm, nicht aber der Imäm daran erinnert: In diesem Fall wird vom 
Ma'müm allein kein Sujüd li s-Sahuw ausgeführt. Wenn der Ma'müm die 
Takbirät des Imäm nicht hört, so soll er versuchen, in etwa durch An- 
zeichen bzw. Zeit Schätzung den geeigneten Zeitpunkt für seinen Takbir 
abzupassen und so den jeweiligen Takbir zu machen. 

Wenn sich jemand während eines Takbir als verspäteter Beter (Mas- 
büq) einem Imäm anschließt, so macht er die Takbirät, die noch verblei- 
ben; sobald der Imäm mit seinen Takbirät fertig ist, vervollständigt der 
Masbüq seine Takbirät anzahlmäßig. Wenn der Masbüq während der 
Rezitation des Imäm ins Gebet eintritt, so macht er nach seinem Takbirät 
al-Ihräm diejenigen Takbirät, die ihm entgangen sind, nach, gleichgül- 
tig, ob er sich in der ersten oder zweiten Rak £ a dem Gebet anschloß. 

Wenn der Masbüq nach dem Saläm des Imäm dann aufsteht, macht 
er die ihm entgangene Rak ( a mit sechs zusätzlichen Takbirät. Wenn 
der Masbüq aber keine vollständige Rak'a mehr mitgemacht hatte, so 
steht er nach dem Schlußgruß (Saläm) des Imäm auf und verrichtet 
alles außerhalb der vorgesehenen Zeit (in Qadä'), mit sechs zusätzli- 
chen Takbirät in der ersten bzw. fünf in der zweiten Rak'a. 



i i i 



DAS VORHANDENSEIN EINER GRUPPE VON 
BETENDEN (jAMÄ'a) BEIM FESTGEBET (SALÄT AL-'lD) 

Hanafiya 

Eine Gemeinschaft (Jamä'a) ist Bedingung für die Gültigkeit des Fest- 
gebets, wie auch beim Jum'a. Wenn man das Gebet mit dem Imäm 
verpaßt, wird nicht verpflichtend vom Einzelnen gefordert, das Ge- 
bet außerhalb der vorgesehenen Zeit (in Qadä') nachzuholen. 

Wenn man es als Einzelbetender (Munfarid) nachholen will, tut man 
das, indem man es in vier Rak'a - ohne zusätzliche Takbirät - verrich- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 433 

tet. 286 Dabei rezitiert man dann in der ersten Rak'a „al-A'lä" (Sure 87), 
in der zweiten „ad-Duhä" (Sure 93), in der dritten „al-Inshiräh" (Sure 
94), in der vierten „at-Tin" (Sure 95). 

Hanbaliya 

Die Jamä'a-Form ist Bedingung für die Gültigkeit des Gebets, wie beim 
Jum'a auch - abgesehen davon, daß es Sunna ist, daß jemand, dem das 
Festgebet entgangen ist, es in der oben beschriebenen Weise zu ir- 
gendeiner beliebigen Zeit nachholt. 287 

Shäfi'iya 

Die Jam ä'fl-Form ist beim Festgebet Sunna (ghair mu'akkada), außer für 
den //ö^'-Pilger, für den es Sunna ist, es als Einzelbetender (Munfarid) 
zu verrichten. 

Wer (abgesehen vom Hajj-Yilger) das Festgebet mit dem Imäm ver- 
paßt hat, für den ist es Sunna, es in der oben beschriebenen Art und 
Weise zu irgendeiner beliebigen Zeit nachzuholen. Wenn das Fest- 
gebet mit oder ohne Imäm nach dem Zeitpunkt durchgeführt wurde, 
zu dem die Sonne ihren Zenitstand erreichte, so wird es nachgeholt. 

Mälikiya 

Die Form der Jamä'a ist Bedingung beim Festgebet. 

Wem es entgangen ist, der kann es nachholen, solange die Sonne 
noch nicht im Zenit steht; nach dem Zeitpunkt des Sonnenzenits aber 
wird das Festgebet nicht mehr nachgeholt. 



§ 1 12 

SUNAN DES FESTGEBETS (SALÄT AL-'lü) 

1. Die beiden Mutbas. Sie zu verrichten ist Sunna ghair mu'akkada nach 
den Rechtsschulen außer der Mälikiya, nach welcher sie beide mandüb 
sind. 

2. Es ist - nach der Mälikiya und Hanbaliya - mandüb, daß bei den beiden 
Khutbas die Zuhörer die Takbirät mit den Takbirät des Imäm laut mit- 
sprechen - dies im Unterschied zur Khutba des Jum'a, wo das (laute) 
Sprechen (in Jahr) während der Khutba untersagt ist. 

Nach der Shäfi'iya ist bei den Khutbas des Festgebetes lautes (Jahr) 
Sprechen - auch Dhikr und Du'ä' - makrüh. 

Nach der Hanafiya ist das Sprechen eines Dhikr bzw. Du'ä' nicht 
makrüh, also zulässig (jä'iz)- 



434 HANDBUCH ISLAM 

3. Es ist mandüb, in der Nacht vor dem jeweiligen Fest viel Dhikr, Du c ä\ 
Gebet, Koranrezitation zu verrichten. Man hat diese Sunna in ihrer 
Mindestform erfüllt, wenn man e Ishä } - und Subh-Gebet, die beide vor 
dem Festgebet liegen, in Jamä'a-Form betet. 

4. Es ist nach den Rechtsschulen außer der Hanafiya mandüb, vor dem 
Salät al- f Id eine Ganzkörperwaschung (Ghusl) vorzunehmen. Nach der 
Hanafiya ist dies Sunna ghair mu'akkada. 

5. Es ist nach den Madhähib außer der Hanafiya mandüb , sich zu parfümie- 
ren und schöne, gute Kleidung anzuziehen. Diese Verschönerung gilt 
und wird vorgenommen zu Ehren des Festtages, nicht aber nur für das 
eigentliche Festgebet. Nach der Hanafiya gilt das als Sunna ghair mu'akkada. 

6. Es ist beim l Id al-Fitr mandüb, etwas zu essen, bevor man zum Gebets- 
platz, wo das Festgebet verrichtet werden soll, geht, und daß man 
dabei Datteln in ungerader Zahl (eine, drei, fünf ...) ißt. 

Beim ( Id al-Adhä ist es hingegen mandüb, das Essen aufzuschieben, 
bis man vom Gebet zurückkehrt. 

Des weiteren ist es im Rahmen dieser Sache bei der Hanafiya und 
Hanbaliya mandüb, daß man - wenn beim ( Id al-Adhä ein entsprechen- 
des Tier geschlachtet worden ist - einen Teil von diesem geschlachte- 
ten Tier zubereitet und ißt. Wenn man aber nicht selbst geschlachtet 
hat, so kann man im Sinne dieses Mandüb wählen, ob man vor oder 
nach dem Gang zum Gebet essen will. 

Nach der Mälikiya und Shäfi'iya aber ist es in jedem Fall beim f Id al- 
Adhä mandüb, das Essen bis nach dem Gebet zurückzustellen, gleich, 
ob man nun selbst geschlachtet hat oder nicht. 

8. Es ist mandüb, sich frühzeitig, nach dem Subh-Gebet, zum Gebetsplatz 
aufzumachen, selbst wenn das vor Sonnenaufgang geschieht. 

Nach Ansicht der Mälikiya gilt dieses Mandüb für alle, außer dem 
Imäm: daß man sich nämlich nach Sonnenaufgang aufmacht, sofern 
die Wohnung in der Nähe des Gebetsplatzes liegt. Wenn nicht, soll 
man sich so aufmachen, daß man das Gebet mit dem Imäm gemein- 
sam verrichten kann. 

Allgemein gilt im Rahmen dieses Mandüb, daß es für den Imäm gut ist, 
sich erst spät zum Gebetsplatz aufzumachen. Sobald er dort angekom- 
men ist, betet er das Gebet mit den anderen dort bereits Versammelten 
und wartet nichts ab. 

9. Es ist mandüb, sich körperlich für den Festtag zu pflegen und zu ver- 
schönern, durch Schneiden der Fingernägel und Fußnägel, Entfer- 
nen des Körperhaares im Schambereich und in den Achseln sowie 
(bei Bartträgern) Kürzen des Schnurrbartes. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 435 

Dies ist die Ansicht der Rechtsschulen außer der Hanbaliya. Die 
Hanbaliya hingegen hält diese Handlungen für grundsätzlich mandüb 
vor jedem Gebet. 

10. Es ist mandüb, während des Ganges zum Gebet laut (Jahr) Takbirät zu 
sprechen und das bis zum Gebetsbeginn beizubehalten. 

Nach der Hanafiya macht man, wie beschrieben, diese Takbirät leise 
(Isrär). 

Nach der Mälikiya macht man diese Takbirät, bis der Imäm auf dem 
Gebetsplatz angekommen ist bzw. bis sich der Imäm zum Gebet er- 
hebt (falls er sich nach seiner Ankunft kurz, um auszuruhen, hinge- 
setzt hatte). 288 

1 1 . Es ist mandüb, auf einem anderen Weg als dem Hinweg vom Gebets- 
platz zurückzukehren. 

12. Es ist mandüb, die gläubigen Muslime, die einem begegnen, anzulä- 
cheln und Freude zu zeigen. 

13. Es ist mandüb, an den Festtagen viel freiwillige Spende (Sadaqa) zu 
geben. 

14. Es ist, sofern man dazu verpflichtet ist, mandüb, Sadaqat al-Fitr vor 
dem l Id al-Fitr und zugleich vor dem Subh-Gcbet (das heißt demjeni- 
gen vor dem Festgebet) zu geben. 



KAPITEL 15 
DAS REISEGEBET (SALÄT AS-SAFAR) 

§ i *3 

ALLGEMEINE VORSTELLUNG 

Das „Reisegebet" (Salät as-Sqfar), auch „Gebet des Reisenden" (Salät al- 
Musäfir) genannt, bezeichnet ein Pflichtgebet (i*W-Gebet), das zur Er- 
leichterung für den Betenden, der sich auf einer Reise befindet, in sei- 
ner Rak'a-AnzalA gekürzt bzw. mit einem anderen Gebet zusammenge- 
legt, verbunden wird. 

Dabei bestehen bestimmte Bedingungen zum Kürzen (Qasr) bzw. 
Verbinden (Jam ( ), Auch ist hier- wie schon zu Beginn des Buches über 
das Gebet - zu bemerken, daß die Hanafiya im Unterschied zu den an- 
deren Rechtsschulen, der Mälikiya, Shäfi'iya und Hanbaliya, der Auffas- 



43^ HANDBUCH ISLAM 

sung ist, daß nur am Tag von 'Araföt ein echtes Verbinden möglich ist, 
sonst aber nicht. 289 

Auch ist zunächst wichtig festzustellen, was genau unter einer Reise 
im Zusammmenhang mit dem Reisegebet verstanden wird. 



§ 1 14 

WAS EINE REISE IST, DIE DAS REISEGEBET ERMÖGLICHT 

Das islamische Recht geht davon aus, daß eine Reise grundsätzlich 
Beschwernisse hervorruft bzw. — bei den Gebeten und ihrer Einhaltung 
- Probleme auftauchen können, weil der Reisende (Musäfir) im Gegen- 
satz zum Nichtreisenden bzw. Ortsansässigen (Muqim) zeitlich viel ge- 
bundener ist: Wenn er etwa durch Verabredungen gebunden ist und 
lange Fahrten unternehmen muß, kann er oft das Gebet nur unter Un- 
gewißheit verrichten, weil er den jeweiligen Ort nicht kennt, vielleicht 
Nahrung und Wasser besorgen muß und nicht weiß woher, weil sich 
unerwartete Schwierigkeiten ergeben (etwa der Unfall eines anderen, 
der ihn aufhält, oder Hindernisse anderer Art) oder weil er sich beeilen 
muß und sich in der Eile kein geeigneter Ort zum Beten findet, usw. 

Andererseits ist vom islamischen Recht auch festgelegt, daß eine 
Mindestentfernung zwischen Aufbruchsort und Zielort der betreffen- 
den Person gegeben sein muß, damit man von einer Reise sprechen 
kann, die das Reisegebet (das heißt das verkürzte oder verbundene Fard- 
Gebet) erlaubt macht und nicht das normale iwöf-Gebet erfordert. 

(Das Hin- und Zurückreisen wird nicht zusammengerechnet, sondern 
es gilt nur die reine Distanz zwischen Aufbruchsort und Zielort.) 

Hier nun ist deutlich festzustellen, daß mindestens drei Stufen von 
Entfernungen unterschieden werden: 

1 . Eine Entfernung, bei der man zwar den eigenen Wohnort verläßt, 
aber bei Erreichen des Zielortes noch nicht weit genug entfernt ist, 
als daß man von einer Reise sprechen kann. Diese Entfernung ist 
mindestens etwas wie das Verlassen des eigenen Hauses und ein 
kleiner Spaziergang im Wohnviertel und dergleichen. 

2. Eine Entfernung, bei der man nach manchen Meinungen einiger 
Prophetengefährten und Hadith-Belegen von einer Reiseentfernung 
sprechen kann, ohne daß diese Entfernung aber allgemein als Reise- 
entfernung anerkannt ist. 

Hier herrscht beträchtliche Meinungsvielfalt unter den Gelehrten 
der Frühzeit. So haben manche Prophetengefährten in eigenem Ijtihäd 
in den damaligen großen Städten des Orients (zum Beispiel Syriens), 



BUCH ÜBER DAS GEBET 437 

wenn sie in deren Innerem größere Entfernungen zurücklegen muß- 
ten, das Reisegebet verrichtet und für zulässig gehalten. 
Es gibt in diesem Bereich auch keine ganz genau festsetzbare Gren- 
ze, doch kann man unter bestimmten Umständen für eine Minimal- 
entfernung dieser Art etwa 25 km ansetzen, für die Maximal- 
entfernung dieser Art etwas weniger als etwa 80 km (eine mittlere 
Entfernung, die in drei langsamen Tagestouren unter mittelschwe- 
ren Umständen erreichbar ist). 

Da diese Art der Entfernung in der späteren Gelehrtenzeit nicht 
allgemein als das Reisegebet erlaubend angesehen wurde, wird in den 
meisten späteren Rechtswerken diese Art der Entfernung ganz aus- 
gelassen. 

3. Eine Entfernung, die so beträchtlich ist, daß hier in absoluter Über- 
einstimmung von einer Reise gesprochen werden kann. 
Eine Entfernung von mindestens drei Tagesreisen (nach manchen 
Schulmeinungen etwa 80 km, nach anderen etwa 100 km, nach den 
strengsten etwa 1 20 km) wird als Mindestentfernung für eine Reise- 
distanz, die das Reisegebet erlaubt macht, allgemein anerkannt. Für 
diese Art der Entfernung gibt es logischerweise keine feste Obergren- 
ze räumlicher Art. 

Zusammenfassend lassen sich aber folgende allgemein anerkannte 
Grundsätze erkennen: 

1 . Man muß auf der „Reise" den eigenen bzw. den als vertraut bekann- 
ten Lebensraum verlassen. 

2. Wenn es sich bei der Reiseentfernung um die mittlere Art handelt, 
muß sich eine praktische Notwendigkeit ergeben, das Reisegebet zu 
verrichten. Wenn aber nach bestem Wissen und Gewissen diese „Rei- 
se" in eine einzige Gebetszeit fällt und zudem jederzeit unterwegs das 
betreffende Gebet ohne Erschwernis verrichtet werden kann, so muß 
man zwingend vom Reisegebet Abstand nehmen, darf es hier nicht 
als „Reisegebet" verrichten. 

3. Wenn die Entfernung die allgemein als Reisedistanz anerkannte ist, 
so ist es unerheblich, ob die betreffende Reise voraussichtlich ange- 
nehm wird oder nicht, mit Hindernissen behaftet sein wird oder nicht: 
die Entfernung selbst ist hier ausschlaggebend, nichts anderes. 

4. Wenn das Reisegebet möglich ist, sollte es auch verrichtet werden, 
weil es eine gestattete Erleichterung Gottes für die Menschen ist. Man 
kann hier durch Unterlassen der Erleichterungen des Reisegebet vor 
Gott nicht mehr Lohn bekommen, als wenn man das Reisegebet ver- 
richtet. 



43^ HANDBUCH ISLAM 

DAS KÜRZEN (QASR) 

Das Kürzen der Anzahl der Rak'ät bei Vier-ifo/Zö-Gebeten ist in Über- 
einstimmung der Madhähib eine Erleichterung des Reisegebets. Dabei 
werden die vier Rak ( a des %uhr-, Asr- und Tjää '-Gebetes auf zwei Rak'a 
gekürzt, wobei diese zwei Rak'a wie das Subh-Gebet verrichtet werden: 
mit einem einzigen Sitzen (Julüs) und Tashahhud. 

Nicht gekürzt werden dabei das Subh- und das Maghrib- Gebet. 

Das Kürzen ( Qasr) eines dieser drei Fard-Gebete ist erst dann erlaubt, 
wenn man den eigenen 'Umrän (das heißt den eigenen Lebensbereich 290 ) 
bereits verlassen hat. Das heißt, selbst wenn man zu einer sehr langen 
Reise aufbricht, aber noch innerhalb seines „ 'Umrän" ist, darf man noch 
nicht kürzen, sondern muß so lange warten, bis man den 'Umrän verlas- 
sen hat. 

§ n6 

DAS VERBINDEN (jAM*) 

Allgemein 

Abgesehen von der Hanafiya-yi einung - die hier nicht betrachtet wer- 
den soll, weil nach der Hanaßyaja. das echte Jam ' ohnehin unzulässig ist 
- gilt, daß das Verbinden grundsätzlich bei einer Reise ein „tatsächli- 
ches Verbinden" (Jam ( haqiqi) ist. 291 

Dabei wird derart verbunden, daß das %uhr- mit dem ^r-Gebet und 
das Maghrib- mit dem 'Ishä'-Gebet zusammen gebetet wird, ohne daß 
dabei eine Unterbrechung zwischen den jeweils zwei Gebeten eintritt. 

Es ist - unter jeweils bestimmten Umständen - möglich, die so ver- 
bundenen zwei Gebete innerhalb der gesamten Gebetszeit beider Gebe- 
te zu verrichten, das heißt, man kann das %uhr und Asr sowohl beide in 
der ^Ar-Zeit als auch in der Asr-Zeit verrichten. 

Werden beide in Jörn "verbundenen Gebete in der Zeit des ersten Ge- 
bets verrichtet, so spricht man von einem „Verbinden mit (zeitlichem) 
Vorziehen" (Jam c taqdim), betet man beide Gebete in der Zeit des zwei- 
ten Gebets, spricht man von einem „Verbinden mit (zeitlichem) Verzö- 
gern" (Jam c ta'khir). 

Bezüglich der Näfila-Rätiba-Gebete bei iwfZ-Gebeten, die in Jam ' ver- 
bunden werden, gilt, daß alle vorherigen im Zweifelsfall vor das erste 



BUCH ÜBER DAS GEBET 439 

beider Fard-Gebete kommen müssen, die nachherigen Nawäfil beider 
i<W-Gebete müssen entsprechend nach dem letzten Fard-Qzbtt verrich- 
tet werden. 

Bedingungen zum „ Verbinden mit 
[zeitlichem) Vorziehen " (Jam c taqdim) 

Wenn man eine Reise beabsichtigt und auch beabsichtigt, das Reise- 
gebet mit „Verbinden mit (zeitlichem) Vorziehen" (J am ' taqdim) zu ver- 
richten, muß der Reisende folgende Bedingungen beachten: 
i . Er muß nach bestem Wissen und Gewissen wissen, daß die Reise sich 

voraussichtlich über mehr als die betreffende erste Gebetszeit erstrek- 

ken wird. 

2. Er verrichtet so früh wie im Rahmen der Reisebedingungen mög- 
lich, auf jeden Fall aber erst nach Verlassen des 'Umrän, beide Gebete 
innerhalb der Zeit des ersten Gebets, wobei er zuerst das erste, dann 
das zweite Gebet verrichten muß. Dabei darf kein zeitlicher Abstand 
zwischen den beiden Gebeten eintreten; nur die Iqäma darf dazwi- 
schentreten (nach manchen Meinungen sollte auch die Iqäma in die- 
sem Falle weggelassen werden). 

3. Wenn er die Absicht des Jam ' taqdim faßt, aber die Reise beendet ist, 
noch bevor die erste Gebetszeit beendet ist und bevor er noch gebetet 
hat, muß er das betreffende erste Gebet innerhalb der normalen Zeit 
- wie ja dann auch möglich - verrichten und darf nicht mehr verbin- 
den. Hat er hingegen bereits beide Gebete in Jam' taqdim verrichtet, ist 
aber noch innerhalb der ersten Gebetszeit wieder zurückgekehrt und 
die Reise beendet, so gilt das erste, aber er muß das zweite nochmals 
innerhalb der betreffenden Zeit beten. 

Bedingungen zum „ Verbinden 
mit [zeitlichem) Verzögern" (Jam' ta'khir) 

Wenn man eine Reise beabsichtigt mit dem Vorsatz, das Reisegebet 
durch „Verbinden mit (zeitlichem) Verzögern" (Jam 1 ta'khir) zu verrich- 
ten, gilt: 

1 . Die Reise muß aller Voraussicht nach länger andauern als die erste 
Gebetszeit. 

2. Der Reisende wartet in diesem Fall, bis die erste Gebetszeit bereits 
verstrichen ist; dann verrichtet er innerhalb der zweiten Gebetszeit 
beide Gebete ohne Trennung dazwischen (wie oben schon dargestellt). 

3. Sollte wider Erwarten die Reise beendet sein, nachdem die erste 
Gebetszeit schon verstrichen ist, bevor aber der Reisende noch gebe- 
tet hatte, so muß er (ohne daß das hier als Unterlassungssünde gilt) 
das erste Gebet in Qadä'-Form nachholen und das zweite in gewohn- 



44° HANDBUCH ISLAM 

ter Weise verrichten, darf die beiden Gebete also nicht mehr mit der 
Absicht des Reisegebets verrichten. 



§ 117 

WENN EIN REISENDER (MUSÄFIR) IMÄM EINES 
NICHT-REISENDEN (MUQIM) IST UND UMGEKEHRT 

Wenn ein Reisender (Musäfir) 
Imäm eines Nichtreisenden [Muqim) ist 

In diesem Fall gilt: 

Der Reisende - auch als Imäm — kürzt und verbindet, sofern er das 
Verbinden als für ihn korrekt erachtet. 

Der Reisende [Musäfir) muß als Imäm dem Nichtreisenden [Muqim) als 
dem Nachbeter klar vor dem Gebet sagen, daß er selbst Reisender ist. 
In diesem Fall muß nämlich der Nichtreisende (der Ma'müm) nach dem 
(gekürzten) i*W-Gebet des Reisenden (des Imäm) - das heißt nach dem 
ersten Saläm des Musäßr-Imäm - aufstehen und die restlichen zwei Rak'a, 
die der Imämyz. nicht verrichtete, allein beten und so das Gebet für sich 
- als Muqim - vervollständigen. 

Wenn mehrere Reisende unter den Nachbetern anwesend sind, gilt: 

Verbinden die Reisenden zwei Gebete innerhalb der ersten Gebets- 
zeit (Jam' taqdim), sollen sie in den ersten Reihen stehen, damit die Nicht- 
reisenden an ihrem Platz stehend das Gebet vervollständigen können, 
während die Reisenden sich zum zweiten Gebet aufstellen und die 
Reihen so auch geschlossen halten können. 

Verbinden die Reisenden zwei Gebete innerhalb der zweiten Gebets- 
zeit (Jam i ta } khir) y so bilden die Reisenden zunächst eine eigene Gruppe 
von Betenden und verrichten das erste Gebet (das ja von den Nicht- 
reisenden in diesem Moment nicht verrichtet wird). Dann - beim zwei- 
ten Gebet - schließen sich die Nichtreisenden mit der ersten Gruppe zu 
einer gemeinsamen Gruppe zusammen und verrichten mit ihnen das 
zweite Gebet. In diesem Fall ist es unerheblich, wo Reisende und Nicht- 
reisende in welchen Gebetsreihen stehen, weil — anders als im ersten 
Fall — keine neuen, geschlossenen Gebetsreihen durch die Reisenden 
gebildet werden müssen und die Nichtreisenden - einzeln - die restli- 
chen ihnen obliegenden Rak'a zusätzlich verrichten können. 

Falls sich jedoch Probleme ergeben, weil Reisende und Nichtreisende 
sich nicht über das praktische Vorgehen einigen können (gerade wenn 
sie das praktische Vorgehen nicht gewohnt sind, kann das leicht ge- 



BUCH ÜBER DAS GEBET 44 1 

schehen), so sollten die Reisenden gegebenenfalls als einzelne Gruppe 
beten. 



Wenn ein Nichtr eis ender (Muqim) 
Imäm eines Reisenden (Musäfir) ist 

Wenn ein Nichtreisender (Muqim) Imäm eines Reisenden (Musäfir) ist, 

gilt: 

In diesem Fall darf der Reisende als Nachbeter wohl verbinden, nicht 
aber kürzen: er muß also gegebenenfalls alle vier Rak'a - wie im Nor- 
malfall - mitbeten. 

Sind mehrere Reisende in der Gesamtgruppe der Betenden anwesend, so gilt: 

Wenn die Reisenden verbinden und innerhalb der ersten Gebetszeit 
sind, so sollen sie sich so stellen, daß sie - ohne die Nichtreisenden zu 
stören - nach dem Ende des ersten Gebets (das sie hinter dem Muqim- 
Imäm verrichteten) getrennt von den Nichtreisenden eine eigene Gebets- 
gruppe bilden können, mit korrekten Gebetsreihen, wobei ein Reisen- 
der ihnen beim zweiten Gebet vorbetet und dieses zweite Gebet auch 
gekürzt gebetet wird. 

Wenn sie aber innerhalb der zweiten Gebetszeit verbinden, so verichten 
sie zunächst als eigene Gruppe das erste Gebet (mit Kürzen, beim %uhr- 
Gebet) und schließen sich mit den Nichtreisenden im direkten Anschluß 
daran zur Verrichtung des zweiten Gebets zusammen (dieses zweite 
Gebet - hinter einem Muqlm-Imäm — darf dabei nicht gekürzt werden). 

Sollten sich dabei aber praktische Probleme ergeben - etwa, daß die 
Nichtreisenden nicht abwarten wollen, bis die Reisenden das erste Ge- 
bet verrichtet haben, sei es, daß sie zwar warten, aber - durch JVäfila- 
Gebete usw. - eine deutliche Trennung zwischen den beiden Gebeten 
für die Reisenden zu entstehen droht, sollen die Reisenden für sich das 
Reisegebet getrennt verrichten, weil sonst ihr erstes Gebet ja ungültig 
würde. 

Eine weitere Möglichkeit besteht wiederum darin, daß innerhalb der 
zweiten Gebetszeit sich die Reisenden mit der Absicht, das erste Gebet 
in Jam c zu verrichten, sofort dem Muqlm-Imäm anschließen und dann, 
nach Ende dieses Gemeinschaftsgebets, eine weitere Jamä'a von nur 
Reisenden bilden und so das zweite Gebet direkt - ohne Probleme - 
anschließen können (auch in diesem Fall darf kein Reisender beim er- 
sten Gebet kürzen). 



44 2 HANDBUCH ISLAM 

KAPITEL 16 

ÜBER DAS NACHHOLEN (QADÄ') 
EINES VERSÄUMTEN GEBETES (FÄ'ITA) 

§ n8 

ALLGEMEINES 

Nachgeholt werden müssen nur Fard-Gtbete bzw. an bestimmte Zeiten 
gebundene, gelobte Gebete. Das Beten eines Gebetes innerhalb seiner 
zugehörigen Zeit wird „Ada'" genannt, das Nachholen versäumter Ge- 
bete „Qadä* 1 . Versäumte Gebete werden „Fä'ita" genannt (PI.: „Fawä'it"). 

Die Iqäma wird bei Fä ^-Gebeten wünschenswert mit wiederholt, nach 
manchen Gelehrten auch der Adhän des betreffenden Fä'ita-GtbeXes. 

Freiwillige Gebete müssen nicht nachgeholt werden, wenn sie nicht 
in ihrer Zeit verrichtet wurden, und es ist auch nicht möglich, Sunna- 
Gebete, die zeitgebunden sind, nach ihrer Zeit nachzuholen. Als Aus- 
nahme wird hier von vielen Gelehrten das Zwei-ifo^-Gebet von Fajr 
genannt: wenn man dieses Gebet nicht verrichtet hat, so kann man es - 
nach diesen Meinungen - nach Sonnenaufgang nachholen. 

Wenn man jedoch ein sonstiges Fard-Gebet (zum Beispiel Zjihr) ver- 
säumt, so kann man die dazugehörigen Rätiba-Sünna-Gebete nicht mehr 
nachbeten. 

Allgemein gilt: Wenn man ein Fard-Gebet nicht verrichtet hat, so gilt 
als Entschuldigungsgrund Vergessen, Verschlafen, Ohnmacht. Ver- 
säumte Fard-Gtbete müssen so schnell wie möglich — sobald man sich 
bewußt wird, sich erinnert, sie noch nachholen zu müssen (in Qadä') - 
nachholen. In diesem Fall ist keine sonstige Sühnehandlung (Kaffära) 
vonnöten, das Nachholen genügt. 

§ i 19 

WIE VERSÄUMTE GEBETE 
(fawä'it) GENAU NACHGEHOLT WERDEN 

%ur Absicht bei Fawä'it- Gebeten 

Bei Fawä '^-Gebeten muß man in der Absicht mitformulieren, daß es sich 
um ein in Qadä' verrichtetes Gebet handeln soll und um welches genau. 



BUCH ÜBER DAS GEBET 443 

Wenn man mehrere Gebete gleicher Art (zum Beispiel %uhr von ge- 
stern und vorgestern) nachholen muß, so muß nach vielen Gelehrten 
auch das in die Niya miteingebracht sein. 

Nachholen versäumter Reisegebete 

Wenn jemand als Reisender (Musäfir) ein Fard-Gzhtt (gekürzt) auf der 
Reise versäumt hat und es als Nichtreis ender (Muqim) nachholen muß, 
so besteht Uneinigkeit darüber, ob er es mit vier oder zwei Rak'a ver- 
richten